Letteratour's Webseite

Übersetzungen und Letteratour

23
Ju
Unbegrenzte Mäuseolympiade
23.06.2024 19:43

An ein kleines, leichtes Frühstückchen schloss sich nach einer knappen halben Stunde unmittelbar ein ebenso unbedeutendes Mittagessen an. Ein Rest Fischsuppe von gestern, ein Steak mit Pommes Frites, auf die Schnelle gezaubert, das geht immer. Ein Glas Sirup dazu. Ach was, besser noch eines. Im Kühlschrank war noch etwas Tiramisu. So. Das reichte jetzt aber. War ja schon bald wieder Kaffeezeit. Die zelebrierte sie mit einer Schaumrolle, in ihrer Stadt nannte man die auch Schillerlocken. Und vier Löffel Zucker in den Kaffee.

Ehrlich gesagt waren die Tage alle zu kurz. Schon war es Zeit für das Abendessen. Heute wollte sie sich mal nicht lumpen lassen. Fertiges Vitello Tonnato war im Kühlschrank. Das gab es seit Neuestem beim Discounter. Die Sauce enthielt allerdings ein bisschen viel Mayonnaise und zu wenig Thunfisch. Aber zum Glück hatte sie eine kleine Dose Thunfisch da und auch Kapern, denn die fehlten. Sieben Scheiben Weißbrot gehörten unbedingt dazu. Danach öffnete sie eine Dose mit gefüllten Weinblättern, denn zu einer Vorspeise passte nichts besser als eine weitere Vorspeise, wenn auch aus einem anderen Land. Italien, Griechenland, macht doch fast gar nichts, so weit sind die ja nicht auseinander! Die Weinblätterrollen schmeckten besser mit etwas griechischem Joghurt mit Salz. Man konnte sich ja noch ein bisschen Salatgurke hineinschneiden. So, perfekt. Alles meins, freute sie sich und verputzte alle sechzehn mit Vergnügen. Mit einem alkoholfreien Radler runterschwappen und zum Nachtisch nochmal den letzten Rest vom Tiramisu.

Nun war es Zeit für ihre Serie. Folgen 3 bis 5 von Staffel 2 sollten es heute sein. Sicherheitshalber nahm sie sich eine Dose gesalzene Cashewnüsse und eine Tüte kandierter Papayastücke aus der Küche mit, nicht dass sie nachher Lust auf irgendwas bekäme und aufstehen müsste. Aufstehen war in der letzten Zeit anstrengend geworden. Am besten, sie stellte sich auch schon mal den speziellen Johannisbrotschnaps bereit. Ach, dieses Stamperl ist doch viel zu klein, ich trinke ohnehin drei oder vier! Also besser gleich den Cognacschwenker nehmen. Wenn der bis oben voll ist, lohnt es sich wenigstens.

Sie verbrachte einen vergnügten Abend bei ihrer Serie. Morgens wachte sie auf der Couch auf. Der Fernseher hatte sich planmäßig von selbst ausgeschaltet.

Ach, was knurrte ihr Magen denn schon so! Nach einem minimalen Badezimmerdurchgang inspizierte sie den Kühlschrankinhalt und wurde fündig. Den Rest Joghurt von gestern, den sie noch nicht gewürzt hatte, füllte sie in eine große Schüssel, briet sich eine Handvoll Pinienkerne und Mandelsplitter in Butter an und streute sie dekorativ über den Joghurt. Allerdings musste sie dann weiter streuen, bis die Pfanne leer war, und der Joghurt ganzflächig bedeckt. Oben drauf noch 3 Esslöffel Honig. Griechischen Frühstücksjoghurt muss man zelebrieren. Genau wie in Griechenland! Kalimera! Nun durfte der Tag beginnen!

Draußen strahlender Sonnenschein! Zum Glück lag der Tisch auf der Terrasse noch im Schatten, und so konnte sie ihren Joghurt, zwei Bananen und drei Tassen Kaffee mit der üblichen Dosis Zucker schön unter der Markise genießen, ohne ins Schwitzen zu kommen. Schwitzen war ihr ein Gräuel. Was für ein herrlicher Tag! Gerade recht für ein Mittagessen beim Japaner, der etwa zweihundert Meter vom Haus entfernt sein Restaurant eröffnet hatte.

Ungeduldig wartete sie, bis dieser öffnete, und betrat das Lokal als erste, nachdem sie den Wagen vor der Tür geparkt hatte. Dieser Tag und die panierten Sushirollen mit Mayonnaise und Wasabi sollten ihrer Zukunft eine entscheidende Wende verleihen. Denn als sie eben die liebevoll aus einem Radieschen geschnitzte Dekoration verzehrt hatte (niemand hatte sie beobachtet, das war ihr wichtig, denn sie wusste, dass man sowas nicht tat, aber das Radieschen bettelte geradezu „iss mich, iss mich!“), öffnete sich die Tür, und ein elegant gekleideter, sehr gut aussehender Japaner steuerte auf den Tisch neben ihr zu. Höflich grüßte er sie und fragte, ob er diesen Tisch nehmen dürfe. Er wünschte ihr guten Appetit und kam rasch mit ihr ins Gespräch. Kurz darauf saß er bereits an ihrem Tisch und sorgte dafür, dass sie auch die Platte für zwei Personen mal zu kosten bekam, von der er ihr großzügig den Löwenanteil überließ, jedoch alles bezahlte.

Von nun an trafen sie sich täglich in anderen Lokalen, nach Möglichkeit sogar mittags und abends. Herr Sumasen liebte es, ihr beim Essen zuzusehen. Sie aß mit außerordentlichem Elan, jedoch mit hervorragenden Manieren. Sehr zierlich führte sie die Gabel mit der linken Hand zum Mund und tupfte sich vorsichtig nach jedem zweiten Bissen den Mund ab. Sie genoss das Essen derart, dass es in ihm sinnliche Gefühle weckte, ihren kauendem Mund, ihre sehnsüchtigen Gebärden und ihre genussvoll verschleierten Augen zu beobachten, und niemals fiel ihr ein Bissen von der Gabel.

Herr Sumasen fing kurz danach an, seine verehrte Madame Lukulla, wie er sie nannte, zu Hause zu besuchen. Dort erwies sich, dass er ein begnadeter Koch war. Da er offenbar ausreichend begütert war, um tagelang überhaupt keiner Tätigkeit nachkommen zu müssen, verlagerten sich nach einiger Zeit die meisten ihrer Essorgien in Lukullas Heim. Tatsächlich war es so, dass ihr Verehrer eigentlich herzlich wenig aß, aber mit größter Hingabe zusah, wie sie sich einen Bissen nach dem anderen einverleibte.

Nicht nur das Beobachten ihrer Bewegungen beim Essen und ihr schwelgender Blick erregten ihn ungemein, auch ihre zunehmende Leibesfülle begeisterte ihn. Er träumte Tag und Nacht davon, endlich seine Hände über ihre Kurven gleiten zu lassen, und eines Tages wurde sein Traum wahr. Er hatte sehr höflich, wie es seine Art war, darum gebeten, ob er sie berühren dürfe, und sie gewährte ihm diese Gunst. Als sie sah, mit welchem unbeschreiblichem Vergnügen er sich ihrem Unterarm, ihrem Oberschenkel und ihrer linken Schulter widmete, beschloss sie, ihn beim nächsten Mal selbst zu fragen, ob er nicht wieder dasselbe machen wolle. Zu mehr war an diesem Tag eigentlich keine Zeit mehr, denn ihre Oberfläche war schon ziemlich groß geworden.

Beim nächsten Treffen intensivierte Herr Sumasen, dank der Einladung von Madame Lukulla, seine Bestrebungen deutlich und er erkundete neues, wenn auch etwas unwegsames Terrain, denn es fiel ihr schwer, sich in passende Positionen zu räkeln, so dass er überall hinkam, wo sie seine Finger gerne spüren würde. Da war so viel Fleisch, herrliches weiches, nachgiebiges Fleisch voller Rundungen, Kuhlen, Erhebungen und unverhoffter Vertiefungen, zum Beispiel in der Mitte der Wade gab es eine Einbuchtung, die er sogleich zu seinem Lieblingsplatz erkor. Wer hatte da schon so eine laszive Öffnung unter einem massiven Fleischring!

Am nächsten Tag erwartete sie ihren Liebhaber im Negligé, und von da an gab es gar kein Halten mehr. Sie verbrachten Tag und Nacht im Bett, das glücklicherweise einen stabilen Unterbau hatte. Das Wechseln der Laken und Bezüge übernahm er auch, denn solche Verrenkungen hätten sie zu sehr angestrengt, da wäre sie zu sehr ins Schwitzen geraten, und das gefiel beiden nicht so sehr. Er kam aber gerne zu ihr mit einer Schüssel voller schäumenden warmen Wassers, das er neben dem Bett auf einem Stuhl platzierte und reinigte liebevoll jeden Zentimeter an ihr mit einem weichen Naturschwamm. Dann ölte er sie mit Hamamelisöl mit Rosmarin- und Zitronelladuft ein, an Feiertagen aber musste es Rosenöl mit einer Spur Ylang Ylang sein.

Das Essen brachte er ihr ans Bett, so dass sie das Bett kaum mehr verlassen musste. Für den Toilettengang hatte er ihr eine Sonderanfertigung eines Bettstuhles liefern lassen, auf den sie mit ihren etwa dreihundert Kilogramm gut passte. Hierzu bat sie ihn stets, das Zimmer zu verlassen, denn so viel Anstand musste sein. Weiter als bis zu diesem etwa armlang vom Bett entfernten Stuhl mit luftdicht schließendem Deckel konnte sie sich allerdings nicht mehr bewegen, sie war definitiv ein bisschen sehr mollig geworden, fand sie. Aber er versicherte ihr am liebsten täglich, dass jedes Pfund an ihr so wunderschön sein und bedeckte sie von oben bis unten und wieder zurück mit Küssen, während er ihr kulinarische Köstlichkeiten kredenzte.

Sie blieben immer sehr respektvoll miteinander, behandelten sich, als wäre es die größte Ehre, den anderen neben sich sitzen oder liegen zu haben, und das Wagemutigste, was je aus Madame Lukullas Mund kam, war „weißt du, ich habe dich eigentlich zum Fressen gern!“, woraufhin er mit noch viel mehr Gefühl in ihren Kurven wühlte.

Er hatte sie ästhetisch mittig auf dem Bett drapiert, und oftmals umlegte er sie mit Blumen. Auch liebte er es, Fotografien von ihr in allen möglichen Positionen anzufertigen, die allesamt erotisch wirkten, aber niemals die Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Erstaunlicherweise wurden sie der gemeinsamen Bettunternehmungen nie müde, wenn diese auch aufgrund ihres Umfangs unter erschwerten Bedingungen stattfanden und sie sich damit begnügte, den passiv empfangenden Part zu spielen. Sie fühlte sich jederzeit geliebt und verehrt.

Wenn es ihnen wirklich mal zu viel wurde, flackerte die geliebte Serie wie ein guter alter Freund über den Beamer auf der Leinwand vor dem Bett, aber tatsächlich waren sie in all der langen Zeit nur bis Staffel 8 gekommen, so sehr genoss sie es, sich ihm hinzugeben, und er, sie mit immer neuen Näschereien zu verwöhnen und auf ihrem Bauch Mäuseolympiade zu spielen oder Rallye Montecarlo zu fahren.

Den Kontakt zu ihren wenigen echten Freunden hatte sie schon längst freiwillig ad acta gelegt, denn sie waren ihrem neuen Hobby mit wenig Verständnis begegnet und hatten sie gewarnt, sich nicht mit einem Exoten einzulassen. Ihre Arbeit hatte sie im Einvernehmen mit Herrn Sumasen bereits im zweiten Monat nach ihrem Kennenlernen gekündigt, und Familie hatte sie schon lange keine mehr. Die Nachbarn glaubten vermutlich, dass das Haus an Herrn Sumasen verkauft worden sei und sie wohl in einer Nacht- und Nebelaktion ausgezogen sei, denn die letzten zwölf Monate hatte niemand sie mehr gesehen.

Um so größer war das Erstaunen, als die Tageszeitung eine liebevolle Todesanzeige mit ihrem Namen und einem Jugendbild von ihr druckte, worunter die Adresse angegeben war, und als einziger Trauernder war da der Name des bekanntesten Sumoringers der neunziger Jahre zu lesen. Frau Lukulla, die eigentlich auch nicht so hieß, hatte er nur sein Pseudonym genannt, und sie hatte ihn ausschließlich unter diesem Namen gekannt und geliebt. Dass er früher einmal auch sagenhaft fleischbepackt gewesen war, hatte sie niemals gesehen, im Gegenteil, er hatte eine gute Figur und einen beweglichen, flinken Körper. Auch war sein Körper nicht von hängenden Hautfalten entstellt, wie man meinen könnte, wenn jemand so viel abgenommen hat.

Madame Lukulla hatte dank ihres Feeders ein Lebendgewicht von 365 kg erreicht, das blieb ihm leicht im Gedächtnis, quasi eines für jeden Tag des Jahres, in dem sie zusammen waren. Er hatte seine Technik perfektioniert, in kürzestmöglicher Zeit ihre erotische Nutzfläche so effektiv wie möglich zu vergrößern. Das waren dieselben Zahlen wie diejenigen, die der schwerste Mensch der Welt auf die Waage gebracht hatte. Allerdings hatte der Madame Lukulla noch weit übertroffen, 635 kg waren es bei ihm. Leider hatte ihr Herz zu früh versagt. An diesem Punkt hätte er noch arbeiten müssen.

Herr Sumasen trauerte der Liebe seinen Lebens nicht lange nach. Kaum war das Testament eröffnet und er wie erwartet als Alleinerbe genannt, zog er in eine andere Stadt, und auch dort fand er rasch eine einsame Frau, die gerne den leiblichen Genüssen zusprach. Sie aß zwar nicht ganz so ordentlich und aufreizend wie Madame Lukulla, aber auch hier ließ sich sicherlich etwas machen. Er wusste ja inzwischen wirklich bestens, wie es ging. Madame Lukulla war bereits der fünfte Beweis für seine hervorragende Versorgung.

Allerdings fand er nie wieder eine Dame, die in gleicher Weise vor Lust erbebte wie sie, was ihren wundervollen Körper in so wonnige Wallungen versetzte, dass man gar nicht mehr wegschauen konnte. Für dieses Zittern ihres schneeweißen herrlichen Fleisches hatte er in diesem wunderbaren Jahr alles gegeben. Aber mit Lukulla der sechsten ließen sich dafür sicherlich andere Gipfel der Lust erklimmen. Er würde sich schon etwas einfallen lassen.

 

© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.

 

Gunst kommt von Gönnen
Rigolettas Flussfahrt

Kommentare


Kostenlose Homepage von Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!