Sakrileg
Mittwoch, 22. April 2009
Heute kann ich das hier hineinschreiben, was mich seit Sonntag ganz besonders bedrückt, abgesehen von meinem PC-Problem! Eine amüsante Geschichte kann ich leider derzeit noch nicht draus machen, vielleicht in einem Jahr.
Ihr erinnert Euch, morgen habe ich ein Vorstellungsgespräch. Da der Chef Italiener ist und ich gerne einen guten Eindruck machen wollte, mein Italienisch aber schon ziemlich eingerostet ist, hat eine Freundin mir freundlicherweise leihweise ein Buch geschickt, mit der Bitte, auf dieses Buch ganz besonders gut aufzupassen „wegen der Widmung“.
Das Buch kam schon mal nicht an dem Morgen an, als ich es erwartet hatte, um es am Wochenende zu beginnen. Ich war frustriert, und die Freundin auch, aber – hurra! - am Abend wurde es per Paketpost geliefert! Als ich das Buch aufgeblättert habe, war meine erste Reaktion, dass ICH so ein Buch überhaupt niemals verliehen hätte, denn es ist die Erstausgabe und vorne drin auf den ersten 3 Seiten ist die wundervollste Widmung, die ich je in meinem Leben gelesen habe, (von ihren Freundinnen). Ich habe mir vorgenommen, auf dieses Buch aufzupassen, als wäre es mein eigenes Kind!
Ich habe also fleißig gelesen. Am Abend kamen die Kinder vom Papatag zurück, und L. war nach kurzer Zeit furchtbar gelaunt. Er hat sich eingebildet, jemand habe ihm einen 10-Euro-Schein gestohlen. Und mich hat er verdächtigt – „Mütter stehlen ihren Kindern ja immer Geld“, das hielt er für normal. Er hat ein Riesentheater gemacht, im Laufe dessen er seine chinesischen Glücksmünzen in zig Stücke zerschlagen hat, weil er sowieso nie Glück im Leben hat, und hat dann versucht, mit seiner neuen 5-kg-Hantel den Glastisch im Wohnzimmer zu zerschlagen. Zum Glück war ich stärker und habe die Hantel wegnehmen und verstecken können. Daraufhin war er im Gang und fand dort einen Brief von McDonalds an ihn, den ich ihm nicht gegeben hatte, weil er momentan McDonalds-Verbot hat (er hatte beim letzten Wutanfall einen Burger im Wohnzimmer auf den Teppich und an den Schrank geschmiert), und diese Briefe vom Börgerbrater enthalten stets Gutscheine, mit denen er bei Verbot ja eh nichts anfangen kann.
Diesen Brief hat er in 1000 Stücke zerfetzt und war noch wütender als zuvor. Seine Wut war kaum mehr zu stoppen, also zogen R. und ich es vor, ihn nicht weiter zu beachten und haben einfach etwas anderes gemacht.
Inzwischen setzte sich der Knabe an meinen PC und wollte in sein Forum, aber ich habe ihm ein Ultimatum von 3 Minuten gestellt, dass er da verschwindet und außerdem seine McDonalds-Schnipsel aufräumt und bin in die Küche gegangen. Als ich nach 3 Minuten aus der Küche kam, hatte sich L. im Badezimmer eingeschlossen und die Schnipsel waren erstaunlicherweise im Papierkorb gelandet.
Später, als er im Bett war, nahm ich mir das italienische Buch wieder vor, das auf meinem Schreibtisch auf mich wartete. Erst fand ich schon mal das Lesezeichen nicht mehr, das ich hineingelegt hatte, und blätterte also, als das Buch von selbst an einer Stelle aufklappte. Und was sah ich da: 1) das war genau da, bis wohin ich gelesen hatte. Und 2) ein Blatt war herausgerissen!!! Ein ca. 1 cm breites Endstück von dem Blatt (1. Blatt des 4. Kapitels) war noch im Buch, der Rest: weg! Eine Katastrophe! Ausgerechnet dieses Buch! So viele Bücher habe ich, aber nein, genau das Buch mit der unglaublichen Widmung muss es sein, das ich auf diese Art nie wieder beschaffen kann. Ich habe erst einmal überall in meinem Arbeitszimmer gesucht, dann in den Abfalleimern, dann bin ich quasi mit Schaum vor dem Mund zu L. und habe ihn geweckt.
Nein, er war das nicht. Ich habe ihn aus dem Bett geholt und ein sehr ernstes Gespräch mit ihm geführt. Da er leugnete, habe ich mich immer mehr aufgeregt. Schließlichhat er zugegeben, dass er das getan hat. Aber die gemeinsame Suche ergab nichts. Bis um 2 Uhr nachts habe ich gesucht. L. sagte, er wisse nicht, wo er das Blatt hingetan hätte.
Irgendwann sagte er dann, er habe es auf den Wohnzimmertisch gelegt. Die ganzen Sachen auf dem Wohnzimmertisch haben wir 5 mal durchgeblättert, auch in alle Hefte innen hineingeschaut. Unter dem Tisch, neben dem Tisch, unter dem Sofa, unter dem Sessel, auf dem Esszimmertisch, unter dem Tisch, neben dem Tisch, hinter den Möbeln im Wohnzimmer…
Ich war kurz davor auszurasten. Den 10-Euro-Schein fand L. übrigens am nächsten Morgen auf der Fensterbank.
Am Montag habe ich die komplette Wohnung umgekrempelt. L. beharrte auf seiner Aussage, er habe das Blatt auf den Wohnzimmertisch gelegt.
R. hat es nicht genommen, keiner hat es gesehen.
Auch am Dienstag haben wir zu dritt wieder stundenlang gesucht, was natürlich lächerlich ist, denn L. muss ja wohl wissen, wo es ist. Der Vater hat L. gestern ein Ultimatum gestellt, wenn das Blatt bis heute nicht wieder da ist, gibt es Fernseh- und Medienverbot auf unbefristete Zeit, bis es wieder auftaucht, und L. muss seine gesamten Ersparnisse dem Vater übergeben zum Verwahren.
Die Tatsache, dass L. nach diesem Gespräch nicht mal gesucht hat, und das Blatt nicht plötzlich zufällig irgendwo ganz augenscheinlich herumlag, zeigt mir, dass L. es wahrscheinlich zerrissen und im Klo heruntergespült hat. Außer, dass er es aufgegessen haben könnte, fällt mir sonst nichts Dümmeres mehr ein.
Ich habe sogar draußen in den Mülltonnen nachgestöbert und in den Papiertonnen. Sogar im Biomüll. In der Wohnung habe ich auch nochmal alle Abfalleimer ausgeleert. Kein noch so kleiner Schnipsel des Blattes ist auffindbar. (Auch nicht bei den McDonalds-Schnipseln).
Ich habe den italienischen Verlag angemailt und die Situation geschildert (tolle Übung für mein Italienisch…), ob sie mir eine Kopie machen können, oder besser das betreffende Blatt auf Originalpapier schicken können, ich zahle das natürlich. Dann würde ich versuchen, ob ein Buchbinder die Seite in das Buch einbinden kann. Ich habe bislang keine Antwort erhalten.
Gestern abend habe ich mich dann endlich getraut, es der Besitzerin zu beichten, mit diesem bösen Geheimnis konnte ich nicht leben, noch dazu, wenn sie mich im fragt, wie mir das Buch gefällt und wie weit ich bin – ich hab mich so geschämt. Ich habe also beschlossen, sie anzurufen, und wir haben über eine Stunde telefoniert. Sie hat sich nicht so schlimm aufgeregt wie ich, mit den Zähnen geknirscht hat sie, glaube ich, schon, aber sie ist der Ansicht, dass man sowieso nichts mehr daran ändern kann. Am Ende hat sie sogar gesagt, nun tue ihr der arme L. direkt leid, dass er jetzt so eine harte Strafe bekommt, ich solle dem Vater doch eine herausgerissene Seite aus einem anderen italienischen Buch zeigen, damit er keine Strafe bekommt.
Nein, ich werde L. nicht sagen, dass sie so liebenswürdig war. Sonst ist in Zukunft nie mehr ein Buch vor seiner Zerstörungswut sicher.
Für jemanden, dem Bücher egal sind, eine unverständliche Geschichte. Für mich jedenfalls ein Sakrileg.
Das Buch liegt nun oben auf dem Schuhschrank in 2,30 m Höhe, wenn ich nicht drin lese. Und ich habe beschlossen, mir nie wieder von irgendjemandem ein Buch auszuleihen. Ist sicher besser so. Sonst passe ich auf das Buch womöglich nochmal so gut auf wie auf mein eigenes Kind.
Flohmarkttiraden
Samstag, 18. April 2009
Heute morgen war es ja grau und nieselig hier, dann klarte es auf, und ich beschloss so gegen 11 Uhr, doch noch zum Riesenflohmarkt auf der Theresienwiese zu fahren. Kauf waren wir dort, fing es natürlich an zu regnen, alles wurde mit Plastikfolien abgedeckt, viele packten in Panik ihre Sachen ein. Schlauerweise hatte ich die Schirme im Auto gelassen und auch ganz weit vom Flohmarkt entfernt auf dem Gelände parken müssen, dankbar dafür, dass ich für meine 5 Euro Parkgebühr überhaupt Einlass fand. Aber der Regen dauerte nicht so lange, dann wurde es wieder richtig schön, sogar zu warm für die Jacke. Und wir waren dann insgesamt über 6 Stunden am Flohmarkt. Fünfmal haben L. und ich die Schätze zum Auto geschleppt. Nun kann ich kaum mehr hatschen, mir tut alles weh! Und die Arme sind viel länger als sonst. Aber wir haben tolle Schnäppchen gemacht!
Höret und staunet: Ich habe kein einziges Buch gekauft! Aber trotzdem hab ich jetzt schon wieder einen neuen Stapel. Bücher ist immer das, was anscheinend keinen Menschen interessiert, und am längsten liegenbleibt, während sich die Geier um alle möglichen anderen Sachen raufen, insbesondere Geschirr und Glasartikel, warum ausgerechnet das? Naja, weiß halt der Geier. Wisst Ihr, meine Lieben, dass wir Bücherleser eine aussterbende Spezies sind?
Ein supertolles Spiel hab ich gefunden, ein Halmaspiel mit handgemachten Figuren, riesengroßer Karton, bald so groß wie Carrom. Man kann die Figuren nachbestellen, falls sie zerbrechen und zwar gegen "6x 1 DM in Briefmarken". Ist also nicht grade neu, aber war noch OVP. Und es ist echt schön. Als Spielfiguren hat es 15 Mäuse, 15 Katzen, 15 Stück Käse. Jetzt muss ich bloß noch jemanden finden, der mit mir spielt! L. fand das Spiel langweilig. Wir haben die Anleitung auch noch nicht durchschaut, hatten das noch nie gespielt und wahrscheinlich irgendwas verkehrt gemacht.
2 CD-Ständer hab ich noch gekauft, die sehen aus wie ca. 1 m hohe Lautsprecherboxen (lang und dünn und schwarz, vorne geschlossen), zusammen für 1 Euro.
Im übrigen wurden allenthalten Drucker weggeschmissen, die am Stand nicht verkauft worden waren, ich hätte sicher sechs oder sieben Stück mitnehmen können. Aber jetzt hab ich ja schon zwei. Außerdem weiß man da nicht, ob sie sowieso defekt waren oder noch funktionstüchtig. Zwei Scanner wurden auch stehengelassen. Hat mir natürlich in der Seele wehgetan. Ach ja, auch viele tolle Bücher haben mir arg leid getan, ein großes Lexikon in rotem Leder in 26 Bänden, einfach in den Dreck gekippt. Bildbände, einfach am Boden auf den Steinen liegend, die Leute liefen drüber. Bilderrahmen mit Glas, die Idioten steigen einfach drauf, alles voll Scherben. Weil jemand einen Karton mit Babywäsche hingestellt hat, mussten die Bilderrahmen dran glauben. Naja, first things first... Ich glaube kaum, dass die Leute, die da zulangen, die Sachen wirklich selber benötigen. Die verkaufen sie bestimmt alle. Eine Frau riss L. ein Kaleidoskop einfach aus der Hand und verschwand damit.
Einen Riesen-Gerbilkäfig sahen wir gleich zu Anfang an einem der ersten Stände, als der Kauftrubel noch in vollem Gang war. Als ich noch von 15 Euro auf 12 runterhandeln wollte, kam jemand und kaufte ihn mir vor der Nase für 15 Euro weg, heul...
Dasselbe passierte mir mit einer tollen Jungshose, ich hatte auf 2 Euro gehandelt und kramte in meinem Kleingeld, da kam eine Frau und hielt der Verkäuferin 5 Euro hin und nahm die Hose mit!
Als dann L. auch noch dasselbe passierte mit einem Spiel, das er sich ausgekuckt hatte, war er sowas von sauer... Das waren die ersten 3 Sachen, die wir haben wollten. Zum Trost habe ich mir einen I-Ah aus Keramik gekauft und weiß jetzt nicht, wohin.
Zwischendrin waren wir noch auf dem Frühlingsfest, das auch auf der Theresienwiese stattfindet. Eine Pizza haben wir gegessen, weil wir schon ganz entkräftet waren, und das gesparte Geld blieb leider nicht in meiner Tasche dank L.s Überredungskunst: er durfte Luftballons werfen, Lose ziehen, Enten angeln, mit einer 12-Schuss-Kanone in Mulden mit Zahlen schießen (die üblichen Kinkerlitzchengewinne) und Kettenkarussel fahren. Dort konnte ich schon fast nicht mehr stehen vor Schmerzen im Fuß, da ich meinte, mit Turnschuhen wäre ich auf dem steinigen Untergrund des Oktoberfestgeländes besser bedient als mit meinen normalen Tretern. Nur hatte ich ausgeblendet, dass ich diese Schuhe seit ca. 2 Jahren nicht mehr angehabt hatte.
Zu Hause ist inzwischen auch einer fußkrank - R. hat sich möglicherweise einen oder 2 Zehen gebrochen. Sieht so aus, und er jammert auch entsprechend. Er hat anscheinend vor seiner Spiegelschrankwand einen Rundumkick zum Deaktivieren seiner "Gegner" geübt, und da war die Leiter zur oberen Etage des Stockbetts dazwischen. Er hat mich aber nicht angerufen, während wir weg waren. Tapferer Junge. Er hat es mir erst heute nacht gesagt.
Was außerdem wenig erfreulich war heute: mein PC-Problem besteht auch nach dem Heimkommen weiter. Nach jeder Systemrücksetzung (inzwischen die 4. innerhalb von 3 Tagen) kommen automatisch die Updates rein. Patch Day. Ich glaube, es ist das Vista-SP1-Update, das bewirkt, dass Internet und Mail nicht mehr gehen (Socketfehler). Wenn ich jedoch die Option eingebe, dass ich keine Updates haben will, wird diese Änderung bei der Systemrücksetzung ebenfalls mit zurückgesetzt, und schon kommen die Updates wieder rein. Während des Ankommens dieser Daten auf "will keine Updates" zu stellen, bewirkt gar nichts mehr, inzwischen werden die Dateien schon installiert. Morgen muss ich mal versuchen, direkt nach der Systemrücksetzung offline zu bleiben. Für heute habe ich echt keine Lust mehr. Habe jedes einzelne von ca. 20 Updates deinstalliert und den PC wieder gestartet in der Hoffnung, dass dieses spezielle Hotfix die Internetverbindung blockiert, nix, keine Connection, Socketfehler. Nur das Sp1 ließ sich nicht mal deinstallieren. Das geht nur mit der Systemrücksetzung. Im Internet habe ich leider noch keine richtige Hilfe dazu gefunden. Die haben bestimmt momentan auch alle keinen Internetzugang mehr...
Nouruz - iranisches Intermezzo
Mittwoch, 18. März 2009
Am 20.3. um 12:44 Uhr (das geht immer ganz genau) ist persisches Neujahr (Nouruz), habs dieses Jahr total vertrödelt! Ich muss mich jetzt dringend um die Vorbereitungen kümmern - einen "Haft-Sin-Tisch" aufstellen, auf dem ein vorgegebenes Sammelsurium an 7 (haft) Dingen mit dem persischen Anfangsbuchstaben Sin (S) aufgebaut werden muss. Leider habe ich vergessen, Sabzi (gekeimte Linsen) anzuzüchten! Ich denke, ich werde stattdessen einen schönen großen Schnittlauchtopf besorgen, oder Katzengras. Darum kommt dann eine Schleife.
Dann brauchen wir noch einen Goldfisch. Nach seiner Gefangenschaft wird er im Schulteich ausgesetzt (außer jemand von Euch will ihn abholen). Da sind auch die Fische der letzten Jahre gelandet.
Die anderen Zutaten wären: Kleingeld (blitzblank) (Sekkeh), Essig (Serkeh), Knoblauch (Sir), Sumak-Gewürz, Mehlbeeren (Sendschet), eine Hyazinthe (Sombol), Äpfel (sib), Samanu - eine Paste aus vergorenem Weizen. Es besteht eine Auswahlmöglichkeit, so dass 7 davon aufgestellt werden (kann aber auch mehr sein).
Außerdem ein Osterei auf einem Spiegel. Auf den Tisch gehört ferner eine Sure aus dem Koran (oder zumindest ein anderes heiliges Buch).
Und für das Tischlein (handgeschnitzte Tischbeine zum Ausklappen und ein riesiger runder ziselierter Messingteller) brauchen wir noch einen Platz. Aber das Tischlein ist auf dem Speicher und muss erst noch runtergebracht und gereinigt werden.
Das Kleingeld dürfen sich die Kinder nach Ablauf des Festes teilen, das ist für sie natürlich das Tollste. Zu Nouruz wird den Kindern immer Geld geschenkt.
Am 20. muss jeder ein neues Kleidungsstück haben. Außerdem sollte die Wohnung picobello frühjahrsgeputzt sein. (Das werde ich mir sparen. Am 21. kommt die Putzhilfe.) Die Iranerinnen waschen vorher tagelang die Wände mit Wasser ab und säubern jeden Zentimeter in der Wohnung und im Hof perfekt. Aber die haben auch viel weniger herumstehen als wir. Meist einen Teppich zum Draufsitzen, ein paar Kissen entlang der Wand, häufig keine Tische, keine Stühle, keine Bettgestelle. Dies ist nicht unbedingt ein Zeichen von Armut, sondern der Ausdruck einer anderen Lebensweise. Zum Schlafen verwendet man einen Toschak, das ist eine zusammenlegbare Matratze, gefüllt mit Heu, Wolle und Naturmaterialien. Tagsüber werden die aufeinander gestapelt und ein Tuch drüber gelegt. Braucht nicht viel Platz. Ist immer ordentlich. Der Toschak duftet so stark, dass man beim Bettenmachen von dem Heugeruch fast überwältigt wird und wiederum in Morpheus Arme sinkt. Unseren Toschak haben wir nach langen Jahren dann entsorgt. Das tut mir inzwischen leid. Der Import war schon so schwierig, da das ganze auch sehr schwer ist, über 50 kg hatte unser handgefertigter Doppeltoschak.
Das Neujahrsfest beginnt mit dem Tschahar-Schanbe-Suri, dem letzten Mittwoch davor (= heute), an dem normalerweise eine Feier ist, bei der jeder über ein reinigendes Feuer springt und ihm alles Üble überantwortet. Das haben wir aber aus Mangel an Gelegenheit entsprechender Festivitäten in Deutschland noch nie gemacht.
Es dauert 12 Tage, während derer im Iran alle öffentlichen Gebäude und zum großen Teil leider auch der Bazar geschlossen sind. Man besucht sich gegenseitig, und zwar so, dass die Ältesten zuerst besucht werden. Stündlich kommen im Haus meines Schwiegervaters ca. 10-15 Besucher und gehen nach ca. einer Stunde relativ nichtssagener Unterhaltung wieder. So ist das Haus ununterbrochen voll, für die Frauen bedeutet dies unglaublich viel Arbeit. Zumal den Besuchern jeweils Tee und Süßigkeiten angeboten wird. Danach muss natürlich das Geschirr gewaschen werden. In den Familien, die ich kenne, gibt es keine Spülmaschinen.
Als Frau sitzt man dann mit Tschador oder Kopftuch und knöchellangem Mantel am Boden, um diese Besuche zu absolvieren. Bei manchen Gelegenheiten dürfen die Frauen aber gar nicht ins Zimmer, in dem die Herren der Schöpfung sich niederlassen, nur zum Servieren. Dann sitzen die Frauen in einem anderen Raum beieinander, wenn sie nicht gerade mit Tee einschenken, Teller vorbereiten und abwaschen beschäftigt sind, ziehen oftmals ihre störende Montur bis auf das Kopftuch aus und lachen miteinander wie die Hühner. Ich habe den Eindruck, dass es bei den Frauen wesentlich fröhlicher zugeht als bei den Männern. Dazwischen muss dann natürlich noch das Mittagessen oder das Abendessen vorbereitet werden. Natürlich in extrem großen Mengen, man weiß nämlich nie, wer noch alles kommt und dann womöglich am Abend auch sehr lange bleibt, häufig einfach unangekündigt über Nacht.
Wenn man besucht wurde, muss man auch einen Gegenbesuch innerhalb der 12 Tage machen, so will es der gute Ton. Dies ist aber häufig zeitlich einfach nicht möglich, weil auch 12 Tage sehr kurz sein können bei einer Verwandtenschar von ca. 200 Personen, und dann hat man mit einem ganzen Jahr voller Vorwürfe zu rechnen.
Am 13. Tag machen alle ein Picknick in einem Park. Dazu werden Teppiche mitgebracht und jede Menge Kochtöpfe mit gutem Essen. Wenn jemand vorbeigeht, wird er aufgefordert, am Essen teilzunehmen. Das ist Pflicht. Solche Floskeln nennen sich "Ta'aruf". Es gibt wohl hunderte von Ta'aruf im Persischen, für alle möglichen Gelegenheiten. Wenn man das aber annimmt, ist man unhöflich, ein Na-mard, ein Unmensch, ein Grobian. Es sei denn, die Bitte, zuzugreifen wurde ein 3. mal geäußert, in dem Fall ist sie dann wirklich ernst gemeint. Und für alle diese Floskeln gibt es die entsprechenden "Gegenfloskeln", mit denen man ablehnt. So was wie "Möge Deine Hand nicht schmerzen", "Mögest Du nicht müde sein", "Möge Dein Kopf nicht wehtun", "Die Augen Deines Herzens mögen leuchten", "So Gott will, werde ich auf der Hochzeit Deiner Tochter tanzen", "Es war mir überhaupt keine Mühe", "Nun werden wir für die Abschaffung des Ungemachs sorgen" (=wir gehen jetzt heim).
Eine Einladung zum Essen, die lautet "Ein bißchen Brot und Käse ist vorhanden, den können wir zusammen essen" beinhaltet im allgemeinen, dass die Frauen der Familie mindestens 4 verschiedene exquisite Fleischgerichte auftischen werden.
Hierzu habe ich gerade in einem Buch meiner Kinder auch etwas Nettes gefunden, was uns ganz genauso passiert ist:
Mit dem Taxi am Ziel angekommen. Fahrgast: "Was bin ich Ihnen schuldig?" Fahrer: "Nichts, die Fahrt ist kostenlos." -
"Nein, nein, ich bestehe darauf." - "Aber nein, es war mir ein Vergnügen, Sie zu fahren." -
"Ich bitte Sie, lassen Sie mich bezahlen" - "Sie zerreissen mir das Herz." -
"Haben Sie Mitleid und nehmen Sie mein Geld." - "Wenn es Sie erleichtert, in Ordnung" antwortet nun endlich der Taxifahrer und fordert für die Fahrt viel mehr Geld als eingeplant war.
Im Rahmen dieser 13.-Tag-Feier wird das vorher beschriebene Grünzeug (Sabzi) dann in ein fließendes Wasser geworfen, begleitet mit guten Wünschen.
Dann geht der Alltag wieder los.
Ich bin heilfroh, dass ich nicht mit Neujahrsbesuchern zu rechnen habe! Bisher waren wir immer zum persischen Neujahr im Iran. Und zwar, weil es um die Zeit noch relativ angenehme Temperaturen hat (tags gegen 30, abends gegen 5 Grad) und die Sonne kontinuierlich scheint. Allerdings weht dann dort ein kalter Wind, jedenfalls in Isfahan, wo "unsere Familie" wohnt. Und der bringt jede Menge sehr feinen Sand mit sich, so dass in Nullkommanix Mantel und Schuhe aussehen, als sei man durch die Wüste gewandert.
Der zweite Vorteil ist, dass man eben die ganze Familie zu Gesicht bekommt, die sonst Gottweißwo wohnt, und wo man nie hinkommt. Sie alle haben zum Vater der Familie zu kommen. Und sich in der Umgebung ein Zimmer zu mieten. Dazu werden auch Schulen und alle möglichen großen Gebäude bereitgestellt, wo man sehr preiswert übernachten kann. Wir haben mal für einen Pappenstil in einer Grundschule (natürlich am Boden in bereitgestellten, vermutlich seltenst gereinigten Decken) übernachtet. Ohne Kopfkissen oder Matratze.
Dieses Jahr werden die Kinder erstmalig nicht zu Nouruz, sondern erst in den Pfingstferien in den Iran reisen, weil jetzt keine Ferien sind. Da wird es dann schon ganz schön heiß sein! Und die anderen Kinder haben alle Prüfungen (die sind alle gehäuft am Schuljahrsende), so dass kaum einer mit ihnen spielen kann, weil alle Tag und Nacht am Lernen sind.
Für mich bedeutet Nouruz nun nur noch eine Art Formalität - ich werde diese Tradition in unserer Familie aufrechterhalten, weil es etwas Schönes ist, den Frühlingsanfang zu feiern! Es handelt sich nämlich nicht um ein religiöses Fest (im Iran werden sonst die Geburts- und Todestage der Propheten und von Khomeini begangen, sowie die Märtyrerzeit mit großen Prozessionen mit Selbstgeißelungen und kollektiven Essensausgaben, also jedenfalls alles, was mit dem Islam zu tun hat), sondern um einen uralten, eigentlich eher heidnischen Brauch.
In Isfahan ist es tatsächlich so, dass quasi schlagartig zu Nouruz die Blumen erblühen und die Obstbäume in voller Blütenpracht da stehen, es ist einfach wunderschön! Alles grünt und trägt frische, fröhliche Farben, was in diesem Land ansonsten gar nicht an der Tagesordnung ist. Dort ist ja sonst alles grau und braun und beige, schon kurze Zeit nach Nouruz wird alles verdorrt und ausgetrocknet sein. Wasser wird nur noch aufgrund des ausgefeilten, originallen, aber sehr primitiven, 2800 Jahre alten Systems der Qanate (von Menschen unter großer Mühsal gebauten Wasserleitungen über Längen von ca. 70 km quer durch die Wüste mit einem 100 bis 400 m tiefen Mutterschacht, einer schrägen unterirdischen Ableitung und etwa 6 m tiefen Luftschächten in ca. 50 m Abstand) zugeführt. Dazwischen ist alles trocken, Staub, Wind, giftiges Getier (Schlangen, Skorpione, Spinnen).
Die Qanate könnte man mit Fug und Recht als 8. Weltwunder bezeichnen, wären sie oberirdisch, da sie alle Voraussetzungen für ein Weltwunder erfüllen könnten - sie sind genial, weltweit einzigartig, vom Menschen erbaut, sehr alt und riesengroß! Allein die Kanäle haben eine Länge von 600.000 km, die Luftschächte zusammen bringen es auf zusätzliche 20.000 km. Und gebaut wurde das meiste ausschließlich mit kleinen Schaufeln und Hacken, wobei die Arbeiter den lieben langen Tag im völligen Dunkeln unter der Erde gruben. Die Erde wurde mit Beuteln hochgezogen. Darum musste der Schacht möglichst schmal sein, so dass der Arbeiter gerade noch durchpasste, und nicht zu viel Aushub entstand (der einfach neben den Löchern wallförmig abgeworfen wurde). Und wenn er dann auf Grundwasserniveau anlangte, arbeitete der Arme von da an ständig im Wasser, mindestens bis zu den Knöcheln, zum Teil bis zur Brust! Was für eine schreckliche Arbeit! Aber hoch geschätzt. Der Onkel meines Mannes war übrigens ein im ganzen Land bekannter Qanat-Bauer. Einer der letzten. Inzwischen wird dieselbe Arbeit mittels Bohrvorrichtungen erledigt.
Nach diesem kurzen Ausflug in den Iran schicke ich Euch nun wieder zurück in den urdeutschen Alltag. Freut Euch am Grün und den fast staubfreien Straßen! Trinkt Eure 2-3 Liter am Tag. Wir haben ja genug Wasser!
Teil 2:
Freitag, 20. März 2009
Um 12:44 ist es dann soweit! Da sollte man dann das Ei auf den Spiegel legen. Angeblich würde sich das Ei dann genau zur Sekunde der Jahresumstellung drehen! Bisher ist es mir leider nie gelungen, das zu beobachten. Bestimmt lag es an dem Ei, das nicht so gut geeignet war... Laughing
Ansonsten gibt es nichts so besonders Erfreuliches zu berichten.
R. muss heute mittag zur Nacharbeit in der Schule bleiben. Aber das Ei hätte er sowieso nicht beobachten können, da er auch im Normalfall erst zu spät aus der Schule käme.
Im Gegensatz zu dieser Lappalie haben wir gestern für L. Gravierenderes beschlossen. Ich war ja bei seinem behandelnden ADHS-Arzt, und wir kamen zu dem Schluss, dass das Experiment mit seinem aktuellen Medikament wohl fehlgeschlagen ist, denn in letzter Zeit häuften sich wieder Vorfälle in der Schule, miserable Noten, Beschwerden von Lehrern, Streitereien zu Hause, Schlägereien mit dem Bruder, Trotzreaktionen und Wutanfälle und Sprüche wie "ich wünschte, XYZ wäre tot" (einschließlich seiner eigenen Person). Es ist grade so, als nähme er gar keine Medizin mehr. Tatsächlich habe ich ihn ja auch ein paar mal dabei erwischt, dass er so getan hat, als ob, und die Kapsel fand ich tags darauf mehr oder minder gut versteckt. In den allermeisten Fällen habe ich jedoch sehr genau beobachtet, dass er sie nahm. In vielen Fällen war dies auch daran zu erkennen, dass ihm danach schlecht wurde, er Bauchweh hatte und weiß im Gesicht war. Da dies sinnlos ist, das Kind zu quälen und aber kaum mehr einen Effekt davon zu haben, haben wir die Therapie jetzt abgebrochen.
Alternativ bekommt er ab heute ein anderes Medikament. Ob ihm das nun noch hilft, sich aus der selbstgebauten Falle mit den vor kurzem erworbenen Fünfern in HSU (Heimat- und Sachunterricht) und Deutsch herauszuschlängeln? Aufgrund dieser Noten ist er ja entgegen seines Dokuments, das ihm bereits ausgehändigt wurde, nicht mehr gymnasiumtauglich. Mit der schulischen Alternative hatte ich mich aufgrund der "Eignungsbescheinigung" nicht mehr befasst. Und nun sind die Tage der offenen Tür schon vorbei. Die Mutter eines seiner Freunde hat diese jedoch besichtigt und zieht nun tatsächlich weg, da sie so entsetzt über das Angebot war. Das macht mir ja Hoffnung.
Auf jeden Fall bin ich gespannt, wie L. das neue Präparat verträgt. An sich ist es ja genau das, was ich ihm nie im Leben geben wollte. Heute nachmittag werde ich einen Test machen, denn sein Referat, mit dem er vor 1 Woche angefangen hat, ist noch immer nicht über die Hälfte gediehen. Es war nicht zu schaffen, das Kind an Ort und Stelle zu halten! Könnt Ihr das glauben! Man hätte ihn anbinden müssen, um das zu bewerkstelligen. So schlimm war das diese Woche. Das Problem wird jedoch bei mehrmaliger Gabe am Tag sein, dass er im normalen Hibbelzustand nicht willens ist, ein Medikament zu nehmen.
Nun hoffe ich ernsthaft, dass das neue Jahr, ob nun persisch oder nicht, auch für uns zu einem Neubeginn werden kann, in dem sich eine neue, positive Wendung oder zumindest Tendenz zeigt. Und dasselbe wünsche ich auch Euch, denn irgendwie waren die ersten Monate von 2009 nicht so berückend. Auf ein Neues! Uns allen viel Glück und Gesundheit und wieder mehr Lebensfreude, ausreichend Geld, brave Kinder, eine gesunde und gut zu ertragende Familie und immer noch mehr Glück als Verstand! Und zusätzlich die Erfüllung der eigenen, ganz persönlichen Wünsche. Inshallah wird es ein gutes Jahr 1388!
Das grammatikalisch Interessante an dem Wörtchen Inshallah (So Gott will) ist, dass im Persischen (Farsi) danach die Präsensform folgt. Quasi als Affirmation: Alles ist gut! Du bist glücklich! Alles läuft nach Deiner Zufriedenheit! Du hast keinen Grund zu klagen! Das Leben meint es gut mir Dir!
Nouruz, neuer Tag in der Übersetzung, also ein Tag, von dem an man probieren kann, so positiv zu denken. ... Wir sind glücklich. Unser Leben ist problemlos. Dieses Jahr ist das beste, das wir je hatten. Das Schicksal hat für uns nur Gutes in petto. Noch ca. 3 Stunden. Dann geht es los
Der beste Tag?
Dienstag, 10. März 2009
Heute muss ich mal wieder meckern. Mein Drucker hat sich aus irgendwelchen Gründen ausgedacht, dass er mich ärgern will, und nix ging mehr. Ich war von 9 Uhr morgens bis abends gegen 17:30 am Basteln mit dem blöden Ding. Ihm ist eingefallen, dass er nicht mehr auf den Druckerspooler reagieren möchte, dass er die Druckerpatronen nicht mehr erkennt, in der Folge der PC auch nicht den Drucker, den Scanner gleich gar nicht mehr, schließlich hat er sich selber nicht mehr erkannt und sich beim Drucken tatsächlich angepieselt: ich hatte echt ein Blatt voll schwarzer herumkullernder Tinte in der Hand, nachdem er minutenlang auf der Stelle gedruckt hat.
Ich hab - oh Wunder (bei der Suche nach etwas ganz anderem natürlich) die Installations-CD endlich wieder gefunden (zwischen den englischen Wirtschafts-Wörterbüchern), aber das hat mir nicht geholfen. Wie ich meinte, lag es daran, dass ich - entgegen dem F. Manual - während des Drüberinstallierens das USB-Kabel nicht ausgesteckt hatte. Schließlich, nach Stunden und diversen Neuinstallationsversuchen, als Admin und als Nicht-Admin (also 2fach auf jeden Fall auf diesem PC!) hat sich jedoch gezeigt, dass es nicht daran, sondern an Vista lag. Inzwischen hatte ich Teile des Programms versucht, per Hand zu löschen, da sie sich nicht deinstallieren ließen. Von diesen blieben dann wiederum Teile übrig und somit funktionierte dann gar nichts mehr, ich konnte nicht mehr drüberinstallieren und einige Komponenten konnte ich gar nicht mehr installieren, so zum Beispiel die Steuerung vom PC aus. Ich hab also meine erste Systemwiederherstellung am neuen PC mach müssen.
Daraufhin meinte der PC dann, dass nun Nero Home zerschossen sei und ein Update das richten würde. Das Update hat dann fast ne Stunde gebraucht, es war offensichtlich nicht das, was vorher drauf war, dann hat es gleich noch meine ganzen Bild- und Musikdateien verdoppelt und mit integriert. Super! Grrr! Grade vor ein paar Tagen sollte ich "mal schnell" für R. eine Datei öffnen, woraufhin sich bei mir I-Tunes installiert hat und meine ganzen Musikdateien verdoppelt und umgewandelt hat, was nur so etwa 3000 waren. Nun also dasselbe gleich nochmal. Ich traue mich gar nicht nachzusehen, wieviele ich jetzt habe. 34 % meines physischen Speichers sind jedenfalls schon voll. Mit was auch immer. Verbleiben ja noch 3 GB, sieht jetzt irgendwie so wenig aus. Wie bin ich denn vorher ausgekommen???
Ach ja, auch meine Adressdaten im Emailprogramm sind momentan 2-4x da. Ich bin irgendwie nur noch am Löschen von allem, was mir zu viel erscheint.
Naja, nach der Systemwiederherstellung hat es dem PC aber noch nicht gelangt. Was bin ich heute mit Kabeln in der Hand zigfach hinter dem PC am Boden herumgekrochen... Ich habe schließlich passende neue Software von Olivetti gekriegt und draufinstallieren können, oh Wunder. Somit wurde mir endlich am Bildschirm angezeigt, dass ich einen Drucker habe. Gedruckt hatte er ja schon vorher, nur wurde gemeldet, ich hätte keinen. Somit konnte ich den Druck auch gar nicht einstellen, alles oder nichts, und dann in bester Qualität natürlich.
Nun wurde mir angezeigt, ich hätte einen, aber der habe keine Tinte. Schließlich habe ich ihn durch unzähliges Herausnehmen der Farbtintenpatrone und heftiges Schließen des Deckels überzeugen können, dass diese vorhanden ist. Aus unerfindlichen Gründen war dies bei der schwarzen Patrone aber nicht der Fall. Somit musste ich nochmals eine neue Tintenpatrone (ca. 25 Euro) öffnen, die er dann nach ca. 10x an- und ausschalten mit einstecken und entfernen der Patrone und Stecker rausziehen, USB-Kabel rausziehen, wieder reinstecken, wieder anschließen endlich erkannt hat. Allerdings hat er noch nicht begriffen, dass man mit ihr auch drucken kann. Er druckt nur die Hälfte der Zeile, über sämtliche Tests, Druckkopfreinigung und Neuausrichtung der Kartuschen hat er sich bestensfalls schlappgelacht.
Aus meinen Basteleien wurde ich 3fach vom Alltag grob herausgerissen. Zum einen kam vom Steuerberater nach 2 Monaten endlich der Wust Papiere, die sofort ans Finanzamt müssen. Bloß, dass wir jetzt plötzlich noch Papiere aus Iran besorgen müssen, die wir noch nie gebraucht haben, und ohne die jetzt überhaupt nix mehr geht. D.h. noch weitere Verzögerung. Und dann noch ne 4x so teuere Rechnung vom Steuerberater wie bisher. Mich hat fast der Schlag getroffen. Dafür, dass dann kaum eine Erstattung rausschaut.
Zum anderen, weil ich fast vergessen hatte, dass ich Kinder habe, die was zum Essen wollen.
Zum dritten, weil ich abends auf einen Elternabend musste. Es ging um Fragen zur Erziehung in der Pubertät. Das Thema wäre interessant gewesen, allerdings blieb der vortragende Lehrer (der am Anfang gemeint hatte, er werde versuchen, im Laufe des Abends weniger als die Eltern zu sagen, da diese diskutieren sollten) nach einem 1 1/2-stündigen Sermon über Kinder, Pubertät, Fehler der Erzieher, Leiden der Lehrer im besonderen (mit 2x kurzer Erlaubnis, dass eine aus dem Publikum auch was sagt) beim Thema Hexenjagd in unserem Gymnasium hängen, da es da anscheinend einige Lehrer gäbe, die die Kinder so demoralisieren und diese nur als Vollidioten hinstellten, die nichts an einem "Elitegymnasium" verloren hätten, und die den Kindern in den Schulaufgaben so schlechte Noten gäben, dass der Klassenschnitt bei diesen Lehrern immer seit Jahren zwischen 4,8 und 5,9 (!!!) sei. Toll. Dass allerdings unsere Klasse auch betroffen ist, ist mir bislang nicht bekannt. Ich hoffe es ja nicht. Ach ja, und zum Thema, das auf der Einladung stand "Mein Kind sagt immer: Halt Dich da raus" hat er letztendlich so gut wie nichts gesagt.
Nun, ich kam nach diesem ewig langen Vortrag (2,5 Stunden) schließlich, nachdem ich ständig durch Husten und Schneuzen gestört hatte, wieder nach Hause, um L. noch das Wachstum von Embryos im Mutterleib, die Zusammensetzung von Cellulose und das Geheimnis eines guten Obstsalats (kleine Prise Pfeffer) zu erklären (er hätte noch einen ganzen Sack voll ähnlicher Fragen gehabt, aber ich war zu KO).
Ich habe den PC angemacht, der mich mit der Meldung begrüßte: Nero Home ist nicht mehr funktionsfähig, es wird nach einer Lösung gesucht. Ich habe auf Abbrechen geklickt. Und ich muss sagen, ich traue mich nicht, den Drucker anzuschalten und zu sehen, ob er jetzt mitspielt oder nicht. Die alte Patrone habe ich in einer Plastiktüte im Kühlschrank zwischengelagert. Weiß nicht, ob das gut ist.
Auf jeden Fall liege ich tatsächlich lieber krank im Bett, als so einen Tag, so einen saublöden Tag zu erleben. Gestern hatte ich wenigstens noch was gelesen... Und zwischendrin geschlafen... Und ich hatte auch mal ne Tasse Kaffee... Für die hatte ich heute aber keine Zeit. Aber ich hatte heute dafür Zeit für 2 Wutzigaretten! Und bin gar nicht stolz auf mich. Irgendwie war der Tag nicht besonders nett zu mir.
Soll ich jetzt noch zum Kühlschrank gehen, um mein Ego zu stärken... Nein, nicht, was Ihr denkt! Auf dem hängt eine Riesenpostkarte, auf der steht: Der beste Tag? Heute!
Blaue Töne
Samstag, 28. Februar 2009
Kinners, ich bin grad total glücklich! Nach einem obermiesen Tag habe ich mich ein bißchen zu R. an den Fernseher gesetzt, und die T-Mobile-Werbung ( http://www.youtube.com/watch?v=wytTPeTZmLQ ) hat mich inspiriert, R. zu zeigen, dass so etwas total leicht am Klavier nachzuspielen ist. Und dann hab ich den Kopfhörer aufgesetzt und hab mich 2 1/2 Stunden in Trance gespielt. Soooo lange hatte ich nicht mehr gespielt, und ich habe fast alles vergessen! Aber es kommt langsam zurück, mein gebrochener Finger hat anstandslos mitgemacht - und ich habe von I was Kaiser Bill's Batman über die Beatles (Lady Madonna und Honey Pie) bis zu den blauen Tönen von Chopin und Liszt, den schrägen Bluesakkorden von Gershwin, Take Five, Ragtime bis zu Rachel Portman und diversen Filmmusiken, über russische Volkslieder bis zu Schumann und von Tango bis zu den Stranglers alles improvisieren können, was ich wollte, einfach wunderbar! Jetzt fliege ich... Heute nacht träume ich bestimmt wieder vom Klavierspielen. In meinen Träumen spiele ich so wundervoll, alles was in meinem Kopf ist, quillt aus meinen Händen, und gerade habe ich das in echt geschafft, das ist mir noch nicht so oft gelungen! Ich freue mich so... Bin ganz selig!
Es geht nichts über ein E-Piano - stellt man zwei Instrumente gleichzeitig ein, klingt alles wie im Konzert. Und mit den Kopfhörern kann man sich austoben wie man will. Auch in der Nacht... Es lebe die Werbung...!
Ein "gemütlicher" Nachmittag mit meiner Freundin
Sonntag, 08. Februar 2009
Heute will meine Freundin aus Innsbruch auf Besuch kommen, doch ich stehe bei meinem fussballverletzten Mann in der Klinik und höre mir gerade an, dass der Arzt sagt: „Aha, Perser sind Sie also, die sind ja alle noch wehleidiger als die Ärzte!“ Da klingelt mein Handy. Schuldbewußt schaue ich den Arzt an, überall hängen ja schließlich Schilder, dass man das Handy ausgeschaltet lassen muss. Er lacht und meint: „Kein Problem, ich selber habe sogar immer 2 davon dabei!“ Als ich hingehe, höre ich die Stimme meines Jüngsten: „N. ist schon da!“
Ich komme in Gewissenskonflikt, murmle: „Bin gleich zu Hause“, während mein Mann hinter dem Rücken des Arztes fragt: „Was will er denn damit sagen, wehleidig?“ Ich erwidere, der Arzt habe ja vorhin schon gesagt, er habe ja noch unter Narkose im OP versucht, davonzulaufen. Findet mein Mann nicht unbedingt lustig. Ich packe die nassen Sportsachen, mit denen er vom Fussball direkt in die Klinik gebracht wurde, mit dem Rücken zu ihm stehend in eine Tasche, während er sich die frischen Sachen anzieht, die ich mitgebracht habe, und suche alsbald das Weite.
Zu Hause angekommen, begrüße ich meine Freundin, die Patentante von L.. An ihrem Pullizipfel hängt mein Sohn „Du musst jetzt mit mir spielen, Du musst!“ Sie lässt sich erweichen, und während ich Kuchen auf einer Platte dekoriere und einen Kaffee mache, spielt sie mit ihm am Boden mit seinen Draco-Beans Boccia. Als R. mitspielen will, kann sie es geschickt so einfädeln, dass die beiden nun miteinander spielen, und N. und ich am Tisch unseren Kuchen spachteln können. Sie erzählt mir, dass sie gestern einen Anruf vom Jugendamt bekommen habe, der Vater ihres Sohnes (der sich bereits vor der Geburt seinen Vaterpflichten entzogen hat, und seither in Belgien verschwunden ist), sei verstorben. Gründe und Daten wurden ihr nicht mitgeteilt, außer dass das schon im September gewesen sei und sie nun keinen Kindsunterhalt mehr bekomme. Eine vertrackte Situation, die auch einen gewissen Gefühlsaufruhr mit sich bringt. Ich will gerade mein Beileid formulieren und Fragen stellen, als ein heftiger Streit zwischen R. und L. entbrennt. L. wirft R. einen Draco Bean an den Kopf, R. wirft L. einen an den Kopf, R. wirft einen gegen die Terrassentürscheibe, L. einen gegen die Kristallglasvitirine, beide Glasflächen bleiben zum Glück ganz, aber bevor wir genau schauen können, prügeln sich die beiden Kinder und L. blutet ein bisschen aus der Nase.
Jeder von uns zieht nun ein Kind vom anderen weg, ich packe L. an den Oberarmen, woraufhin er mir heftig in den Magen tritt und unflätige Beschimpfungen von sich gibt. R. zieht türenknallend von dannen. Wir versuchen, erzieherisch wertvolle Beiträge loszuwerden, werden beide heftigst beschimpft, L. verzieht sich auf die Toilette, die eigentlich gesperrt ist, weil der Spülkasten kaputt ist. Wir hören die Klopapierrolle rattern und rattern.
Ein Versuch, die Unterhaltung wieder aufzunehmen, wird unterbrochen von R., der die Wii einschaltet. Wir hatten gestern vereinbart, dass während N.s Besuch nicht ferngesehen und nicht Wii gespielt wird. Leider hatte ich mir nicht schriftlich geben lassen, dass er auch nicht auf der Wii seine etwa 600 Trophäen anschauen dürfe. Das hatte er jetzt nämlich vor. Ein weiteres Gespräch mit schon ziemlich spitzen Engelszungen ist die Folge. Nach ca. ¼ Stunde gibt er endlich auf und wir holen erst mal Luft.
Damit die Luft uns nicht zu gesund wird, gehen wir auf die Terrasse, um gemeinsam eine zu rauchen. Doch auch da sind wir nicht ungestört. R. hat inzwischen den PC eingeschaltet, er will etwas im Internet suchen. Da steht er zwischen uns auf der Terrasse und brüllt: Wie heißt diese www-Adresse, wo es was billig gibt? Wir raten günstiger.de, geizkragen usw. Nein, was mit 24 soll es sein. OK, sicher Discount24. Ihr Loser, ihr Deppen, ich sage doch, es ist ein anderes Wort für „praktisch“! Wir geben ihm Bescheid, dass er in diesem Ton überhaupt nicht mit uns zu reden braucht, und dass uns außerdem grade kein Synonym einfällt. Er schreit in Rage: „Irgendwas mit Preis24!“ Auf dem Rückweg von der Terrasse gebe ich „preis24.de“ ein, und am Ende der Google-Suchergebnisse erscheint „optimalpreis24.de“. Das ist es. Ein Synonym für „praktisch“ also, aha, wieder was gelernt. Um des lieben Friedens willen, lassen wir ihn am PC nachgucken.
Doch die Ruhe dauert nicht lange, denn jetzt hat er auf Ebay ein Angebot gefunden, wo ein Ipod mit einer Xbox360 zusammen für nur 64 Euro angeboten wird, sofort kaufen. Nun müssen wir gemeinsam analysieren, was an diesem Angebot faul ist, für das er sofort sein Taschengeld zückt. Ich seufze nach Durchsicht von ca. 6 Seiten Vertragstext, „ich setz es auf Beobachten, ist ja noch ne Weile hin, jetzt hab ich da keinen Kopf dafür, will mit N. reden, die ist doch nicht jeden Tag da!“
Wir setzen uns zu unserem Kuchen und unserem kalten Kaffee. L. kommt daher, hat die Walkietalkies gefunden und es piept und kreischt in dem einen Gerät, das er in unserer Abwesenheit irgendwo unter dem Sofa deponiert hat, während er in voller Lautstärke in das andere hineinbrüllt. Wir machen ihm klar, dass uns das jetzt nicht passt, und er wo anders damit spielen soll, aber er besteht darauf, dass wir erst das andere Walkietalkie finden sollen. Wir sagen beide, wir haben genug Kummer mit unserem Rücken, wir werden nicht unter das Sofa kriechen und so geht das Theater weiter. A propos Rücken, meine Freundin zeigt mit ihre große Narbe, wo sie gerade am Rücken operiert worden ist und ich versuche, über meine Kardiologenerfahrungen zu berichten. Schließlich verliert L. den Spaß am Walkietalkie und lässt die Gerbils aus dem Käfig, natürlich ohne vorher die Türen zu schließen. Im Nu ist einer in den Gang entwischt. Als ich ihm hinterherlaufe, entdecke ich die Verwüstung auf der Gästetoilette: Etwa eine ganze Klopapierrolle ist am Boden in kleine Fitzelchen zerrissen, des weiteren ist das Waschbecken mit solchen Papierstücken gefüllt und mein Bücherregal mit der schlauen Lektüre für ruhige Minuten auf dem stillen Örtchen. Ich beordere brüllend meinen Sohn her, er solle das sofort aufräumen.
Er denke ja nicht im Traum daran. Ich drohe mit 3 Wochen Medienverbot, wenn nicht bei 3 aufgeräumt sei. Ich zähle „Eins – zwei – und die letzte – Zaaaahal – heißt – Drrrr – EEEEE – IIIII“ Bei IIIII kommt er langsam angeschlichen. Setzt sich auf den Klodeckel, schaut mich provozierend an und brummt „Moment!“. Ich tobe: Nix, Moment, jetzt, sofort, zackzack, wird’s bald! N. versucht es mit liebevollem Zureden, worauf L. schreit „Halts Maul, Du Taubhirn!“ und die Tür der Gästetoilette von innen zuknallt.
Wir gehen in die Küche, seufzend, ich erzähle N., dass ich momentan den Verdacht habe, dass L. seine Medizin nicht nimmt, sondern irgendwo versteckt, und nur so tut, als nähme er sie. Seit ein paar Tagen platzt mir echt der Kragen mit ihm. Meine Freundin nimmt meinen Sprüchekalender zur Hand, und sagt – so wie ich das auch immer mache – schauen wir mal, der Spruch für heute hilft uns sicher weiter. Der Spruch lautet aber: „Fröhlich sein, Gutes tun, und die Spatzen pfeifen lassen!“ Wir sehen uns in die Augen und sind uns gerade einig, dass dieser Spruch uns beiden im Moment überhaupt nicht weiterhilft. Höchstens meinen Kindern.
Nun steht der andere Sohn auf der Matte. Jetzt wolle er WiFi spielen auf dem DS. Im Kinderzimmer unten. Na gut, damit wir endlich unsere Ruhe haben, bin ich einverstanden. Ja, aber die WiFi-Connection geht nicht mehr, er hat den Code gelöscht, als er bei seinem Freund war und den von seinem Freund eingegeben, und nun ist unser eigener weg. Ich weiß ihn auch nicht. Meinem Sohn hatte ich den auf einem Blatt Papier gegeben, aber der weiß nicht, wo es ist. Und ich auch nicht. Ich schalte den PC erneut an, weil ich dachte, vielleicht ist der Code auf unserem PC irgendwo gespeichert, ich hatte da so was in Erinnerung. Als der PC endlich läuft, suche ich das ganze Programm ab, aber finde schließlich nur den Code ************ eingegeben. Na prima, sehr hilfreich. Ja, er will den aber jetzt sofort haben, sonst kann er ja nicht spielen. Ich schreie: Ich weiß aber auch nicht, wo ich den haben könnte, diesen Zettel hatte ich Dir doch gegeben, dass Du den auf gar keinen Fall verlieren darfst. Die ersten 4 Zahlen weiß er ja noch. Aber die anderen? Die Nummer hatte, glaub ich, 13 Stellen. Das werden wir jetzt auf die Schnelle sicher nicht herausfinden können. N. sagt: Spatzen pfeifen lassen!
A propos Spatzen, in Innsbruck war es letzthin fürchterlich warm, 17 Grad schon, und die Vögel in der Früh haben so einen Lärm veranstaltet, dass man überhaupt nicht mehr schlafen konnte. Und kaum besucht sie mich in München, herrscht jedes Mal, wenn sie kommt, lausiges Wetter. Wie ein Fluch ist das. Stimmt auch diesmal wieder, es hat über Nacht geschneit. Damit N. nicht erfriert, will sie nun einen Tee haben. Ich klettere auf der Küchenzeile herum, weil ich schon ewig keinen Tee mehr für jemanden gemacht habe (zu iranisch!) und die Teekanne ins oberste Fach, also an der Decke, verbannt hatte.
Meine Eskapaden werden begutachtet von R., der jetzt sofort Backpulver haben will. Was er damit will? Kekse backen. Aber doch nicht jetzt? Doch, jetzt. N. sagt: Lass ihn doch, wenn Du ihn nicht lässt, mag er vielleicht nie wieder was kochen. Also klettere ich gleich zu dem anderen Schrank hinüber, wo sich auf dem obersten Fach das Backpulver befindet.
Nun gut, mit der Kanne und einer zierlichen Tasse bewaffnet, betreten wir wieder das Wohnzimmer. Die Toilettentür dazwischen ist auf, das Papier verschwunden. Naja, jedenfalls das vom Boden. Ich beseitige, ohne noch weitere Worte zu verlieren, den Rest aus dem Waschbecken und Regal. Spatzen pfeifen lassen.
Im Wohnzimmer frage ich L., wann er seine Medizin genommen habe, worauf er antwortet „Gestern“. Ich sage, „und heute?“ Er sagt, heute schon 3x. „Das glaubst Du doch selber nicht!“ Ich sehe in der Küche nach. Die Anzahl der Kapseln ist noch gleich. R. pantscht einen Teig an, ich sage ihm, dass da noch viel mehr Mehl hineinmüsse und auch Zucker, lege ihm ein Plätzchenbackbuch dazu. Er sagt, da wird er unter Garantie nicht hineinschauen!
Dann bringe ich eine Medizinkapsel ins Wohnzimmer mit einem Glas Wasser. Das Kind ist inzwischen wie vom Erdboden verschwunden. Naja, dann kann N. wenigstens erzählen. Sie listet die ganzen Unglücksfälle auf, die irgendwie gehäuft ihren Bekanntenkreis seit einigen Monaten heimsuchen, wir hatten immer gedacht, so mit 60 oder 70 oder so würden sich die Reihen anfangen zu lichten, aber in letzter Zeit – wo man geht und steht, erfährt man plötzlich, dass X oder Y verstorben ist. Freundinnen von Freundinnen, Klassenkameradinnen, auch bei mir ist es nicht anders - die frühere Therapeutin von R. (wie ich auf dem Boris-Ruge-Abend erfuhr – mit 52, Darmkrebs, 3 Wochen nach der Diagnose), die Schriftführerin aus meinem Verein (54, 2 Wochen nach einer Routine-OP). Und dann gibt es jede Menge anderer merkwürdiger Krankheiten, die einen selbst und die Freunde plötzlich in die Knie zwingen, wir werden alt, das Schicksal meint es momentan irgendwie nicht besonders gut.
Inzwischen ist der Teig fertig. N. und ich helfen, die Pampe auf ein Blech zu bekommen und R.s Hände wieder sauber zu kriegen. Der Ofen ist nicht vorgeheizt, da wird es schon noch ein bisschen dauern.
Eine weitere Zigarette ist fällig, denn wenigstens auf der Terrasse hoffen wir, ungestört zu sein. Sie erzählt mir auf der Terrasse, dass eine weitere Freundin von ihr, die ich auch kenne, vor 2 Wochen plötzlich verstorben ist, mit 52 Jahren. Einfach so. Sie hatte am Abend noch mit ihr telefoniert, am nächsten Tag besuchte ihre Mutter sie, um ihr Kreislauftropfen zu bringen, weil es ihr schwindlig war, sie öffnete die Tür, fiel um, war tot. Thrombose im Bein und Lungenembolie, ergab die Autopsie. Ich nehme N. in den Arm, sie friert sowieso wie ein Schneider auf der Terrasse und solche Gedanken lassen einen noch von innen heraus frieren.
Wir gehen wieder hinein, da lauert L.. Er will jetzt Kuvertüre machen! In der Küche gebe ich ihm den Becher mit der erstarrten Schokolade, gebe Anweisungen, währen die Kekse fertig werden. L. wärmt die Kuvertüre in der Mikrowelle. Die Kekse hole ich aus dem Ofen. Ob die Kuvertüre für die Kekse ist? Nein, das ist meine! Da kriegt Ihr nix! R. will aber auch Kuvertüre für die Kekse. Also noch mal welche machen, wir zeigen ihm, wie man die Kekse eintaucht. Wider Erwarten schmecken sie nicht mal so schlecht, obwohl sie frei nach Schnauze gemacht wurden. Nur ein bisschen arg hart und ziemlich viel Zimt drauf.
Da entdeckt L. das Backpulver. „Das ist meeeeeein Backpulver, das hab ich selber gekauft!!!“ Tatsache, er hatte das für ein Experiment haben wollen, Backpulver mit Essig in einer Filmdose. Das geht dann in die Luft. Aber wir haben doch nur ½ Teelöffel genommen! „Das ist Diebstahl, und jetzt müsst Ihr mir 323 Euro bezahlen, weil das soviel kostet!“ N. und ich lachen, L. aber wird fuchsteufelswild. Jetzt reißt er obendrein noch den Schrank auf, in dem die Flaschen stehen, will den Essig für sein Experiment herausnehmen, die daneben stehende Ölflasche geht zu Boden, kurz vor dem Aufprall fängt R. sie zum Glück auf. Dann entreißt L. R. das Backpulver mit Gewalt, die Tüte hält das nicht aus, ich bin am Wischen. Schließlich mache ich die Schranktür wieder zu. L. schreit: „Ich will aber, dass die auf ist!“ - Ich aber nicht. Folglich rennt nun L. durch die Wohnung und reißt sämtliche Schranktüren auf und N. und ich schauen einen Moment völlig genervt auf den Kalender, bemerken beide unsere Blicke und fangen an zu lachen.
N. langt in ihre Hosentasche und gibt mir das Geld für das Weihnachtsgeschenk, das ich in ihrem Namen für die Kinder besorgt habe (wofür sie sich natürlich auch nicht bedankt haben). Ich will ihr rausgeben, aber sie meint „Mit den 5 Euro gehst Du bitte einen Kaffee trinken, weit weg von zu Hause, wir dürfen nicht die nächsten sein, die ins Gras beißen! Und es gibt bestimmt ein Cafe, wo der Wirt nicht grade einen Schlaganfall hatte, also: keine Ausreden!“ Eigentlich hätten N. und ich ja heute zusammen ungestört in ein Cafe gehen wollen, aber da mein Mann ja die Kinder nicht nehmen konnte, wurde eben nichts draus. Noch ein Grund mehr, Fussball zu hassen.
Normalerweise lässt sich meine Freundin nie lange bitten, wenn ich frage „Noch einen Kaffee?“ Dann bleibt sie meist noch bis Mitternacht oder sogar bis zum nächsten Morgen, heute sagt sie nur „Ne danke, ich bin froh, wenn ich wieder daheim bin“. Ich flüstere Ihr beim Abschied ins Ohr: „Nimmst mich mit?“
Als ich schließlich wieder ins Wohnzimmer trete, sitzen beide Kinder einträchtig nebeneinander auf der Couch und sehen fern, jeder futtert Kekse mit Couvertüre. „Ist die Tunte N. jetzt weg?“, fragt R. und beide kugeln vor Lachen fast auf den Boden. „Wieso habt Ihr vorhin die ganze Zeit von Spatzen geredet?“, will L. wissen.