Die bebilderte Variante meines Blogs findet Ihr wo anders. Ich werde in Bälde auch meine komplette Webseite umziehen. Bitte schaut also auf:
Vorwehen - 7./8.12.24
Die letzten zwei Wochen waren für mich sehr aufreibend. Zum einen habe ich meine alte Küche entsorgen müssen, damit die neue hineinkonnte. Verschiedenste Termine waren deswegen zu korrelieren, Handwerker waren mehrfach da, die Küche wurde geliefert, war aber nicht ganz so, wie ich wollte, ich musste reklamieren, wurde abgeschmettert, musste militant werden…
Zum anderen hatte ich mich vorzubereiten auf meine große Reise nach La Palma. Zwei Wochen kann ja jeder, aber weil bei mir immer alles anders sein muss als bei Normalsterblichen, sind es bei mir halt gleich drei Monate. Und da verlor ich letztens dann irgendwie fast den Mut. Was hatte ich mir denn da dabei gedacht? Drei Monate mutterseelenallein auf einer Insel unter einem bekannterweise unfreundlichen Vulkan, der 2021 erst größte Verwüstungen verursacht hat!
Und Zuhause sitzt dann mein Partner und muss erdulden, dass er einfach drei Monate viel zu viel Zeit für alles hat. Hinzu kommt, dass wir, wenn wir uns nur schreiben - wie das ja in den drei Monaten hauptsächlich der Fall sein wird - öfter mal irgendwelche Smileys vergessen, (besonders ich), und dann versteht der andere nicht, dass die vermeintlich freche Bemerkung eigentlich nur flapsig-fröhlich und gar nicht ernst gemeint ist… Dabei meinen wir eigentlich eher wenig total bierernst, wenn wir nebeneinandersitzen und miteinander reden. Im Gegenteil, das ist ja das Herrliche an unserer Beziehung, dass wir beide dann so total unernst sind und so wunderbar rumblödeln können! Naja, Exkurs Ende.
Jedenfalls hab ich schon ordentlich Bammel bekommen, ob das wirklich so eine clevere Entscheidung war, da als bezahlende Haussitterin über so lange Zeit zuzusagen. Aber: wat mut, dat mut. Ich hatte ja gesagt, also wird es auch durchgezogen. Ich bin ja sonst auch abenteuerlustig bis leichtsinnig, reise furchtbar gern (wenn ich mich mal von Zuhause losgeeist habe), liebe es, neue Speisen, Blickwinkel, Naturschönheiten und kulturelle Errungenschaften kennenzulernen.
Menschen fehlt in der Aufzählung absichtlich, denn ich bin ungeschickt im Ansprechen von Menschen, durch meine Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) dran gewöhnt, dass Begegnungen mit Fremden zwar einmal gut gehen, aber beim zweiten Mal werde ich als arrogante Ziege abgestempelt, weil ich die Person nicht mehr erkenne. Also habe ich das von jeher auf Minimum gehalten, mich in Gesellschaft anderer Menschen stürzen zu wollen. Zweiter Exkurs Ende.
Ich merke, ich neige auch hier zum Prokrastinieren. Immer noch. Um nicht meinen Koffer packen zu müssen, habe ich auch zu bewährten Methoden gegriffen wie endlich mal die verhassten bürokratischen Themen mit ausgetüftelten Beschwerdetexten anzugehen, um meine Rechte bei Institutionen einzuklagen, z.B. einer Versicherung, die mich nicht aus dem Vertrag entlassen wollte, Steuerbelege zu sortieren und abzuheften, ja sogar, die Steuererklärung von 2023 zu erledigen, Schubladen auszumisten, die genauso gut weitere 20 Jahre hätten warten können, Fotos zu bearbeiten usw.
Wenn es darum geht, auf den Weg zu kommen, brauche ich nämlich unendlich lang. Schon allein, wenn ich von Ingolstadt nach München pendle und dann nach einer Woche wieder zurück, schaffe ich es kaum, in die Puschen zu kommen. Ich fahre dann immer erst los, wenn es dunkel wird, weil ich den ganzen Tag so viele andere Dinge zu tun gefunden habe, die ganz plötzlich noch uuuuunbedingt nötig geworden waren.
Aber wenn ich dann unterwegs bin, ist es gut. Unterwegs sein ist herrlich, sofern man selber dafür verantwortlich ist: Die richtige U-Bahn nehmen, mit dem Auto rumfahren. Aber nicht: im Flugzeug sitzen. Ich habe nämlich Angst vorm Fliegen, das geht auch nie wirklich weg. Genauer gesagt, habe ich Angst vor dem Losfliegen. Aber auch hier: wenn das Ding in der Luft ist, ist alles in Ordnung. Dann bin ich wieder völlig normal. Lese, schlafe, fotografiere, esse und kaufe irgendwas vom Bordshop, das ich nicht wirklich brauche. Diesmal ein Parfum.
Nun haben wir es dann also am Abreisetag doch geschafft, pünktlich loszufahren. So früh aufzustehen ist für mich eine Tortur. Aber in allerseltensten Fällen muss es sein, und dann bin ich nicht mal missgelaunt, nur nicht ganz da… Da lege ich vielleicht mein Handy geistesabwesend in den Kühlschrank, um es dann verzweifelt zu suchen. Wir fuhren im Dunkeln zum Flughafen, und ich hab endlich mal wieder einen Sonnenaufgang beobachten können. Alles hat sein Gutes!
Mein Übergepäck habe ich so klammheimlich abgeben können, dass keiner was bemerkt hat und überhaupt war das Personal am Flughafen herausragend liebenswürdig zu mir. Ein Angestellter hat mir sogar einen Geheimtipp gegeben, wie ich die Schlange überspringen kann („Von mir haben Sie das aber nicht!“) – alles lief perfekt glatt.
Und dann… Dann kam der schreckliche Moment, in dem ich mich lösen musste. Nach meiner Vorstellung ist es ja unglaublich, dass mein Partner da einfach 4146 km (64 Stunden zu Fuß für extremsportliche Schwimmer) von mir wegbleibt. Wie kann der mir das antun? Wie soll ich ohne ihn auskommen die ganze lange Zeit? Aber nein, er muss ja unbedingt zuhause bleiben! Und noch schlimmer: ich weiß ja natürlich ganz genau, dass tatsächlich ich die Böse bin. Ich bin es, die von ihm erwartet, da gute Miene zum üblen Spiel zu machen. Das kann ich jetzt echt nicht auf ihn schieben. Selbst wenn ich wollte.
Manu lebt ihren Fluchtreflex aus, und mein Allerliebster muss es schlucken. Aber er war es ja, der mir zugeraten hat, die Reise zu machen, als ich das Angebot bekam: „Das ist doch genau, was du brauchst. Wenn es dich so ruft, dann mach!“ Und ich - brav und gehorsam - mache dann halt. So kann man es drehen. Oder wohl verdrehen. Ich hätte nicht müssen. Aber ich hab wollen. Mea culpa. „Du hast es dir selber eingebrockt“, sagt er nun völlig empathielos, während ich leise in sein Kopfkissen heule. Er habe da schon einen Haken dran gemacht. (Ist halt so, wenn man Manu im Leben hat. Andere haben zum Beispiel ein Atomkraftwerk nebenan. Das ist eigentlich ein guter Vergleich. Zu seiner Ehrenrettung: dieser Vergleich stammt von mir. Und es handelt sich hier nicht um seine wörtliche Rede.)
Aber jetzt bin ich wirklich und wahrhaftig hier. Und in diesem Moment tut es mir auch überhaupt nicht leid. Ich blicke über drei Bananenstauden in Töpfen über den Terrassenrand aufs Meer, die Sonne scheint, eine Kirchenglocke tönt etwas ungewohnt Bimbammbamm Bimbammbamm Bimbammbamm direkt unter mir, und das Meer rauscht wie in einer Muschel am Ohr ganz laut hier herauf. Die Palmen bewegen sich sanft in einer milden Brise, und in der Ferne kläfft ein Hund. Das ist alles. Friedlich, schön, warm. Vor allem warm! Ich grüße ein bisschen mitleidig ins kalte Deutschland, wo wir gestern mit Blitzeis auf dem Weg zum Flughafen rechneten, weil es regnete und fror. Und hier auf La Palma habe ich heute Nacht meine Decke aus dem Bett geworfen, mir war zu warm.
Mein Fuß, der mich die letzten Wochen dank eines angehenden Fersensporns außer Trab gehalten hat, ist heute relativ friedlich. Ich habe durchaus den Verdacht, es könnte psychosomatisch sein, was der sich da erlaubt. Insbesondere, als der Apotheker mir als Gegengift „Hekla Lava“ verkauft hat, dachte ich mir: Nachtigall, ick hör dir trapsen! Ich fahr zu dem lavaspuckenden Vulkan, da will mein Fuß nicht hingehen, das wird der Grund sein, dass er sich so gebärdet. Jetzt bin ich hier, und das Wehen darf jetzt dann mal aufhören.
Der Vulkan ist gar nicht direkt über dem Haus, tatschlich sieht man ihn von hier aus gar nicht mal. Ich muss also nicht auf dem Vulkan tanzen und der Vulkan wird nicht auf mir tanzen. Wir werden uns gegenseitig mit Respekt und Achtung leben lassen und einander möglichst wenig begegnen. Und mein Fuß darf wieder tun, wofür er mir zugedacht ist.
Anfang gut, alles gut!
Erster Inseltag 8./9.12.24
Nach meiner Ankunft trafen meine „Land Lady “und ich uns erstmal im Ort und haben Kaffee miteinander getrunken und uns beschnüffelt. Ich roch nach Reisefieber und Angstschweiß, ganztags unterwegs sein und müden Augenlidern. Sie fuhr mir dann mit dem Motorrad voran zu dem Haus, in dem ich nun drei Monate wohnen werde. Für den Anfang reichte es, nur ein paar Zimmer gezeigt zu bekommen. Es ist schön da drin, sie hat es kreativ und liebevoll ausgestaltet.
Allerdings ist es ein bisschen enger als ich gedacht hatte. Aber das ist OK. Momentan habe ich noch kaum Platz, mein Zeug auszupacken, es liegt vorläufig am Boden und hängt an zwei Haken an der Wand. Überblick über das Mitgebrachte: eher Null. Überblick von der Wohnung aus: großartig. Vor meinen Fenster, wenn man etwas schräg kuckt, sieht man das Meer. Und man hört es, sogar ich, die keinen Regen mehr draußen vorm Fenster höre (falsche Frequenz). Die Bananenstauden auf der Terrasse sind gar keine, es sind Riesenstrelitzien.
Zur Ankunft bekam ich eine leckere Suppe kredenzt, die bereits eine Vorbotin der Reise meiner Wohnungsgeberin zu sein schien. In einer Woche düst sie ab nach Sri Lanka. Ihre Koffer sind aber noch leer.
Wir führten sehr interessante, befruchtende Gespräche miteinander. Wir sind zwei Tieferdenkerinnen, und sie ist jemand, die auch versteht, wenn es blumig wird, d.h. ich muss mich nicht so viel übersetzen wie sonst. Das ist großartig!
Andermorgens machte ich mir dann – frisch erfroren in der Dusche - erstmals einen Kaffee mit so einem Kaffeedurchpressgerät. Aß Feigen auf der Terrasse und später fuhren wir zu einem Lokal, in dem sie wohlgelitten ist. Sie spielte ihr altes Spielchen mit dem Kellner, dass sie ausprobieren muss, ob das Essen immer noch so fürchterlich ist wie sonst, und der Kellner hatte vollstes Verständnis für ihre missliche Lage und entschuldigte sich sehr für die bedauernswerten Verfehlungen des Küchenpersonals. Es war dann auch wirklich extrem fürchterlich. Leider war es etwas zu wenig. Und das Rezept hätte man auch gern gewusst. Heute gehen wir wieder hin.
Im Lokal spielten wir ein Spiel, sowas wie Stadt-Land-Fluss, aber tatsächlich war es bei uns Täter-Opfer-Tatort usw. So entstanden direkt vier Kurzkrimis mit skurrilen Charakteren und außerordentlich absurden Geschichten. Wir hatten unseren Spaß. Leider haben wir das ganze mündlich betrieben, weshalb ich euch die Stories nicht vorsetzen kann, so dass euch die Lachtränen das Makeup verwüsten.
Danach trennten sich unsere Wege. Ich dachte leichtfertig, ich fahr mal hoch zur Wohnung, hole mir ein paar Sachen. Mein Navi meinte, einen einfachen Weg zu wissen. Ich hatte ganz sicher „mit dem Auto“ eingegeben. De facto waren das aber alles keine Straßen, in denen etwas wesentlich Raumfüllenderes als ein Motorrad fahren sollte. Wenigstens hat die freundliche Ansagestimme mich nicht auch noch über eine Treppe geführt, aber die Gässchen waren nur sehr geringfügig breiter als das Mietauto und zudem vollgestellt mit Blumenkübeln. In manchen, in die ich abbiegen sollte, standen Poller aus dem Boden. Ich habe tatsächlich neun Anläufe gebraucht, um zum Haus oben am Hang zu kommen. Schließlich landete ich auf einer Art Bundesstraße, von der senkrecht nach unten eine Art Feldweg voller riesiger Schlaglöcher Richtung Haus führte, wo ich Angst bekam, meinen Unterboden auf der Strecke zu verlieren. Aber immerhin kam ich dann tatsächlich an.
Mit Strandoutfit neu beladen ging es seltsamerweise völlig problemlos zur Ortsmitte (immer bergab, das war halt einfacher, und ich versuchte, nur die breiter wirkenden Straßen zu befahren) und von dort aus ein paar Kilometer den Berg entlang in der Richtung, von der ich wusste, da muss es sein. Nur direkt vor Ort dann ein Schild „Hafen, Strand“. Und so landete ich also auf der schwarzen Sandwüste, aus der sich Staub gen Himmel erhob. Ich lag einige Zeit da im Bikini (probierte aber nicht mal die Wassertemperatur, wiewohl auch ein paar Hartgesottene badeten) und kommunizierte mit den Daheimgebliebenen. Dann wurde es etwas frisch und so fuhr ich noch ein kleines Stückchen weiter.
Da waren nämlich viele bunte Häuser mit Sonnenschirmen draußen, die ich zu Recht aus der Ferne als Restaurants eingeschätzt hatte. Ich suchte eines aus und wollte mich setzen, aber eine Frau blickte mich sehr unverwandt an und lächelte mir zu, zwinkerte sogar. Da ich hier gar niemanden kenne, war mir das irgendwie komisch und ich zog noch zwei Lokale weiter. Dort genoss ich dann meine ersten Chipirones auf dieser Insel, das sind frittierte Tintenfischlein im Miniformat. Dazu die runzligen Kartoffeln mit Meersalz, eine Spezialität.
Während eines kurzen Besuchs des Innenraums wurde derweil flink vom Frischlingskellner mein Tisch abgeräumt, obwohl mein Getränk noch drauf stand, und so bekam ich ein neues und noch zwei Entschuldigungsschnäpse aufs Haus.
Beim Beobachten der Menschen stellte ich fest, dass es wohl hier zwei Sorten gibt: die einen, relativ spießig normal, und die anderen paradiesvögelige Aussteigertypen. Mit Klamotten so ähnlich wie meine. Ich saß da mit meinem Hexenmantel ganz der Norm entsprechend. Hernach beobachtete ich sie, wie sie am Boden sitzend oder jonglierend in stark duftende Schwaden gehüllt musizierten bzw. sich im Takt bewegten und ein bisschen auf mitgebrachten Lärmwerkzeugen mitrasselten und klopften. Eine Vorstellung, die sich in ähnlicher Version bestimmt allabendlich wiederholt.
Dank Sprachanweisung für den Rückweg fand ich das Haus diesmal problemlos (wäre in der Dunkelheit auch noch viel übler gewesen, durch den Ort zu kreischen – solche Geräusche macht nämlich mein Mietauto manchmal, wie eine alte Trambahn, die um die Kurve schleift), und den Abend beschlossen wir nach ein bisschen Arbeit am Laptop mit einem sehr guten Gespräch auf der Terrasse in dem Wissen, die breite Schwärze da vor der Balkonbrüstung ist das Meer.
Oh Google, warum hast du mich verlassen? 9./10.12.24
Nachdem ich heute schon fast einen schriftlichen Eilantrag per Einschreiben und Rückschein gestellt hätte, wurde mir dann doch eine Begehung der Dachterrasse bewilligt. Mit Kommentaren und amüsanten Anekdoten. Nun kann ich nicht mehr nach Abreise der Gastgeberin sagen, mir gefiele es hier nicht, denn ich hätte es mir ganz anders vorgestellt. Das hab ich mir jetzt gründlich vermasselt. Mein Geld könnte ich jetzt also auch nicht zwecks Vorspiegelung falscher Tatsachen und Katze-im-Sack-Verkauf zurückverlangen.
Und ehrlich gesagt, gibt es auch keinen Grund dafür. Es ist auch nach Besichtigung der Dachterrasse noch schön hier! Von dort hat man einen herrlichen Blick über die Dächer und kann auf einem Tagesbett direkt unterm Baldachin träge beobachten, wie einem die Welt zu Füßen liegt. Shavassieren nennt die Gastgeberin das Flachliegen, abgeleitet von der Yogaübung Shavasana, einer „sauschweren“, da komplett unverkrampften Rückenlage-Figur.
Zum Frühstück wurde mir heute ein selbstgezauberter dunkelroter Fruchtmixcocktail kredenzt, der löblichen Geschmackes war. Selbst besorgt hatte ich mir eine Creme Caramel und eine Cherimoya, die ich 1996 in der Schwangerschaft in München entdeckte und stetig nachkaufte. Mir ging es also auch heute morgen schon wieder bestens, und immer noch finde ich kein Haar in der Suppe, an dem ich mich strangulieren könnte, außer dass die Land Lady erklärte, dies sei ein Rahmapfel, Guayabano, der mir aus Venezuela als Smoothie bekannt war, und den ich dort sehr liebte.
Dank Google stelle ich jedoch inzwischen fest, dass es sich hier um eine andere Frucht handelt, nämlich das Baby der Stachelannone, was auch immer das wieder ist. Das sieht der Cherimoya zwar ähnlich, aber ist außen stachlig, während die Cherimoya nur Mulden auf der Haut hat. Den Guayabano finde ich auch als Guyabano und Guanabano beschrieben. Vielleicht ist das auch nicht genau deckungsgleich. Ich finde es jedenfalls herrlich, dass es noch Früchte außerhalb des deutschen Vorstellungsvermögens gibt und hoffe, dass ich noch viele schmeckenlerne!
Nun aber mein Bericht zum Vortag, bevor er in den Annalen der Geschichte zu Staub zerfällt und nie wieder überdacht wird. Gestern dachte ich, ich fahr mal rasch in die nächste Stadt. Los Llanos, 10,5 km entfernt. Interessanterweise, und das fiel mir schon beim Herweg störend auf, heißt das Los Llanos de Aridane. Als ich das so riesig über der Stadt geschrieben sah, dachte mein Klugscheixxerhirn sofort: Oh Gott, das ist mal wieder typisch, je größer geschrieben, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tippfehler durchwitscht. Die Korrektoren schauen sich immer nur den Text an, nie die Überschriften. Aber hier geht es tatsächlich nicht um den Faden der Ariadne, sondern um die Ebenen des Aridane oder sowas. Llano die Ebene, lano die Wolle - als Wortspiel auch irgendwie interessant. Jedenfalls hat es mich eine Weile beschäftigt.
Meinem Handy ist das Ganze zu Kopf gestiegen, hat einen unlösbaren Knoten in ihm verursacht, und Tante Google gab mir daraufhin sehr abstruse Vorschläge, wie ich zu fahren hatte. Nach 15 Minuten sollte ich da sein. Ich hätte mir die Route auf der Karte einfach richtig anschauen sollen, aber stattdessen fuhr ich frohgemut den Anweisungen nach, die mein Handy aussprach. Es hätte mich stutzig machen sollen, dass es innerhalb kürzester Zeit mindestens fünfmal Korrekturen vornahm und erst recht, als es mich mehrmals in eine Straße abbiegen lassen wollte, wo überhaupt weit und breit keine war. Irgendwie kam es mir dann doch sehr merkwürdig vor, wie es mich plötzlich in Lavafelder manövrierte, die gar nicht enden wollten. Innerhalb dieser Felder gingen dann vereinzelt Straßen den Hang hoch, und eine von denen, abseits jeder übriggebliebenen Zivilisation wurde ich hochgelotst. Dann befand ich mich mitten in einem unerquicklichen grauschwarzen Trümmerfeld und hatte angeblich nach etwa 20minütiger Fahrt mein Ziel erreicht. Wer beschließt das? Google? Der Internetanbieter? Die Insel? Die Vulkanenergie? Mein egozentrisches Universum?
Empört drehte ich um, und fuhr wieder dieselbe Schotterpiste bergab, woraufhin das Navi sich derrappelte und mir dann einen Weg von 18 Minuten vorschlug. Nach einiger Zeit wurde mir bewusst, dass ich die auf Schildern genannten Ortsnamen auf dem Herweg alle nicht gesehen hatte, dabei war ich ja doch über Los Llanos gekommen. Also hielt ich mal an, und stellte dann fest, dass ich völlig wo anders gelandet war, in absolut falscher Richtung.
Nun gut, wenn man einmal um die Erde herumgurkt, kommt man ja auch wieder am Ausgangsort an bzw. an dem Ort, der in der Gegenrichtung vor dem Ausgangsort käme. Vielleicht war es so gedacht. Ich müsste das Handy allerdings darauf hinweisen, dass da eine nicht unbeträchtliche Menge Ozeans dazwischen liegt, dem es vielleicht auf Dauer nicht so gewachsen wäre. Es hält laut Hersteller nur bis zu 30 Minuten in 1,5 m tiefem Süßwasser aus. Erstens ist das Meer generell leicht bis heftig salzig…
Nun gut. Ich habe also umgedreht, und Tante Google dadurch wohl in extreme Bedrängnis gebracht, denn sie widersprach sich in ihren Anweisungen nun eher zehnsekündlich von „bitte wenden“ bis „der Route 8 km weit folgen“ und dann wollte sie mich nach 200 m doch plötzlich abbiegen lassen. Schilder nach Los Llanos hier Fehlanzeige. Irgendwie musste es wohl genau so sein. Ich durchfuhr weiterhin die Lavafelder, die dräuend, lebensfeindlich und beängstigend weitläufig alles unter sich begraben haben. Und dann sah ich mich Auge in Auge mit ihm, dem Master of Desaster! Gestatten, sein Name ist Neuer Vulkan, Tajogaite, auf dem Alten Höhenrücken (Cumbre Vieja).
Unter seinen Kollegen, den grünbewaldeten Bergen sieht er aus, wie ein ehemals gefährliches Furunkel, dessen Eiter abgelaufen ist. Die Haut rundherum ist leicht bis mittelschwer gerötet, die Behaarung abgeschilfert, der Eiterhort geleert, aber nicht verschlossen, sondern hier starrt einäugig eine tiefe, augapfellose Augenhöhle gen Meer. An sich sollte man meinen, das wäre ja nur ein kleines Kraterchen, da gäbe es durchaus höhere Berge in der Gegend, von denen man größeres Unheil erwarten könne. Aber Skorpione sind z.B. ja auch gefährlicher als Tauben. Der schwarze Körper des verwüsteten Gebiets rund um den klaffenden Schlund hat an manchen Stellen begonnen, wieder neuen grünen Haarwuchs zu bekommen. Unkrautbüschel erarbeiten sich frech ein neues Habitat. Wir waren zuerst da, schreien sie in hellgrüner Grelle und trotzen flexibel dem Bodenwind, der den pechschwarzen Staub über sie hinwegjagt. Andernorts wurden entlang der Straße Palmen aufgeforstet, als entstünde hier eine Prachtallee mitten durch ein Nobelviertel, und nicht mitten in der schwarzbrockigen Pampa.
Ich verneigte mich also ehrfürchtig in meinem sicheren Fahrzeug vor dem Vulkan mit seiner unheilsvollen Höhlung und bat ihn, mir nicht zu grollen, dass ich mich in sein Umfeld gewagt hatte. Vermutlich war er es ja wohl, der mich gerufen hatte, denn als ich später meine Odyssee schilderte, meinte man, ein solches Fehlverhalten von Google sei hier eigentlich nicht ortstypisch, wohingegen ich vermutet hatte, dass das Netz vielleicht so schlecht sein könnte, dass eine genaue Verortung des Aufenthalts in diesem Bereich nicht möglich sei. Nein, anderen Leuten passiere nicht dasselbe. Der Vulkan wollte also was von mir. Wiewohl ich im letzten Bericht noch angekündigt hatte, ihn in Frieden schlummern lassen zu wollen.
Nachdem ich Los Llanos endlich gefunden hatte und nicht unbedingt begeistert von meinem Fundstück war (es war auch gestern ein eher grauer Tag, und die Läden waren aufgrund der Siesta alle zu, als ich ankam), fand ich eine Tourist Information, zu der man von der Straße aus ausschließlich mit einem Lift in den Untergrund Zugang hatte. Ich ließ mich detailreich über alle sehenswerten Orte auf der Insel aufklären. Insbesondere wurden da genannt: Strände, Strände und nochmals Strände. Dann noch Strände, die man nur durch eine Wanderung erreichen konnte. Die habe ich sofort gestrichen, da mein fersengespornter Fuß und mein titanverstärkter Rücken (und mein unmotiviertes Alles) da nicht mitmachen.
Des Weiteren gibt es hier als Spezialität zu besichtigen, man lese und staune: Vulkane. Ach ne. Wer hätte das gedacht. Es gibt Aussichtspunkte auf deM Vulkan, solche auf deN Vulkan, auf eineN alten Vulkan und in eineM alten Vulkan. Und es gibt Vulkanwanderungen zu Hauf. Naja, ebenfalls gestrichen. Dann gibt es ein archäologisches Museum und ein Mojo Museum. Das betrifft mojo rojo oder mojo verde, Saucen, die das Essen verfeinern oder verunmöglichen, je nach Schärfegrad. Vielleicht gibt es ja noch mehr Museen, aber da der Herr hinter mir sehr hörbar aufstöhnte, als ich nochmal zu weiteren Fragen ansetzte, beließ ich es mal vorläufig dabei und ließ ihm auch eine Chance, seinen eigenen Wissensdurst zu stillen.
Nachdem die Läden endlich geöffnet hatten, erstand ich dann noch eine Simkarte mit 100 GB für nur 20 Euro, ein Schnäppchen, würde man meinen, und somit ist das Internet jetzt erstmal gesichert. Alles meins! Na gut, 10 Megabyte auch für Dich, hier bitteschön! (Mit gönnerhafter Miene).
Im Anschluss erledigte ich einen Großeinkauf im örtlichen Lidl-Markt, der natürlich spanische Schätze birgt, die mit dem deutschen Sortiment wenig gemein haben, was ich als durchaus vorteilhaft empfinde, aber was mich natürlich teuer zu stehen kam. Und ich hatte auch etliche Tüten voller Futter zusammengestellt, wohl auch der Tatsache geschuldet, dass ich ziemlich hungrig war. Da kauft man ja alles, was einem irgendwie essbar erscheint und hat sooo viele Ideen, was man alles mit den Köstlichkeiten anstellen könnte.
Auf dem Rückweg nach Tazacorte ließ sich Tante Google weitere nette Scherze einfallen, aber immerhin konnte ich mich noch vage daran erinnern, dass es etwas näher am Meer lag, als was sie mich glauben lassen wollte („in 200 m haben Sie Ihr Ziel erreicht“, und das mitten am Berg). Somit gelang es mir, dann mit einigen weiteren Irrungen nach Hause zu finden.
Ach ja, mittags waren wir ja erneut in dem Lokal von gestern gewesen, um auch diesmal festzustellen, wie grauenerregend schlecht das Essen ist. Diesmal trafen wir eine Freundin meiner Land Lady und speisten unübertrefflich dekorative Pfannkuchen in Soufflé-Optik mit Beeren, dazu gönnte ich mir ein grünes Getränk aus Kräutern und Gurke, das einen herrlichen Farbkontrast bot.
Hier zeigte sich dann noch, dass die Insel ihre magischen Ariadnefäden an die Menschen gebunden hat, die einmal hier waren und immer wieder kehren, auch nach Jahren lässt es sie nicht los. Ein Amour fou. Man kann auch nicht sagen, wider besseres Wissen müsse man immer wieder hier sein. Es ist halt einfach schön hier. Die Leute sind beim ersten Mal drei Monate hier. Und beim nächsten Mal sechs. Und dann ziehen sie her als Neueingesessene und wachsen in die eingeschworene Gemeinde der Einnistpalmeros hinein. Gehen dann ein paarmal im Jahr nach Ehemals-Hause, oder mal zwei Jahre nach Guatemala. Und dann ist die Insel wieder dran. Mal sehen, was das mit mir macht. Zu verzeichnen ist auch eine rein äußerliche Veränderung als Spiegel des Inneren. Sprich: das Äußere wird wilder, authentischer, einzigartiger, entspießert, entnormt.
Wenn Google mich öfter hier so herumführt, werde ich mich über kurz oder lang selber orientieren können und ein Gefühl für vorn und hinten, Nord und Süd entwickeln, auch an sonnenbefreiten Tagen, und das Ziehen der Heimat verspüren. Welche auch immer das dann sein wird.
PS: Die Freundin („Ich bin ja Vulkanopfer“ – ich denke, da werde ich in Zukunft noch nachfragen) las gerade in einem Buch, dass Menschen, die es auf Inseln zieht, meist traumatisierte Menschen seien. Sie suchten einen Zufluchtsort, an dem die Winde und die Brandung sie von ihren traumatischen Erlebnissen befreien, sie reinwaschen. Vielleicht ist das ja ein Grund, warum ich hier bin.
Free as a Bird - 10./11.12.24
Gestern genoss ich den Frieden auf dem Berg Tide, den ich in etlichen Serpentinen mit meinem Fahrzeug erklommen hatte. Beim Weggehen zeigte ich mich noch dezent gekleidet, denn die Wohnungseigentümerin wäre z.B. nicht so scharf auf eine Punkerin aus London, sondern stellt sich eine verantwortungsbewusste Person vor. Verantwortungsbewusst wirke ich ja im Allgemeinen. Aber ab und zu kehre ich zurück zu meinen Wurzeln, und so zog ich im Auto dann vor der Begegnung mit dem Berg meine Indianerfedern und meinen gefilzten Hexenmantel an. Am Aussichtspunkt stand ich dann zwischen Dutzenden anderer Leute mit wehendem Federschmuck.
Ich versuchte ein Plätzchen zu finden, wo es nur mich und die Natur gab. Dort freute ich mich dann an der Freiheit, hier zu sein, ließ meine Blicke wie den Flug eines Adlers über das weite Tal bis zum Meer schweifen. Mit stolzer Haltung das Auge gerichtet in die Ferne, gebannt von der vulkanischen Wirklichkeit, die sich aktuell vielleicht vielmehr als freundliche Weiblichkeit darstellt, anstatt als gehässiger Geselle, denn der Vulkan sieht aus dieser Perspektive eher aus wie eine enorme Vulva: gespalten, klaffend offen, und friedlich erschöpft nach dem großen Orgasmus. Die Feinheiten einer passenden Geschichte sich auszudenken überlasse ich dem/r Leser*in, der/die sich gerne ausmalen darf, welche Art von Kissenschlacht in diesem grünen Bette stattgefunden hat.
Aus meinem Haar hingegen flogen die Vögel der Unruhe und der Geruch der Enttäuschung der letzten Wochen, stoben gehen Himmel und befreiten sich und mich. Die Menschen nahmen mich mit Freundlichkeit wahr und handelten, als sei mein Outfit eine Selbstverständlichkeit, die jedem auf der Insel hier zusteht.
Später, wieder daheim, beobachtete ich ohne Möglichkeit, Fotos zu schießen, da mein Akku keine Lust da drauf hatte, bei meinem Zoom, wie sich der Himmel überirdisch blau färbte und einlud, den Blick auf ihn zu fixieren und sich mitnehmen zu lassen in das Zerfließen der Wolken, die „Vercirrung“ der Dunstschleier in luftiger Höhe, während die Sonne sich verabschiedete und einen letzten plötzlich aufflackernden Feuerglanzgruß herüberschickte.
Wolken stapelten sich über den weißen Würfeln des Orts, durchsetzt mit einigen bunten Bauklötzen, die das Ensemble zu einer freudigen Angelegenheit mit kindlich-fröhlichem Charme werden lassen, über die das Auge mit Lust spazieren fliegt. Das Meer hingegen wirkte rau wie ein alter Holztisch, der zu lange im Regen und Wind gestanden hat - ganz in der Ferne durchzogen von flachen Bahnen, vielleicht den Schiffen der Vergangenheit.
Ich stelle mich den Bergen - 11./12.12.24
Gleich nach dem Aufstehen, während ich noch versuche, das zweite Auge ebenfalls zu öffnen, begegnet mir im Gang die Zimmerwirtin. „Was kann ein Tag schon bringen, der mit einem Morgen beginnt?“ frägt sie mich und zeigt damit, dass sie in Sekundenbruchteilen erfasst hat, wie mein Befinden gerade ist. Draußen verröchelt immer noch theatralisch ein Hahn seine Seele, während ein Kumpan, mit dem er sich unterhält, japsend, quietschend, lächerlich verzweifelt Gegenwehr leistet. Möglicherweise bereiten sie sich schon auf ihr Schicksal zur Weihnachtszeit vor.
Unweit der Terrasse gibt außerdem eine Taube alles, namentlich wohl ihr Innerstes, indem sie sich die Essenz ihres Gefühlslebens aus dem Hals brüllt. Ehrlich, muss das jetzt sein? Was ist denn das für eine Begrüßung?
Das Meer jedoch wallt friedlich, kaum erkennbar da draußen, und kleine gefiederte Clubgesellschaften besichtigen es mit analytischer Miene von oben und fachsimpeln über die Wellenform und Farbschattierungen. Bilde ich mir so ein, so gut sind meine Augen allerdings nicht. Ich schließe das aus den Bewegungen der einzelnen Vogelscharen.
Was war denn gestern alles, was kann ich euch erzählen? Eigentlich hab ich mir einen eher trägen Tag zu Hause gemacht, endlich das heiße Wasser aktivieren können und die Haare gewaschen, und hab dann aber relativ spät, auf Empfehlung der Land Lady, einen Kurztrip zu einem Lokal am Abhang gemacht. Diesmal keine Begegnung der dritten Art mit dem Vulkan, vielleicht eher ein Versuch, meine Bergphobie zu heilen. Hier kommt man dem Gebirge ja nicht aus, soviel wie La Palma am Meer ist, soviel ist es auch am Berg.
Serpentinenfahren macht mir ja glücklicherweise Spaß. Hauptsache, ich muss nicht, wie damals auf Korsika, mit dem Radl oder zu Fuß hoch. Da hatten meine Freunde, denen ich mit dem Rad voran nach unten gefahren war, was einfach ein herrliches Gefühl der Freiheit gab, zu lange irgendwo getrödelt, und ich glaubte, sie wären an mir vorbeigezogen, während ich in einem Lokal auf sie wartete. Wir waren ja eigentlich mit dem Bus unterwegs. Nur ein paar wenige hatten ein Radl dabei.
Mein Rad hatte nur eine 3-Gangschaltung, war in keinster Weise bergtauglich. Als die Freunde aber nach vielen Stunden immer noch nicht kamen, kriegte ich Panik. Handys waren damals noch nicht erfunden, und so begann ich mangels Informationen über ihren Aufenthaltsort dem nächsten Abendstellplatz hinter den Calanches mit meinem Rad bergauf entgegenzustrampeln. Der Weg führte steil nach oben, es gab nirgends auch nur eine Stelle, wo man sich hätte erholen können.
Das führte bei mir fast zu einem Herzinfarkt, auf jeden Fall zu einem leuchtend roten Kopf, äußerster Erschöpfung gepaart mit tiefer Verzweiflung und dem Gefühl, ich werde wohl, so wie der Gockel von vorhin, gegart im eigenen Sud, kurz vor dem Erreichen des Gipfels den Geist aufgeben und über eine ganze Seite in der Inselzeitung stehen. Vielleicht würden ja freundliche Einheimische an der Fundstelle Blumen und Teddybären für mich ausstreuen und mir ein Marterl bauen. Dann würde das Ganze zu einer auf den Straßenkarten für Touristen verzeichneten Pilgerstätte.
So weit kam es aber nicht - weiß jetzt nicht, ob leider, oder zum Glück - denn kurz vor dem Gipfel, also kurz vor meinem Ableben, kamen die Freunde von hinten mit dem Bus und klaubten mich auf. Sie hatten sich echt einfach einen schönen Tag gemacht und dann im Lokal nach mir gefragt, woraufhin man ihnen den Weg wies, den ich genommen hatte. Anblicks meines Rades vermutlich vogelzeigend. Seither stehe ich jedenfalls mit Bergen auf noch schlechterem Fuß als zuvor.
Gestern speiste ich dann ein mit vielen angeschwitzten Zwiebeln (erinnernd an mich auf meiner Calanchenfahrt) belegtes deftiges Schweinesteak vor der Kulisse der grün bewaldeten Felsfront. In der anderen Richtung war das Meer harmlos silbern wie eine polierte Servierplatte zwischen zwei Sonnenschirmen und den Bergen ganz am Ende zu sehen. Ich saß einmal so herum und einmal anders herum, um die Szenerie in mich aufzunehmen und mich mal wohl und mal unwohl zu fühlen. Ihr dürft raten, was in welcher Blickrichtung zutraf...
Ich erwehrte mich, nicht völlig erfolgreich, den Annäherungsversuchen einer hungrigen Katzenlady. Im Anschluss fuhr ich im Karacho die Serpentinen wieder hinunter, um rechtzeitig zu meinem Abendzoom daheim zu sein. Wiederum fand, extra für mich, ein wunderbarer Sonnenuntergang direkt vor meiner Nase statt, dessen leuchtende Energie ich dann freudig in meine Karmasession mitnehmen konnte, so dass der Tag recht rund und wieder ausgeglichen war. Erstaunlicherweise hat mich der ruhige Abend dann so ermüdet, dass ich, entgegen meinen Gepflogenheiten als Spätschläferin (zwei Uhr), um halb elf bereits eingeschlafen war. Und je länger der Schlaf, desto schwerer gehen die Augen wieder auf. Siehe oben.
Ich nehme Kontakt mit dem Meer auf und vermisse ein Standbein - 12./13.12.24
Der Abreisetag meiner Land Lady ist in bedrohlich greifbare Nähe gerückt, dennoch stehen die Koffer für Sri Lanka immer noch gähnend leer im Wohnzimmer. Ich muss schon sagen, als ich mir überlegt habe, was ich für drei Monate hier brauche, habe ich schon ein bisschen früher mit Packen angefangen! Und trotzdem lauter falsche Sachen mitgebracht. Ich hätte viel mehr trägerlose Sommerkleider gebraucht und nicht so viele Jacken. Außerdem habe ich zwei lange Jeans dabei, bräuchte aber Bermudas und Röcke. Was soll‘s, das wird sich auf der Insel finden lassen. Hoffentlich auch ein schicker Koffer, um die Sachen dann in einem weiteren Gepäckstück nach Hause zu befördern.
Gestern gab ich mich dann nochmal dem Strandleben hin. Oder vielmehr dem Strandliegen. Ich hatte mir ein Buch mitgebracht und mich mit meiner horizontalen Wälzerei rundum mit schwarzem Sand paniert, während ich eine bequeme Armhalteposition suchte. Das Meer brauste und tobte, und im Hintergrund stampfte und dröhnte eine Maschine, so dass ich die beiden Geräusche im Geiste verquickte und mir vorstellte, das sei der Motor, der die Insel in Gang hielte. So lange, bis plötzlich der Maschinenlärm verstummte und nur noch das klare, reinigende Rauschen der Meeresbrandung übrig war. Es hallte interessanterweise von Küstenabschnitt zu Küstenabschnitt von rechts nach links wider, so dass jede Welle eine Kaskade von graduell leiser werdenden Geräuschen auslöste.
Von Zeit zu Zeit türmten sich die Wogen plötzlich sehr viel aggressiver und höher zu beängstigendem Format auf, die mit großem Radau auf den bereits ganz feingemahlenen Sand krachten, als wollten sie ihn zu Staub verarbeiten. Es waren immer drei nacheinander, dann tat das Meer wieder handzahm und lächelte mit vermeintlich harmlos-zahnloser Miene.
Ich begab mich schließlich, schon leicht angekokelt von der ungewohnten Sonnenglut, an den Rand der Schaumkronen, noch außerhalb des angefluteten Bereichs, da beschloss das Meer, mich zu begrüßen und seine berühmten drei Brecher noch kräftiger als zuvor aufzufahren. Blitzartig schoss es sogar noch weit hinter mir den Strand hoch. Sofort wurden meine Füße vom Wasser unterminiert, und ich bewegte mich erschrocken ein gutes Stück zur Seite. Da traf schon der nächste Brecher auf und ließ mich spüren, dass unter dem Sand große runde Steine lauerten, überall, der herausgewühlte Sand hatte nur dekorativ oben drüber gelegen.
Und das Meer lechzte danach, diese Steine zu zermalmen. Es ließ mich torkeln und taumeln, nur mit knapper Not entkam ich dem Umfallen. Die nächste Welle erwischte meine Breitseite und ich muss eine bühnenreife Darbietung abgeliefert haben, um nicht zu stürzen. Die Menschen rundherum hatten mich mit Sorge im Blick, aber ohne sich zu rühren. Gottseidank hatte ich das Geschehen im Vorfeld beobachtet und wusste, nach drei Ausbrüchen war Zeit genug, um zu entkommen. Sobald ich meinen Halt wiedergefunden hatte, gab ich Fersengeld und entzog mich dem Einzugsbereich der Wassereinflutschneise in unnötig weiten Abstand.
Trotz derartiger Wassergewalt gingen durchaus mehrere Personen ins Wasser und schwammen da herum, die Temperatur war auch nicht unangenehm. Mir hatte das Meer aber gezeigt, wer hier der Chef ist, und ich verkroch mich demütig zurück zu meinem Buch in sichere Gefilde. Mit diesen Einbauten im Rücken bin ich halt nur noch sehr schlecht in meinem Ringen um ein labiles Gleichgewicht. Ich bräuchte ein weiteres Standbein (wie mein Ex sagte, als er sich während unserer Beziehung hundertfach per Internet mit der holden Weiblichkeit anderer Länder in Verbindung setzte.)
Zurück auf meiner einsamen Badematte wurde ich dann von einer einzelnen Fliege umgarnt, die einen Narren an meiner frisch erworbenen Salzkruste gefressen hatte und mich sogar während meiner anschließenden Uferpromenadenspaziertour bis schließlich zum Auto hinbegleitete. Ich gönnte mir ein dreikugeliges Eis mit in Deutschland unüblichen Sorten – Mora: Maulbeere (die letzte Kugel ergattert), Turrón: eine spanische Süßigkeit aus Mandeln, ähnlich dem türkischen Honig, und Gofio: Mehl aus geröstetem Getreide, was auf den Kanaren typisch ist.
Allenthalben hört man Deutsche deutscher Spanisch sprechen als ich es wohl selbst in volltrunkenem Zustand täte. Außerdem nervt es schon ein bisschen, wenn man immer alles versteht, was die Leute so alles von sich geben. Einer erklärte in der Schlange beim Eisstand z.B. seiner Begleiterin: wennst Maulbeeren pflückst, siehst aus wie frisch vom Schlachtfeld. Wie frisch vom Schlachtfeld sah dann auch mein Tisch aus mit dem übergelaufenen zu gut eingeschenkten Kaffee und dem völlig unterdimensionierten Becher unter den überbordenden Eismassen, die an der Sonne schneller dahinschmolzen als ich mit Essen nachkommen konnte.
Den Abend verbrachte ich dann noch mit fröhlichen Gesprächen mit der morgen Abreisenden. Den heutigen Tag begannen wir mit dem Hämmern, Klopfen und Pochen eines fleißigen Nachbarn, der begonnen hat, sein Dach zu sanieren. Er schabt und kratzt, ist voller unbremsbarer Energie und betreibt außerdem einen Zementmischer. Schlecht, wenn man meditieren möchte. Dazwischen ertönt der Megaphonruf einer Fischverkäuferin, die mit dem Auto sämtliche Straßen abfährt und alle 50 Meter ihre Ware anpreist. Dazu die Kirchenglocken mit dem bereits beschriebenen Bimbammbamm, das mir nun bereits sehr vertraut klingt. Die Hähne und Taube sind heute eher friedlich.
Das bisherige Hauptereignis war jedoch, dass es uns auch gemeinsam nicht mehr gelang, das Wasser warm zu kriegen. Bisher war es nur ich gewesen, die ständig Pech beim Duschen hatte, sie hatte ja noch warmes Wasser, so dass ich schon langsam davon ausging, dass es irgendwie meine einschüchternde Ausstrahlung sein könnte, die das Heißwasser vor Schreck erkalten ließe.
Aber nachdem wir dann die Nachbarn um Hilfe gebeten hatte, zeigte sich, dass der Boiler zwei dicke Batterien enthält, und die hatten einfach seit Einzug vor ein paar Jahren bis jetzt durchgehalten, wenn auch schon in ziemlich ausgelaufenem Zustand. Zum Glück ist das ja dann heute aufgekommen, sonst hätte ich zähneknirschend drei Monate kalt geduscht mit der Vermutung, man könne halt nix dagegen machen. Bei meiner Freundin in der Türkei gab es ja ein ähnliches Problem, da stellte sich, nachdem ich dort einen Monat nur Eiswasser auf mein Haupt träufeln konnte, erst als ich wieder weg war, heraus, dass es eine Art Lichtschalter im Gang gab, mit dem das Gas zu dem Boiler auf meiner Wohnungsseite angeknipst wurde. Tja.
Irgendwas hat wohl ein Interesse daran, mich abzuhärten. Oder herauszufinden, ob ich mich auf die Hinterfüße stelle. Oder vielleicht ob ich mich lieber auf mich selbst verlasse, oder endlich lerne, öfter um Hilfe zu bitten.
Es (f)liegt was in der Luft - 13./14.12.24
Gerade komme ich vom Flughafen auf der anderen Seite der Insel zurück, an dem ich nun meine Vermieterin Judith abgeliefert habe. Sie hat noch weite Reisen vor sich und sagt, sie habe ein gutes Gefühl, wenn sie sich vorstellt, wie ich bei ihr daheim gemütlich auf der Terrasse sitze und Worte in den Laptop fließen lasse, so wie sie das mit mir ja erlebt hat - trautes Zweisamkeitsgefühl beim Hacken in den Rechenknecht. Auf Persisch sagt man „dein Platz ist leer“, wenn man jemanden vermisst, und das könnte dann sein, denn sie thronte immer zu meiner Linken in einem Ohrensessel, während ich im Holzstuhl vor mich hintippselte. Ich bin aber nicht so ganz der Ohrensesseltyp. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Auf jeden Fall gähnt dieser Sessel jetzt bereits leer vor sich hin.
Pünktlich zum Abschied (wir saßen vorher noch gänzlich ungeschoren im Freien in einem Café in Flughafennähe und haben Leckeres schnabuliert) wurde Judith dann noch mit allen Wassern gewaschen. Die Insel, die ja quasi fast immer regenfrei ist, wollte ihr heute den Abschied leicht machen. „Dem Regen muss sie entfliehen, die Arme, kein Wunder, wenn sie es auf La Palma nicht mehr aushält…“ Naja. Ich vermute mal, morgen ist es wieder schön hier! Die Natur hat vermutlich keine Einwände gegen die paar Tropfen.
Nun bin ich also allein hier, kann schalten und walten, wie ich will, zum Beispiel auch endlich das Deckenlicht im Schlafzimmer einschalten. Heute hat sie eine frische Glühbirne bekommen. Schon etwas einfacher damit. Auch habe ich Platz im Schrank freigeräumt bekommen, was auch eine nette Entwicklung ist. Nun ist aktuell also alles perfekt.
Gestern war ich wieder am Strand unten. Eigentlich wollte ich es wagen, in der Bucht, wo keine hohen Wellen sind, wie so viele andere zu baden. Aber dann war es bedeckt und windig und so stellte ich mir das nicht ganz so freudig vor.
Durch meinen Geist flossen aber die Wellen des Meeres, mich salzte schon allein durch die Luftfeuchtigkeit die Ursuppe der Ozeane, meine Haut gerbte der Wind und darrte mich auf meinem blauen Liegegestell, wie ich mich da dem wehenden und dem wärmenden Element darbot.
In meinem Rücken warteten, ohne zu drängeln, die Berge, ob wir das alte Kriegsbeil nicht endlich begraben können. Unaufdringlich sandten sie ihre Botschaft, die hier überall in der Luft schwingt, so dass meine Antennen fast wie von selbst auf Empfang gingen.
Währenddessen träumte ich bereits davon, schlanker und agiler als jetzt vielleicht etwas mehr Fußwerk in meine Tage einbauen zu können, um dem Gebirge eine Chance zu geben. Ich bin ja ein versöhnlicher Mensch... Zwar sage ich immer erst mal reflexartig Nein, lasse mich aber dann leicht überzeugen, wenn die Argumente stimmig sind.
Während ich da so ein bisschen vor mich hinfror, mischten sich auf einmal Sphärenklänge unter das Meeresrauschen und das vielfältige Geschnatter der Gäste aus dem Restaurant hinter der Steinmauer, die mich vor dem Wind abschirmte. Zart schmelzende, dicke, weiche Töne waren es, die trunken vor Purpurrot und Fliederblau mein Gehör fluteten.
Da spielten genau die Songs, die ich liebe, in einer Manier, als hätte die Band eine Lehre bei Pink Floyd, Chris Isaac und Roxy Music abgeschlossen.
Man hätte schmelzen können, wenn jetzt nur noch die Sonne warm geschienen hätte, aber gegen Abend hatte sie an Kraft verloren. Es ist ja auch Dezember und eigentlich Vorweihnachtszeit. Eine Weile noch ließ ich mich von den zauberhaften Tönen umschmeicheln, die mich pastellfarben sanft umarmten und wiegten.
Schließlich packte ich zusammen, um den Musikern in die Augen zu sehen. Es war zu meiner Überraschung nur einer, und der sah völlig anders aus als erwartet, ganz modern mit einseitig raspelkurzer Friese, mit Sonnenbrille, Tattoos und schwarzem Overall. Der junge Mann freute sich sehr über meine Zuwendung. Viele andere hatten ihn nämlich nicht bereichert. Er packte leider ein, kaum hatte ich einen Platz im Lokal mit Blick auf seine Darbietung eingenommen.
Mit seinem Hut ging er an den angrenzenden Tischen vorbei, aber die Leute taten so, als sähen sie ihn nicht. Ich strahlte ihn an und betonte noch einmal, wie schön ich seine Musik fand, und in mir drinnen waberte die Wärme der wunderbaren Klangmuster noch eine Weile nach, während die Sonne sich mit dem jungen Mann verabschiedete.
Eine Fischsuppe und gebratene Sardinen mit Salat gönnte ich mir und traf dann noch Judith auf einen Kaffee im nächsten Lokal, wo sie, mangels rechtzeitiger Absprache unabhängig von mir diniert hatte. Gerne hätte ich ja noch ein bisschen mehr Zeit mit ihr verbracht. Gemeinsam beobachteten wir einen Knaben, der über die Mauer immer wieder einen wunderbaren verquirlten Salto schlug. Ein talentierter, fröhlicher junger Mann ohne Öffentlichkeitsscheu! Mit Erlaubnis zeige ich ihn hier auch, genießt seinen Schwung!
Während ich das hier schreibe, vor Wolkenwänden am zur Unkenntlichkeit bedeckten Himmel, mit Blick auf im Meer versenktes EU-Beihilfegeld (hier für einen von Anfang viel zu klein gebauten Hafen für Kreuzfahrtschiffe, die da aber nur in halber Breite hineinpassen würden) tönen von unten schöne Musikfetzen herauf. Irgendwo scheint eine Party mit Live-Musik zu laufen. Judith, wenn du nach mehreren Etappen am Zielort angekommen bist, feiern wir eine Party, ich hier und du dort. Auf deinen Wagemut sollten wir anstoßen! Gute Reise!
Tag der offenen Ateliers - 15.12.24
Ich liebe es, zu fotografieren, was ich beobachte. Dann kann ich mit nach Hause tragen, was mir einen freudigen kleinen Stich ins Herz versetzt hat. Nicht, dass ich aus Prinzip Eindrücke schnorre und den Künstler auf seinem Opus sitzen lassen möchte. Ich könnte das eine oder andere Werk schon anschaffen. Aber ich habe ein echt großes Herz und für alle Liebe-auf-den-ersten-Blick-Werke ein leider unzureichend großes Haus. Zumal meine Familie selbst gemalt hat, und ich so viele Gemälde aus eigenen Familienateliers habe, dass ich sie stehend in Regalen lagern muss.
Im ersten Künstlerraum, wo es gegenüber den 29° draußen angenehm kühl war, wurde mir gleich das Fotografieren aus der Nähe untersagt. Anscheinend hatte jemand sich erdreistet, Fotos zu nutzen, um die Werke der Künstlerin unverschämterweise auszudrucken und damit seine Wohnung zu dekorieren. Da wäre ich aber auch sauer!
Dennoch habe ich festgestellt, wie ein gewisses Ressentiment in mir hochkam, als sei ich in meiner Freiheit beschnitten worden. Freiheit, ein Bild in voller Pracht in mir erblühen zu lassen, benötigt bei mir anscheinend inzwischen den Blick durch den vorgegebenen Rahmen meiner Linse. Wird das Gesehene nur durch das Objektiv subjektiv verinnerlicht?
Ich strafte die Bilder daher mit raschem Vorbeigehen ab. Eine fotografische Draufschau von der Tür aus war immerhin erlaubt. Trotz der mangelnden Bilderaffinität tätigte ich eine Vorbestellung einer kleinen Sonderanfertigung. Eine der Künstlerinnen hier war nämlich meganett.
Dann besuchte ich eine andere Werkstatt in einem schönen alten Haus mit gefährlicher Treppe – gut, dass ich sie nicht öfter betreten muss. Hier wurden in rembrandtartigem Stil gruselige Geschichten gezeigt. Bilder alter Meister waren verfremdet worden und satanistischen Ritualen angemessene Dunkel-Albträume, ziegenbockhörnige Gesellen und magisch-düstere Fesselspiele waren zum Beispiel geboten. Der Nacht-Hyde aus meinem anderen Blog könnte vor diesem Hintergrund gruftige Erzählungen mit bitterbösem Ende kreieren; heute war aber eher die fröhlich grün-gewandete Jekylline in mir unterwegs und hat sich im selben Gebäude in zwei farbenfrohere Sammelmappen für meine Reiseeindrücke verliebt. Hier wurden Blanko-Blatt-Unikate verschiedenster Art in wunderschöne handgemachte Buchrücken gebunden. Das eine Buch enthält auch ein Set Drachen-Karten nebst Anleitungen. Doch, das musste sein! Vielleicht brauche ich bei der Heimkehr dann einen dritten Koffer, wenn das so weitergeht!
In einem weiteren Atelier bewunderte ich das stylische Ambiente, das mir mehr zusagte als die Gemälde. Interessante Künstlerköpfe waren an beiden Orten zu beobachten: Männer mit langen hochgesteckten Haaren finde ich einfach großartig. Ich sehe sie gern, so wie Kunst und Skulpturen– einfach, weil sie schön fürs Auge sind.
Ein paar Straßen weiter fand ich eine Glücksknotenknüpferin mit Bananenblatt-Hut -Kreationen. Einen Piratendreispitz hatte sie auch, der hatte mich fast angemacht. Ein dazu passendes Holzbein würde ja meine Asymmetrie noch betonen, aber eigentlich wäre ich kopfabwärts lieber symmetrisch!
Die Ladenbesitzerin empfand ich als einen sehr sympathischen Menschen. Sie scheint auch eine Freundin meiner Vermieterin zu sein. Ich werde in diesem Ort jedenfalls nicht mutterseelenallein sein, wenn ich mal mit jemandem quatschen will. In natura hat man nicht so viele Bildstörungen wie bei den Videotelefonaten. Das Internet hier macht mir leider ziemliche Faxen. Nur live is live! Mit Standbild bleibt so viel Gesagtes un-erhört.
Nach der Atelierbesichtigung setzte ich mich auf einen niedlichen kleinen Platz mit Blick auf einen Regenbogen über meiner „Villa“ und sorgte dafür, dass mein Bauch eine Wohlfühlmahlzeit bekam. Im Anschluss ging ich zurück zu dem großen Atelier vom Anfang. In dem wurde nämlich nun live Tangomusik gespielt und einige Paare wohlgeübte Füße wagten sich kühn auf das Parkett. Damenbeine züngelten lüstern oder spielerisch an Herrenhosen hoch und versetzten ihre Tanzpartner in glutrünstige Bewegungen. Da ich im Tangotanzen nicht gerade brilliere, signalisierte ich auch niemandem, dass er um einen Tanz bitten sollte.
Gegen Schluss juckte es mich aber dann doch in den Füßen Und so tanzte ich eine Runde allein, was einigen anderen den Mut gab, ebenfalls aufzustehen und sich dekorativ zu bewegen. Eine rot gewandelte ältere Schönheit im Stile Tina Bauschs zeigte jetzt ebenfalls ganz allein ein sicherlich vielfach einstudiertes Repertoire, und wir beide waren etwas traurig, dass an diesem Punkt der Abend offiziell endete. Die anderen standen sicher noch länger beieinander, ich aber begab mich zurück zu meiner Dachterrasse bei immer noch stark überhöhten Temperaturen. Im Kühlschrank fand ich einen nicht gerade lukullischen offenen Weißwein im Tetrapack von der letzten Untermieterin. Ich glaub, an dem Weinvorrat muss ich ein bisschen arbeiten. So geht das nicht!
Wie die Windsbraut mich verkrümelte - 16.12.24
Der heutige Tag ist ein bisschen anders. Heute hat eine fiese Windsbraut die Insel am Wickel. Sie beutelt sie und lässt überall Sand hinbröseln. Mein Laptop ist in Nullkommanix eingestaubt, und selbst meine Handyhülle hinterlässt beim Abwischen einen scheußlichen schwarzen Schatten auf dem fröhlich bunten Microfasertuch. Die Terrasse ist mit Erde bedeckt oder vielleicht Vulkanstaub oder Küstensand – Wüstensand ist das eher nicht, denn er ist ganz schwarz.
In der Nacht hat es außerdem eine der Riesenstrelitzien mit einem Gewicht von mindestens einem sechsjährigen Kind umgehauen, und ich hatte Mühe, den Topf wiederaufzurichten und in seinen Übertopf einzupassen. Die ohnehin sehr zerfledderte Markise flattert spektakulär im Wind und lässt unregelmäßige klappernde Geräusche ertönen, so als schlüge wer mit einem Schlüsselbund an eine Regenrinne. Irgendwo knallt eine Tür ständig zu, immer und immer wieder, aber in dieser Wohnung ist es jedenfalls nicht.
Die Windsbraut denkt lange gar nicht dran, sich zu verkrümeln. Sie verkrümelt lieber mich. Ich ziehe die Konsequenzen und bleibe drinnen. Gestern hat man mir außerdem geraten, wenn es so windig ist, nicht Auto zu fahren. Wer weiß, sonst fegt es mich noch aus den Serpentinen, ohne die man hier ja nirgends hinkommt. Ich bin also ganz brav heute.
Ein sehr seltener Gast, ein abgespaltener, wenig beachteter Bestandteil meines Wesens zeigt sich heute: Die Doña Clementine. Ihres Zeichens putzwütig, gutmütig, treudoof und häuslich. Sie hilft mir, die Waschbecken zu wienern, den Boden zu fegen, dem Staub den Feudel um die Ohren zu hauen, um dann festzustellen, der Dreck wächst stetig nach. Kaum entfernt, ist er wieder da auf der Terrasse. Doña Clementine verlegt sich also wieder auf die Reinigung der Innengemächer. Etliche Blumengrüße sind nun bereits so verdörrt, dass sie nur noch ein trauriges Mahnmal des Zerfalls sind. Beim Forttragen schaffen sie mir weitere Arbeit, nun ist der Boden mit Blütenblättern bestreut. Das wäre schön bei einem Honeymoon, aber dann lieber auf dem Bett.
À propos Honeymoon… Ich überlege, dass dieser Wesensanteil, der sich da heute breit macht, die perfekte ehefähige Hausfrau mit liebevollem Augenmerk für häusliche Belange und wahrscheinlich großartigen Qualitäten als Familienköchin abgäbe. Also schnell, ihr männlichen Leser, heute ist der Tag! Aber nur heute. Schnell gefreit und dann ewig bereut, denn ab morgen ziehe ich wieder andere Seiden auf äh an, dann ist nix mehr mit Putzfrauenlook (Unterhemd und Bikinihose, da es richtig heiß ist), dann flattert hier wieder ein Paradiesvogel durch die Gänge, der sich als haushaltsbereichernde windsbraut-induzierte Winzbraut nicht mehr eignet, sondern eigensinnig und nicht unterkriegbar männlichem Herrschaftsgebaren trotzt.
Schon erlahmen die Anstrengungen der Doña Clementine, denn der Wind schickt sich an, den Weg allen Windes zu gehen also zu entfleuchen, wodurch die Hitze noch ein paar Grad zunimmt, und der Staub vielleicht drunten auf der Straße gelandet ist und nicht mehr in meinen Höhen auf den Terrassen herumwirbelt. Der Horizont ist heute verschwunden. Ich denke, das ist jetzt also die viel beschriene unerfreuliche Calima, die die Kanaren so gerne am Wickel hat. Ich stelle eine weitere Seltsamkeit fest: meine Haut ist heute völlig ausgetrocknet, so wie die Brösel, die hier herumfliegen. Das ist ja direkt zum Haaröl-Saufen! Da wäre man wenigstens von innen in jeglicher Weise wieder elastisch hergestellt.
Was habe ich heute sonst noch geschafft? Ich hab mich ein bissel ausgeruht, dem Namen meines Blogs keine große Ehre gemacht – von Tour ist heute nicht die Rede. Ich sammle einfach Kräfte für die nächsten Ausfahrten. Habe ein wenig in dem bislang ziemlich langweiligen Roman mit dem Titel „Tazacorte“, also dem Namen dieser Ortschaft hier, gelesen. Dann in längeren ruhigen Minuten das wundervolle, gestern erstandene Drachenbuch begutachtet, die liebevoll eingeklebten Drachen und Täschchen mit Drachenfüllung aller Art bestaunt, mir eine Drachenkartenorakel gelegt und dabei festgestellt, dass die Anleitung nur in Teilen zu den vorhandenen Karten passt, bzw. weniger Karten vorhanden sind als beschrieben, dafür ein paar doppelt. Vielleicht sind die ja für mich von besonderer Bedeutung. Der Wasserdrache und der Feuerdrache.
Das Wasser hat ja für mich schon immer eine besondere Bedeutung, denn in einem meiner letzten Leben war ich vielleicht Delfin. Jedenfalls fühle ich mich nirgends so wohl wie im Wasser. Was mit zunehmender Körperfülle auch verständlich sein dürfte. Sobald ich das Wasser verlasse, zieht es mich wieder irdisch schwer zu Boden, wo ich vorher leicht wie eine Feder war. Und mich so gesund fühlte, als wäre gar nix. Im Wasser bin ich stets wieder ganz.
Der Feuerdrache könnte auch ein Lichtdrache sein. Er sitzt vor rotglühenden Kristallen. Vielleicht ist es ein Wärmedrache, der sich am Kaminfeuerchen für Drächinnen wohlig-lasziv räkelt. Auf seinem Eisbärfell. Falls Drachen und Eisbären jemals gleichzeitig auf der Erde existierten. Bei Eisbären bin ich da nicht ganz so skeptisch. Dennoch - die Vorstellung, dass man eine gutmütigen Hausdrächin haben könnte, mit der man durch die Lüfte flöge (was bequemer wäre als der olle Besen-bist-schon-lange-Knecht-Gewesen), hat doch was! Und die einen in bester Hofhundmanier verteidigen würde vor aller Unbill, bösen Avancen und frechen Worten. Einmal kurz das Mäulchen auf und bissel Feuer gespuckt. Und weggeschmurzelt ist alles, was einen anfocht… Nicht übel! Die Drächin macht das natürlich selbsttätig. Sonst wäre ich ja ein Unmensch. Aber wenn die Gute (kutschikutschiku… bift eine Liiiiebe, jaaaa, fooooo if braaaav!) zum Untier wird, kann ich doch nichts dafür, oder? Schließlich zahl ich dann als gute Bürgerin ja pünktlich meine Drachensteuer, wie es sich gehört.
Mancher Tage Abend - 17.12.24
Gestern hatte ich nach dem eher ereignislosen Tag einen Spaziergang im Dunkel in den Ort gemacht, dort den Chinaladen inspiziert (die Geschäfte haben hier lange auf, dafür am Nachmittag nicht) und in der Nähe auf einem Platz Essen an einem Kiosk bestellt. Als die Speisen serviert wurden, dachte ich zunächst, das sei wohl ein Witz, im Hintergrund stünde wahrscheinlich bereits jemand von Verstehen Sie Spaß oder wie die entsprechende Serie heutzutage heißt, bereit, um mich ins Bockshorn zu jagen und meinen dämlichen Gesichtsausdruck aufzuzeichnen und an ein Millionenpublikum zu verscherbeln.
Ich hatte bei der Bestellung nämlich gesagt, ich habe Hunger. Bestellt habe ich dann drei Tapas, einen russischen Salat, Käsebällchen und die Scampi. Normalerweise ist sowas relativ klein, und man muss mehreres bestellen, um satt zu werden. Die Wirtin hatte mich gemustert und mich im Vergleich zu ihrer filigranen Statur wohl eher als walroßartig empfunden. Der russische Salat auf der Platte für mich war daher sicher 400 Gramm schwer, die Käsebällchen auf einem zum Glück vernachlässigbaren Salatbett waren zahlreich, so dass vielleicht 3 Hände dafür gereicht hätten, die Bällchen wegzutragen, aber die Scampi waren wohl an die 300 Stück. Die kleinen, nicht ausgepellten Garnelen lagen auf einem riesigen Stapel - unten drunter vermutete ich ein Reisbett oder ähnliches – aber nein, da waren nur weitere Scampi! Sie waren auch kaum angekocht, leicht lauwarm, ungewürzt. Zwei lächerlich kleine Zitronenscheiben waren dabei.
Man ließ mich allein mit meinem Missgeschick, mich dieser Misere zu stellen. Hatte ich mir ja selbst eingebrockt (siehe oben). Gut war nichts davon. Ich schaffte die Hälfte vom Salat, alle Bällchen und 1/4 der Scampi. Als ich zum Kiosk zurücklief, um mir die Reste einpacken zu lassen, sagte die Wirtin: „Mir selbst schmeckt das so auch nicht, zu Hause koche ich ganz anders. Wissen sie, eigentlich kann ich ja kochen.“ Tja. Ehrlich gesagt, hätte mal die Verstehen-Sie-Spaß-Kamerabelegschaft diese Frau aufnehmen sollen. Aber niemand kam. Ich schmunzelte relativ lauthals allein auf dem Heimweg, weil mir das Erlebte nicht aus dem Kopf ging.
Heute habe ich mir dann zum Frühstück den russischen Salat vorgeknöpft, mit Senf, Salz, Pfeffer und viel Zitrone gemischt, da war er dann sogar einigermaßen gut. Und die Garnelen gab es abends. Ich habe mir die Mühe gemacht, die Köpfe abzuzupfen und damit die unzähligen Barteln oder Grannen, die sich daran befanden, entfernt. Dann habe ich die Körperchen mit Chilischoten in der Pfanne in Öl gebraten, gut gesalzen und noch viel besser zitronisiert, eh voilà – jetzt waren sie sogar lecker!
Ansonsten war heute schon wieder Calima, diesmal war vom Meer gar nichts mehr zu sehen, so dass ich meine Zeit mit Kartenschreiben verbrachte und einem langen Abendzoom mit der Schreiberlinggruppe.
Urlaub geht durch den Magen und mein Zugeständnis an Weihnachten -18.12.2024
Das Schönste am heutigen Tag war wohl das Essen, jedenfalls abgesehen von den „Spezialitäten“, die ich bei Lidl vor Ort gekauft hatte. Die schmeckten nämlich nach A-und-Friedrich. Aber der Frühstücksmango, Avocado und Käse auf meinem Teller waren dafür großartig. Ich habe dabei durch Zufall festgestellt, dass Mango gut mit roter Zwiebel und Pfeffer harmoniert.
Danach hab ich länger überlegt, wo es mich wohl heute hin verschlagen sollte. Meine innere Stimme befragend, bekam ich als Antwort, dass ich nicht zu den Piraten gehen sollte, dabei hatte ich gedacht, ich könnte heute mal einen Ausflug in die Piratenbucht machen. Dann sah ich mir diverse Tourenvorschläge an, wobei hier in der Nähe hauptsächlich Restaurants genannt waren. Ne, ich bin da ja unbelehrbar, die suche ich selber aus und falle mit schöner Regelmäßigkeit drauf rein. (So auch heute.)
Zuerst aber wollte ich meinen Reifendruck korrigieren. In meinem Mietauto leuchtet nämlich ständig ein Ausrufezeichen-Signal, das laut Internet da ist, wenn der Druck nicht stimmt. Der Tankwart erzählte mir, gestern sei ihm jemand über sein Manometer gefahren, drum habe er jetzt keines mehr. Ich solle doch in die Werkstatt zwei Straßen weiter fahren, denn eine andere Tankstelle gäbe es nirgends in der Nähe. Der schwarzfingrige Geselle in der Werkstatt pumpte mir dann meine Reifen nach, aber nirgends war der Druck besonders schlecht. Das Signal ging auch beim Weiterfahren nicht aus. Mist! Internet sagte: man müsse einige Kilometer weit fahren.
Auf dem Weg zum Strand kam ich am Hafenareal vorbei und wollte nun mal wissen, wie es da aussieht. Zumal in meinem Buch über Tazacorte die ganze Lektüre bislang im Hafen gespielt hat. Ich parkte dort also und schlich ein bisschen herum. Es lagen ein paar nette, nicht allzu große Boote dort vor Anker oder auf Gestellen zum Herrichten oder Einmotten. Die Pyramide von Tazacorte habe ich hierbei auch entdeckt.
In der Zwischenzeit hatte ich, da das Ausrufezeichen in seiner alarmierenden Aktivität nicht eingeknickt war, Telefonate mit der Mietwagenfirma gestartet und Fotos der Fehlermeldung geschickt. Morgen muss ich dort antanzen, um die draufschauen zu lassen. Angeblich müsse man einen Reset machen, wenn man die Reifen aufgepumpt hat. Wie nervig. Dann muss man ja dauernd in die Werkstatt!
Im Hafen sah ich ein Fischrestaurant und dachte mir, ha, da gibt es bestimmt fangfrische besondere Spezialitäten. In dem sehr lauten Lokal stritten sich die Gäste, aber ich versuchte trotzdem mein Glück. Leider habe ich nicht richtig gelesen, denn die bestellten Langusten stellten sich als Garnelen heraus. Tatsächlich stand im Spanischen auch Langustinos und im Deutschen, das ich gar nicht gesehen hatte, war auch korrekt von Riesengarnelen die Rede. So geht es, wenn man im Kopf das Bild einer einzelnen Languste auf einer Platte, lecker gefüllt mit russischem Salat entstehen lässt, ein Bild aus grauer Vorzeit, 1976 auf Menorca, und das zur fixen Idee wird. Nun musste ich also abermals rumfitzeln mit schmierigen Händen, nur dass die Shrimps diesmal deutlich besseres Format hatten als gestern und vorgestern. Es ist ja auch so, dass Garnelen und Langusten anders schmecken. Jedenfalls in meiner Erinnerung. Languste ist süßlich und weicher.
Naja, schlecht war das Essen nicht, und für 10 Riesengarnelen vom Grill war jetzt 12 Euro auch nicht grade teuer.
Dann wartete ich lange auf die Bedienung. Die Bedienung wurde aber minutenlang von einem alten Herren in Volllautstärke angebrüllt. Seinen Rüffel beendete er mit „Señorita!!!!“ Man konnte die Satzzeichen hören. Das erinnerte mich daran, wie früher mein Vater, wenn es bitterernst wurde, die Sätze mit „Fräuleinchen!!!“ beendete.
Und dann wartete ich weiter auf die Rechnung. Und dann auf das Rückgeld. Eigentlich hatte ich es eilig, denn ich wollte noch zum Bananenmuseum. Das sollte von 16-18 Uhr geöffnet haben, versprach das Internet. Um 17 Uhr 15 kam ich schließlich im Ort an. Dann fand ich es natürlich nicht, denn nach meiner Vorstellung war es ganz nah am Parkplatz, aber als ich ausstieg, wurde mir ein wilder Fußweg angezeigt, der länger dauerte. In der Tat gab es anscheinend auch keinen besseren Weg dahin. Ich musste den Berg runter, und das mit meinen flachen Schläppchen, die ich heute trug. Der Weg bestand aus großen flachen Steinen. In wie weit die rutschig sein konnten, wollte ich eigentlich nicht ausprobieren.
So dauerte es lange, bis ich endlich ankam. Da war es schon fünf nach halb sechs. An der Eingangstür fiel mir dann auf, dass ein Gitter davor war. Und auf dem Schild stand zu lesen: Öffnungszeiten 10-13:30 Uhr. Ich hatte also von Haus aus schlechte Karten gehabt. Wutentbrannt klaute ich aus der angrenzenden Plantage eine grasgrüne Banane. (Seit ich hier bin, habe ich noch keine palmensische Banane probiert, obwohl es hier Millionen davon gibt.) Die steckte ich in die Jackentasche und bemerkte später, dass sie an der Abrissstelle eine Art Milch absonderte wie ein blutender Gummibaum. Das klebte wie Teufel.
Beim Durchgang durch den Hof fand ich diverse vom Baum gefallene reife Datteln und aß auch zwei davon, die auf einer Mauer gelandet waren. Der Rest lag am Boden, das fand ich nicht so appetitlich. Jedenfalls schien ich noch irgendeinen Nachtisch zu wollen, und so beschloss ich, nachdem ich mit meinem ungeeigneten Schuhwerk in Etappen den Weg wieder hochgekrochen war, einen Cortado (entspricht Espresso Macchiato) zu trinken. Unterhalb des Lokals entdeckte ich eine Art Laubengang mit einer Menge Fenster hinter vorne hingesetzten Terrassen. Ich dachte, da könnten vielleicht Shops sein, aber das Ganze stellte sich als Seniorenresidenz heraus. Mit Blick auf die Bananenplantagen und das Meer. Vielleicht sowas wie betreutes Wohnen? Fantastische Aussicht hat man da. Überlegenswert. Oben auf dem Dach dieser Gebäude also den Cortado für nur 1 Euro beim Sonnenuntergang geschlürft und auf dem Weg zum Auto einem Christkindlmarkt begegnet, den ich vorher nicht bemerkt hatte. Vielleicht war er auch davor noch nicht da.
Dort sollte eine Aufführung stattfinden, aber die Person, die die Eröffnung vor einer Stunde vornehmen sollte, war nicht aufgetaucht, und die hatte auch den Auftritt auf der Bühne, und danach ein Chor. Ich habe jedenfalls den ganzen Abend gar nichts von Gesängen gehört, und das hätte man oben in der Wohnung sehr wohl vernommen. Nun stellte sich aber endlich heraus, wozu diese ganzen Verzögerungen und Nervereien dieses Tages gut waren: offenbar sollte ich genau zu dieser Zeit an diesen Stand mit Verkäufen aus einer Werkstatt, wo Autisten tätig sind, kommen. Denn dort entdeckte ich meinen diesjährigen Weihnachtsbaum. Klein, aber fein. Nur ein Symbol, aber wenigstens hübsch gemacht, und nadelt nicht. Jetzt kann Weihnachten kommen und der Tag hat doch noch was Gutes gebracht! Außerdem gab es dort eine Tarte mit Thunfisch. Ich nahm ein Stück davon mit nach Hause, was ein Fehler war… Ich hätte besser die ganze Tarte mitnehmen sollen, denn das war etwas, das wirklich herausragend gut schmeckte. Morgen also vielleicht! Nach dem Besuch in der Autovermietung.
Immerhin bekam ich so nach meinen Spaziergängen heute angezeigt, ich habe bereits 1382 Kalorien verbraucht. Vielleicht war das aber auch der Wochenverbrauch. Normalerweise muss man für sowas an die 8 Stunden joggen. Jedenfalls beruhigte mich das so sehr, dass ich zu Hause bei meinen Abendzooms und Telefonaten noch eine Tüte Chips auffutterte. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Bananentag und sportliche Höchstleistung - 19.12.2024
Der heutige Tag begann für mich viel zu früh. Musste den Wecker stellen, (und das im Urlaub!), und hatte infolgedessen so ein Schwindelgefühl bis nachmittags. Ich fuhr dann zu der Autovermietung, und die vermeintlich bösartige Macke meines Autos stellte sich als lächerlich heraus. Ich hätte nur 3x auf den Scheibenwischerhebel drücken müssen, dann wär das Leuchtsignal weg gewesen. Gut, dass man mir das nicht gleich am Telefon mitgeteilt hat, und ich extra nach Los Llanos fahren musste, damit man mir das sagte. Ihr erinnert Euch – das ist der Ort, bei dem mich das Navi letztes Mal auf den Vulkan gebracht hat. Diesmal hab ich mir die Karte angeschaut und bin frei Schnauze gefahren. Zack, war ich dort!
Da hab ich dann wenigstens im Einkaufszentrum mal endlich all die Dinge gekauft, die mir „schon ewig“ gefehlt hatten. Eine Taschentuchbox, eine Bodymilk, ein Minihandtuch, 15 Guaven, 2 Flaschen Wein für jetzt und Weihnachten und 1 Flasche Sekt für Silvester und ein Pfündchen Inselbananen. Irgendwas hat dann noch weitere 50 Euro gekostet, keine Ahnung, was das war. Übrigens gibt es dort im Supermarkt eine geniale Orangensaftpressmaschine.
Außerdem hab ich eine kurze Hose erstanden, da ich etwa sieben lange dabeihabe und nicht mal einen Rock oder was Kurzes. Dafür ganz viele Oberteile. Fragt sich, wer da eigentlich meinen Koffer gepackt hat. So ein Depp!
Da ich nun schon mal in Los Llanos war, fuhr ich also zielgerichtet nach Tijarafe, um bloß nicht in Los Llanos sein zu müssen. Statt auf einer amalfischönen Küstenstraße easypeasy vor mich hinzuschunkeln in meinem nun nicht mehr sorgenbemäntelten Autochen, musste ich den Weg auf einer Serpentinenstraße hinter mich bringen, wo 18 km 40 Minuten dauern. Es gibt nämlich gar keine Küstenstraße dahin.
Dort aß ich – schlauer geworden – diesmal gemäß Reiseführerempfehlung, und das war auch gut so. Zur Abwechslung gab es Peruanisch, nämlich: geröstete Kochbananenplatte, genannt Patacón, mit Deko aus zerfasertem Huhn, zerfasertem Käse, zerfasertem Blaukraut und noch irgendwas. Das Ganze sah sehr nett aus, aber hätte vielleicht ein bisschen Pfeffer benötigt. Danach futterte ich schwarze Bohnen mit Reis und zerfasertem Kalbfleisch, zerfasertem Käse und ein Spiegelei. Letzteres hätte ich nicht dringend gebraucht, aber auf dem Teller war was sehr Köstliches, nämlich kross gebackene kanarische Bananen.
Danach stieg ich in den Ort hoch, der inzwischen ausgestorben war, da die Siesta begonnen hatte. Auffällig bunte nette Häuschen mit sehr abweisenden verschlossenen Türen. In der Kirche empfing mich eine schwarzgähnende Höhle am Altarende. Als ich eine Weile dort gesessen und mit geschlossenen Augen meditiert hatte, war das Schwarz in Rot übergegangen. Ich wunderte mich über die Fehlleistung meiner Augen, aber als ich vorne in der Nähe des Altars herumstromerte, zeigte sich, dass da ein Pfarrer eingetreten war und wohl Licht gemacht hatte. Er sprach mich an, aber ich verstand ihn nicht. Ich fragte auf Spanisch, ob ich gehen sollte, aber er meinte, ich solle bleiben.
Die Glocke begann, sehr kläglich vereinzelt zu läuten, und als ich dann doch die Kirche verließ, verstand ich warum sie so einen dürftigen Klang hatte: draußen hatte sich eine Beerdigungsgesellschaft mit einem grandios mit einem Blumenmeer geschmückten weißen Leichenwagen versammelt, den ich pietätsvoll mal nicht fotografiert habe. Gerade wurde der Sarg auf die Kirche zu getragen. Ich bat den Toten, der nun ja ohnehin schon tot und von seinen Leiden erlöst war, doch bitte auch den Krebs meiner allerbesten Freundin, die gestern operiert wurde, und meine Fußschmerzen mit ins Nirwana zu schicken, so dass ich wieder normal laufen könne, wenn es ihm nichts ausmacht. Ihm würde das ja nicht schaden, aber uns sehr viel nutzen. Ich glaube, er hat zugesagt.
Daraufhin beschloss ich relativ spontan, heute zu den Piraten in die Schmugglerbucht zu fahren. Das ist in Poris de Candelaria. 3,9 km Luftlinie von Tijarafe. Was sollte schon passieren… Oh weh. Ooooooooh weh! Was für ein Höllenritt! Die Straße dahin war zwar auf dem ersten Kilometer geteert, wenn auch unglaublich steil, aber das gab sich dann. Die Teerung, nicht der Steilheitsgrad. 30% stand da. Also 30 m Höhenunterschied auf einer Strecke von 100 m. Ich habe unterwegs mehrfach überlegt, umzukehren, weil ich Angst hatte, da nie wieder hochzukommen.
Dann bin ich aber doch bis unten gefahren. Jedenfalls so unten wie möglich. Als ich am Parkplatz ausstieg, fragte ich ein englisches Pärchen, wie weit es noch sei, und sie meinten, so 500 m zu Fuß. Das kann gut stimmen. Zu Fuß war es leider nicht weniger steil und brutal steinig. Wenigstens hatte ich heute Turnschuhe an, in denen ich aber mangels Socken schon von der aufregenden Autofahrt schwamm. Außerdem sind die Schuhe eine Nummer zu groß, was sich dann bergab durch Herumrutschen ungut bemerkbar machte. An der Seite gab es aber ein Seil zum Festhalten, meist eher in Kniehöhe.
Jedenfalls schaffte ich es bis unten. Bis zuletzt konnte ich nicht sehen, ob ich überhaupt auf dem richtigen Weg war. Schilder hatte ich nicht gesehen. Ich hatte einfach vermutet, dass es da sein sollte (Blick auf die Karte, nicht aufs Navi). Wieder hatte ich den richtigen Riecher. Als ich die wahnwitzigen Wellen bestaunte, die vor einer Bucht aufgischteten und brüllten, kamen plötzlich die Häuser ins Blickfeld. Sie sind wirklich innerhalb einer großen Höhle unter den Fels direkt hineingebaut. Aber auch hier war alles ausgestorben. Einzig ein junger Mann war da, den ich schon vorher mit meinem voranfahrenden Auto mehrfach blockiert hatte, da ich mitten auf dem Weg nach unten aus dem Auto fotografiert habe. Er hatte aber volles Verständnis dafür, denn er war behängt mit einer großen Kamera und war auch offensichtlich hergekommen, um tolle Fotos zu machen. Der Blick von der Höhle nach draußen ist einfach gigantisch!
Der Weg zurück war sowohl zu Fuß wie auch mit dem Auto erstaunlicherweise weniger anstrengend als abwärts. Ich habe keine Ahnung warum, normalerweise ist es doch immer umgekehrt. Allerdings musste ich, die nicht rückwärtsfahren kann, drei Fahrzeugen durch Zurückfahren bis zur nächsten Kurve Platz machen.
Dann verfuhr ich mich noch, da eine geteerte Straße irgendwo abzweigte, und ich diese für den ersten Teil der Piste hielt, der ja in besserem Zustand gewesen war. Es handelte sich aber um eine Privatzufahrt, die erstmal weit durchs Gelände führte und dann hinter einem Haus mitten am Berg irgendwo in der Pampa endete. Das war gemein, denn da konnte man nicht wenden. Die Straße war so breit wie das Auto, flankiert von kleinen Drachenbäumen, von denen ich mindestens drei fast umgefahren habe in meinem Bemühen, die letzten hundert Meter bergab rückwärts zu holpern, ohne zu sehen, wo die rechte Seite der Straße senkrecht in den Abgrund abstürzte. Vielleicht war das auch besser so. Jedenfalls hab ich den Abgrund zum Glück verfehlt.
Unterwegs kam ich dann noch an einem fantastischen Datura-Wald oder so was Ähnlichem vorbei. Noch nie habe ich so etwas gesehen. Als einzelne Pflanzen hatte mein Vater die auf der Terrasse, etwa 15 Töpfe. Leider habe ich sie dann nicht durch den Winter gebracht. (Man hätte sie rauchen können, wie ich inzwischen weiß. Da hätte sich sicher der eine oder andere Interessent gefunden.) Ich nahm heute eine Blüte (zu Dekozwecken!) mit, die aber hier schon nicht mehr schön ist, aber unglaublich fantastisch riecht.
Bis ich zu Hause war, war es natürlich schon wieder stockfinster. Heute hab ich mir einen Rotwein verdient! Und eine Dusche, ich war klatschnass von meiner Wanderung. Ich bin echt stolz, denn ich bin über mich selbst hinausgewachsen. Und im Übrigen: der Fuß hat bei der ganzen Kraxelei überhaupt nicht wehgetan. Nur jetzt, daheim, spüre ich, dass er da ist. OK, er hat Recht, ich war nicht nett zu ihm. Aber zwischendurch hat er so getan, als wäre alles wieder in Ordnung und er und ich beste Freunde.
Schöne Aussichten - 20.12.2024
Heute möchte ich mich vom gestrigen Tag erholen. Habe immer noch genug Adrenalin in den Adern! Somit wende ich mich mal eher dem Nichtstun zu. Und der Innenschau. Ihr bekommt hier einen Schwurbelbeitrag (aber ohne Verschwörungstheorien oder Chemtrails) vorgelegt - esoterisches Geseihere nach Manu-Art. Vielleicht trotzdem nett zu lesen, wenn Being John Malkovich nicht reicht, und Being Manuela mal was anderes wäre. Falls Eure Zeit knapp bemessen ist, lest einfach drüber hinweg und morgen weiter. Ihr wisst: ich kann auch normal.
Da ich selber hier mehr als genug Zeit habe, habe ich mit der Raunachtsvorbereitung begonnen. Obwohl ich im letzten Jahr irgendwie was falsch gemacht haben muss, denn da ist aus meinen Wünschen nicht wirklich viel geworden. Ich hatte mir nur Impulse aus dem tiefsten Inneren aufgeschrieben, die mir selber manchmal richtig merkwürdig vorkamen. Dafür hatte es im Vorjahr unfassbar gut geklappt.
Für die, die noch nicht wissen, was Raunächte sind, das sind einige Tage „zwischen den Jahren“, also von Weihnachten bis Heiligdreikönige, die ganz besonders sein sollen. Wäsche sollte man da nicht waschen und aufhängen, das haben manche von zu Hause gelernt. Angeblich könnten sich negative Energien oder womöglich Geister drin verfangen. Das Haus könnte man räuchern, damit nur Gutes drin hängen bleibt. Überflüssiges darf gehen. Etwas Neues darf kommen. Etwas Besseres!
Da herrscht insgesamt auf unserem Planeten eine sonderbare Energie, in der man Wünsche wahr werden lassen kann und es ist eine Zeit, in der man seine Träume gut anschauen sollte, denn sie wollen einem etwas sagen. Zumindest, wenn man sich darauf eingestellt hat, dass man etwas Vernünftiges träumen möchte, das einem weiterhilft, und zu sich selber gesagt hat, man möchte bitteschön andernmorgens auch noch wissen, was man geträumt hat. Dann direkt aufschreiben, bevor es weg ist! Traumtagebuch ins Bett legen!
Für die Wünsche kann man jedenfalls den Samen setzen. Morgen ist der beste Tag, um diese Wünsche zu formulieren. Zwölf für das nächste Jahr und noch einen dreizehnten. Die schreibt man auf einzelne gleiche Zettel und faltet die. Eine schöne Schatulle wäre ein guter, feierlicher Aufbewahrungsort. Dann wird am ersten Tag (gerne der 25.12., es gibt aber noch andere Möglichkeiten) ein Wunsch gezogen, und der soll dann im ersten Monat wahr werden, der zweite Wunsch im Februar usw. Am Ende hat man einen Wunsch übrig, der dann in der Eigenverantwortung liegt. Den versucht man dann übers Jahr so gut wie möglich wahr zu machen. Die anderen Wünsche lässt man los, viele verbrennen den Zettel dann mit Brimborium, um den Wunsch symbolisch dem Universum zu übergeben. „Mach du, ich halt mich raus! Danke, dass du das für mich erledigst! Love you, Universum!“
Ich nehme also einen dritten Anlauf. Vielleicht sollte ich nicht so sehr meine Seele befragen, was die so möchte, sondern auch vernünftig mitdenken. Die Wahl des Termins, zu dem dann eine Umsetzung naht, überlasse ich weiterhin dem Schicksal. Ich werde aber mithelfen, den Faden nicht komplett loslassen wie 2024.
Wenn man selber nichts tut, braucht man sich vielleicht nicht zu wundern, wenn sich nichts ergibt. Zumindest sollte man stets nach Vorzeichen Ausschau halten, kleinen Wegweisern, die nur für einen selbst gemeint sind – ein Fetzen aus einem Liedtext, der einen anspringt, ein Schild am Straßenrand, ein Satz in einem Buch oder wie hier: auf La Palma bin ich ja auch nur, weil ich nach einem Zeichen gefragt hatte, was ich denn tun soll, und das nächste, was mir ins Auge sprang, war das Angebot meiner lieben Facebook-Mitschriftstellerin Judith, ihr Haus für drei Monate unterzuvermieten.
Hätte ich nicht zugegriffen, hätte nichts draus werden können. Nun schauen wir mal, wo es hinführt, das weiß ja noch keiner außer der Vorsehung, die mir die Laus in den Pelz oder die Kirsche auf die Torte gesetzt hat. Irgendwas wird sie damit schon bezwecken wollen.
Somit habe ich auch heute den Impuls gehabt, dass „Manifestieren“, also etwas handfest zu machen, das von manifestare und vom Wort manus – Latein für Hand – also vom „hand-greifbar und danach dann offensichtlich für alle erkennbar machen“ stammt, ja auch irgendwie mit meinem Namen Manuela (der allerdings aus dem Hebräischen kommt und „Gott mit ihr“ heißt) verwandt ist, zumindest in Anklängen. Vielleicht, da Nomen ja Omen ist, hat es ja auch seine Bewandtnis damit, dass ich besonders gut im Manifestieren sein kann. Aus der Luft greifen und zu Materie oder Situation werden lassen. Brainstorming mit Umsetzung.
Ich habe das bereits erkannt, als ich meinen Lebenspartner in mein Leben gezogen habe, und im selben Jahr bei ganz ganz vielen Dingen. Und mit einigen Frauen mache ich jeden Mittwoch eine Zoom-Runde, in der wir das, was wir in der nächsten Woche erreicht haben möchten, inbrünstig voller guter Energie gemeinsam einer Vision gleich vorhersehen (nachdem jede gesagt hat, was sie braucht). Und tatsächlich haben wir eine überdurchschnittlich gute Erfolgsquote, sagen wir: irgendwas zwischen 70 und 90 Prozent davon klappt. Und was nicht klappt, kommt sehr oft ein bis mehrere Wochen später noch nach.
Wenn was nicht funktioniert, war der Weg, den man sich vorgestellt hat, zu detailliert, dann geht es nach Revision der Wunschvorstellung irgendwie grob auf einem anderen Weg, der aber in die richtige Richtung führt. Ich muss sagen, ich bin begeistert davon, was man auf diese Weise erreichen kann! Joe Dispenza zeigte uns genau, wie es geht, Brigitte Kern, die Ahnenheilerin, erklärte uns ganz viele wichtige Details, und schwupps: es glückt! Das ist eine Power, die wohl jeder irgendwo tief in sich drin trägt - aber da wir in der westlichen Welt erzogen worden sind, an solche Dinge nicht zu glauben, sondern nur das gelten zu lassen, was man messen und belegen kann, kann nicht jeder darauf zugreifen. Es erfordert ein willentliches Umdenken. Eine sehr große Änderung der Sichtweise.
In Bezug auf meine Überlegungen zum Wort Manu – also in Verbindung zu den Händen – I can handle it – viel mir ein: but can I footle it? Das ist ja aktuell das Problem, das ich lösen muss. Welche Schritte will ich nicht gehen, wo ist der Widerstand, der mich zurückhält? Was zerrt da in die andere Richtung, so dass ich nicht richtig ausschreiten kann? Das ist wie bei dem lateinamerikanischen Tanz, der Cumbia. Eine Tanzlehrerin hatte erklärt, den tanzten früher die Sklavinnen, die an einem Fuß angebunden waren. Zum Trotz tanzten sie dennoch. Halt mit dem anderen Fuß.
Dieser wie angebundene linke Fuß mit seiner Achillesferse beschert mir einen beschränkten Wirkungskreis. So wie damals, als ich im Riesenhaus meiner Eltern nur ein neun Quadratmeter großes Zimmer hatte, in dem ich den allergrößten Teil meiner Kindheit verbrachte (wenn ich nicht im Garten war). Mein Wirkungskreis war also immer unter Kontrolle von anderen. Nach den Eltern meine Großeltern, dann mein Lover, mein Ehemann, danach meine Kids, dann wieder meine kranken Eltern.
Auch bei den Elefanten ist das ja so, dass die, wenn sie klein sind, an einen Pflock angebunden sind, der sie gerade so noch hält. Wenn sie aber riesig groß sind, trauen sie sich immer noch nicht, auszubrechen, weil sie glauben, dass dieses inzwischen winzig neben ihnen wirkende Stöckchen sie daran hindert, die große weite Welt zu erkunden. Sie könnten einfach über das Ungemach hinweggehen. Viel größer denken, sich nicht klein halten lassen. Die ganze Welt steht offen!
So wäre das auch bei mir. Aber dann: dann habe ich keinen Halt mehr. Dann bin ich selbst für alles verantwortlich. Oder es geht mir wie einem Luftballon, der aus der Hand des Kindes gleitet, das ihm heulend hinterhertrauert. Der Luftballon, plötzlich frei und ungebärdig, trudelt im Wind und wird hin- und hergebeutelt. Dazwischen jubiliert er bestimmt, wie wunderherrlich es da ist, so viel Raum und so schön hoch droben, mit der spektakulären Aussicht, ganz allein mit dem Wind und den Wolken. Vielleicht wird ihm auch schlecht vom vielen Sich-Drehen oder er kriegt Angst vor einem Vogel, der ihm gerne mit dem Schnabel zusetzen würde.
Letztendlich ist er jedenfalls unbeherrschbar und irgendwann geht ihm die Luft aus. Dann senkt er sich müde herab, oder wenn er Pech hat, wird er porös und rast in einer kreischenden Rückstoßwelle im Zickzack durch die Gegend – ein letztes Aufflackern vor dem traurigen Einstauben als labbriger Gummifetzen in irgendeinem Gestrüpp oder Müll- und Decksammelsurium, das ein leidenschaftsloser Kehrer anhäuft.
Soviel zu meinen geistigen Höhenflügen. Man muss wissen, wann man damit aufhört. Am besten, bevor das Thema der Ohnmacht durch Fremdmanipulation (hier: der Wind) auftritt!
Auf jeden Fall wird mir da bewusst, dass in meinem Innersten noch irgendwas hier Einspruch erhebt. Es ist eine alte Angst, so wie beim armen, demütigen Elefanten. Was wäre ich ohne diese Angst! Was wäre der Elefant stolz, wenn er diese blöde Pflockgeschichte nie erlebt hätte. Was bräuchte ich denn in diesem Fall am meisten?
Meine Seele sagt: jemanden, der hinter mir steht. So jemanden habe ich. Ich bin himmeldankbar dafür, dass er in meinem Leben ist! Dankedankedanke! Auch meine Freundinnen halten zu mir, und mein älterer Sohn unterstützt mich ebenfalls in meinem Tun. Ansonsten braucht man dazu einen gestärkten Rücken. Ja, und wer, wenn nicht ich mit meinem Metallgestänge im Rücken und der zusätzlichen Verstärkung durch Knochen-Beton-Gemisch und der Prothese zwischen den Wirbeln hat einen so gestärkten Rücken wie ich!
Zwar habe ich stetig Panik, dass irgendwas mich umwerfen und zum Zerschellen bringen könnte, aber eigentlich sollte ich mir mal überlegen: mein Rücken hat sogar eine eingebaute Stütze, eine Gehhilfe, eine Stehhilfe, ich hab die Unterstützung immer dabei! Ich hab eine Rückenstärkung und könnte mit Rückenwind der Welt trotzen. Meine starke Rückwand, meine starke Rückhand. In der Hand Gottes oder des Schicksals oder des Universums und der meines Partners und meiner Freunde, die schützend ihre Hände auf mich legen. Eine eingebaute Rüstung. Wer hat denn schon so was? Noch dazu von besonderem Wert. Titan. Ich bin kostbar! Ich hab innere Werte. Im Rücken und in der linken Hand auch dank meines Handgelenkbruchs vor Jahren. Mit der Stütze kann ich noch mehr händeln.
Und mit dem Rücken berücken, zu Leibe rücken, Dinge vom Fleck rücken, aufrücken, vorrücken, Protagonistin sein. In meinem Leben bin ich das auf jeden Fall. Niemand in meinem Leben kann so wichtig sein wie ich, denn wenn ich nicht mehr da bin in meinem Leben, ist das Leben vorbei. Dann ist für alles andere das Licht ausgegangen. Ich bin das Licht in meinem Leben. Ich und mein Rücken. Und mein linker Fuß.
Ist es nicht herrlich, wenn man mal Zeit hat, über sich nachzudenken? Solche Gedanken geben einem doch Kraft. Und hätte ich jetzt nicht den Nachmittag so mit Schreiben vertrödelt, wäre mir das Angebot entgangen, das sich hier hupenderweise auf der Straße eröffnet hat. Ein Lieferwagen fuhr vor, auf dem Pasteleria stand und wartete mit laufendem Motor. Ich war mir nicht sicher, ob das ein Händler war, denn zuletzt hatte ich sowas im Iran erlebt oder in Deutschland, als regelmäßig ein Wagen vorfuhr, aus dem mit Megaphon verkündet wurde: „Scheeene Katoffi, fümf Pfund a Maaak!“ Wie ihr erkennt, ist das schon lange her. Ich ging runter, tat so, als wolle ich nur den Müll rausbringen und fragte mal harmlos, ob der was verkaufen will. Ja, wollte er. So habe ich ein paar kleine Stückchen Kuchen verschiedenster Art gekauft und ein Kartoffelbrot. Wie toll! Jetzt ist genau die richtige Zeit für einen schönen Kaffee mit Kuchen. Was für ein Geschenk!
Alles im Blick - 21.12.24
Den heutigen Nachmittag habe ich mit Vorbereitungen für die Raunächte verbracht, das Haus mit im Haushalt vorgefundenen Gewürzen (hauptsächlich Lorbeer) geräuchert und von bösen Einflüssen befreit, dann meine 13 Wünsche für 2025 formuliert und aufgeschrieben. Außerdem meine ersten Online-Lektionen in einem neuen Portal absolviert, in dem Digitale Nomaden gut aufgehoben sind. Ich sage Euch, meditieren auf der Terrasse an der Prallsonne, wenn jemand mit einem Auto vorfährt und beim Warten minutenlang auf Volllautstärke mit offenem Fenster alberne Songs dudeln lässt, ist eine Herausforderung!
Ich hatte all das vorgezogen, weil meine Vermieterin mir geschrieben hatte, heute am Tag der Sonnwende wäre möglicherweise am Strand abends ein Happening mit Feuerchen und so. Im Iran (ich war ja 24 Jahre mit einem Iraner verheiratet) feiert man auch in der längsten Nacht des Jahres, Yalda nennt man sie. Da sitzt man beieinander und erzählt Geschichten, isst Granatapfel und Melone und steckt die Füße unter einer Decke beim Korssi zusammen. Das ist ein Bullerofen. Hier bullerte stattdessen die Sonne heute kräftig herunter, und ich schwitzte auf der Terrasse bei meinen Studien und der Meditation. Eigentlich war heute Regen angesagt und ich hatte in vorauseilendem Gehorsam die Kissen schon wieder hineingetragen. War wohl überflüssig. (Aber besser, der Himmel bullert, als er tut ähnliches mit p vorne dran.)
Am Abend fuhr ich dann in froher Erwartung im großen nachts-am-Strand-tauglichen Gewand (schön warm) nach unten und begab mich erstmal in ein Lokal in Hafennähe. Bei all der Auswahl leckerer Speisen trieb mich dennoch immer noch die Fleischeslust am meisten an. Ein Entrecôte auf Rucolabett hatte es mir heute angetan, auch wenn die Pizza noch so gut aussah und fantastische Salate angeboten wurden. Vor meinem Tisch räkelte sich ein girlanden- und schleifengeschmückter Baum mit seltsamen Blättern. Google klärte mich auf, es sei eine Meertraube. Was es alles gibt! Statt Trauben trug er jedoch rote Glocken. Schließlich entdeckte ich eine Traubendolde dran. Die Trauben waren aber grasgrün und steinhart.
Im Hintergrund versank der allerletzte Rest des Tages golden über der bereits kohlschwarzen Mole mit dem kleinen Leuchtturm. Die Wolken tätschelten den geraden langen Steinkoloss mit besänftigender lilaschwarzer Hand. Während ich die Mole betrachtete, wurde ich zurückbeobachtet. Ein Mann mit Käppi, der auf der anderen Straßenseite rechts Richtung Mole an der Mauer lehnte, hatte nicht verstanden, dass nicht er das Objekt meiner Begierde war, sondern nur was hinter ihm lag. Auf die linke Seite zu gucken, lohnte sich für mich nicht mehr, da war es bereits Nacht. Endlich kam mein Essen, so dass ich einen Fixpunkt für meine Augen hatte, die immer wieder herumirrten und versuchten, diesen Typen dabei völlig zu ignorieren.
Erst später, als ich bereits fast fertig gespeist hatte, gab der Mann auf, mir hoffnungsvoll auf den Mund zu starren. Ich hatte schon überlegt, ob ich mich nicht auf den Stuhl gegenüber setze, wo ich ihm den Rücken zugekehrt hätte. Als säße ein hungriger Hund neben mir. Vielleicht war das auch so einer, der sich stundenlang Videos von nudelschlürfenden Frauen ansieht. Er genoss es offenbar, wie mir Tomatenstückchen von der Gabel purzelten und der Rucola frech aus dem Mundwinkel hing. Das Fleisch schmeckte mir schon bald nicht mehr, während er mir so lüsternen Blickes entgegengeiferte.
Auf das Feuer am Strand wartete ich vergebens, da war rein überhaupt nichts los. Ich ging extra noch am Hafen entlang, nicht dass ich es irgendwo übersah. Aber nein. Mein Freund schrieb mir, ich solle doch alternativ die Kneipen unsicher machen. Wollte ich das? Tut frau sowas heutzutage? Früher ging ich in Kneipen, wenn ich wen aufreißen wollte. Daran habe ich kein Interesse. Da hätte ich ja bloß dem Mann mit dem Käppi einmal genau ins Gesicht schauen müssen. Nene, keine Chance. Nix mit „Auspack und freu!“
Ich fuhr also zurück in meinen Ort und überlegte, was ich mit diesem Abend noch anfange. „OK, der Deal mit dem Schicksal ist: Wenn es einen Parkplatz gibt, schaue ich mir dort noch an, was los ist und ob es überhaupt Kneipen gibt.“ Ich öffnete beide Vorderfenster, um nichts zu überhören, falls irgendwo was geboten wäre. Oh Wunder - im Ort war irgendwie die Hölle los. Es wurde Live-Musik vor einem Lokal gespielt, es waren eine Masse Menschen auf der Straße, der Weihnachtsmarkt sorgte dafür, dass ich endlich ge-wham-t wurde mit Last Christmas und somit in der Challenge ganz schön lange durchgehalten habe, bis es mich ereilt hat, dass ich das Lied dieses Jahr zum ersten Mal abgekriegt habe. Aber kein Mensch schickte sich an, nach Hause zu fahren und einen Parkplatz frei zu machen.
Nun denn. Hier sitze ich also auf Judiths Terrasse und höre dem Kuddelmuddel von unten aus sicherer Entfernung zu. Ehrlich gesagt, klingt es ziemlich erschröcklich. So als würden verschiedene Musiker einzeln jeweils über längere Passagen ihr Instrument in Volllautstärke zum ersten Mal seit Jahren wieder in Betrieb nehmen. Dazwischen Fetzen von Weihnachtsschunkelmusik. Die Spanier sind schon ziemlich laut! Mein Glas Wein wartet friedlich neben mir, ohne dass mich jemand blöd beglotzt, und die Raunachtskerze flackert mir gemütlich und heimelig was vor. Es gibt Oliven mit Anchovis und später Granatapfel.
Ich hatte mir nachmittags einen Zettel vorbereitet, was mit der 1. Raunacht alles gehen darf, was in meinem Leben keinen Bestand mehr haben soll. Ich schreibe noch dazu: Lurerglotzaugen lüsterner Spanner und Machogehabe. Den werde ich jetzt gleich verbrennen, damit diese Dinge dem Universum zurückgeschickt werden. Adieu! Auf Nimmerwiedersehen.
Viele Glücksfälle und eine Pleite - 22.12.2024
Da ich früh aufgestanden war, um zwei Stunden Coaching zu meiner sonst nachtschlafenden Zeit mitzumachen, hatte ich die Gelegenheit, noch einen Flohmarkt im Nachbarort Argual zu besuchen. Rastro heißt der Flohmarkt hier. Es waren recht nette Sachen angeboten, vielfältig, sehr viel davon handgearbeitete Sachen. Ein kleiner alter Mann kam sehr langsam und eindrucksvoll mit einem schwarz-weißen Stock daher und sah sehr interessant aus, als hätte er ein großes Leben geführt. Ich durfte ihn ablichten. Mit mehreren Standbesitzern (m/f/d?) konnte ich nette Gespräche führen, ein selbst erfundenes und gebautes Brettspielchen mit dem Hersteller spielen und bekam an zwei Ständen das schöne Kompliment, ich hätte so eine gute Ausstrahlung. Das hört man doch wirklich gern!
Der einen älteren Dame hatte ich in dem Moment, als sie das zu mir sagte, fast etwas Ähnliches gesagt. Gleich und gleich gesellt sich halt gern. Jetzt weiß ich, dass sie im selben Ort wohnt wie ich und Antje heißt, aber ausgemacht haben wir nichts, wiewohl ich schon drauf und dran war, sie nach ihrer Telefonnummer zu fragen, als es anfing zu regnen und auf dem Markt große Hektik ausbrach. Es waren eher nur wenige Tropfen, aber alle packten in Panik ein. Ohnehin war es ungefähr Stichzeit, dass der Markt zu Ende ging und ich hatte fast alles Geld, das ich mitgenommen hatte, auch ausgegeben – für einen Pareo, eine Vorhangquaste, Räuchersalbei und Palo Santo, Lektüre, getrocknete Drachenfrucht und Kanarenbananen sowie drei Schmuckstücke…
Für ein Sandwich von einem Food Truck, das tatsächlich richtig gut war, hat das Restgeld noch gereicht. Mit kross gebratenem Speck und Salat… Hmmmmm! Hatte ich schon vermisst!
Zu Hause stellte ich fest, dass auf der Dachterrasse der Empfang etwas besser ist als unten. Endlich mal ein paar Minuten ohne extreme Bildstörungen beim Videotelefonat! Letztens am Strand unten bei Nacht ging es zwar etwas besser als oben am Hang, aber es war mir dort zu kalt.
Den Advent habe ich dann mal auf den Abend nach dem Sonnenuntergang verlegt, den abzulichten ich nicht müde werde. Als Ziel hatte ich einen Weihnachtsmarkt in einem anderen Ort, ca. 15 Minuten entfernt, ausgewählt. Zuvor bekam ich noch von einer lieben Palmera, die auf Telegram in einer La-Palma-Gruppe geschrieben hatte, 32 Avocados für 5 Euro aus einer anderen Stadt quasi nach Hause geliefert. Ihr waren die Früchte von den Bäumen gefallen wegen des Unwetters, und sie wollte lieber, dass jemand noch was davon hat, als sie wegzuwerfen. Die grünen Dinger sind unbeschädigt und sogar fast alle noch recht hart. Die Avocados sollten nicht „Hass“ heißen, sondern „Liebe“! Allerdings werde ich nach dieser Menge Avocados sicher so schnell keine mehr wollen.
Nach einer bissel anstrengenden Fahrt im Dunkeln nach El Paso (es ging eine lange Zeit steil auf einer Art löchrigem Feldweg den Berg hoch – langsam glaube ich, die ganze Insel hat nur solche Straßen), ging es mir so wie Michel Sardou in seinem Song „8 jours à El Paso“. Im texanischen El Paso hatte er also 8 Tage verbracht und beklagte sich, dass er in der Zeit kein einziges Pferd gesehen habe. In meinem Fall: ich hab keinen Weihnachtsmarkt gesehen. Ich habe auch herumgefragt. Ne, der sei schon beendet. Es gab noch eine festliche Weihnachtsdeko und ein Haus, das sehr adventlich dekoriert war, in dem ein Bett ausgestellt war als Weihnachtskrippe. Was das für eine Tradition sein soll, entzieht sich leider meinem Verständnis.
Auf den Straßen war weit und breit überhaupt nichts los, ein Parkplatz war leicht zu finden. Tja. Geregnet hatte es hier auch, und als ich herumstravanzte, wurde ich auch nass. Na gut. Sollte wohl nicht sein. So kehrte ich also wieder um und fuhr die lange Lochpiste wieder hinunter, in der Hoffnung, dann wenigstens in Tazacorte noch mal den Weihnachtsmarkt unsicher machen zu können. Am Ende erwartete mich dann aber auch ein bereits geschlossener Festplatz im trocken gebliebenen Tazacorte. Gestern hatte da abends das Leben ja noch getobt. Aber heute war dann wohl Schluss wegen Sonntag. In einem italienischen Restaurant (La Locanda) gab’s dann noch für mich Spaghetti Carbonara (nochmal Speck!) zu fortgeschrittener Stunde.
In der Zwischenzeit hatte sich jedoch etwas Tolles ergeben – ich hatte am Flohmarkt einen Künstler kennengelernt, der Workshops in meinem Ort und anderswo auf der Insel gibt. Ich habe mich an seinem Stand direkt für einen Tageskurs am 27.12. angemeldet – Skizzen kritzeln -, aber dann schrieb er mir, der sei leider doch schon voll. Ich könne aber tageweise an seinem Silvester-Workshop teilnehmen. Da gibt er einen 5-tägigen Kurs für Leute, die extra dafür auf die Insel kommen. Den könnte er zum halben Preis durch mich noch aufstocken. Wow! Ich habe mir gleich die Tage 31.12. und 1.1. ausgesucht, denn sie machen scheint’s auch noch eine Silvesterfeier, und dann habe ich da wenigstens schon mal was geplant. Schließlich habe ich hier bislang niemandem, mit dem ich irgendwie feiern könnte. Ist das nicht cool? Wie alles so einfach zu mir kommt. So schön!
Und als ich ihm bestätigte, „dann lösche ich also leider den 27.12. aus meinem Kalender“, hat er es sich nochmal überlegt und mir spontan für den Tag doch noch einen Platz zugesagt. Nun bin ich bestens versorgt.Und vielleicht freut sich da dann auch wer über den einen oder anderen Avocado.
Heringssalat schmeckt am besten, wenn man den Hering durch Huhn ersetzt - 23.12.24
Heute morgen wachte ich auf, weil der Regen draußen so laut herunterprasselte! Dabei war es bisher immer so, dass es zwar hieß, es würde regnen, aber dann passierte nicht wirklich so sehr viel. Ich bin sofort, so schnell mein winselnder Fuß mich tragen konnte, die Treppe hinauf zur oberen Terrasse gestürmt, um zu kontrollieren, ob ich noch Sachen hereintragen muss, oder ob es schon zu spät ist. Ich hatte, schlaftrunken wie ich war, vergessen, dass ich das ja vorgestern schon getan hatte. Alles drin unter Dach und Fach, außer der Matratze. Ob die es aushält, weiß ich nicht. Es liegt ein wasserfestes Spannbetttuch drüber, das total morsch ist und nicht mehr an den Enden hält… Jedenfalls war ich dann ziemlich wach, da nass.
Dieser Regen hat in vorweihnachtlicher Pracht und Begeisterung den ganzen Tag angehalten und jetzt ist es hier zehn Uhr abends, und bis auf kurze Ruhepausen hat der Regen mich den ganzen Tag „beglückt“. Warum soll es mir auch besser gehen als Euch daheim? Immerhin hatte ich einen hübschen Regenbogen neben dem Haus.
Ich habe den Tag genutzt, um meine Online-Studien weiterzubringen und Wäsche zu waschen. Dann hatte ich noch ein langes Coaching und habe mir und der Coachin ein Weihnachtsgeschenk gemacht. Ich habe mir ein „Paket“ gegönnt, um ein fundamentales Problem endlich in Ordnung zu bringen. Es ist nicht einfach, sich selbst so ein großes Geschenk zu machen. Dabei sollte man sich das doch ganz besonders wert sein! Mit Sicherheit weiß man zu schätzen, was man sich da gönnt. Schenkt man jemand anderem einen Gutschein, lässt er den womöglich verfallen. Ist mir öfter passiert, dass ich mein Geld so für Freunde in den Sand gesetzt habe. Auch in der Familie waren ungeliebte Weihnachtsgeschenke gang und gäbe, und ich will mich dabei nicht ausnehmen.
Am Nachmittag schlief ich dann noch ganz gut bei einer Meditation ein. Wahrscheinlich hab ich das nach dem Coaching gebraucht. Das geht ja auch immer an die Substanz. Da ich heute keinen vernünftigen Ausflug in Betracht ziehen konnte, habe ich beschlossen, meinen Heringssalat statt an Silvester für morgen zu machen. Kartoffeln hatte ich ja ohnehin schon dafür gekauft. Und an Silvester bin ich ja eventuell mit der Malergruppe unterwegs.
Der große Laden hat zum Glück eine Tiefgarage. Aber leider keinen Hering! Ich hätte alternativ riesige Tintenfischarmstücke nehmen können, die befand ich aber weder geschmacklich noch optisch als geeignetes Äquivalent. Somit habe ich umbeschlossen und mich auf persischen Salat Olivieh konzentriert. Für den konnte ich alles finden, außer den richtigen Gurken. Da braucht man Salzgurken dafür. Saure Gurken scheinen jedoch etwas zu sein, ohne das der Spanier gut auskommen kann. Es gab nur eine Sorte.
Zu Hause machte ich mich dann mit Weihnachtsplaylist im Hintergrund an die arbeitsaufwändige Herstellung, so wie halt andere Plätzchen backen. Eigentlich dauert Oliviehmachen ca. 4 Stunden. Ich hatte beschlossen, ein bisschen zu schludern, denn schließlich werde ich alles nur allein essen. Mein Ex, der mit Argusaugen drauf geschaut hat, dass ja alles fitzelwinzigfein geschnitten wird, ist ja nicht mehr dabei. Hurra! Prompt bekam ich einen Anruf von ihm während der Vorbereitungsarbeiten, hatte wohl zu viel an seine Kommentare gedacht. Ich wurde, ohne die Telefonzeit zu rechnen, nach bloß ca. 2 3/4 Stunden fertig. Puh, Rekord! Er schmeckt dafür nicht so, wie er sollte. Das kann an den Gurken, an der fremden Mayonnaiseart oder an meiner Schlamperei liegen. Vielleicht wird es ja bis morgen besser. Der Salat muss nämlich im Kühlschrank ziehen.
Ich vermache Euch mal das unweihnachtliche Rezept für den Fall, dass Ihr mal viel zu viel Zeit habt (ich habe heute nur die Hälfte der Menge gemacht):
(Aufwändig, schmeckt aber toll – Portion für eine Party)
Dies ist eigentlich ein Brotaufstrich, z.B. für Fladenbrot - kann aber auch einfach so gegessen werden!
Hält sich im Kühlschrank ca. 3 Tage. Bitte unbedingt auf richtige Kühlung achten! Nicht an heißen Tagen draußen stehen lassen!
10 Eier, hartgekocht
5 Hähnchenbrustfilets, in Brühe mit Zwiebel sehr weich gekocht
1 ganzes Glas Salzgurken
1 ganzes Glas Thomys Delikatessmayonnaise
12 mittelgroße Salatkartoffeln, in der Schale gekocht
1 Handvoll tiefgefrorene Erbsen, in Brühe kurz aufgekocht (keine aus der Dose nehmen!)
1 große Zitrone
Salz
Pfeffer
Die geschälten Eier mit einem Eierschneider in 3 (!) Richtungen sehr klein zerteilen (es sollten in etwa Würfelchen dabei herauskommen).
Die Kartoffeln schälen und in kleine Würfelchen schneiden
Die Salzgurken entstielen und möglichst klein schneiden (mal wieder Würfelchen).
Die Hähnchenbrust mit 2 Gabeln sehr fein zerfasern. Wirklich in Fasern, nicht in Stücke zerlegen! Man sieht sie hinterher idealerweise nicht mehr!
Alles mit den Erbsen, fast der ganzen Mayonnaise und dem Saft der ganzen Zitrone mischen, salzen, pfeffern. Gut abschmecken, nicht zu wenig Salz nehmen.
Oben drauf eine dünne Schicht Mayonnaise streichen.
Kaltstellen, am besten über Nacht.
Vor dem Servieren dekorieren, z.B. mit weiteren Zitronenscheiben oder Wörter mit Erbsen drauflegen.
Fröhliche Wein-Nachten! - 24.12.2024
Heute ist es soweit. Bei Euch daheim leuchten die Kinderaugen, solange der Startschuss zum Geschenkeöffnen noch nicht gefallen ist, die Erwachsenen schauen sich weinselig in die Augen, die künstlichen Lichterketten flackern irr am Weihnachtsbaum in allen Farben, Opa fällt das künstliche Gebiss in die Suppe und Oma hat keine Ahnung, wo ihr Hörgerät ist, und den ganzen Abend geht es um nichts anderes. Holder Knabe im lockigen Haar schmiert seine Rotzglocke an Mamas schönstes Festkleid. Die Gans ist angebrannt und ziemlich dunkel. Beim Blaukraut hat „irgendwer“ vergessen, dass man ab und zu mal durchrühren sollte. Die Geschenke, die das „Christkind“ in stundenlanger Mühsal wunderschön eingewickelt und mit Schleifen verziert hat, sind in 7,3 Sekunden von der Kinderschar ausgepackt worden und entsprechen nicht ihren Wünschen, und somit benehmen sich die kleinen Tyrannen noch ein paar Ticks flegelhafter als sonst – kurzum, Ihr habt Spaß!
All dem bin ich entkommen! Hurra! Und weil ich nicht da bin, ist auch meiner lieber Freund entkommen, er muss nicht mit mir gemeinsam feierlich am Tisch sitzen und gute Miene zum missratenen Essen und der seltsam gezwungenen Unterhaltung machen, die an diesem Tag eventuell aufkäme. Der Sohn darf sich zu Essen bestellen, was auch immer er will, und morgen geht er Skifahren. So sind wir alle happy!
Der Tag fing allerdings nicht ganz so gut an, es regnete auch heute morgen noch, und ich musste erstmal Wasser von der Terrasse wegschippen, das da ziemlich tief vor der Türschwelle stand. An Weihnachten barfuß im Hochwasser zu stehen hat was. Ein hoffentlich einmaliges Erlebnis! Im Laufe des Tages wurde es dann aber noch ganz nett. In der Zwischenzeit habe ich von der Couch aus mindestens 50 WhatsApp Nachrichten verschickt und sogar welche zurückbekommen.
Der Vermieterin meiner Wohnungsgeberin, einer alten Dame, habe ich von dem gestern gezauberten Salat die Hälfte herausgenommen und eine Art von Tannenbaum mit den Erbsen draufstilisiert. Eine Anisblütenstern durfte als Christbaumspitze dienen. Sie hat sich total gefreut, auch wenn wir uns kaum unterhalten können. Ich jedenfalls verstehe nicht, was sie sagt in diesem komischen unspanischen Kauderwelsch. Ob sie Schulbuchspanisch versteht, ist auch unklar. Ihre Reaktionen entsprechen nicht dem, was man landläufig so erwartet.
Als dann klar war, dass der Regen erstmal ausgestanden ist, fuhr ich an den Strand hinunter. Da entstand folgendes kleines Geschichtchen:
*****Weihnachtswellen
Carmina hatte am Strand zu ihrer Freude eine freie Liege entdeckt. Es war schon nach 17 Uhr und außerdem Weihnachten. Sie vertraute auf ihr Glück, zu dieser Stunde nicht mehr behelligt zu werden, und ließ sich häuslich nieder. Eigentlich hatte sie nur einen Kaffee trinken wollen, aber dann war sie doch noch ein Stück weiter bis an den schwarzen Strand gefahren.
Sie trug ihr schönes rotes Weihnachtskleid mit Elchen und Weihnachtssternen und langen Ärmeln, das nur drei Tage im Jahr seine Existenzberechtigung einforderte. Die anderen Urlauber waren nackt, standen oder schwammen im Meer. Ein paar Kinder bauten eine Sandburg und riefen immer wieder den Vorübergehenden „Feliz Navidad“ zu, voller Freude, diesen Wunsch in der Fremdsprache gelernt zu haben.
Jemand paddelte in einem schwarzen Holzkanu quer über die Bucht. Die Sonne würde bereits in einer knappen Stunde untergehen. Dann würde es sehr schnell kalt werden.
Auf einmal fiel ein Schatten über sie, der einem jungen, freundlichen Mann gehörte. "Sorry, lady, If you sit here, you have to pay, it's for rent."
Sie war erst einmal unschlüssig, was sie tun sollte. Normalerweise wäre sie jetzt verärgert aufgestanden. Aber heute war Weihnachten. Der Wärter musste auch arbeiten. Sein Boss hatte ihn, wie er sagte, heute extra hierher beordert, dabei hatte er gehofft, den Nachmittag mit seiner Freundin verbringen zu können. Am Morgen hatte es nämlich – untypisch für diese Gegend – in Strömen geregnet.
Carmina rückte also die geforderten zwei Euro heraus: "Feliz Navidad!" sagte auch sie mit einem strahlenden Lächeln. Denn schließlich: Wann sonst sitzt man schon Heiligabend am Meer, genau vor dem Sonnenuntergang, während daheim alle anderen die Bescherung unter dem Christbaum zelebrieren?
Die anderen hier am Strand würden später in ihr Hotel zurückkehren und ihr Diner vom professionell dekorierten Galabuffet auswählen, später einer überdrehten Animation lauschen oder das Tanzbein zu Evergreens schwingen, die ihren Eltern gefallen hätten.
Carmina war aber für sich und mit sich hier. Dies war ihre private Weihnachtsfeier mit dem Meer. Nur sie, die Sonne und die Wellen.******
Als es Carmina bzw. mir (was? Nööööö, meine Geschichten sind doch niiiie autobiographisch!) dort zu kalt wurde, setzte ich mich noch in das einzig geöffnete Lokal. Ich bekam sogar einen Platz im Warmen. Dort bestellte ich das Tagesmenü. Wiederum hatte ich mit dieser komischen Sprache hier zu kämpfen. Der Kellner sprach auch so, als hätte er keinerlei Zähne im Mund. Man hört nur die Vokale, der Rest bleibt fast alles stumm. Jedenfalls stellte sich dann heraus, dass ich eine Semmel mit Mojo Rojo und ein Glas Wein bekam. Die Sauce war recht gut und nicht scharf, so dass eine Semmel schon fast zu wenig dafür war. Danach kam dann ein gräulicher Fisch mit Kartoffeln und Salat. Da war der Rest des Mojos drauf ganz dekorativ. Im Anschluss bestellte ich mir noch eine Süßspeise, die als typisch angepriesen war und sich als ein chemisches Wunderwerk erwies, da hier ja doch etwa ein Pfund Zucker so zusammengeschmolzen worden war, dass alles in ein kleines Gläschen passte. Eigentlich sollten da drin Honig, Mandeln und Kekse sein. Davon war nichts zu bemerken. Bienmesabe heißt dieses Zeug, das Ihr besser links liegen lasst, wenn ihr keinen glykämischen Schock haben wollt.
Nun bin ich wieder zuhause, wo ich dem unbekannten Korkenzieher Paroli geboten habe, indem ich seine Funktionsweise gegoogelt habe. Sehr unpraktisch das Ding, ich werde meinen nicht eintauschen. Der Wein-Nachts-Wein ist jedenfalls gut! Auf unser aller Wohl!
Erster Weihnachtsfeiertag unter Palmen - 25.12.2024
Heute gibt es mal nicht so viel zu berichten. Erstens: es ist immer noch Weihnachten. Zweitens: ich bekomme davon immer noch so gut wie gar nichts mit, heute noch weniger als gestern. Drittens: ich habe mal versucht, meinen Einzugsbereich oder eher Auszugsbereich in die andere Richtung zu erweitern. Meine Fahrt führte wiederum durch die vom Vulkan geschlagene Schneise der Verwüstung, die bedrohlichen schwarzen Lavabrocken, die mir nun bereits bekannt sind wie alte Feinde. Vielleicht sind die auch gar nicht so steinhart wie ich dachte, sondern bergen fruchtbare Erde in sich? Das wäre zu hoffen. Aussehen tut es jedenfalls fürchterlich und lebensunfreundlich.
Am Ende der schwarzen Strecke ging es dann den Hang hinunter, diesmal sogar auf einer recht gut ausgebauten Straße. Nur die Serpentinen erinnern einen daran, dass hier alles Mögliche zu erwarten ist, z.B. große Steine auf der Straße oder einen Bus hinter der nächsten Kurve, die man sicherheitshalber (jedenfalls mit meinem schwachbrüstigen Auto) runterwärts im 2. Gang und raufwärts im 1. Gang nehmen sollte. An Stellen, wo es richtig schön gefährlich wird, fehlt dann auch noch die Leitplanke, und aus dem Nichts schlängelt sich eine Auffahrt von unten auf die Straße, mitten in der Kurve. In einem kaum mehr zu überbietenden Steilheitsgrad.
Na gut, der Ort direkt hinter der schwarzen Hölle heißt Bombilla – Glühbirne wegen des Leuchtfeuers für die Schiffe. Heute ist die Siedlung wegen des Gasaustritts nach dem Vulkanausbruch 2021 nicht mehr bewohnt, man sollte sich dort scheint’s auch nicht aufhalten.
Spaßeshalber brachte ich mein Navi, auf dem ich was anderes voreingestellt hatte, zur Verzweiflung, indem ich spontan einem Schild zum Astronomischen Turm folgte, was ich dann aber nicht bis zum Ende verfolgte. Dazwischen hatte ich nämlich einen Ausblick auf das Dorf und den am Strand liegenden riesigen Lavabrocken. In meinem Buch hieß es, dass gelegentlich halbkilometergroße Lavastücke den Berg herunterrollten, das dürfte schwer übertrieben sein. Aber dieser Brocken hatte jedenfalls ein sehr ungewöhnliches Format und war fotografierenswert.
Da es erst 14 Uhr war, habe ich den Turm lieber in Ruhe gelassen, vermutlich sieht man mittags nicht viel vom Sternenhimmel. Oder vielleicht doch, aber ich hatte keine Lust, den Turm hochzukeuchen. Die werde ich übrigens auch am Abend nicht haben.
Danach kehrte ich also um und fuhr mit wieder versöhntem Navi in die ursprünglich geplante Richtung zum Puerto-Naos-Strand. Dies soll angeblich der breiteste der Insel sein. Ich finde den von Tazacorte breiter, aber wahrscheinlich bin ich nicht gut im Schätzen. Jedenfalls hat er eine vorgelagerte Strandpromenade mit Lokalen und höhere Preise für die Liegen, auch mehr davon, sowie zwei Strandlokale.
Ich gönnte mir einen Liegeplatz oberhalb des Sandes, obwohl ich mein neu erworbenes riesiges Strandtuch mitgebracht hatte. Es wehte nämlich eine ziemliche Brise, die den schwarzen Staub herumwirbelte, und ich hatte keine Lust auf Panade. So habe ich in meinem Buch gesittet auf meiner Sonnenliege gelesen und aufs Ins-Wasser-Gehen auch diesmal verzichtet, wiewohl der Grund jetzt ein anderer war. Der Strand hier besteht nämlich in großen Teilen aus großen Steinen. Das kann ich gar nicht leiden. Bei mir muss es Sand sein, sonst geh ich gar nicht erst ins Wasser. Mein linker Fuß ist schon malträtiert genug.
Später ließ ich mich auf der Promenade nieder. Alle Stühle waren besetzt, aber ein großes Liegebett für 2 Personen war es nicht. Sowas in der Art gibt es eher in Kinos. Ich habe den anderen Platz sicherheitshalber gleich mit meinen Habseligkeiten vollgestellt, nicht dass sich da noch Anhang fände. Es gab Anchovis mit Tomaten und Tacos mit Guacamole. Dabei hatte ich leider vergessen, dass ich ja in Kürze, sobald meine Avocados reif werden, sicher Guacamole bis zum Überdruss selber herstellen werde. Auch so kann ich schon mal sagen, dass meine besser schmeckt als die im Lokal. Hier habe ich nun auch das Getränk „Barraquito“ (kleine Hütte) zum ersten Mal probiert. Das ist ein ganz leckeres geschichtetes, schön anzusehendes Kaffeegetränk aus gezuckerter Kondensmilch, Likör, Espresso und Milchschaum. Oben drauf war eine Menge Zimtpulver.
Nun bin ich wieder zuhause und mache heute Abend noch einen Zoom mit meinen Getreuinnen. Nicht mal an Weihnachten machen wir Pause. Denn wir haben was davon: es tut uns gut.
Vor meiner Nase schickt sich der Himmel an, ungemütlich zu werden, ich gehe jetzt besser hinein, bevor die ersten Blitze kommen.
Lavatoleranz - 26.12.2024
Nachdem ich heute morgen mit meinem Liebsten über 4000 km Entfernung per Zoom gemeinsam gefrühstückt hatte, beschloss ich, auch wenn das Wetter heute nicht so arg vielversprechend aussah, wieder in dieselbe Richtung wie gestern zu fahren. Dort gibt es in nächster Nähe einen weiteren Strand. Sein Name klang mysteriös-verheißungsvoll: Charco Verde. Grüne Pfütze hab ich das übersetzt. Vielleicht ein lebensgefährlicher Chemiecocktail? Bei dem es einem sofort die Haut ablöst, wenn man da ins Wasser geht? Jedenfalls hatte ich vermutet, dass dort irgendwas Grünes ist. Wasser oder Land.
Auf dem Hinweg fuhr ich natürlich wieder über die nun hinreichend bekannte Lavaebene, mitten durch die trübsinnigen Geröllhalden. Heute hab ich übrigens so einen Lavabrocken mit der Hand angelangt, um zu sehen, ob er nicht vielleicht doch zerkrümelbar ist. Aber nein, das ist ja hart wie Beton! Also nichts mit meiner schönen Vorstellung vom sich bald lieblich auftuenden grünenden Tal. Seufz.
Am Strand unterhalb hunderter hässlicher, weißummantelter, riesiger Gewächshäuser mit Bananen und anderem, was nicht zu erkennen war, angekommen, stellte ich dann fest, dass das Einzige, was in der Bucht so tut, als sei es grün, ein bisschen wildwachsendes Unkraut und sich tapfer behaupten wollende Drachenbaumjunioren inmitten der Lava sind. Ansonsten alles wieder komplett schwarz, sogar noch schwärzer als da, wo ich gestern war. Im Wasser vorgelagert außerdem schwarze Felsplatten. Heute wurde es dann richtig heiß und ich hätte gut Lust gehabt, ins Wasser zu gehen. Aber ich will mir weder den Fuß brechen, noch zwar noch mit Müh und Not rein-, aber nicht mehr rauskommen können. Schließlich kann ich ja nur mit allergrößter Anstrengung vom Boden aufstehen dank meiner Einbauten. Im Wasser wird es dann noch ein Stück schwieriger, besonders, wenn einem Wellen auf den Rücken dreschen!
Somit blieb mir nichts anderes übrig, als am Strand zu bleiben und mich wenigstens langsam mal mit dem schwarzen Sand zu versöhnen. Ich finde den nicht schön im Gegensatz zu weißem Sand. Das ist so, wie wenn man mit Sepiatinte eingefärbte schwarze Spaghetti essen soll, irgendwas sträubt sich da. Immerhin habe ich es geschafft, mir unter meiner Decke ein halbwegs gemütliches Bett mit dem Sand zu kreieren und ab und zu mit dem Fuß drin zu graben. Langsames Mich-Aussetzen wie bei Leuten mit einer Schlangenphobie, denen man dann empfiehlt, das niedliche Tierchen – bussibussiiii! - mal ein bisschen zu streicheln. So schön weeeeich, und waaarm… OK, ich kann auch verzichten.
In meinem Buch lässt der Autor (dem es nun eingefallen ist, dass der Protagonist sich, um den drögen, verkommenen Schreckensort Tazacorte möglichst schnell verlassen zu können, prostituieren könnte, um das Geld für die Überfahrt mit einem Schiff, das es aber nirgends gibt, zu erarbeiten) kein gutes Haar an den Lavamassen, Lavafelsen, Lavapisten, Lavagesteinsformationen und im Übrigen - Ihr habt’s sicher erraten – an Lava. Es bleibt nicht aus, dass ich, die ich am Ort des Geschehens bin, mir auch immer die Gedanken mitmache, die er sich macht, die Pisten mit hinauffahre mit seinem alten Mercedes und in der Kipplore mitabstürze, die ein heimtückischer Mensch gekappt hat. Hach ja, und dazwischen das Grauen über die Schwärze der Insel empfinde.
Aber inzwischen ist es eigentlich so, dass mich das Grauen nicht mehr am Wickel hat. Es lässt nach. Ich freunde mich an. Ich beginne, mit der Schwärze zu leben wie die anderen. In dem Buch ähneln die Bewohner der Insel Ameisen, die offenbar immer damit beschäftigt sind, irgendwo neue Lavaverwüstungen mit dem Bagger und Schaufeln zu entsorgen, wieder neue Straßen in die vulkanischen Hinterlassenschaften zu sprengen, wo vor kurzem noch eine Straße gewesen war. Das Buch wurde übrigens lange vor dem Vulkanausbruch von 2021 geschrieben.
Als Trost heißt es, der Vulkan flösse nie an einer Stelle über, wo er das schon mal getan habe. So wie Wespen angeblich nicht mehr im selben Rollokasten nisten, wo sie schon mal ein Nest gebaut hatten. De facto heißt das aber: Insel läuft immer wieder aus, jedes Mal wo anders. Wenn man lange genug lebt, kann man dann wohl sehen, wie die Insel rundherum verschwarzt. Jede grüne Fläche wird verfinstert, das ist dann das Schicksal dieser Insel und der Insulaner. Na merci. Ich hoffe, das ist reine Fiktion, so wie die neue Netflix-Serie mit dem Tsunami vor La Palma.
Die Bewohner auf jeden Fall kultivieren die schwarze Fläche, erschließen sich ihr Refugium ein zweites Mal, kehren zurück, wo es nicht mehr möglich war, beleben Totgesagtes und lassen, im Gegensatz zu dem Romanstoff – so wie ich es empfinde -, Liebe, Freude und Herzblut hineinfließen, so dass auch die verschandelten Bereiche wieder vermenschlicht werden. Der Mensch hat so viel Energie, so viel Beharrlichkeit und Tatkraft. (Also, der Mensch an sich, von mir rede ich hier besser nicht. Ich bin zur Zeit recht bemüht unterwegs.)
Nachdem mir die Bucht genug der Schwärze geliefert hatte (die Pfütze davor war übrigens blau und nicht gerade klein), fuhr ich noch ein paar wenige Kilometer weiter. El Remo hatte ich in der Tourist Information auch als interessant angekreuzt. Als ich dann drüber nachlas, stellte sich heraus, dass dies ein Ort ist, der wohl zweigeteilt ist in ein ordentliches, stinknormales Viertel und eines mit abgerissenen ollen Barracken und Kaschemmen. Die Kioske am Meer, die den Hauptcharme des Ortes ausgemacht hätten, seien aber inzwischen alle geschlossen. In dem Ort wohnen angeblich Leute, die genug Geld haben, sich was Tolleres zu leisten, sie wohnen aber explizit da, weil ihnen der verfallene Look so den Kick gibt, das fänden sie schick. Also nicht zu verwechseln mit San Remo, würde ich mal sagen.
Ich habe etliche Fotos gemacht und irgendwie niemanden gesehen, den ich als reich eingeschätzt hätte. Dafür hat sich seit Erstellung des Blogbeitrags von 2016 aber vieles geändert, denn mindestens 3 Kioske sind am Meer neu entstanden, einer davon hypermodern. Ich habe in einem dann zu Abend gegessen. Inzwischen sogar in der Lage, auf dem Lavageröll zu gehen, lief ich im Stockfinsteren auf dem Damm zu meinem Auto zurück und beobachtete dabei das Meer. Allerdings hat dieses doofe Schwindelgefühl mich im Griff und lässt mich momentan nicht richtig geradeaus gehen. Sieht wahrscheinlich aus, als sei ich angeschickert. Im Bier war aber 0,0 Prozent. Das nennt sich hier „sin“ (ohne – ohne Sünde). Es gibt hier viel mehr „sin“ als in Deutschland, habe ich den Eindruck. Etliche Sorten Getränke.
Als ich dann schon sin - ohne Navi - nach Hause fand, durfte ich von der Terrasse aus noch eine schönes Gospelkonzert im Ort unter mir anhören. Heute kann man endlich wieder im Freien sitzen, dabei hat es heute Nacht wieder schrecklich runtergepfladdert. Wenn es nur nächtens regnet, kann mir das ja egal sein. Die Insel freut sich und begrünt die Lava vielleicht statt in 80 Jahren bereits in 79.
Leon – der Wundenheiler - 27.12.2024
Eine der besten Ideen überhaupt war, heute an diesem Zeichenkurs von einem Leon Sieber teilzunehmen, den ich auf dem Flohmarkt kennengelernt hatte: „Skizzen kritzeln“. Ich war ja bislang der Meinung, dass das Zeichen- und Malergen in unserer Familie leider eine Generation übersprungen hat. In dem Kurs unter dem schönen Bougainvillea-Bogen vor der Kirche San Miguel in Tazacorte (die ich heute auch endlich mal von innen gesehen habe) wurde ich zwar nicht direkt eines Besseren belehrt, aber ich hatte jedenfalls riesig viel Spaß am Tun! So viel, dass ich das vermehren möchte und noch weitere Termine ausgemacht habe.
Leons Ansatz gefällt mir total – da ist soviel Spaß, Spielerei und Leichtigkeit dabei: Erst mal loslegen und nachher kucken, ob’s Kunst ist! Das ist doch einen Versuch wert! Wir haben verschiedenste Anläufe genommen: Mit der falschen Hand, hinterm Rücken, mit einer Zeitvorgabe vor nur ein paar Sekunden, im Laufen, mit Weiterreichen des Blatts à la „mein Vater plätschert lustig in der Badewanne“ (hoffe, Ihr kennt das Spiel noch), mit Zeichnen, ohne hinzuschauen, von unten nach oben, von vorn nach hinten, mit Schlenkerarm und rollendem Kreiselstift, mit Sucherrahmen, mit einem mittels Rollorippe um einen halben Meter verlängerten Stift und Pinsel…
Und als alles gelockert und froh gestimmt war und die alten Spießerallüren sich alle von selbst verdrückt hatten, als wir nur noch spielwütig herumtändelten und angemessen unernst waren (noch dazu ein bisschen verschleckert durch meine mitgebrachten Trüffel), als wir die Zeichenstunde nur noch als kleine Schäkerei mit Bleistift und Farbe gesehen haben, drückte er uns Stifte in die Hand, Wasserbecher standen am Boden für unsere ellenlangen Pinsel, und er rückte das Aquarellpapier heraus. „Nutzt die Schraffurtechniken, die wir gerade ausprobiert haben (das waren diverse, abwechselnd im Sekundentakt), nehmt von Material, was Ihr wollt zum Zeichnen (er hatte meterweise Sachen mitgebracht und ausgebreitet), sucht Euch ein Motiv - wenn Ihr wollt, mit dem Rahmen (er hatte welche aus Orangenkisten oder sowas gebastelt), und dann legt los! Die Stifte sind wasserlöslich.“ Mehr Anleitung gab es nicht, aber wir wussten, was zu tun war. Inzwischen loderte das Feuer lichterloh in uns allen!
Und so werkelte jeder irgendwo auf dem Gelände in seiner selbstgeschaffenen Stille vor sich hin, tobte mit dem Stift übers Papier, tritschelte Farbe darüber, konturierte, schattierte, schraffierte nach Herzenslust. Zwischendurch kam Leon und gab keinen Ratschlag, sondern in eigenen Worten ein „Ratstreicheln“, und jeder kreierte ein Kunstwerk nach eigener Façon. So viele Menschen, so viele verschiedene Herangehensweisen! Ein Gemälde schöner als das andere.
Bei der Synopsis fand Leon zu jedem Werk wunderbare Worte des Lobes, fühlte sich komplett in jedes Bild und dessen Entstehung und siegreich überwundene Schwierigkeiten ein und würdigte seine spezielle Eigenart, seine interessanten, charakteristischen Effekte und ließ uns alle die Wirkung von frei gelassenem Raum, Schraffur, leichtherziger Farbträumerei, Detailverzicht, Perspektivgenialität, Weiche und Kontrastgebung und aberwitzig-gelungener Farbzusammenstellung genießen, so dass ein jeder sein derart herausgekitzeltes und gebauchpinseltes Künstlergen aufwachen spürte, sogar ich. Wie er selber so schön sagte: an seinem Unartigkurs soll jeder nicht teilnehmen, der Spaß vermeiden möchte!
Im Anschluss sackte ich noch ein bisserl am Hafen ab, bei fetziger Musik, Tintenfisch in einer neuen Variante und frittierter Yucca. Ich probiere alles, was nicht Standard ist. (Judith sprach ja auch von Freunden, die Improtheater spielen. Wenn es so weitergeht, probiere ich das auch noch!)
Als ich heute gemessenen Schrittes einen Zebrastreifen querte, fuhr ein Auto mit offenen Fenstern heran, aus denen knallbunte lateinamerikanische Rhythmen dröhnten. Und ich in meinem Hexenmantel fing auf dem Zebrastreifen an zu tanzen. Sollen sie sich doch denken „die durchgeknallte Alte!“ Ich umarme das Leben! Viel zu lang habe ich mich in Unsichtbarkeit geübt. Auf meine alten Tage darf das auch anders werden! Das Leben ist zu wunderherrlich, um fade und piefig gelebt zu werden wie von Otto Normalverdrüssler! In mir schreit es nach Bewegung, satter Farbenpracht, Mut zum Experimentieren, zum Auffallen und Aus-mir-Herausgehen. Ich bin nicht was Besonderes, aber ich will auf besondere Weise weiterleben, so dass ich am Ende sagen kann: „Wow! Das hat sich sowas von gelohnt!“ – Kommt Ihr mit?
Mit lieben Menschen zusammen - 28.12.2024
Der heutige Morgen stand nochmal im Zeichen der Raunachtsüberlegungen. Ich habe alle blöden Erlebnisse und Vorkommnisse, die mich im letzten Jahr bedrückt haben, aufgeschrieben, auf einem anderen Zettel habe ich dann den Kontrapunkt dazu notiert, so dass das Widernis nicht mehr auftritt – z.B.: “Meine Freunde hatten 2024 so viel Leid in ihrem Leben, das hat auch mich runtergezogen” – und ins Gegenteil verwandelt: “Meine Freunde haben 2025 so viel Freude in ihrem Leben, dass es mein Herz erhebt”. Den Miesmacherzettel habe ich dann verbrannt. Das war einmal. Jetzt ist es vorbei, ab jetzt wird alles gut und rein!
Später hatte ich einen Zoom zum Thema Freiheit – Digitale Nomaden – Überall leben, wo man möchte. Solche Gedanken können einem ja schon kommen, wenn man den Winter hier ist. Da überlegt man sich ja, ob das vielleicht eine Möglichkeit wäre, so etwas öfter zu machen. Und wie man dann den Partner optimal einbinden könnte, wenn der nicht so reisefreudig ist wie man selbst. Ich bin halt irgendwie ein hupferter Typ ohne meterlange Wurzeln, der noch nie ein Problem mit Heimweh hatte.
Nicht mal nach in Indien, wo ich im Krankenhaus lag, habe ich gesagt: Gottseidank, jetzt wieder Deutschland! Denn dort war das Krankenhauspersonal, so unglaublich freundlich zu mir, dass für mich die Anwesenheit dieser Menschen (und es waren viele verschiedene, die täglich in mein Zimmer kamen) jeden Tag ein Geschenk war. Das indische Essen konnte ich nicht mehr sehen, das ist wohl wahr; wenn man zum Frühstück schon feurigscharfe Knoblauchsuppe bekommt, ist der Tag schon gelaufen. Jedenfalls, wenn man so wie ich, Knoblauch nicht verträgt. Meine Wurzeln sind eher die Verstrickungen, die mich an Haus und Hof gebunden halten, Ahnengeschichten, Sentimentalitäten und Erinnerungen. Aber nicht, dass ich nicht wo anders auch glücklich sein könnte.
Nun bin ich aber hier, vergesst Indien ganz schnell! Augenmerk liegt wieder auf La Palma… Nach dem Zoom düste ich mit meinem Töff in Windeseile zum Hafen hinunter, wo heute auch ein Zeichenkurs des Leons von gestern stattfand. Die anderen hatten bereits seit 20 Minuten begonnen, aber das hinderte mich nicht daran, fleißig mitzumachen. Heute ging es um den Themenkomplex Collage, dem ich mich dann in zwei Bildern widmete.
Es hat wieder total Spaß gemacht, und ich war absolut im Flow. So eine Arbeit am Bild ist ja wie eine Meditation. Man vergisst komplett die Welt außenherum. Ich hatte dann noch die Idee, mein Bild am Rand anzuschmurzeln, nachdem ich heute schon mit dem Zettel am Morgen rumgezündelt hatte. Ein einheimischer Tagedieb hatte ein Feuerzeug für mich. Einen Teil des einen Bildes habe ich auch mithilfe eines Gullideckels schraffiert, bzw. diesen durchgepaust (Frottage). Einen 10.000er Geldschein habe ich auch mit eingebunden. Dass es keine Euros waren, könnt Ihr Euch denken, von denen gibt es ja keine so großen Scheine.
Ich war jedenfalls zufrieden mit dem heute neu Entstandenen. Leon fand wieder für jedermann die passenden Worte, belebte intensiv jedes Gemälde von innen, so dass er dessen Einzigartigkeit in einer Wortkaskade erfrischend und wohltuend herabrieseln ließ und jeder sich fühlte, als sei sein Bild das Beste der ganzen Gruppe. Leon beherrscht das einfach. Das ist eine Stärke, die ungewöhnlich ist, finde ich. Ich wünschte, solche Kunstlehrer hätte ich mal gehabt! Stattdessen kamen sie mit einem Rotstift und schmierten ihre Verbesserungsvorschläge in das fertige Bild, so dass es für immer verdorben war. Das war nur frustrierend und ich bekam jedes Mal eine Riesenwut, nachdem ich mich so angestrengt hatte.
Im Anschluss an den sehr netten Malkurs gab es heute ein ebenso fröhliches Abendessen in lustiger Gesellschaft – ich hatte gefragt, ob jemand noch zum Essen geht, und drei Personen, die das eigentlich nicht vorhatten, haben kurzentschlossen ihre Abendpläne umgestellt. Dann bekam ich einen feinen Schmaus – einen Kaiserbarsch (Alfonsiño) mit Weißwein. Da wir den Fisch aber zu zweit verspeisten, war er vorher auf sehr merkwürdige Weise geteilt worden, denn auch der Kopf war der Länge nach durchgeschnitten worden, und das sah irgendwie nicht so prickelnd aus. Ein Bild des Schreckens füge ich bei. Enjoy! Oder gruselt Euch im Stillen. Auf jeden Fall ein toller Nachmittag und Abend auch heute. Es macht so viel Spaß, nicht nur die eigenen schrägen Gedanken zu wälzen, sondern auch über die gedanklichen Höhenflüge der anderen mitzuschmunzeln!
Meerweh und Geldbeutel-Ach - 29.12.2024
Willkommen zu meiner Abendrundschau! Heute war ein vielseitiger Tag. Zunächst war ich wieder auf dem Flohmarkt in Argual. Dort traf ich mittlerweile ein paar bekannte Gestalten – ich wurde wiedererkannt und freudig begrüßt. Die ältere Dame von neulich wusste noch, wie ich heiße, diejenige, die die Kette für mich basteln wollte, hatte den Auftrag total vergessen (dafür habe ich wo anders eine ganz hübsche Kette gefunden und noch so einiges), und Leon hatte wieder seinen Kunststand, an dem ich dann heute auch wieder ein bisschen herumdilettierte. Wieder etwas Neues – diesmal Stempelabdrücke in die Bilder einpassen. Und morgen lauf ich ihm schon wieder über den Weg, und zwar absichtlich, da ist Aquarellkurs in der Caldera.
Auf dem Flohmarkt gab es diesmal einen Stand mit frischgepresstem Zuckerrohrsirup, der war super. Dafür hab ich auf den leckeren Toast verzichtet, denn ich hatte mir was zum Frühstück gekocht.
Neben dem Flohmarkt ist ein Museum, Casa del Conde – das Haus des Grafen. Es sollte gerade geschlossen werden, als ich kam, aber dann durfte ich doch noch hinein. Unten waren noch ein paar Möbelstücke einer vergangenen Zeit, oben eine Ausstellung. Eine private Kapelle hatte man hier auch im Haus. Praktischerweise musste man da drin vorbei, wenn man die Treppe hinunterging, also immer schön fleißig beten. Prayer to go.
Auf dem Flohmarkt hatte inzwischen eine Frau ihren SUV im Boden festgefressen. Wie sehr sie auch beschleunigte, flogen nur die Steine, es ging nichts mehr voran. Der Grund: Sie war einfach über einen Baumstumpf gefahren und hing nun mittig auf diesem. 4 Männer kamen auf meine Bitte, um ihr zu helfen, aber auch die konnten den Wagen nicht herunterheben. Ich hatte aber keine Lust, bis zum Ende der „Vorstellung“ zu warten. Man riet ihr jedenfalls, einen Abschleppdienst zu ordern, bevor sie den Auspuff abreißt.
Von dort aus fuhr ich zum Hafen und besichtigte die riesige Bauruine. Hier wurden die EU-Gelder im Meer versenkt, es waren zwei ewig lange Bogenhallen als Wellenbrecher oder sowas gebaut worden, um einen für Kreuzfahrtschiffe geeigneten Hafen zu bieten. Man hatte aber nicht nachgemessen, wie groß so ein Kreuzfahrtschiff wirklich ist. Jedenfalls größer als der Hafen.
Diese Wellenbrecher sehen aus wie eine besondere Art von Wandelgang, mit einem rot-weißen Absperrband und Warnschild versehen. In diesem Lost Place fällt schon der Beton herunter, aber Ich habe mich trotzdem hinein getraut und etliche schöne Bilder gemacht. Ich sehe die vordere von diesen parallelen Bogenhallen ja nachts beleuchtet von meiner Terrasse. Wenigstens weiß ich jetzt mal wie das von der Nähe ausschaut. Dazwischen befindet sich ein enormer Platz, der vollkommen leer ist, man darf auch nicht mit dem Auto darauf fahren. Man könnte da zum Beispiel ein Konzert von den Rolling Stones abhalten.
Nach so viel Bewegung war der Strand dran, und oh Wunder – heute habe ich mich aufgerafft, ins Wasser zu gehen. Es war nicht mal schlimm kalt. Es war nur äußerst ungemütlich, hineinzugehen, und ganz schlimm für mich, wieder rauszukommen. Ich habe fast jemanden um Hilfe bitten müssen. Dabei waren keine hohen Wellen in Sicht. Es ist einfach, dass ich auf Gestein nicht zurechtkomme und ein echtes Problem damit habe, im Gleichgewicht zu bleiben. Der kleinste Wellenhügel schubst mich schon um. Meine Füße haben danach laut geschrien. Sehr laut. Dabei war es grade etwas besser gewesen mit dem Fersensporn. In dem Film A hard day’s night von den Beatles sagt George Harrison die gezeigten Hemden seien richtige „Hauschüs“, abgekürzt für Hautabschürfer. So ging es mir heute auch mit dem Uferbereich.
Diese Eskapaden haben meinen Körper so erschreckt, vor allem meine Füße so zerschunden, dass ich danach sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel – einer Ohnmacht nicht unähnlich. Das ist für meinen Körper ja das probate Mittel der Wahl: Schlafen oder wenigstens weggehen, wegfahren und wenn es schlimm ist – verreisen. Da ich heute bereits mein Tagesprogramm an Schritten erfüllt hatte, erfolgte also die Überwältigung durch Morpheus.
Das erinnert mich: in der Casa del Conde kam ich übrigens zu einer der Ausstellungen zu spät. Man war gerade beim Abhängen. Aber dann wurden mir alle Bilder, die bereits abgenommen waren, einzeln vorgeführt – quasi eine Privataudienz. Es handelte sich bei allen um Götter – künstlerisch inszenierte Aktfotografien von Modellen, die verschiedenste Götter in ihrer, sagen wir mal, natürlichen Umgebung darstellen sollten. Und hier hat mir abgesehen von Pachamama, der Mutter Erde bei den indigenen Völkern, der Gott Hades besonders imponiert. Der sah wirklich gut aus, wäre genau mein Typ gewesen, war ja auch der einzige Mann unter all den gezeigten Schönheiten. Für 135 € hätte ich ihn haben können.
Nach dem Sonnenuntergang, der wie immer traumhaft farbenfroh über dem Meer aussah, fand ich in einem neu entdeckten angrenzenden Restaurant einen Platz mit einem Blick auf dem massiven schwarzen Bergrücken, der einem riesenhaften Tier ähnelte, vielleicht einem Wildschwein, während der Rest des Tageslichtes sich gelb, orange, rot und lila im Wasser ertränkte – im Augenwinkel flitterbegrenzt von der noch weihnachtlich nachklingenden Dekoorgie.
Ich bestellte nach Empfehlung des Kellners. Meine Fischsuppe war gekrönt von einer schwarzen Muschel und einem einbeinigen Garnelenpapa. Das Restaurant schien gehoben zu sein, denn das Besteck samt Serviette wurde nach der Vorspeise ausgetauscht. Auf Servietten legt man hier gemeinhin wenig Wert. Mein lässt anderswo den Gast auch seine Garnelen in Schale trotz der Tomatensoße serviettenlos mit den Fingern herausbrechen. Wenn er selber keine Taschentücher dabeihat, hat er hoffentlich einen passenden Rockzipfel. (Bei uns zu Hause gab es sogar eine Fingerbowle. Ohne Serviette ging gar nichts.) In diesem Restaurant erfreut mich ein Grätenteller neben meiner ganz ausgezeichneten Dorade. Aber auch diesmal ist der Kopf der Länge nach zerteilt; das scheint hier usus zu sein.
Auf der Karte tummeln sich merkwürdige Dinge wie „Zusatzfunktionen“ (z.B. Knoblauchbrot und Mayonnaise) und eine Rubrik namens „Du gräbst“. Darunter steht Benjamin, Codorniú und Apfelwein. Da muss ich erst mal mein Smartphone befragen, was das wohl sein könnte. Ich schlage nach und stelle fest, dass Codorniú ein Cava, also Sekt ist. Stimmt, cava könnte man auch anders übersetzen: er gräbt. Du gräbst heißt cavas, und das wiederum heißt auch Sektsorten. Oooooh je. Ich sage dem Kellner, dass die Übersetzung äußerst fragwürdig ist. Er sagt: „Ja, schlecht gemacht. Kein Problem.“
Zum Nachtisch gönne ich mir heute einen Polvito nach Uruguayischer Art. Das stellt sich als ein dreischichtiges Dessert mit Bröseln, Creme und Meringue-Stückchen heraus. Wäre super, wenn man sich die Hälfte Zucker gespart hätte. Der Nachtisch wird übrigens auf einer Serviette und mit einem Extrateller mit Extraserviette geliefert. Ihr ahnt es schon: die Servietten kamen mich dann teuer zu stehen. Das war jetzt jedenfalls das kostspieligste Essen, was ich bisher hatte. Naja, da das Weihnachtsdiner ja nicht ganz so lukullisch ausgefallen war, hatte ich es dann halt heute. Frohes Fest! Die Weihnachtsdeko war ja noch da.
Yes, we can! - 30.12.2024
Puh, heute war ein anstrengender Tag! Sehr schön, aber für mich außergewöhnlich fordernd. Leon, der Zeichenlehrer ist nämlich für alle möglichen Überraschungen gut. Die heutige bestand darin, dass ich wohl eher flüchtig gelesen habe, was auf dem Programm stand und dann auch dachte, das wird nicht weit weg sein, und man kann mit dem Auto hinfahren. Ich trat also blauäugig in meinem grünen Sommerkleid an. Als ich vor dem Wegfahren in den Kofferraum schaute, fiel mir auf, dass mein Mantel nicht da drin war, und auch die warme Jacke nicht, die ich am Abend immer brauche, wenn Spaghettiträger nicht mehr ausreichen, aber da mir nicht bewusst war, was heute bevorsteht, nickte ich nur zufrieden mit mir selbst, dass ich wenigstens die Turnschuhe und eine dünne Jacke da liegen sah. Wieder zur Wohnung hoch wollte ich nicht nochmal, der steile Weg nach oben ist nicht so mein Ding, und ich wollte auch rechtzeitig da sein.
Ich sollte mich mit Leon in Los Llanos treffen. Da stand er auch schon mit seinem Auto. Ich dachte, ich fahr einfach hinterher, aber dann überlegte er erstmal, wie man das am besten handeln könne. Die eine ginge zu Fuß hin und wäre schon dort, wohne da, die andere komme noch. Da war Gerdi auch schon mit ihrem Auto und freute sich, dass ich auch dabei war. Ob wir zwei Autos da parken und mit einem fahren? Ach was, wir fahren bis zu dem Parkplatz da, und danach sehen wir weiter. Ich hab mir nichts Böses dabei gedacht.
„Der Parkplatz da“ war aber nicht gerade in nächster Nähe, wir verließen den Ort, kletterten Serpentinen hoch, kamen am Restaurant Balcón del Taburiente vorbei, wo ich meine erste Begegnung mit den Bergen hatte, und da waren wir auch noch längst nicht da. Der Konvoi zog sich noch ein gutes Stück weiter, bis ein Flussbett uns stoppte. Da mussten wir rückwärts bis zu einem Parkplatz fahren, denn hier konnte keines unserer Autos durch.
Wie sich zeigte, musste man von da an zu Fuß gehen. Ach ja, in dem Flussbett entlang. Ein bisschen Wasser floss da, nicht viel, das meiste waren große Steine. Schon mal genug Quälmöglichkeiten für meinen Fersensporn. Tja, und dann mussten wir da den Berg hoch. Da oben, ein gutes Stück entfernt, sei das Haus, wo wir hinmüssen. Ich schluckte schwer. Es gäbe noch die Option, sich abholen zu lassen, die Alison habe ein Auto, mit dem sie durch das Flussbett fahren könne. Äh ja, das wäre dann mal Recht! Ruf sie doch an. Aber Gerdi sagte, sie ginge so gern zu Fuß. Mit zwei Nordic-Walking-Stecken machte sie sich sofort auf den Weg.
Da blieb mir irgendwie nichts anderes übrig, als auch zu sagen, „OK, ich werde es probieren!“ Meine Kleidung erwies sich als in höchstem Maße unzureichend. Ich hatte zum Glück noch eine dünne Leggings dabei, die ich anzog, ein dünnes Shirt mit langen Ärmeln und die dünne Jacke. Im Zwiebellook dackelte ich los, während Leon frohgemut auch noch einen großen Rucksack mit sämtlichem Malzubehör schleppte. Ihm machte das alles gar nichts aus. Und der tapferen Gerdi, die auch eine Gehbehinderung hat, machte es auch nichts. Sie erzählte auch, dass sie sogar eine Himalayatour gemacht habe. Trotz der Behinderung. Wow! Hut ab!
Ich denke, ich habe das Gehtempo ziemlich gedrosselt, aber tatsächlich kam ich unbeschadet oben an, sehr stolz auf meine Leistung, die ich bis gestern nicht für möglich gehalten hätte. Heute habe ich festgestellt, dass das Bergaufgehen mit Turnschuhen statt den üblichen Schläppchen einigermaßen gut geht und mein Problem tatsächlich jetzt nicht so sehr die Steigung ist, sofern ich oft genug stehen bleiben darf, sondern Treppenstufen. Aufwärts gab es aber nach dem Flussbett eine Rampe, in dem nur in der Mitte eine Art von winzigschmaler Hexentreppe hochging. Und die musste ich jetzt nicht gehen.
Oben bekamen wir dann einen Tee kredenzt. Die englisch sprechende Alison vermietet Zimmer an verschiedene Leute, die lieber herumkraxeln als ich und begeistert sind, in so einer Lage wohnen zu können. Die Aussicht dort ist großartig, das muss ich zugeben! Die hat man am Strand nicht. Überall sattes Grün, Bananenplantage, Bäume noch und nöcher und Berge rundherum.
Dann machten wir uns an die Arbeit, wir waren ja nicht zum Spaß hier. Sondern, wie bei Leon üblich: zum Spaß. Eine Farbe auf ein Aquarellpapier, weitergeben, Pinsel in die andere Richtung weitergeben, die neue Farbe vom Nachbarspinsel aufs Blatt und so weiter. Wir hatten dann vier verschiedene Farben auf den Bildern, und danach ging es noch ein paar Runden so weiter, wodurch die Bilder sich immer stärker unterschieden und jeder so langsam einen Favoriten bekam. Irgendwann durfte man dann eines der Bilder so weiterbearbeiten, wie man es für gut hielt und es behalten. Es war schon interessant, wie sehr sie da bereits in der Gestaltung auseinanderdrifteten, aber doch jedes die Handschrift von jedem von uns trug.
Als nächstes machten wir eine Übung mit Farbpigmenten auf nassem Untergrund. Das Wasser am besten gleich mit der Hand draufklatschen. OK, sowas hatte ich noch nicht gelernt, aber muss schon sagen, das geht viel schneller und funktioniert gut. Dann nutzten wir nur zwei Farben, die wir mit einem Stäbchen auf das Blatt strichen: blau und gelb. Die Farben ließen wir solange verlaufen, bis sich eine wunderschönes grünes Wunder in diversesten Schattierungen zeigte.
Wir bekamen ein herrlich-buntes und megaleckeres Mittagessen, das Alison für uns gezaubert hatte. Es waren ganz viele essbare Blüten im Salat, auf einem Blech gab es eine Süßkartoffelquiche, und Guacamole sowie Brot wurde ebenfalls angeboten. Eine zweite Portion musste da schon sein! Dazu gab es Gurkenwasser. Falls Ihr die Serie Better Call Saul gesehen habt, kennt Ihr das Gurkenwasser, das es nur für die Kunden des Nagelstudios gibt, ganz gut. Und Saul versucht als Running Gag jedes Mal, eines zu erschnorren. Wir mussten nicht schnorren, wir durften.
Die nächste Übung war schon schwerer, wir sollten eine Aussicht von der Terrasse aus festhalten. Ich habe festgestellt, dass das absolut nicht mein Ding ist – die anderen hatten aber auch Schwierigkeiten damit. In mehreren Arbeitsgängen war dann wenigstens Gerdis Bild so geworden, dass sie sich über sich selbst freuen durfte. Mir gab Leon den guten Tipp, mein Licht nicht vor mir selbst unter den Scheffel zu stellen, indem ich sagte, ich habe an dem Bild nochmal „herumgemurkst“. Ja, er hat Recht. Wenn ich selber zu mir sagen würde, ich habe „fleißig daran gearbeitet“, könnte ich es vielleicht auch selber besser würdigen, dass ich es mehrfach verbessern konnte. Dass es trotzdem nicht dem entspricht, was ich für gut befände, ist dann halt dennoch schade. Aber vielleicht kann ich dann wenigstens den Fortschritt in meinem Tun anerkennen.
Dafür kam ich später auf eine Idee, die mir Spaß machte und gut gelang. Gerdi hatte ihr - wie sie meinte - nicht so schön bearbeitetes buntes Bild aus der ersten Runde mir vermacht. Und ich habe aus der Bananenplantage ein Stück Bananenblatt geholt und einfach draufgeklebt. Mit Farbe an ein paar Stellen eingefärbt, und schwuppdiwupp war die ungeliebte Stelle zu einem Highlight geworden. Das Blatt mit seiner wunderbaren Struktur stellte eine feine Brücke zwischen den verschiedenen Bereichen im Blatt dar, die in unterschiedlichen Macharten auseinanderdrängten und sich die Gunst des Betrachters so streitig machten, dass er es möglicherweise als unharmonisch empfinden könnte.
Auf ein weiteres Bild mit nur zwei Farben stempelte ich gleich schwarze Farbe mit so einem Bananenblattstückchen. Das hatte einen Effekt, als seien Musiknoten im Bild gelandet. Auch eine gute Idee, die mir sehr gefiel. Alison gab mir dann noch ein paar weitere Materialien mit – getrocknete Kaktusrippen und ein altes Yukkablatt. Damit lässt sich noch einiges anstellen. Schlimmstenfalls kann ich Mosaik drauf machen, haha.
Nach diesen Stunden an einem gänzlich unerwarteten Ort, wo ich bestimmt nie hingegangen wäre, wenn ich gewusst hätte, dass ich da hochsteigen muss, ging es dann wieder an den Abstieg. Das war anfangs nicht unbedingt einfacher, denn die Rampe musste von mir abwärts auf der Hexentreppe gegangen werden, sonst wäre sie mir zu steil gewesen. Aber das Flussbett stellte dann für mich keinen Schrecken mehr dar. Ich wusste ja, was mich erwartet, und wie weit es ist. Bzw. ich war sogar überrascht, als wir schon am Parkplatz ankamen. Dort trafen wir dann ein junges Mädchen mit einem schweren Rollenkoffer, das zu Alisons Unterkunft hinaufwollte. Das würde nicht einfach werden!
Für morgen haben wir ja einen weiteren Aquarellkurs. Der soll in einem Café in Los Llanos starten. Ich hoffe, es entwickelt sich kein Marathonlauf daraus oder sonst etwas Unvorhergesehenes. Jedenfalls habe ich derjenigen Kursteilnehmerin, die oben auf der Hütte wohnt, angeboten, die Silvesternacht bei mir zu übernachten, denn ansonsten kommt sie im Dunkeln durch das Flussbett nicht wieder nach oben. Ich werde berichten, was morgen geschieht. Könnte aber später werden.
Wie ich im Lotterbett flachgelegt wurde - 31.12.2024, 1. und 2.1.2025
So, Tatsache, es ist etwas später geworden bis zur Fortsetzung! Inzwischen schreiben wir 2025, und ich hoffe für uns alle, dass das entgegen der Zeichen, die wir alle am Horizont gelesen haben, ein Jahr der persönlichen Findung, der Freude und der positiv-spannenden Erlebnisse wird! Geburtswehen einer neuen Zeit sind wild und voller seltsamer Energien. Ich wünsche uns, dass wir lernen, auf unseren Surfbrettern über die Wellen zu gleiten und die elementaren Kräfte im Außen durch unsere Gewandtheit, Experimentierfreude und Anpassungsfähigkeit zu unserem Besten nutzen können!
Doch nun erstmal ein kurzer Rückblick. Heute früh, als ich schweißgebadet das Bett verließ (eine gewisse Reinigungsphase gehört zu den Raunächten dazu), fand sich endlich die lang gesuchte, superschön warme Leggings. Den warmen Pulli hatte ich schon gestern ausgegraben. Aber beide haben mich nur hämisch angelacht mit den Worten, hähä, das haste jetzt davon! Hättest uns halt auch zum Strand mitgenommen, wären wir griffbereit gewesen. Aber nein, du musstest uns ja ganz unten in diese finsteren Schubladen sperren. Bloß weil es in der ersten Woche 29 Grad hatte.
Tja, hätte ich die Sachen im Kofferraum gehabt, als ich unverhofft zu Alison auf den Berg hochmusste, wäre das alles nicht passiert. Aber so hatte ich in der Zwischenzeit Gelegenheit, ein wildes, eigenwilliges Tier in mir hochzupäppeln und zu versuchen, es in den Griff zu bekommen. Ein aggressives Tier, das wie ein Hofhund unberechenbar an der Kette rasselt und urplötzlich wild und gefährlich ohne Unterlass hässlich bellt und Kaskaden von Geifer aus seinem Maul verschleudert. Als einer der Hunde von Alison einen Rappel kriegte, nahm sie ihn hoch und sagte zu ihm (im Original auf Englisch): „He, Süßer, was ist denn, bleib doch im Hier und Jetzt!“ Ich wünschte, jemand hätte mich gedrückt und beruhigt und mich warm zugedeckt und sowas zu mir gesagt. Aber immerhin bekam ich das in Anklängen. Denn das Universum sorgt vor für den nächsten Schritt. Also höret – oder leset…
Der Malkurstag in Los Llanos barg wiederum Überraschungen. Na klar, war ja schließlich mit Leon. Da gelten ein bisschen andere Maßstäbe. Nachdem ich 40 Minuten auf Parkplatzsuche war, weil in dem Ort gerade ein Stadtlauf stattfand und hunderte orangegewandete Menschen durch die Gegend wuselten (und ihre Liebsten anfeuernd am Straßenrand standen, ihre Autos auf jedem für mich möglichen Parkplatz bereits friedlich zurückgelassen), trafen wir uns endlich und gingen, weil es in dem Café, wo sie auf mich gewartet hatten, Leon zu wenig angenehm war, gleich zu einem anderen Lokal. Netterweise orientierten wir uns in Richtung auf meinen Parkplatz, weil ich da bald wieder Geld einwerfen musste. Das neue Lokal war ganz OK, wir zogen nach kurzem, weil es draußen kalt war, nach innen und hatten einen großen Tisch in einer geschützten Nische. Da machten wir uns mit Eifer ans Werk, aber dann konnte Leon es nicht mehr aushalten, weil es ihm da viel zu laut sei. Ich selbst hatte die Geräuschkulisse wie immer einfach ausblenden können und war im Flow.
Wiederum zogen wir also um. Auf einen Platz im Freien, auf eine Treppe mit Blick auf Palmen und einen Park und die Berge. Sehr schön, aber echt zugig und kalt. Zum Glück hatte ich eine Isomatte für Jarka, die von Alisons Unterkunft hier eingetroffen war und ein afrikanisches Tuch für mich, sonst hätten wir uns auf den eiskalten Steinen noch eine Blasenentzündung geholt. Aber seit gestern war ich ja schon zehnsekündlich am Husten und fühlte mich schwach und schwindlig. Ich machte mit, so gut ich konnte, litt aber lautstark und gleichzeitig im Stillen vor mich hin. Obendrein hatte die Bedienung im Lokal mich komplett übergangen, heute hatte ich keine Strahlkraft, ich war wohl für sie direkt unsichtbar – und so hatte ich Hunger.
Es stellte sich dann aber heraus, dass wir den ganzen Tag nichts zu essen bekamen. Mitgebracht hatte ich auch nichts, und nicht gefrühstückt, denn ich hatte ja auf das Café als Start in den Tag spekuliert. Jarka hatte ein durchgeweichtes Knäckebrot mit Käse, das teilte sie schwesterlich mit mir.
Zu dieser interessanten und liebenswerten Frau möchte ich noch hinzufügen, dass ihr Leben gerade in ähnlicher Weise abenteuerlich wird wie meines, und sie angefangen hat, sich darauf einzulassen, was für Eingebungen das Universum oder Schicksal ihr schickt. Und so kam auch sie, ungeplant, unverhofft, aber voller neuer Hoffnungen hier auf die Insel. Sie hatte nur nachgefragt, ob noch ein Platz im Zeichenkurs frei war und postwendend eine Bestätigung bekommen à la "Willkommen im Kurs, du bist hiermit fest angemeldet." Und da sagte sie sich: OK, dann soll es wohl sein. Als sie im Flussbett versuchte, mit Schlamm ein Figürchen zu bauen, und dies ob der wässrigen Konsistenz des Schlammes missriet, entdeckte sie, dass die eigentlich geplante Sonne sich von selbst in einen Engel verwandelt hatte. Wie toll! In diesen Tagen, spielte sie nun ein bisschen Engel für mich.
Im heutigen Malkurs lernten wir dann, parallel zu den körperlich sich zeigenden Widrigkeiten (Hunger, Kälte, Krankheit – Erfahrungen spiegeln sich meiner Erfahrung nach immer auf mehreren Ebenen), mit dem umzugehen, was wir nicht beherrschen können. Mit Frustration zu kämpfen, etwas nicht hinzubekommen, und schließlich doch noch irgendwie eine Lösung zu finden. Einfach beschließen, der Baum ist doch kein Baum, sondern eine Blumenwiese. Der Bogen, der über dem Boden steht, steht doch nicht, sondern liegt einfach auf dem Boden (weiß ja keiner, wer ist denn schon am selben Ort und begutachtet, was wir da so malen) und wenn dir der Inhalt dessen, was du siehst, zu aufwändig ist, kannst du ja auch einfach 2/3 davon weglassen und so tun, als wäre der Rest das Ganze. Somit haben wir dann doch alle noch geschafft, etwas zu kreieren, was wenigstens ein Zeugnis unseres Kampfes mit uns selbst ist. Ein Symbolbild für siegreiche Selbstüberwindung.
Ehrlich gesagt, war ich diesmal froh, als der Kurs für diesen Tag fertig war, denn ich wollte nur noch irgendwo ins Warme. Genauso ging es auch Jarka, wir waren komplett durchgefroren, wiewohl ich bereits doppelt so viel anhatte wie am Vortag, aber das war immer noch nicht genug. In Los Llanos ist es viel kühler als in Tazacorte. Leider war jedoch aufgrund der Neujahrsfeierlichkeiten kein Lokal zu finden, das uns halbwegs ansprach. Wir hätten einen Platz in einem Burgerladen kriegen können, was eigentlich nicht dem entsprach, was wir uns unter spanischem Neujahrsessen vorstellten. Andererseits war in einem zugigen Keller eine Möglichkeit, komplett allein an einem von vier sehr hohen hypermodernen Tischen mit hypermodernen Hochstühlen zu hocken. Das verwarfen wir auch. Nach längerem Herumlaufen durch das Getobe in der Fußgängerzone, wo sich schon die Massen zusammenrotteten und fürchterlich laute Musik spielte, fanden wir in der Nähe von der Treppe, auf der wir gerade noch so gefroren hatten, ein Lokal, in dem es wenigstens was Spanisches gab.
Die Lokale hier lassen aber alle die Tür offen. Es war dann nicht wirklich schön warm da drin. Auch war das Manko, dass es eben ein spanisches Lokal war ohne Erklärung, was die Sachen sind, und da es sich um Eigennamen von Gerichten und nicht deren Beschreibung in spanischen Wörtern handelte, wusste auch ich trotz meiner Spanischkenntnisse nichts damit anzufangen. Da die Preise niedrig waren (3,50 Euro z.B.), vermuteten wir, dass das kleine Portionen seien und bestellten vier Sachen, aber der Kellner (mit dem wir uns auch eher mit Händen und Füßen verständigen mussten, da er wieder einer von der Sorte war, der nur Vokale herausbrachte und alles andere verschluckte) riet uns, 2 davon wegzulassen (Ein Mensch, der die Idee des Weglassens also auch hier verteidigte), sonst würden wir platzen.
Schließlich bekamen wir dann einen riesigen Teller Pommes mit Wurststücken und geriebenem Käse (wir hatten gehofft, es handele sich um eine gefüllte, überbackene Kartoffel), was ziemlich eklig war, und eine Maistortilla, gefüllt mit irgendwelchem Käse. Auch nicht so doll. Aber wenigstens waren wir satt, und Jarka hatte noch jemanden angerufen, den sie im Flughafenbus kennengelernt hatte, und der kam dazu und lud uns sogar ein. Also schien der Abend sich ja noch ganz nett zu entwickeln.
Die nächsten vier Stunden verbrachten wir dann im Getümmel. Jarka hatte unbedingt zu der Livemusik gewollt, um zu tanzen. Ich stellte jedoch fest, dass mir das Tanzen heute gar nicht gut tat. Jeweils nach einem halben Song war ich bereits völlig erschöpft und bekam keine Luft mehr. Das war echt schade. So saß ich die meiste Zeit auf einer Bank herum und fror massiv, während die anderen beiden sich wenigstens durch Bewegung warmhielten und Spaß hatten. Es gab nur Salsa, Cumbia und Merengue, und das in Volllautstärke.
Um Mitternacht erfolgte eine ewig lange Ansage vor dem Countdown. Bei den letzten Gongschlägen im alten Jahr schluckt man in Spanien 12 Trauben, pro Gongschlag eine, und hat dann wohl 12 Monate Glück im neuen Jahr. Wir mussten uns die Trauben halt denken und haben halt versucht, auf andere Weise uns glückliche Monate zu visualisieren. Erstaunlicherweise gab es keine Erstickungsanfälle in unserem Umfeld. Bereits eine Stunde vorher hatten die Spanier aus Hunderten von identischen Plastiktüten, die dann überall am Boden lagen, lilane und blaue Glitzerperücken, Tröten und ähnliche Feiermaterialien herausgezogen und in Betrieb genommen bzw. damit die Glatze verdeckt. Auch hier verzichteten wir auf Hilfsmittel. Wahrscheinlich weil wir alle noch genügend Haare haben.
Nach den fiktiven Trauben brach dann eine sehr harmlose Lichtshow über uns ein. Ein paar Raketchen wurden über unseren Köpfen parallel zum Platz oberhalb eines der Länge nach aufgespannten Tuches abgeschossen, so dass wir von unten gerade so die Lichtergarben erkennen konnten. Dann war es auch schon fertig. Jarka sagte, was man am 1. Januar macht, macht man auch das ganze Jahr. Also tanzte ich mit schwindenden Kräften ein bisschen und eine Viertelstunde später kam endlich der Moment, auf den ich lange gewartet hatte: ich durfte heimfahren. Jarka würde ja bei mir übernachten. Den Freund habe ich auch auf meinen zu Hause kalt gestellten Sekt mit eingeladen, und so schloss sich dann der für mich wertvolle Teil des Abends an, wo wir bis halb 3 noch ein angeregtes Gespräch führten. Von sowas darf das neue Jahr ruhig mehr liefern.
Jetzt konnte ich wirklich nicht mehr. Der Freund ging zu seiner Wohnung und Jarka ins andere Zimmer, und gleich schlief ich wie ein Murmeltier.
Am Neujahrsmorgen bekam ich liebevoll einen Ingwertee gemacht mit einen Bananenblütenblatt drin, das ich ja für meinen Sohn gegen seinen Husten von Alisons Farm mitgenommen hatte. Ich denke, das war auch bei mir hilfreich. Danach ab zum nächsten Malkurs, inzwischen dreimal so warm angezogen! Mal wieder eine Verlegung der Location in letzter Minute. Diesmal auf einen zugigen Platz inmitten von Tazacorte, wo uns die Blätter von der Unterlage stoben wie die Möwen, aber dennoch schufen wir mehrere spannende Werke und lernten viel.
Auch kam ein Junge mit seinen Eltern, der uns am Vortag in Los Llanos gesehen hatte, und nun gerne mitmachen wollte, und der hatte wirklich Talent! Außerdem hat er einen großen Teil des Blattvorrats von Leon aufgebraucht, aber es war so faszinierend zu beobachten, wie er wirklich das Spiel mit den Farben auf dem patschnassen (stundenlang eingeweichten) Aquarellpapier genoss. Wie die Farben da so wundersam miteinander Synergien bildeten, sich liebend oder auch trotzig verbanden, sich gegeneinander aufbäumten oder friedlich Hand in Hand in Neuland spazierten. Und zu sehen, wie er sich daran erfreute, ließ uns selber dieselbe Freude beim Spielen mit unseren Farben in unserem eigenen Bild besser erkunden. Ich bemerkte, wie ich schließlich von jedem künstlerischen Anspruch abkam und nur noch beobachtete, was geschah. Als das Werk dann trocknete, erspürte ich die Konturen, die es selbst gebildet hatte, und betonte sie noch mit den wasserlöslichen Farbstiften und Kohle.
Später sollten wir uns ein Motiv mit dem Motivsucher auswählen, uns einen von den Hockern nehmen, die Leon mitgebracht hatte, und dann das Motiv jeweils in ca. 3 Minuten skizzieren. Und dann wieder. Und dann wieder. Es wurden 12 Bilder. Ich hatte langsam die Nase voll. Zwischendurch kam zum Glück Leon nachschauen, und veränderte mir die Aufgabenstellung, so dass die letzten Bilder dann mit linker Hand oder mit nur linksseitiger oder nur rechtsseitiger Linie geschaffen wurden, bzw. mit Flächendarstellung statt Linien.
Bereits vor Arbeitsbeginn hatte mich die Aufgabe gelangweilt, und ich hatte ähnlich trotzig gehandelt wie bei einer Strafarbeit, wo ich 100 Mal schrieb „Ich darf mein Turnsäcklein nicht vergessen“. Da hatte ich von unten alle „mein“ einer Seite nach oben in Form einer Säule aufgebaut und die anderen Wörter dann diagonal von oben links nach unten rechts und von unten links nach oben rechts, so dass es eher Musterseiten wurden, die ich immer weiter kreativ ausgefüllt habe. Mit Anweisungen, die mir widerstreben, habe ich auch heute noch ein Problem, und somit habe ich auch hier mein Bild erst von links nach rechts gekritzelt, dann von rechts nach links, dann von vorn nach hinten, dann wiederum mit dem Hintergrund begonnen. Die einzelnen Ergebnisse unterscheiden sich also, und die Arbeitsweise wurde immer noch schluderiger. Vielleicht war die Schludrigkeit ein Ausdruck meiner Krankheit. Vielleicht war sie auch genau, was es brauchte und worauf es ankam.
Dann sollten wir die einzelnen Bilder kolorieren. Auch hier probierte ich verschiedene Herangehensweisen und wurde immer legerer und sorgloser. Musste ja nichts herauskommen. Einfach Experimente. Gut gefiel mir z.B. ein Bild in völlig falscher Farbdarstellung. Die Palmen drauf sind gelb.
Danach konnte ich aber wirklich nicht mehr. Das böse Tier an seiner rasselnden Kette in mir hatte gewonnen. Ich brach den Kurs ab und schlich mich nach Hause. Zwei Stunden später läutete es an der Tür. Da stand Jarka und hatte so einfach meine Behausung wiedergefunden. Ich war baff. Sie kochte mir nochmals einen Genesungstee – was für eine liebe Geste! - und wir sprachen noch eine Weile, bevor ich sie zu einem Treffen mit dem Freund nach Puerto brachte, wohin sie, seines Erachtens doch locker zu Fuß gehen könnte. Für mich auch ein beträchtliches Stück Wegs, so dass ich sie da nicht im Dunkeln allein hinschicken wollte. Und Auto fahren konnte ich ja noch.
Ich ging ins Bett und rührte mich nimmer. Und heute lausche ich kleinlaut in mich hinein und bin gnädig mit mir. Ich hab mir das verdient. Wenn ich schon beim Geschirr in den Schrank stellen Schnappatmung bekomme, bin ich durchaus noch nicht gesund. Heute werde ich gut zu mir sein. Mit mir allein im Lotterbett fläzen. Und eigentlich ist Gut zu mir zu sein der Vorsatz für das ganze Jahr. Ich hoffe, du erlaubst dir das auch! Denk mal drüber nach, wer, wenn nicht du selbst, so wichtig ist in deinem Leben. Und wer jeden einzelnen Tag – Tag und Nacht - da ist, und sich um dich kümmert. Wer all deine Erinnerungen für die bewahrt und mit dir fühlt, weint und lacht, auf dich stolz ist oder dich tröstet, wenn du sie mal wieder herausziehst. Für diesen besten Kumpel muss man gut sorgen.
Kleiner fragen - 3.1.2025
Ein weiterer Morgen auf La Palma, versuchsweise wieder auf der Terrasse mit Ausblick auf meinen Kalender, der mich gleich dazu anhält, mir die wirklich wichtigen, vor allem ganz neuen Fragen zu stellen. Mein Ist-Zustand jedoch: Nach zehn Stunden Schlaf bin ich immer noch groggy. Die Krankheit ist noch nicht ausgestanden, aber auch heute Nacht habe ich weiter dran herumgeschwitzt, um ihr Einhalt zu gebieten. Mein Körper weiß wenigstens, was er tut. In einem fröhlichen luziden Fiebertraum habe ich heute alle in der neuen Küche falsch bestellten Teile einfach geschenkt bekommen, aber in echt steht die Küche daheim genauso da wie bei der Abreise. Was wären denn die Fragen, die mir da so einfallen?
Ich habe mich ja in den letzten drei Jahren, in denen ich mich auf den Weg begeben habe, den ganz großen Fragen gestellt, als da z.B. wären: Gibt es Gott? Was ist die Seele? Gibt es Gut und Böse wirklich? Wodurch unterscheiden sie sich? Wo verläuft mein Weg? Was ist mein Ziel? Meine Vision? Was sind meine wahren Absichten? Kann ich die noch schärfer schleifen? In wie weit tut mir das noch gut? Was ist Glück? Woher komme ich? Wohin gehe ich, wohin gehen wir, wohin geht alles? Wieviel von mir ist Tier? Beim Übersetzerstudium lernte ich, Lebewesen sei zu übersetzen mit “man and other animals“. Eine ganz andere Sichtweise, als die des hochmütigen Deutschen.
Heute, aus dem heraus empfindend, wie ich mich gerade im Moment fühle, würde ich anfangen, ganz kleinformatig zu fragen, kleine Indizien zu untersuchen, unsinniger zu fragen, absurder zu fragen, denn in der Auslotung des Absurden liegt oft ein nicht unbedeutendes Quäntchen an Wahrheit, die sich sonst niemals erschließt. Z.B. wenn ich so auf das Meer vor mir schaue, das mit deutlich erkennbaren Schaumkronen von links nach rechts drängt: Gibt es auch Orte, an denen die Mitte des Ozeans nicht, wie hier offensichtlich, links ist (rechts ist ja die Küste und das Meer prescht immer auf die Küste zu)? Dies ist an sich eine blöde Frage, denn wenn ich rechts von dieser Landzunge stehe, kommt das Meer dann von rechts nach links geflossen. Dann habe ich schon mal den Mittelpunkt des Ozeans gedreht. Durch mein Hinübergehen also quasi. Ja, ich weiß, das ist nicht wissenschaftlich. Gleich hast du über 20 verschiedene Abers parat, die du aus dem Ärmel auf meinen Frühstückstisch streuseln kannst.
Noch weniger wissenschaftlich wird es, wenn ich sage: aber, wenn ich meinen Standpunkt um 180 Grad ändere (dabei wird mir möglicherweise übel), kommt das Meer dann von der anderen Seite. Und somit habe ich den Mittelpunkt des Ozeans verlagert. Ich, der Zwerg. Wie kann ich, der Zwerg, Einfluss auf den Mittelpunkt des Ozeans haben? Andererseits, wieso nicht, wo doch ich, der Zwerg, Einfluss auf das Verhalten von Materie habe, die sich nur zeigt, wenn ich hingucke und sich ansonsten als Welle durch die Gegend schlängelt, wenn ich die Augen zu habe. Ich manifestiere sie also immer wieder, jedes Mal, wenn ich ihr die Ehre erweise, sie anzuschauen, erweist sie mir die Ehre, vor mir strammzustehen. Ist das nicht mehr als crazy? Also ändere ich auch mal flugs den Mittelpunkt des Ozeans. Ich mach mir die Welt widewidewitt wie sie mir gefällt!
Solche Fragen mit all ihren Trugschlüssen und das Schauen in den Kühlschrank, in dem kein Bier steht, zu sehen, dass keines drin ist, und dann trotzdem zu behaupten, es sei eins drin in all seiner Esoterik lassen mich wollüstig erschauern. Sie bereiten mir eine maliziöse Freude, und ich ergötze mich daran, wie blödsinnig und gleichzeitig tiefschürfend sie sein können. Wie haltlos und tief verankert im selben Gedankengang.
Weniger komplex sind Fragen wie: warum tut man sich eigentlich dämliche Erlebnisse mehrfach an? Falsche Menschen, schiefgegangene und längst verworfene Herangehensweisen, Pilleneinnahme auf nüchternen Magen, obwohl man auch die letzten drei Mal davon brechen musste?
Was wäre, wenn das Frühstück die einzige Mahlzeit am Tage bliebe? Dann könnte ich ja mein Ziel, schlanker zu werden, in Nullkommanix erreichen. Wie lange hält so ein Vorsatz? Bis 15 Uhr oder länger?
Welcher Pumuckl oder welcher verstorbene Ahne von mir (oder Ahnin) lässt immer Sachen verschwinden, die ich gerade irgendwo für die sofortige Verwendung hingestellt habe? Was wäre, wenn ich einfach das als Hinweis annehme und künftig ohne die auskomme? Ab sofort keine Zitrone mehr für den Avocado, nie mehr Süßstoff in den Kaffee?
Wenn alles, was gerade nicht funktioniert, nicht mehr in Betrieb genommen werden muss? Wasch dich in Zukunft halt einfach nur noch kalt. Wasch die Haare dann halt nicht mehr. Koch nicht nur einen Kaffee für heute und morgen, also pro Tag dann eine Tasse – eine warme und eine kalte - sondern gar keinen mehr, koche einfach überhaupt nichts mehr? Das Handy will grad nicht laden, weil ich jedes Mal vergesse, den Stromschalter an der Steckdose einzuschalten, vielleicht soll es ja gerade so sein. Statt aufs Handy kann ich ja mal wo anders drauf glotzen. Oder in mein Buch schreiben. Per Hand dann halt. Da sei die Verbindung zum Gehirn noch enger. (Diesen Text hab ich mit der Hand vorgearbeitet).
Was will mir das sagen – probier es doch einfach mal anders aus? Brauchst du das überhaupt noch?
Meine beiden Abreißkalender mit Sprüchen hatte ich normalerweise überall dabei, wo ich hinfuhr. Dann habe ich auf einer Fahrt von München nach Ingolstadt die Kalender zu gut weggepackt. Ich habe sie erst kurz vor meiner Abreise nach La Palma nach ewiger Suche wiedergefunden. Sie waren in der Laptoptasche, wo ich sonst nie etwas hineintue. Und die ich halt nur verwende, wenn ich reise. Und die Erkenntnis dabei war eigentlich: Ha, ich bin nun bereits hinreichend geschult, dass ich diese Sprüche nicht mehr brauche. Ich könnte sogar meinen eigenen Kalender mit derartigen Sprüchen herausgeben. Ich habe über so viele Dinge nachgedacht, an mir gearbeitet, in mich hineingeschaut. Trotzdem habe ich mir nochmal so einen Kalender gekauft. Das Interessante daran ist, dass man z.B. drüber schreiben kann.
Ich habe Zugangsdaten von Portalen verloren und schließlich festgestellt: ich brauch da ja auch gar nicht mehr rein. Ich bin weitergekommen, als ich damals war. Ich hab mich selbst und die anderen dort überholt.
In der Weihnachtszeit habe ich festgestellt, ich suchte nach manchen Leuten in meiner kilometerlangen Bekanntenliste auf WhatsApp, weil ich nicht mehr wusste, wie sie heißen, aber halt doch wusste, wen ich meine. Einen Gruß wollte ich schicken. Aber warum will ich eigentlich einen Gruß schicken, wenn ich die Namen nicht mehr abrufen kann? Wer kann aus meinem Leben gehen? Wenn sie einen Gruß an mich schicken wollten, könnten sie das ja ihrerseits auch tun. Normalerweise bin ich der Kleber, ich halte alles zusammen und wecke alle schlummernden Karteileichen immer wieder auf. Warum eigentlich? Wenn das ganze Jahr von den anderen nie ein Lebenszeichen kommt, warum denke ich dann an sie an Geburtstag, Feiertagen und wenn ich in Urlaub bin? Wer bin ich denn, und wenn ja, wie viele? Für wie viele Menschen ist überhaupt Platz im Leben eines einzelnen, so dass er ihnen noch gerecht werden kann und nicht dauernd irgendwo durch Übersehen und Unachtsamkeit enttäuscht? Wer hat noch Aufenthaltsberechtigung in meinem Leben? Wer darf einen Neuantrag stellen?
Viel trivialer wirkt hingegen die Frage: wie kann ich Zähneputzen oder vor allem: essen, ohne bei jedem 2. Mal niesen zu müssen? Ich wäre so die Horrorvorstellung eines jeden Japaners – wenn die Großnaserten beim Essen auch noch das Schneuztuch schwenken, wird es für sie extrem unappetitlich. Das gehört sich absolut nicht. Sagte mir mein japanischer Brieffreund damals auf seinem Besuch in München. Da war ich noch ganz jung und hatte einen Tellerrand als Horizont, somit ist mir damals nicht einmal aufgefallen, dass er extra wegen mir aus Japan gekommen war, um mich nachdem ich ihn in Schottland kennengelernt hatte, wiederzusehen. Für mich war das damals ein Ding der Selbstverständlichkeit, wenn ich es rückblickend betrachte, war es das auf keinen Fall, und es tut mir leid, lieber Shunji, dass ich das nicht wirklich gewürdigt habe. Meine Welt war damals so unglaublich klein und egozentrisch!
Das führt uns dann zu der Erkenntnis, die darin liegt, zu begutachten, wer – so wie Shunji konsequenterweise im Folgenden – aus unserem Leben herausgefallen ist, und warum. Aus freiem Willen, oder weil er geschubst wurde. In eine andere Wahrheit. Auf eine andere Ebene… Das Leben sieht dann rückblickend so aus wie ein ausgebreiteter Fächer. Über jeder Fächerrippe liegt eine weitere, und wenn man auf die nächsthöhere geklettert ist, ist alles so spannend und neu auf dieser Ebene, dass man ganz vergessen hat, was auf der vorherigen Rippe gerade noch so vor sich ging. Wie viele Rippen allerdings noch übrig sind, weiß man auch nicht.
Vom Thema Rippen zum Thema Brust – warum tut mir selbige weh, wenn meine Freundin sich einer Brust-OP unterzieht? Warum hatte ich Probleme mit meinem linken Auge, als mein Freund am Auge operiert wurde? Es ist mir klar, dass das Empathie ist. Aber auf solche Distanzen? Ist das nicht erstaunlich? In gleicher Weise, wie der Schmerz des anderen, seine Angst auf mich übergreift, muss ja auch meine gute Energie von hier nach dort kommen. Schneller als Lichtgeschwindigkeit. Ich glaube fest daran, dass meine aufmunternde gehobene Schwingung, die ich jemandem sende, bei ihm landet, wenn er sie haben will, wenn er aufnahmebereit ist, bereit, sie zu spüren, darauf eingehen möchte. Und ich sende viel davon. An meine Freundin, an meinen Freund, auch an Fremde, oder neue Bekannte. Und momentan erhalte ich auch gute Energie. Manchmal ist mir fast ein bisschen zum Weinen, da habe ich das Gefühl jemand denkt gerade sehr intensiv lieb an mich und möchte, dass es mir besser geht. Das ist schön. Ich fühle es. Ich kann nicht sagen, wer es ist, aber es kommt zu mir.
Weniger schön sind Fragen wie: warum fallen uns allen so viele Haare raus und wo kommen die alle hin? Eigentlich müsste ja auf den Straßen in jeder Ecke ein Gewölle liegen. Gibt es irgendwo auf der Welt eine Gewölleabgabestelle, wo ein riesiges unordentliches Zottelknäuel aus Haaren aller Menschenhaarvarianten zusammengeknüllt vor sich hin wallt und wogt, oder werden die irgendwie verbrannt? Das wäre eine unschöne Geruchsbelästigung. Sie zersetzen sich ja nicht so schnell. Welche Klein, Winz- oder Mittelgroßorganismen auch immer sie zerlegen, zersetzen, in Nester einarbeiten oder in die Erde verschleppen, die können doch nicht so flink sein, das alles spurlos verschwinden zu lassen. Das rieselt doch ohn Unterlass.
Überhaupt – wieviel Eigenmaterial in Form von Hautschuppen habe ich im Lauf meines Lebens in irgendwelchen Betten hinterlassen? Da liegen bestimmt mehrere Manus weltweit allenthalben. Und auch von dir liegen mehrere Varianten. Und von allen anderen. Wir vermischen uns da überall und leben in engster toter Harmonie als Schuppenmischungen. Europäische, amerikanische, australische… Palmerische mit einer Prise Manu oder Bayerische mit einer Prise Shunji, noch von damals, falls nicht vom Winde verweht.
Gibt es denn einen Ort, an dem man ganz schuppenfrei nur man selbst sein kann? Auf einem Berggrat im schneidenden Höhenwind? Oder wirbelt der auch von unten Reinhold Messner und Konsorten in die eigene Aura? In einem hermetischen Vakuum würde ich mich nicht wohlfühlen, das wäre auch nicht artgerecht. Es gibt da keinen Sauerstoff und die Zellen würden sofort explodieren, da kein Druck vorhanden ist. Also lieber in der Schuppenmischung weiterleben und sich nicht weiter vorstellen, wie das ist mit den ganzen Milben und so…
Jetzt, wo ich Milben gesagt habe, fängt es natürlich an, dich zu jucken. Ich wende mich also lieber anderen Themen zu: Der wichtigen Frage, warum Limonade aus dem Kühlschrank so herrlich erfrischend und lecker schmeckt, und wenn sie einfach warm in der Küche herumdümpelt, ätzt sie den Hals hinunter wie die letzte, falsch abgeschmeckte Plörre. Außerdem: wer stellt eigentlich die ganze Wohnung so voller leerer Gläser, und wer verrutscht immer all diese kleinen Teppiche? Warum bin ich gerade so schwach und siech?
Ich glaube, jetzt habe ich euch die Welt klein genug gedacht und geredet und ihr hofft inständig darauf, dass sich mein Denkanfall sehr bald wieder legt, ich wieder das Haus verlasse und die Welt für euch erkunde und nicht nur im Sitzen oder Liegen meine Gedankenkonstrukte weben muss.
Dann habe ich ja erreicht, was ich wollte: bitte schickt mir eure guten Gedanken, lasst mich mit eurer Energie ratzdifatz gesund werden, damit ich wieder aufstehen kann und sich der Blickwinkel krass erweitert. Und nun erstmal wieder gute Nacht um 14:56, ich bin total fertig von diesen anstrengenden Überlegungen. Ach übrigens hätte ich eigentlich jetzt Hunger.
Noch eins, zum Thema Esoterik, die Zweite (bitte einfach weglesen, wenn Euch das zu viel des Guten ist): gestern stellte ich fest, dass ein Stern mich offenbar verfolgt, den mein Freund beim Videotelefonat bereits hinter mir als auffälliges Element entdeckt hatte. Ich machte nämlich eine Meditation von Veit Lindau und am Ende fragte ich meine Seele, sie solle mir sagen, was ich wissen solle, denn ich war in der Meditation so weggetreten, dass ich nicht mehr wusste, ob ich schlief oder noch irgendwo dabei war.
Also sprach meine Seele aus mir in einer Affengeschwindigkeit und Intonation leiernd in die Diktierapp, als läse sie gelangweilt von einem Zettel ab: "Auf dem Feld der unendlichen Möglichkeiten hast du die eine gewählt, die die richtige ist. Die Würfel sind gefallen, und du hast es im Vorab immer gewusst, dass es soweit ist. Diese Tage sind die letzten, in denen du nicht bestimmst, was du tun sollst, es ist alles vorgegeben. Deine Pläne wären nichtig, wenn du ihnen folgen würdest. Du musst nichts weiter tun als abwarten, es kommt alles auf dich zu. Ein Zeichen dafür ist der Stern in den Wolken und der Stern in deinem Fuß (!). Mädchen, begib dich ans Fenster!"
Und draußen vor dem Fenster, genau vor meinem Zimmer im Mittelpunkt des Fensters stand riesengroß der Stern und tropfte in die Schale der waagrecht liegenden Mondsichel. Meine Kamera hat das leider nicht ausreichend gut dokumentieren können, der Mond sieht auf dem Bild aus wie ein Vollmond, aber es war so. Das führt mich jetzt zurück zu den großen Fragen. Den ganz großen.
Neuerfindungen - 4.1.2025
Auch heute stellte mir mein Kalender wieder eine Aufgabe: Wenn dieses Jahr ein Roman wäre, den du schreiben könntest, mit welchen beiden Sätzen würde er beginnen? Ha, nichts leichter als das! Los geht’s!
„Manuela sprang voller Tatendrang aus dem Bett, sammelte die einzelnen Bruchstücke ihrer Persona, die in den letzten Jahren auf den Boden gefallen waren, zusammen und setzte sich ganz neu zusammen. Sie ruckelte ein bisschen nach rechts, ein bisschen nach links, streckte die Arme zum Himmel, schlenkerte mit beiden Beinen, bis alles an Ort und Stelle gerutscht war und zog voller Begeisterung ihr allerschönstes, buntes Gewand an.“
Und das habe ich heute versucht. Den Weg aus dem Bett habe ich geschafft, mir übermütig die Haare gewaschen und mir eine wunderbare Doppelhühnersuppe gekocht. Da war zwar kein einziges Huhn drin, aber 1 Liter Hühnerbrühe aus dem Tetrapack plus 1 ganzer riesiger Brühwürfel Hühnerbrühe. Daher doppelt.
Derart gestärkt wurde ich noch übermütiger und beschloss, nach Los Llanos zu fahren. Im Überschwang der vibrierenden Energie griff ich etwas zu beherzt nach meinen Ringen, die ich beim Duschen aufs Bett gelegt hatte, und durfte dann am Boden herumkriechen wie die Manuela im Roman. Allerdings stellte ich schnell fest, dass damit der Tatendrang schon fast erlosch und ein dünnes Rinnsal Schweiß mir über die Nase lief. Das ist bei mir durchaus nicht normal. Den einen Ring mit den Aquamarinen habe ich nicht mehr gefunden, wiewohl ich sogar die Bettschubladen ausgeräumt habe. Da ist also die längst über den Jordan gesegelte Ahnin, über die ich gestern berichtet habe, mal wieder im Spiel. Sie meint, mein aktueller Stil könne sich mal wieder ändern. Den Ring brauche ich doch gar nicht mehr. OK, ich hör ja zu, wenn sie mir solche Tipps gibt. Den Ring möchte ich bitte trotzdem zurück. Bitte bitte!
Da ich aus der Nähe sah, wie dreckig der Boden in vier Wochen geworden war (ich hatte hauptsächlich da sauber gemacht, wo Staub von draußen reinkommen konnte), schwang ich kurzerhand und sehr kurzatmig den Besen. Ich stellte fest, dass der schwarze Staub auch hier reinkommt. Auf dem vor dem Bett vorgefundene Material könnte man ganz gut ein bisschen Saatgut ausstreuen, es könnte für die Anzucht reichen. Nach der Putzaktion war meine Energie aber endgültig verpufft. Ich legte mich ins Bett und winselte ein bisschen vor mich hin. Eine halbe Stunde schlafen sollte helfen. Gesagt, getan.
Dingeling – der Wecker. Zack, aufgestanden, nach los Llanos gefahren. Einkaufen im Einkaufszentrum, drei schwere Tüten, hauptsächlich mit Getränken. Es gab kein interessantes Gemüse und kein interessantes Obst. Und ich war zu KO zu suchen, wo jetzt dieser von Judith empfohlene Bioladen sei. Eine halbe Papaya, zwei Khakis, nur eine Orange und zwei Zitronen gönnte ich mir. Bisschen mau. Aber ich hab noch Berge von Avocados daheim. Ihr erinnert euch.
Schleppte meine diversen Flaschen ins Auto. Ne, nix - nur brave Getränke, der 1. Januar ist überschritten! Und wieder den guten, frischgepressten Orangensaft aus der Höllenmaschine. Danach war ich schon wieder fix und fertig. Musste mich im Einkaufszentrum hinsetzen und was essen, einen Wrap gab es diesmal. Dann war ich kurzzeitig wiederhergestellt.
Schon kam es von draußen furchtbar kalt herein, und ich wollte hinaus. Also habe ich mir ganz konsequent einen Leopardenmantel gekauft. Keinen echten. Mein Freund sagte angesichts des Bildes, dazu bräuchte ich einen breiten roten Schal und einen Hut. Ich fand tatsächlich beides, dazu noch eine Tasche. Als völlig neuer Mensch betrat ich dann die Fußgängerzone. Manu mal wieder neu erfunden. So kalt war es dann doch nicht, und ich fing an, wahnsinnig zu schwitzen. Oder es lag nicht am Wetter, denn die anderen Menschen trugen ja schon alle dicke Jacken und lange Hosen. Klar, meine Stirn war ganz heiß. Schon wieder.
Der Schweiß lief in ganzen Bächen. Diese zogen sich hinter mir durch die Stadt, so dass ein jeder sehen konnte, wo ich gegangen war, wenn er nicht schon die verrückte Alte in ihrem Leopardenmantel ohnehin bestaunt hatte. Die einzelnen Rinnsale vereinten sich und flossen ab einem gewissen Punkt gemeinsam als breiter Strom in den Barranco, wo schließlich eine Felswand überspült wurde. Der Fluss kippte über diese hinunter in Form eines breiten Wasserfalles, wodurch es mehrere Autos wegspülte, muss ich leider sagen, aber ich kann echt nix dafür, ich hab das nicht absichtlich gemacht. Die Leute müssen halt auch aufpassen, wo sie fahren, ist doch so. Die Leute waren mit Fotografieren des plötzlich neu entstandenen Wasserfalls und des darüber entstandenen Regenbogens beschäftigt, und hatten gar nicht mitbekommen, dass das Wasser ihnen ja entgegenkam. Ziemlich leichtsinnig halt. Trotzdem sorry. Kommt hoffentlich nicht öfter vor.
Jedenfalls musste ich zu dem Laden, wo ich meine Simkarte gekauft hatte. Ja logisch könne ich die App nicht herunterladen oder online aufladen, das können nur die Inländer. Aha. Jedenfalls habe ich jetzt wieder genug Guthaben und kann wieder munter drauflos-zoomen und Blog schreiben. Nach einer Ruhepause auf einer Bank unter immer noch fleißig leuchtenden Weihnachtssternen, war ich dann noch mit letzter Kraft in der Lage, mich im Künstlerbedarfladen mit Zeichenpapier, Kohlestift und Bleistift einzudecken. Die Aquarellfarben habe ich ja schon bei Leon erstanden. Jetzt kann es losgehen. Ich bin gerüstet! Ob ich auch was schaffe, wenn mich keiner triezt? Oder brauche ich die Triezung durch Leon? Werden wir sehen. An den aktuellen Kurstagen nehme ich jedenfalls nicht teil.
Jedenfalls habe ich dank Leon etwas entdeckt, was ich euch nicht vorenthalten möchte: Die neueste Abnehmkur – schlank durch…. Tadaaaaa: Husten! Durch die für diese Diät hervorzubringenden heftigen Hustenanfälle wird das Zwerchfell, die Bauchmuskulatur, der Brustkorb, sowie (weniger gut sichtbar) der Beckenboden immens gestärkt und gestrafft. Erstmal ausgeleiert, und dann, wenn der Muskelkater vorbei ist, tooootal gestärkt. Man bekommt zeitgleich also Muskeln, während man aufgrund der ständigen Hustenattacken keinen Appetit hat, und sich an dem wenigen, was man zu sich nimmt, auch noch verschluckt, so dass man es gerne sein lässt.
Sehr praktisch ist dieser automatische Husten, der auch in der Nacht von selber weitergeht, während man im Bett liegt. Während man da so ohrenscheinlich entkräftet vor sich hinstirbt, arbeitet man in Wirklichkeit an sich und spart sich anstrengende Übungen im Fitnessstudio. Beim vor sich hinröcheln verbraucht der Körper irr viele Kalorien und jagt sie zur Stirn hinaus. Das spritzt direkt, tatsächlich, habe ich ja oben beschrieben. Man braucht natürlich auf jeden Fall einen größeren Vorrat an Taschentüchern, am besten eine ganze Rolle Kleenex, und einen Papierkorb.
Bei anderen Diäten kommt man echt nicht so billig weg! Da muss man einkaufen und abwiegen. 83 Prozent von dem, was man eingekauft hat, ist dann zu viel, und es gibt kein weiteres Rezept, in dem man das verwenden kann. Entweder man wirft es weg, oder man opfert sich und isst es dann doch noch auf, wodurch der Effekt der Diät allerdings sabotiert wird. Also – ich kann nur empfehlen, mit meiner genialen Hustendiät habt ihr nur Vorteile! Zwar sind die Stimmbänder dabei ein bisschen beeinträchtigt, aber auch das ist ein grandioser Nebeneffekt, denn wenn ihr schon immer so tief singen wolltet wie Adriano Celentano oder auch Leonard Cohen, so ist jetzt der richtige Zeitpunkt! Genießt es! So viele Vorteile!
Aufgrund des sich bei reichlicher Hustenaktivität entwickelnden Fieberträume, tags und nachts, seid ihr dann außerdem in der Lage, abstruse Diäten selbst zu erfinden. Oder auch andere Dinge. Schaut mich an! Übrigens habe ich euch nun mein ganzes Geheimnis offenbart, ohne auch nur einen einzigen Cent von euch zu kassieren. Wenn das nicht ein fairer Deal für euch ist! Ich kann euch garantieren, dass ich mit dieser Hustendiät bereits innert drei Tagen 17,5 cm Bauchspeck verloren habe. (Ich habe ihn leider aus dem Kühlschrank entsorgen müssen, da er irgendwie so weißen Schimmel draufhatte.)
Also, nun dürft ihr mir was husten. Zu meinem Husten kann ich jetzt nur sagen: Husten, wir haben ein Problem! Seit diesem Bananenblütentee bist du echt nicht mehr der Alte! Du hast so schön automatisch gebellt, mich gerührt und geschüttelt, und jetzt – jetzt muss ich dauernd dran denken, dass ich husten soll, um abzunehmen, aber ich vergess es ständig. Naja, alles hat Vor- und Nachteile. Immerhin ist das tolle Fieber noch da. Das entwässert so schön. Da fließen sie dahin, die Pfunde. Adieu! Auf Nimmerwiedersehen!
Der Speckwrap nach kanarischem Rezept heute war übrigens zwar mit süßer Nusscreme, aber das war Walnuss. Nix Nutella. Durfte ich! Muss ich weniger Kalorien verhusten. Hat schon alles seine Richtigkeit.
Königlich – 5.1.2025
Heute findet ihr mich gemütlich beim Shavassieren (siehe mein Eintrag vom 10.12.24 – Oh Google, warum hast du mich verlassen). Ich hab mir das auch redlich verdient! Gestern hatte ich nämlich einen sehr langen und ordentlich anstrengenden Tag. Obwohl ich immer noch nicht fit bin, bin ich auch 6,7 km durch die Gegend getigert, und das ist für mich mit meinen Bewegungseinschränkungen schon an ganz kerngesunden Tagen super viel! Ich darf also mit Fug und Recht auf mich stolz sein und mich in meinem Ruhm suhlen. Oder so ähnlich.
Gestern fuhr ich quer über die Insel in die Hauptstadt, Santa Cruz. Irgendwie heißen die spanischen Orte alle ziemlich ähnlich. La Palma, Santa Cruz, davon gibt es mehrere Varianten. Das ist jedenfalls eine überschaubar große, recht nette Stadt, wie ich festgestellt habe. Mein Auto konnte ich in einer Parkanlage unter der Stadt zurücklassen, die ausschaut, als habe man im 2. Weltkrieg hier Schutzbunker gebaut. Irgendwie auch gruslig.
Oberhalb war es mal wieder steil, wie inzwischen bekannt. Die Insel ist nun mal über 2400 m hoch, und das halt direkt neben dem Wasser. Der Berg kommt also quasi aus dem Wasser, und mit ameisenhafter Ausdauer haben die Menschen Straßen hineingewühlt, geschaufelt und -gesprengt, und Häuschen angeklebt, die sich übereinanderstapeln. Platte Flächen sind absolute Mangelware, deshalb einfach dieses In-die-Höhe-Pappsen der Behausungen. Diese sind erfreulicherweise vielerorts in hübschen, fröhlichen Farben angemalt, was dem Ganzen einen niedlichen Anstrich von Spielzeugstädtchen verleiht.
Immer noch scheint die Insel sich in eine Ost- und eine Westseite zu teilen, die eher nicht irgendwie miteinander verbunden sind, außer, dass in der Mitte der Tunnel durch die Insel schneidet, der ewig lang ist und am anderen Ende das Licht der Offenbarung für einen bereit hält. Auch diesmal war es so, auf meiner Seite war Calima, man sah nichts, es war grau und bäh, und nach dem Tunnel: eitel Sonnenschein, so grell, dass man spontan sämtliche Sonnenblenden herunterklappt und verzweifelt nach der Sonnenbrille tappt (die brav zuhause liegt).
In Santa Cruz war dann noch nicht so viel von dem zu erwartenden Festtrubel zu bemerken. Die heiligen drei Könige waren aber bereits unterwegs, um sich überall in der Stadt zu zeigen, Kinder und Passanten zu begrüßen und Wunschzettel einzusammeln, denn die Könige sind hier Christkind oder Weihnachtsmann: sie bringen die auf dem Zettel bestellten Geschenke am 6. Januar. Sie unternehmen ihre Tour nicht etwa auf dem Kamel, sondern ganz modern stehend in offenen Limousinen, die im Konvoi hintereinander herrollen. Polizeibehütet winken die Könige huldvoll. Wer direkt herantritt, bekommt Kamellen.
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, sich an sie zu wenden, und das ist ein wunderhübscher Briefkasten am Rathaus. Ich schreibe später einen Zettel mit meinen angeforderten, unverpackbaren, vor allem aber auch schwer erhältlichen Präsenten für mich – innigen Herzenswünschen. Erst als ich dem Zettel noch mit einer ordentlichen Portion Puste und meinem Segen unter die Flügel helfe, rutscht er ganz in den Briefkasten hinein. Abgegeben ans Universum. Was die Reyes Magos (heiligen Könige) mit ihm anfangen, ist mir einerlei, ich weiß, ich habe meine Wünsche formuliert und Universum wird liefern. Ich freue mich aufs Beschert-Werden! Die ganze Straße liegt voller Goldflitter. Das ist doch ein gutes Vorzeichen! Außerdem war ich kreuzbrav, bin mir absolut keines Verschuldens bewusst. Ich darf zuversichtlich sein wie ein einjähriges Kind! Später schreibe ich noch einen Zettel für einen Freund, der Fürsprache nötig hat, und werfe ihn ebenfalls ein. Mit Schmackes. Zing! Es werde Wunder!
Meine Shoppinggelüste sind größtenteils gestillt, von gestern noch. Ich ziehe wie eine Königin ohne Untertanen mit wehenden Rockschößen meines umgebundenen Leopardenmantels raumfüllend durch die Gassen. Es tut gut, wenn man wahrgenommen wird. Die Leute weichen auseinander, machen Platz für mich. Später finde ich jedoch tatsächlich noch ein türkisnes Wallegewand, das mir zusagt und mich heute noch etwas außergewöhnlicher macht.
Beim Essen am Hafen setze ich mal auf Hausmannskost – Albondigas – Fleischklößchen. Die Entscheidung erweist sich als gut, sicher auch für meinen fast stimmbefreiten Hals. Laut iranischer Heilkunst soll man bei Stimmverlust folgendes vermeiden: Fettes, Scharfes, Frittiertes, Süßes.
Auf meinen Spaziergängen nähere ich mich nach dem Essen einem Ziel, das ich mir gesetzt hatte – das nachkonstruierte Schiff von Kolumbus, die Santa Maria, will ich sehen. Der Weg dorthin setzt mir so zu, dass ich etwa 100 m vor dem Ziel aufstecke. Ich schaffe es nicht. Ich werde ein andermal wiederkommen, wenn es mir besser geht. Muss ich also nochmal hier her. Schließlich habe ich ja eine Santa Maria zuhause, die mein Opa selbst gebaut hat. Ein schwarzes Schiff, sehr beeindruckend, groß und schwer. Einmal habe ich mir eingebildet, es unter der Dusche saubermachen zu können. Das war eine sehr blöde Idee, denn die schwarze Farbe ist nur aufgemalt. Ich habe den Versuch sofort abgebrochen.
Nun sitze ich also hier auf dem Platz und ärgere mich ein wenig über mich selbst. Hab Milde, sei gnädig zu dir, denke ich mir. Ich blicke auf, ich entdecke etwas da hinten, das könnte das Schiff sein! Ich stehe auf und quäle mich mit letzter Kraft den letzten Rest des Hügels hoch. Es ist gar nicht mehr so weit. Unterwegs komme ich an einer Party im Freien vorbei. Mehrere ältere Frauen sitzen da mit Sekt mitten auf der Straße an einem Tisch und feiern glitzerumgeben – wenn nicht das neue Jahr, dann sicherlich einen Geburtstag. Sie sind so gut drauf, die Damen tanzen plötzlich ein bisschen auf der Straße. Ihr Lebensmut stachelt mich an. Ich schaffe es bis zum Schiff!
Es hat die falsche Farbe, fad braun. Es sieht nach langweilig nachgebaut aus. Mein Original ist viel besser! Aber immerhin – ich habe es geschafft und mich selbst bezwungen! Trotz Kranksein. Ich bin froh über mich selber. Und ich muss nicht wiederkommen.
Auf dem Hochweg hatte ich eine Stelle identifiziert, wo es mir richtig gut gefallen hat. Ein Café im Freien, sicherlich beliebt bei Touristen, da es so ein schönes Plätzchen war, dass es mich schon fast an Rothenburg ob der Tauber erinnert hat. Egal, ich wehe hinunter mit meinem gefühlten Reifrock, abwärts habe ich wieder Power und nehme Fahrt auf. Als ich ankomme, ist kein Platz frei. Dabei hatte ich einen beim Universum bestellt. Wie das? Ich schaue dreißig Sekunden auf den Platz und sage: Hey, ich bin doch jetzt da! Das Universum sagt: du gehst aber sonst langsamer, Moment! Und macht einen Tisch für mich frei!
Ich bestelle sicherheitshalber ein Abendessen, denn inzwischen werden der gesamten Straße entlang Geländer mit Absperrband angebracht. Hier werden die Könige in ihrer Prozession erwartet. Mein Trick funktioniert, ich habe den Tisch den gesamten Abend. Zwar werden mir sämtliche anderen Stühle dankbar abgenommen und für die anderen Gruppen von Großfamilien verwendet, die an den restlichen Tischen Platz genommen haben, aber ich bleibe unbehelligt und kann später dem Festzug beiwohnen. Allerdings ist ein Platz am Tisch halt nicht ein Platz in der ersten Reihe. Ich verlasse den Tisch und muss aus der dritten Reihe von oben das Handy auf die vorbeifahrenden Kampagnenwagen richten.
Auch so gibt es genug zu sehen und knipsen. Die Hauptpersonen – die Kinder - sind begeistert: alle ihre Lieblinge sind dabei, die sie aus ihren Fernsehserien, Online-Spielen und die Älteren vielleicht noch aus Comics kennen. Auch für die Erwachsenen ist etwas geboten, so kommt z.B. Aladin auch mit einer Handvoll fescher Bauchtänzerinnen daher. Die Parade dauert 50 Minuten und endet mit den drei Königen in enormen Triumphwägen, die gerade noch durch die schmale Gasse passen und bedenklich wackeln. Sie sind sich ihres Status bewusst und benehmen sich standesgemäß. Sehr eindrucksvoll sind sie. Bis auf Caspar, der legt plötzlich ein flottes Tänzchen hin. Danach sprüht sein Wagen Lichtgarben. Bei Balthasar, dem Schwarzbemalten, sind die Lichter bereits ausgegangen. Er muss dunkel im Dunkeln munkeln, ist aber bestens gelaunt.
Auf dem Weg zum Auto freue ich mich über eine Mama, die begeistert mit ihrem Kind Konfetti von der Straße klaubt, die sie sich gegenseitig überwerfen. Keine langweilige Moralpredigerin, die sagt: das ist aber doch pfuibäh, lang das nicht an! Sondern eine, die wirklich diesen Moment mit allen Sinnen mit ihrem Kind genießt.
Später entdecke ich einen Vater, der auch so tickt (wo anders, sie gehören wohl nicht zusammen), allerdings mich gleich schuldbewusst anschaut, als ich auf den Auslöser tippe. Darf man sowas denn? Oh ja, man darf! Ihr seid super! Ich wünschte, meine Eltern hätten eine Sekunde lang ihr Leben so genießen dürfen.
Der Rückweg ist nicht einfach. Mein Handyakku ist leer und ich stelle fest, dass in den vielen Kreisverkehren überall auf der Insel sehr oft keinerlei Beschilderung angebracht ist. Bestenfalls ein gutes Stück davor. Mehrfach habe ich das Gefühl, nur nach Gefühl zu fahren, könnte mich womöglich die ganze Nacht kosten. Ich fahre Serpentinen hoch und runter, geblendet von entgegenkommenden Fernlichtern. Lustig ist das alles nicht wirklich. Aber dann, immer wieder, entdecke ich doch irgendetwas, an dem ich auf dem Herweg auch vorbeikam und atme erleichtert auf. Und tadaaaa: das erste Schild nach Tazacorte. Jetzt finde ich es im Schlaf! Hurra! Home sweet home! Und drei Parkplätze genau vor der Tür. (Wo es übrigens wieder heftig geregnet hatte.)
Buntschwarz - 6./7.1.2025
Über die letzten beiden Tage darf ich berichten, dass ich wieder ganz zufrieden mit mir bin. Den bereits angenutzten Shavassiertag hatte ich noch mit einem Neu-Bezug von Judiths Spezialbett auf der Terrasse weitergeführt. Andere Leute bringen als Souvenirs von fremden Orten handwerklich begeisternde Dinge mit, ich mache dies im Sinne des Wortes, aber irgendwie doch ganz anders. So brachte ich damals aus Athen einen Engländer – nein nicht missverstehen, ich meine die Zange! - und einen Küchenvorhang aus Holz nach Hause, und diesmal kam ich von Santa Cruz zurück mit einem Inkontinenzbettlaken und einem Malerteppich (gegen Tropfflecken beim Pinseln). Mit solchen ist nämlich das Krankenhausbett oben auf der Terrasse ausgestattet, um sich gegen die Witterung zu behaupten. Nur hat es hier letzthin so derart ge-wittert, dass die nur noch am seidenen Faden in Fetzen hingen. Nun ist alles so gut wie neu, tschakka!
Als es Abend wurde, hatte ich dann doch genug des Nichtstuns (abgesehen vom Blogschreiben) und fuhr an den Hafen. Dort setzte ich mich mit meinen neuen Pinselstiften und dem Aquarellpapier auf eine Mauer und malte in nur zehn Minuten den Sonnenuntergang ab. Es zeigte sich, dass man offenbar nur beherzt irgendwo in Windeseile im Leopardenmantel pinseln muss und schon wird das, was man da produziert von den Vorbeigehenden mit Ah und Oh bewundert! Qué bonito! – Echt jetzt?
Na gut, wenn ihr meint – ich trenne mich gerne von meinem althergebrachten Makel, die letzte in einer Reihe von Künstlern zu sein. In meiner Familie hatten die alle Talent en masse. Der Opa, seine Brüder, seine Schwester – alle malten genial schön und perspektivisch korrekt, und außerdem waren sie konzertreif am Flügel. Meine Oma ernährte die Familie im Krieg durch das Malen ihrer Ölbilder, die sich wie die warmen Semmeln verkauften. Mein Onkel hatte ein echtes Auge für die Vereinfachung des Gesehenen in Van-Gogh-stilige Bilder. Meine Mutter hatte Modezeichnerin gelernt. Mein Sohn wurde als Wunderkind im Kindergarten gehandelt, weil er so genial zeichnete und rechnete (mein Vater war ein Mathegenie). Danach hat er sich musikalisch unglaublich entwickelt. Der andere Sohn hat früher auch sehr nett gemalt und sich ebenfalls der Musik verschrieben.
Dann kam der Zaun, dann kam der Baum, dann kam die Kuh, dann kam die Katze, dann kam der Hund, dann kam laaange nichts… und dann kam ich. So. Und jetzt hole ich auf. Es darf werden! Wenn man in einer Familie diejenige mit dem wenigsten Talent ist, heißt das ja noch nicht, dass man absolut gar nichts kann, sondern dass der Maßstab halt zu hoch hängt. Ich häng den jetzt mal ein paar Meter tiefer und dann erreiche ich ihn auch. Jedenfalls erdreiste ich mich, daran zu arbeiten.
Nach meiner wilden Pinselei setzte ich mich an einen Tisch zu einem weiteren Tintenfischgericht und schrieb dort gleich drei Geschichten, inspiriert durch das Geschehen um mich herum und den Tintenfisch. Wenn ihr Euch auf meiner Webseite oder der alten Webseite beepworld.letteratour.de umschaut, findet ihr vielleicht was.
So war ich trotz Schwäche an diesem Abend bereits wieder in meinem Element, und gestern ging es mir endlich auch körperlich wieder besser. Dank einer Postkarte, die ich irgendwo mitgenommen hatte, kam ich auf die Idee, zum Mosaikgarten La Glorieta in Las Manchas zu fahren. Das war eine sehr gute Idee. Es ist wunderschön und friedlich-idyllisch, was da alles mit Mosaiksteinchen am Boden, auf Bänken, auf Säulen und dem Brunnen gemacht wurde – alles ist voller fröhlicher Farben und Motive. Entworfen von dem Künstler Luis Moreira und zwischen 1993 und 1996 fertiggestellt, vervollständigt mit wundervollen kanarischen Pflanzen, großen Kakteen und Sukkulenten und natürlich der überall dominanten Lava, ist dies wirklich eine kleine Oase der Freude. Es gibt dort auch eine kleine farbenprächtige Bühne, auf der bestimmt immer mal wieder schöne Musik gespielt wird.
Als ich da saß und wiederum sehr beschwingt, diesmal jedoch mit Aquarellfarben und Kohle, einen Eindruck des Gesehenen aufs Papier brachte, lernte ich ein sehr nettes Pärchen kennen, die das Bild hoch lobten und denen ich von meinem Trip nach Poris de Candelaria berichtete. Durch sie erfuhr ich wiederum von der Möglichkeit, hier ums Eck in die unterirdischen Lavagänge einzusteigen. Das triggerte mich natürlich ungemein, und da musste ich hin. Im Weinmuseum nebenan war es nicht, dessen Besuch habe ich mir auch aufgrund des für Weinverkostung eher ungünstigen Zeitpunkts verkniffen und folgte meinem eingebauten Navi, das mich anstandslos über die Lavafelder nach oben geleitete, wo sich die Straße in einer Lavawüste verlief, eben da, wo der Ausbruch von 2021 alles zerstört hat. Ein wenig entfernt kam ich dann jedoch an einen Wegweiser und fand somit das Museum Caños de Fuego (Feuerröhren).
Wie es das Schicksal so wollte – genau 7 Minuten nach meiner Ankunft sollte die Führung stattfinden. Die war voll, aber der Mann hatte Erbarmen, und so durfte ich mit. Insbesondere für ein spanisches Kind mit Eltern opferte er sich sehr auf und erklärte diesem sehr anschaulich auf Spanisch, was hier geboten war. Die anderen 19 Besucher standen sich derweil die Beine in den Bauch in der Höhle, die man nach zwei Minuten bereits zur Gänze inspiziert hatte. So waren wir hier eine Stunde auf sehr kleinem Raum gefangen, und ich habe wesentlich spannendere Höhlen gesehen, zum Beispiel auf Mallorca (Cuevas del Drach und andere).
Aber diese hier war ja auf andere Weise entstanden. Die Lava hatte sie bei einem Ausbruch des Vulkans San Juan 1949 geformt. Wenn das Magma aus der Erde austritt und zu Lava wird, bewegt diese sich sehr langsam vorwärts. Hier auf der Insel dauerte es das letzte Mal eine Woche, bis sie sich mit dem Meer unter Zischen und Brausen vereinte, eine unheilige Allianz… Über der Lava bildet sich dann eine Kruste, die die Lava im Inneren heiß und fließfähig hält, während oben drauf eine Art Dach entsteht. Später hat sich dann die Lava entleert, aber das Dach bleibt bestehen, und somit diese Höhlengänge darunter. Man kann aber nur zwei davon besichtigen. Dieses hier war die sogenannte Glashöhle. Die Stalaktiten bestehen hier aus Lavaspritzern. Darunter entstehen dann irgendwann in grauer Nachzeit Stalagmiten durch calziumkarbonathaltige Wassertropfen, die von der Decke rieseln.
Tatsächlich war mein Mantel auch ganz durchweicht, als ich wieder nach oben durfte. Der Vortrag war zwar lustig und gut, aber der englische Text blieb hinter dem auf Spanisch Erzählten um ca. 60 Prozent zurück, und ich war noch KO und konnte nicht so lange stehen. Der Guide war dann auch ob meiner mangelnden Dankbarkeit, bei der Führung dabeisein zu dürfen, sichtlich enttäuscht, denn ich hatte es als einzige gewagt, mich auf einen Felsklotz zu setzen, während er sprach. Das Lavafeld um das Museum herum war jedoch total interessant und bedrückend, eine Art Marslandschaft in schwarz. Letzten Winter hatten wir schon so eine Marslandschaft auf Teneriffa am Berg Teide gesehen, allerdings in Weiß. Glaubwürdige Filme über fremde Welten kann man in solchen Gebieten sicherlich drehen.
Auf dem Rückweg, auf den ich mich frei Schnauze stürzte, durchfuhr ich auch diesmal ohne mein durchgeknalltes Navi sämtliche Lavagebiete des neuen Vulkans, schlug absichtlich Wege ein, auf denen ich noch mehr Lava zu sehen bekam. Eine fremde Welt, unwirklich und faszinierend, aber menschenabweisend. Dennoch ist der Mensch mit der Kultivierung dieser Flächen zugange. Weiter unten hat er es bereits geschafft, die fruchtbaren Materialbestandteile für den Obst- und Gemüseanbau zu nutzen. Da ist alles mit immens langen weißbetuchten Zelten verschandelt. Innen drin mag es ja grün sein. Von außen ist das keine Augenweide.
Nach einem wiedermal weniger erfreulichen Schnellschussimbiss auf dem Hauptplatz von Tazacorte (drei Tapas, von denen ich „bitte nur ein klein wenig“ bestellt hatte und drei überbordende Teller bekam, wovon aber nichts gut war) war ich rechtzeitig zu zweieinhalb Stunden Schreibzoom zu Hause und kreierte mit Anregung mal wieder Geschichten (ebenfalls auf den besagten Seiten zu finden).
Mein Resümee der Raunächte war auch gefragt. Ich habe das sehr kurz und knapp gehalten, denn ich hatte bereits im Laufe dieser Tage jeden Tag ein Wort als Tagesessenz abgeliefert. Nun habe ich die sperrigen Wortkreationen à la Lavatoleranz, Schnipselflow, Ad-absurdum-Führung in einer buntschwarzen Kreativitätsimplosion ganz runtergebrochen auf eine extrem reduzierte Form – das Motto fürs neue Jahr: Es darf einfach sein. Hier ist mein Machwerk also – ihr wisst ja, die meiste Zeit war ich einfach platt auf der Nase gelegen und hatte Hustentornados von mir gegeben.
Es werde Licht
Die Schwärze quäle mich nicht
Ich kritzel
Und schnipsel
Hab Meerweh
Und weniger Weh
Es beutelt mich
Und legt mich nieder
Bin schwach auf der Brust
Absurd wird das wieder
Dann erfind ich mich neu
Dem Wunschzettel treu
Mit Jarka, die inzwischen wieder zuhause angelangt ist, habe ich weiter regen Kontakt – eine verwandte Seele – wie schön! Und wir manifestieren uns gerade einen gemeinsamen Mosaikkursurlaub in Kroatien. Und vielleicht noch mehr. Und ich sage: Universum funktioniert!
Wie hätten wir es denn gern? - 8./9.1.2025
Weiter geht es im Shavassier-Tempo. Wenn man es einen Tag krachen lässt und dann zwei Tage rumhängt und es sich einfach gut gehen lässt, erweitert sich eine Woche in Nullkommanix auf drei Wochen. Ich entdecke hier die Langsamkeit, versuche mal zu erfühlen, wie es ist, tatsächlich Zeit zu haben, das mit allen Sinnen zu genießen, ohne durch irgendetwas getrieben zu sein und irgendwas zu müssen. Aber durch diese Zeitverbreiterung, so als falte mein ein großes Tuch aus oder rolle einen Teigklumpen für ein ganzes Blech flach, bekam ich das Gefühl, dass mir leider „nur noch zwei Monate“ von den dreien bleiben, was mir ja doch anfangs als eine unglaubliche Zeitspanne vorkam. Und dass mir zwei Monate eigentlich gar nicht mal reichen. Nun sind schon fünf Wochen vorbei und ich habe gefühlt noch viel zu wenig von der Insel in Beschlag genommen. Ich bewege mich in kleinen konzentrischen Kreisen um meinen nächtlichen Aufenthaltsort, erschnuppere ganz geruhsam, was da gefunden sein will - auch in wissentlicher Übergehung von Angeboten, mache es mir zu eigen, so dass ich sagen kann, kenn ich, passt, jetzt brauch ich was Neues.
Kaum wurde mir bewusst, dass die Zeit eigentlich nicht reicht, scheint das Universum also von meinem mir selbst noch gar nicht bewussten Wunsch gehört zu haben und macht mir eine Tür auf. Judith, die Vermieterin schreibt, sie bleibt noch zwei Monate länger weg. Nun hat mein Gedankenkarussell begonnen. Was mache ich jetzt da draus? Ich könnte jetzt also auch noch zwei weitere Monate hier bleiben. Für mich selbst würde ich sofort, ganz ohne zu zögern, ja dazu sagen. Aber was macht das mit meiner Beziehung zu meinem lieben Daheimgebliebenen? Ein Dilemma. Mal sehen, wie sich das löst. Was würdet ihr an meiner Stelle tun, wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen würden?
Die eine der beiden Hausbesitzerinnen ist vorgestern ins Krankenhaus gebracht worden. Ich habe ihr jedenfalls eine Good-Will-Genesungskarte gepinselt und geklebt (habe keine Werd-bald-Gesund-Karte kaufen können) und hoffe damit jedenfalls gute Stimmung zu machen, dass sie weiterhin mit mir als Wohnungsbetreuung zufrieden sind.
Gestern hatte ich abends eine große Online-Meditation und morgens lange rumgeschrieben, da wollte ich in der Zwischenzeit nicht so weit weg. Von der Terrasse hörte ich lauten Wellenlärm, und das tagsüber, wo es hier nicht gerade so leise ist. Ich sah hinunter und konnte über die 3 km Entfernung bis zum Hafen riesenhafte Brecher sehen! Es beängstigt mich, wenn das Meer so tobt und wütet. Seit ich damals auf Gomera so winzig klein im Schatten der Berge direkt neben dem Meer stand und mich so vollständig unbedeutend auf dieser Welt fühlte, hatte ich einen Riesenrespekt vor dem gewaltig sich aufbäumenden Meer vor meinen Füßen bekommen, das so urgewaltig ist, dass der Mensch dem überhaupt nichts entgegenzusetzen hat. Wenn ich im Dunkeln auf das Meer schaue, bekomme ich immer so ein Gefühl wie eine falsche Vorahnung, dass es sich zurückziehen könnte und dann in unglaublicher Wucht und Entschlossenheit zurückkommen könnte.
So etwas sah ich von hier aus in der Ferne und besprach das mit meinem Liebsten und der sagte, interessehalber würde er da hinfahren und sich das aus der Nähe ansehen. Und irgendwie hab ich genau das dann auch getan. Ich saß etwas bange auf der Kaimauer und hab erstmal ganz lange zugeschaut, bis mir relativ klar war, das Meer bleibt so in etwa in seinem Bett, auch wenn es furchtbar laut herumbrettert, tost und wütet, sich selbst überbergt und untertalt und den Strand auffrisst als wäre es ein bissel schwarzer Traubenzucker. Auch wenn die Wogen vier Meter hoch werden und rasend schnell nacheinander folgen. Wiederum im Turnus von drei Stück aufs Mal, dann Luft holen.
Das Baden war gestern verboten, der Strandzugang mit einem Absperrband verschlossen, was zahlreiche Leute absolut nicht daran gehindert hat, sich – die einen sogar mit einer Horde kleiner Kinder - auf den Strand zu begeben. Wenn ich jetzt kleine Kinder hätte, wäre ich glaube ich ein besseres Vorbild. „Ach, da ist abgesperrt, also steigen wir mal drüber!“ Ne. Ich fühle, dass mir das als Mutter ein Signal von Recht und Ordnung gegeben hätte, dem ich mich in Anwesenheit meines Kindes nicht einfach widersetzen würde. So als Erwachsener, ganz allein und unbeobachtet, ist es anders.
Aber gestern saß ich jedenfalls brav an der Grenze des Verbotenen und holte mein Malzeug heraus. Das Wasser wollte sich nur wässrig aufgelöst, unfixierbar, struktur- und regellos zu Papier bringen lassen. Egal, wo ich ansetzte, sagte es mir: es könnte aber auch ganz anders sein. Da wo ich gerade dunkel bin, bin ich im nächsten Moment weiß, da wo ich gerade gischte, bin ich gleich eine Milliarden Tonnen schwere feste Wasserwand. Da wo ich gerade glatt bin, werde ich gleich strudeln und neeren, und da wo ich gerade schäume und sprudele, da werde ich gleich zu knallhartem Beton. Entsprechend ist auch mein Bild eine Auflösung alles Gesehenen in Undefinierbarkeit geworden.
Im Anschluss gönnte ich mir ein bodenständiges Essen, Spaghetti Bolognese beim Italiener, die sich aber auch in Unkenntliches auflösten und wenig handfeste Erinnerung an Gehabtes in sich bargen. In meinem Kopf tobte noch immer der Kampf mit dem offenen Tor aus Absatz zwei, und ich telefonierte mit meinem Liebsten, bis der Akku uns schied. Eine Entscheidung konnte mir das nicht einbringen.
Nach der großen Abendmeditation war ich erstaunlich müde, wahrscheinlich immer noch Überhang an Ungesundheit von neulich. Oder das Gefühl, etwas entscheiden zu müssen und gerade nicht zu wissen, was ich tun sollte.
Parallel dazu erhielt ich dann von Jarka, die ihrerseits auf die Kräfte des Universums vertraut, die Information, dass sie wirklich einen Platz im Kroatienkurs erfolgreich bekommen und sogar eine zweite Reise auf die Kanaren demnächst gebucht hat, obwohl sie noch nicht mal um Urlaub angefragt hatte, einfach weil sie das Gefühl hat, sie soll. So könnte das mit dem Manifestieren klappen, wenn es perfekt läuft! Allerdings gab es nur Flüge nach Teneriffa. Mal sehen, was das nun wiederum bedeutet. Und heute schreibt sie, ihr Chef gibt ihr erst morgen Bescheid, ob sie den Urlaub kriegt. Übermorgen in aller Herrgottsfrüh ist aber schon ihr Abflug. Puh.
Heute dann beschloss ich, meinen Füßen wieder etwas mehr zuzutrauen, da sie momentan wieder einigermaßen laufen können, und machte mich auf den Weg ins Dorf über die Treppenflucht nach unten. Bin ja ganz oben am Hang, da wo es nirgendshin mehr weiter geht, und von dieser Straße aus führen diverse Treppengassen schnurstracks nach unten mit vielen Dutzenden von Treppen. Ich kam bei der Tourist Information heraus und stellte im Gespräch fest, dass ich eigentlich alles in der direkten Umgebung, was die Dame für sehenswert erachtete, gesehen habe.
Dann wollte sie mir einen Tagestrip schmackhaft machen, mit dem ich den gesamten oberen Teil der Insel in einem Tag sehen könnte. Ich sagte – Moment – ich hab noch 2 bis 3 Monate, aber sie legte es immer wieder drauf an, mir alles in kürzester Zeit aufzuoktroyieren. Das ist ja überhaupt nicht mein Ding. Ich überlege vielmehr, ob ich nicht da hoch fahre und schaue, wie weit ich entdecken mag, ohne Plan und Zeittaktung, und evtl. irgendwo ein Zimmer für eine Nacht nehme, um nicht wieder umkehren zu müssen. Ihr wisst schon, Tausende von Serpentinen.
Ja, aber man kann das in einem Tag machen! – OK, das glaube ich ja, aber muss ich das denn? Ich will den Weg genießen, es geht mir nicht um das Ziel!
Schließlich landete ich dann unten in dem Café vom ersten und zweiten Tag, wo es die unsäglichen Schlemmereien gibt. Der Kellner erkannte mich auch sofort als Freundin von Judith. Natürlich spielte ich dann Judiths Spielchen mit ihm weiter – wie schlecht und schrecklich alles ist, auch sein Essen, weswegen ich ihm noch mal eine Chance geben muss, es ein andermal doch besser zu machen. Heute „misslangen“ ihm die Eier Benedikt vortrefflichst, äh ich meine grässlichst. Ich bin ja kein Eierfan, und halte mich fern von schwammigem Eiinneren, aber die wollte ich jetzt doch mal ausprobieren, und wenn man genug von der grandiosen Sauce drüber deckt, sieht man auch nicht, was man da isst, und geschmacklich war es einfach lukullisch. Äh, schrecklich. Naja. Euch darf ich ja die Wahrheit sagen. Also echt mega gut.
Danach stolperte ich zufällig in den Laden der Freundin von Judith und hatte ein nettes Gespräch mit ihr, sie umarmte mich sogar, als ich ging, wie nett! Und wusste auch meinen Namen. Im Anschluss kuckte ich mal in den Silberschmiedeladen hinein, der sich daneben befindet. Mir sind vor ein paar Jahren zwei meiner Lieblingsschmuckstücke aus meiner eigenen Wohnung geklaut worden, und ich vermisste diese beiden unendlich. Für eines davon bekam ich von meinem Schatz Ersatz geschenkt. Das andere geht mir immer noch ab. Ich habe damals dafür auf Mykonos ungefähr 35 DM bezahlt. Es hat aber einen ideellen Wert für mich. Hier wollen sie nun 520 Euro, um es zu rekonstruieren. Alternativ kann man sich überlegen, nach Mykonos zu fliegen und dort nachzuschauen, ob man Entsprechendes fände. Jetzt habe ich Zeit, in mich zu gehen. Womöglich noch 2 Monate länger. Ich bitte um Erhellung… Vielleicht gibt es ja auch einen Silberschmiedekurs, wo man sowas selber lernen kann… Ich glaube, auf dieser Insel ist alles möglich.
Fremd- und Selbstbeobachtung - 10.1.2025
Gerade komme ich ganz beschwingt nach Hause zurück. Heute Abend war ich nämlich im Kulturhaus in einem sehr angenehmen kleinen Jazzkonzert von Sabine Essich und verschiedenen Musikern, von denen der Gitarrist nur 21 Jahre alt war, aber echt was auf dem Kasten hatte. Die anderen waren für eine Veranstaltung, die morgen stattfindet, aus Barcelona hergeflogen und gaben heute ein kleines Gastspiel. Morgen ist dann Flamenco-Jazz. Da ich kein Flamencofan bin, weiß ich nicht, ob ich da auch hingehen will. Mal sehen, wie sich der Tag entwickelt, wo ich ja am Morgen schon einen weiteren Kurs bei Leon habe. (Heute hab ich übrigens nur eine kleine Collage gemacht und Malutensilien gekauft). Vielleicht kann ich mich dann mit dem Malen von Wasser besser anfreunden, wenn er Tipps gibt. Im Konzert traf ich auch zwei liebe Damen, die ich vom Malkurs kenne.
Nach der Veranstaltung heute habe ich schon wieder etwas gemacht, was ich normalerweise nicht tue, und wozu mein Liebster mir geraten hat, bzw. es ihm nicht klar war, wieso das etwas ist, das ich nicht normalerweise mache. Nämlich allein in eine Bar gehen. Zu der Musik heute hätte aber so gut ein Glas Rotwein gepasst, und im Münchner Kulturhaus kann man sich das auch holen und dann drin geruhsam vor sich hin schlürfen, während Filme gezeigt werden oder Aufführungen von Musik oder Theater stattfinden. Das hat mir jetzt gefehlt. Ich traute mich also in die Bar. Ein Schwung von Leuten aus dem Konzert kam nach, übersah mich aber komplett. War mir dann egal, die Musik war gerade das, was ich gerade gebraucht habe, und ich habe angefangen zu tanzen. Auch bevor ich vom Wein getrunken habe, bitteschön! Eigentlich hätte ich gern mal wieder gute Musik zum drauf Tanzen irgendwo hier. Aber das ist dann ein anderes Kapitel.
Heute war ich sonst schon wieder in Los Llanos, langsam kenne ich die Strecke aus dem Effeff. Nix mehr mit Lavafeldern! Ha! Dort hatte ich dann eine Pediküre und außerdem Glück, im gleichen Aufwasch einen Friseurtermin im selben Salon zu bekommen. Beides ist gut gemacht worden und war im Vergleich zu Deutschland preiswert. Allerdings habe ich immer das Problem, dass mir die Haare nach dem Schneiden zu kurz sind und irgendwie sonderbar gestylt. Naja, kommt Zeit, kommt Haar.
Danach musste ich irgendwie meinen Magen füllen. Das Essen war auch nur irgendwie. Ich gebe keine Empfehlung. Der Mosaikpark in Los Llanos war leider geschlossen, obwohl Freitag, und er angeblich aber am Montag geschlossen ist. Am Zaun stand „Vorsicht, frisch gestrichen.“ Vielleicht war das der Grund. Ich werde ihn euch ein andermal zeigen. Konnte nur einen kleinen Eindruck von außen gewinnen.
Und Jarka, was soll ich sagen – sie hat den Urlaub gekriegt und darf morgen früh um 5 im Flieger nach Teneriffa sitzen. Mal sehen, ob sich dadurch meine Pläne ändern und ich auch irgendwo anders noch hinfliege oder -schippere. Bei den aktuellen Meeresverhältnissen würde ich lieber mit letzterem warten. Hoher Seegang ist nix für meinen Magen, vielleicht auch nichts für die Fähre.
Und die Nachbarin wurde aus dem Krankenhaus entlassen, hurra!
Gestern hatte ich einen völlig ausgefüllten Abend nach einem ausgiebigen Telefonat mit einem Freund daheim, der mich eine Stunde lang aufklärte, dass die Frau in Folge der Fortentwicklung von den Zwittern in der Pflanzenwelt in zweihäusige Lebewesen zwangsläufig zickig und wählerisch sein muss, um die Gene optimal zu streuen. Danach folgte dann ein Zoom nach dem anderen. Eineinhalb Stunden Jahresrückblick erarbeiten. Dann die Karmasession – und schon wieder bekomme ich heute eine Rückmeldung, dass einer der Teilnehmerinnenwünsche sich prompt erfüllt hat. Was sind wir gut!
Danach hab ich noch mit meinem lieben Daheimgebliebenen weitergezoomt, bis es nach deutscher Zeit eindeutig Heiabettzeit war.
Im Jahresrückblick habe ich festgestellt, dass ich im letzten Jahr viel freier und wilder geworden bin. Nachdem ich erstmal eine Phase des Rückzugs und einer gewissen Unzufriedenheit hinter mich gebracht hatte. Jetzt habe ich wieder angefangen zu malen. Ich habe im gesamten Jahr unglaublich viel und kreativ geschrieben, nicht nur diesen Blog, sondern seit dem Sommer täglich einen „Schnipsel“ und davor Kurzgeschichten. Ich bin icher geworden als ich vorher war und spüriger, ausdrucksstärker, wortversierter. Ich habe so eine Freude an der Sprache entwickelt, die ja vorher auch mein täglich Brot war, aber da habe ich halt als Übersetzerin Information von einem Menschen zum anderen übertragen, ohne mich einzubringen, ohne selbst eine Aussage zu treffen.
Natürlich habe ich stets bestmöglich gearbeitet, versucht jedwedes Rätsel zu lösen und nichts im Ungewissen zu lassen, es sei denn, es war im Originaltext ganz absichtlich drauf angelegt, unverständlich zu sein. Aber es ist ganz etwas anderes, selbst der Autor der Texte zu sein. Ich fürchte, meine wären oftmals sehr schwer zu übersetzen oder verlören stark an Charme und Individualität. Aber noch werde ich nicht übersetzt, es darf mir also schnurzpiepegal sein und ich kann mit Wortgewalt, List und Tücke hantieren wie ich möchte, den Leser ins Bockshorn jagen und wieder hinaus, ihn auf den Holzweg schicken, der plötzlich verschlammt, ihn den Wasserfall mit mir hinunterstürzen lassen und dann gemeinsam feststellen, dass das sogar Spaß gemacht hat.
Im letzten Jahr habe ich ferner zwar Urlaube in Duisburg, der Türkei und Kroatien gemacht, aber mein Urlaubsbedürfnis war nicht vollends gestillt. Irgendwas wimmerte dann noch leise und ungesehen und unerfüllt in mir. Und das hole ich ja jetzt nach. Ich habe halt ein Fremdlandgen, so wie andere Leute ein Fremdgehgen haben. Mit teutschem Reckenthum hab ich nichts am Huthe. Im Haus habe ich sehr viele große Änderungen vorgenommen, so dass ich es auch schön haben werde, wenn ich heimkomme. Und ich habe viel für meine Freunde getan, ich glaub, ich war eine gute Freundin.
Eine für mich überraschende Frage mit interessanten Erkenntnissen war: Welche Entscheidungen hast du 2024 getroffen, und war das für dich leicht oder schwer? Das solltet ihr euch echt mal auch fragen. Die Listen von schwer und leicht sind unglaublich spannend – vor allem wenn man hinterfragt, warum das so schwer oder leicht war.
Welche Probleme habe ich hinter mir gelassen? Was waren hier meine inneren Widerstände? Und wie habe ich sie überwunden? Auch echt wichtige Fragen. Meine Antwort auf schwierige Situationen, die mir unlösbar erschienen, um sie anzugehen: Ich hab es einfach getan. Ist das nicht eine tolle Vorgehensweise? Obwohl man keine Ahnung hat, ob es klappen kann, ob man das beherrscht, ob irgendjemand der Beteiligten es beherrscht, einfach losgelegt – und: in allen Fällen gewonnen.
Auf jeden Fall passte diese Session wieder perfekt in das, was ich eigentlich noch erledigen musste. Ich hatte das alte Jahr wegen meiner Erkrankung nicht richtig abgeschlossen, hatte mir die zu den Raunächten zu stellenden Fragen in der jeweiligen Tagesenergie irgendwann nicht mehr gestellt, weil es mir gar nicht gut ging, und gestern kam das dann in dem Zoom alles hoch, und ich konnte das Jahr nun quasi in Frieden mit meinem Segen gehen lassen und Platz für Neues schaffen. Ich bin happy. Ich bin bereit für Gutes und Wunderbares!
Wasserfarben - 11.1.2025
Heute war mal wieder Frühaufstehertag, jedenfalls früh für mich, denn 9 Uhr ist normalerweise noch meine Schlafenszeit. Ich habe es aber hingekriegt und war dann um 11 am Hafen, um mich mit der heutigen Malgruppe von Leon zu treffen. Wir machten mal wieder kurzweilige Übungen im Gehen und Pollersitzen und kritzelten wild herum, um uns locker zu machen. Eine Teilnehmerin hatte Geburtstag und es gab sogar Sekt und selbstgebackene Quiche. Wie schön! Derart beschwingt ließ Leon uns dann auf die Schiffheit los. Irgendeine Szene aussuchen und dann loslegen. Ich habe mich heute tatschlich ordentlich reingesteigert und die gesamte Zeit nur mit einem einzigen Bild von einem im Hafen liegenden grünen Ausflugsschiff verbracht. Damit werden Delphinbeobachtungstouren gemacht. Leon kam immer wieder vorbei und gab mir Tipps, wo ich noch etwas verändern konnte, bis die Zeit dann um war. Besprechung!
Die Bilder unterschieden sich heute sehr stark. Eine Teilnehmerin hatte so wunderschön das wässrige Schwirren des Meeres eingefangen in überwässerten hellen Farben und großstofflichen Kohlefragmentexplosionen, die wie Masten wirkten, denn nichts anderes kann es ja sein, wenn das andere, was auf dem Bild dominiert, von der Farbe her unbedingt Wasser sein muss. Es gelang ihr, mit minimalem Aufwand den maximalen Effekt zu erzielen. Auf diese Weise hatte sie etliche Blätter vermalt, eines schöner als das andere.
Mein eigenes Bild wuchs aus der spielerischen Farbfreude und erst noch wie absichtslos perspektivfrei übers Blatt verstreuten, nur angedeuteten Linien in eine immer deutlicher nachgezogene Farbenpracht heran, die letztendlich durch Verdunkelungslinien dramatisiert wurde und sich aus dem Träumerischen ins Gegenständliche wandelte. Auch wenn es noch nicht überall Hand und Fuß hat, lassen die Konturen nun Sinn drin entdecken. Durch das Nacharbeiten von kleinen Details wurde es immer handfester, wenn auch eher realitätsferner. Ein genaues Abbild des Gesehenen war ja auch nicht das Ziel. Die Farben versüdseelichten sich zusehends in Eigenregie und tauchen jetzt schon fast in eine Disneyästhetik ein. So schwankte also die Bandbreite im Kurs von lichtstrotzender Simplifizierung und Auflösung bis zum comicartig umrandeten Cartoonismus auf meinem Blatt. Heute bin ich fast zufrieden mit meinem Bild!
Dann fuhr ich auf die andere Hafenseite, wo die Restaurants sind, und gönnte mir eine Portion Ziegenfleisch, was ich nicht zur Nachahmung empfehle. Es war nämlich zu meiner Überraschung eine Suppe mit einer Menge Knochen drin und nicht so sehr viel Fleisch. Dazu die üblichen Runzelkartoffeln. Präsentation ned so gut, und Geschmack auch nicht so sehr viel besser. Zu wenig Spannendes drin, ich habe mal wieder das Gefühl, ich selbst koche leckerer. Außerdem hatte ich in Venezuela mal Ziege mit Zitrone und Runzelkartoffeln. Mei war das gut… Kein Vergleich. Und kein Viertelliter Wasser dabei.
Als ich dann aufstand und weiterging – wen treffe ich da? Leon, an einem Tisch mit zwei anderen Teilnehmerinnen. Ja, er macht grad noch einen Kurs, ob ich auch will? Sie hatten schon vor einer halben Stunde angefangen, die Kritzelübungen waren schon durch, aber doch, ja, ich wollte! Und ich habe mich nochmal hineingesteigert! Heute hab ich das Malergen gehörig angestupst. Vielleicht ist es ja jetzt aufgewacht. Wenn ich meinen Telomeren täglich vorsinge: Ich bin eine Künstlerin, ich bin eine tolle Künstlerin – vielleicht glauben sie es mir ja mal und schalten das schnarchnasige Kunstgen auf Empfang und volle Funktion. Andere Leute fallen auf den Kopf und wachen als Savant wieder auf. Plötzlich können sie unglaubliche Dinge. Die Möglichkeit besteht also theoretisch. Naja. Sogenannte erstaunliche Inselbegabte gibt es weltweit etwa 100. Die haben dann einen IQ unter 70. Das ist jetzt auch nicht erstrebenswert. Außerdem sind 6 von 7 männlich. Das alles behauptet Wikipedia. Also – versuchen wir es mal lieber mit gesundem Mittelmaß. Eigene Zufriedenheit als Maß der Dinge! Mit meinem Meeresbild nach einem Foto von kürzlich bin ich auch happy. Es hat sich auch verselbständigt, ist aber irgendwie in sich schön, finde ich. Feuer über dem Meer, zwei Frauen, die hastig ihre Sachen wegbringen müssen, weil sie geflutet wurden.
Ansonsten gönnte ich mir heute drei Kilo Obst von einem fahrenden Händler, der da unten am Hafen stand sowie fünf wunderschöne Blumen, alles zum Spottpreis, später ein Eis und einen Sonnenuntergang über der Bucht, wo die Wellen immer noch heranbretterten, als wollten sie die ganze Welt überfluten und sich weit über die Hafenmauer hinweg ausbreiten, was sie zum Glück nicht schafften, denn auf der Mauer saß ich und ein Stückchen weiter Leon, der dieselbe Idee wie ich hatte, wenigstens auch vom Sonnenuntergang zu profitieren. Heute sagte die Frau, die jetzt fünf Monate und 11 Tage auf der Insel ist: jeden Morgen Sonnenaufgang und jeden Abend Sonnenuntergang, was gibt es Herrlicheres, davon werde ich nie müde. Geht mir auch so!
Jarka ist inzwischen auf Teneriffa gelandet und weitergeschippert nach La Gomera, was ich bei diesem Seegang vermieden hätte, aber wenn man nur eine Woche Zeit hat, möchte man halt keine Zeit verlieren, und sie verspürt den Ruf dieser Insel. Ich bin gespannt, was sie für Jarka in petto hat. Auf jeden Fall jede Menge romantische Himmelsstunden.
Fleissaufgaben - 12.1.2025
Und wieder hat die Insel über meinen Kopf hinweg entschieden, was ich zu wollen habe. Ihr erinnert euch an meine erzwungenen Vulkanbegegnungen. Heute durfte ich zunächst noch frei entscheiden und zum Markttreiben in Puntagorda fahren. Ich habe allerdings mehr fotografiert als gekauft. Das lag auch hauptsächlich daran, dass es da insbesondere Obst, Gemüse und Kuchen gab, weniger andere Sachen – nur ein bisschen Kunstwerkhandwerk und bedruckte T-Shirts. Frische Maracujas kaufte ich aber gerne. Mit einem Stück Kuchen und einen Ginseng-Kaffee mit Meringue-Eis saß ich dann glücklich nach langem Anstehen auf der Terrasse und fühlte mich durch den Ginseng gleich unsterblich.
Allerdings sollte ich partout nicht ins wunderbare Tal schauen. Ein einzelner, optisch herausstechender Stuhl wartete tischlos auf mich mit Blick auf ein nur wenig tiefer liegendes Gelände. Alles Sonstige war besetzt. So wurde ich visuell weniger abgelenkt und meine Aufmerksamkeit richtete sich mehr auf die Geräusche. Da war so etwas wie das Surren von einer sehr lauten Drohne. Es wiederholte sich. Aber es war gar keine Drohne! Da sauste ein Mensch von rechts nach links durch das Tal! Beim nächsten Mal bekam ich es besser mit. Der Mensch hing an einer Leine.
Das musste ich auskundschaften! Ich verließ die Halle und ging in Richtung des vermuteten Anfangs des Metallseils. Gefunden! Ein Aussichtspunkt, vor dessen durchsichtiger Glaswand sich ein sehr sehr tiefer Abgrund auftut. Ich stellte fest: Heute hatte ich keine Angst. Mit Abgründen war es bisher immer so gewesen, dass ich mich da unglaublich zusammenreißen musste, weil ich so ein Bedürfnis bekam, einfach mal so auf die Schnelle runterzuhüpfen – so quasi, um mal kurz eine Runde zu fliegen. Natürlich ist mir klar, dass das wenig erfreulich enden würde. Es hat aber gar nichts damit zu tun, dass ich etwa lebensmüde wäre, vielmehr habe ich diesen seltsamen Reflex bereits seit meiner Kindheit.
Infolgedessen habe ich heute ernsthaft überlegt, ob ich die längste „Tirolina“ der Kanaren, die ich hier durch Zufall entdeckt habe, für die läppischen 25 € ausprobiere. Was mich zurückhielt, war nicht eine Angst, hinunterzuspringen, das hatte ich ja schon so oft fast getan, sondern eine Angst, dass durch den Rückstoß der Bremsung am anderen Ende die Metalleinbauten in meinem Rücken verrutschen könnte. Ich habe meinen lieben Arzt in Dubai per WhatsApp um Rat gefragt, ob ich sowas machen dürfte, aber er hielt die Frage wohl für so absurd, dass es sich nur um einen Scherz handeln könne, jedenfalls habe ich keine Antwort darauf bekommen.
Und dann wurde ich für dieses Mal, als ich mich gerade dazu durchgerungen hatte zu sagen: „ich tu’s!“ weiterer Überlegungen enthoben, da die Betreiber der Anlage ankündigten, dass sie jetzt schließen und ich nicht mehr fahren kann. Somit musste ich irgendetwas anderes mit dem angefangenen Tag machen. Ich hatte ja gehört, von Puntagorda nach Garafía oder Las Tricias zu fahren, könne ganz nett sein. Somit schlug ich den Weg weiter nach Norden ein. Das Schild nach Las Tricias tauchte jedoch so unverhofft auf, dass ich schon vorbei war, als ich es erkannte. Tja, dann sollte das halt heute nicht sein. Irgendwann wurde es dann komisch. Ich folgte einem Schild nach Garafía, wich dem Roque de los Muchachos, dem höchsten Berg der Insel (2420 m) mutwillig aus. Ich fahre doch nicht hoch in die Berge, ich bin doch nicht verrückt! Ich bin eine Meerliebhaberin. Außerdem war da oben ja gerade ohnehin alles wegen Schneewarnung geschlossen, las ich gerade noch in den Inselmedien.
Ich kurvte also weiter den Berg hinunter, Serpentine für Serpentine. Irgendwann kamen keine für mich aussagekräftigen Ortsangaben mehr, ich kannte weder das eine noch das andere. Also zückte ich das Handy und gab im Navi „Garafía“ ein. Umkehren, nur sechs Minuten, sprach es. Hä? So nah? Ich schien es total übersehen zu haben. Also fuhr ich die ganzen Serpentinen wieder nach oben. Da kam das Roque-de los-Muchachos-Schild wieder, und genau da schickte mich das Handy hinauf. Nach sechs Minuten sagte mir das Handy „Sie haben Ihr Ziel erreicht“. Weit und breit kein Mensch, kein Haus und natürlich kein Garafía!
Da habe ich verstanden! Auf meinem Kalender stand heute: Ruf das Leben und gib dich hin! Das klappte nur zu gut. Wenn ich schon nicht gegen meine Abgrundspring-Dämonen vorgehen wollte, hatte ich heute den Kampf gegen die Bergscheu-Dämonen auszufechten. Ich suchte also nicht weiter nach diesem unauffindbaren Ort. Ich bin sicher, er wird sich mir ein anderes Mal freiwillig zeigen, genauso wie das bei Los Llanos passierte. Die Serpentinen wurden enger, die Straße auch. Gestein lag auf der Fahrbahn, Löcher rumpumpelten unter meinen Reifen. Habe ich schon mal erwähnt, dass Schlaglöcher hier in manchen, weniger gepflegten Straßen so groß sein können, dass der Reifen darin komplett versinken könnte? Man muss also sehr gut aufpassen.
Die Vegetation hier würde wie Zunder brennen, wenn einer eine Zigarette unachtsam wegwürfe, dachte es in mir. Auf der Insel wird auch in den Nachrichten davor gewarnt, mit dem Auto in eine Wiese zu fahren, da der heiße Auspuff die vertrocknete ehemalige Grünpracht zum Brennen bringen könnte. Wenig später änderte sich das Bild, und auf einmal lag da jede Menge Schnee! Aber die Straße war heute geöffnet, besagte ein Schild. Ich hatte es also richtig gefühlt: ich musste hoch bis ganz oben. Nein, die Touristenstation war nicht gemeint, sie schloss nämlich 21 Minuten nach meiner Ankunft, so dass ich auf den Museumsbesuch verzichtete. Höher, noch höher!
Natürlich zeigte sich hinter jedem Gipfel, den ich für die Endstation hielt, ein weiterer, der noch weiter oben lag. An den riesengroßen Teleskopen und Observatorien ging es vorbei. Ich rief dort spontan an, ob man besichtigen könne, erst auf Englisch, dann auf Spanisch. Man nuschelte Unverständliches auf Spanisch und legte auf. Drei Anrufe verliefen mit demselben Resultat, dann hatte ich auch hier begriffen, mir war das heute nicht zugedacht. Bei allen Zufahrten zu den enormen technischen Wunderkonstruktionen, die surreal am Berghang klebten, stand „nur für Mitarbeiter“. Ich musste also noch höher hinauf.
Endlich ging es echt nicht mehr weiter. Nur noch wenige Meter zu Fuß hoch und dann wieder auf der anderen Seite hinunter. Die Aussicht war bombastisch! Ich genoss sie mit allen Sinnen. Hier oben war es nämlich sehr kalt. Der Leopardenmantel, den ich gestern überflüssigerweise am Hafen dabeigehabt hatte, hatte über Nacht zum Glück im Auto campiert, und heute durfte er fauchen. Mehr Existenzberechtigung als mit Manu im Schnee würde er auf dieser insel gewiss nicht mehr bekommen!
Und jetzt stand ich wieder am Abgrund. Diesmal war es aber in Ordnung, ich hatte keine Gelüste, hinunterzuspringen. Ich stand da ohne eine Spur von Schwindel und freute mich, auf dem Höhepunkt meiner Inselfahrt angekommen zu sein. Von da an ging es ja zwangsläufig nur noch bergab, aber ich hoffe auf viele weitere Highlights auf meinem Trip!
Eben habe ich im Ort El Jesús in der Brauerei Isla Verde eine Komposition aus Lachs und geschmorten Birnen mit Reis und dazu ein süffiges „Indiana vom Fass“ kredenzt bekommen und für gut gefunden. So darf es weitergehen! Ich war eingekehrt, da die Sonne mir in vielen Straßenkehren genau in die Augen knallte, so dass ich Angst hatte, von der Fahrbahn abzukommen oder den Gegenverkehr nicht rechtzeitig zu bemerken. Nach insgesamt tatsächlich sechs Stunden Serpentinen stehen jetzt nur noch 35 weitere Minuten Fahrt im inzwischen Dunkeln an. Das Handy schläft den Schlaf des Gerechten, aber ich finde heim. Es hat sich überanstrengt und die Powerbank, die ich gestern extra für den heutigen Ausflug geladen hatte, pennt friedlich daheim auf dem Nachttisch.
Gordische Knoten und deren Auflösung - 13.1.2025
Nach den gestrigen Exzessen am Lenkrad machte sich heute Nacht irgendwas im Bereich des Nackens ganz fürchterlich bemerkbar, so dass ich stundenlang wach lag und mir überlegte, was genau mein Körper mir jetzt sagen will. Wollte er mich nur darauf hinweisen, dass so viel Serpentinen die Muskulatur nicht unerheblich beanspruchen? Oder dass ich mit meinen Absprunggelüsten einfach drüber hinweggegangen bin, dass ich ja keine gesunde Mittzwanzigerin bin, sondern ein angehendes altes Wrack mit Aufenthaltsberechtigung auf Zeit? Quasi prophylaktisch schon mal zeigen, wie das wäre, wenn man sich noch einen Halswirbel ausrenkt zu all dem kaputten Rest dazu?
Ich konnte es in der Nacht nicht herausfinden. Oder ob ich mir etwas aufgehalst habe, was ich nicht schultern kann, ob ich mich be-schwert habe, etwas seinen Fuß auf meinen Hals gesetzt hat, ich mir etwas aufgebürdet habe. Die Schmerzen sind zwischen der Halswirbelsäule und dem Schulterblatt, und ich habe alle möglichen gymnastischen Bewegungen bereits in der Nacht ausprobiert, die aber nichts gebracht haben. Erschöpft schlief ich dann gegen halb sieben ein mit einem kleinen winzigen Kissen, das ich in Judiths Bett fand, als einzige Lagerungsfläche für meinen Kopf.
Beim Erwachen dachte ich erstmal, es sei vorbei, aber sobald ich mich bewegte, wurde ich eines Besseren belehrt. Ich hatte dann ein langes Coaching, was möglicherweise auch der Grund war - dass mein Unterbewusstsein vielleicht vermeiden wollte, diese alten Probleme endlich mal zu lösen, und deshalb meine Selbstfindung sabotieren wollte. Es war ja ganz gemütlich mit dem alten Mist in meinem Leben. Der verkrustete Mist, der von außen Struktur gibt. Wenn man aber alles zerbröselt und runterkrümeln lässt, gibt es da auf einmal so viel Platz, und wenn man noch die Energie von den anderen Leuten zurückholt, die einem in so einem Leben begegnet sind, entsteht da so ein Gewabere von Energiewolken, die erstmal wieder zusammengehalten und konzentriert werden müssen. Entwässrigt, versubstanziert. Dann braucht es irgendeine neue Struktur, und die ist noch nicht da. Vielleicht war die Angst davor groß.
Nun habe ich dies alles also zugelassen, habe eine 49-stellige Anzahl (!!!) an Leidensfaktoren zurückgegeben, die mir in meinem Leben durch die Verbindung mit einer bestimmten Person in diesem und vorherigen Leben zugemutet wurden, oder die anzunehmen ich mich selbst damals bereiterklärt habe. Bis dass der Tod Euch scheidet. Wir schieden uns aber schon davor, und das Leid zipfelte weiter in mir herum, würgte und schnürte ein, stachelte und piesackte, hemmte und bändigte mich, stumpfte mich ab und verstummte mich, dämpfte mein Wohlbefinden und meinen Forscherdrang.
Aus diesem Mindset herauszukommen hat mich schon sehr viel Zeit und unglaublich viel Kraft gekostet, und Verluste innerhalb meiner Familie. Einen Sohn, der sich absentiert hat. Alles sind Dinge, die weh tun. Ob so etwas sich dann körperlich manifestiert, wenn man „ans Eingemachte“ gehen will, und die Konserven zu öffnen beabsichtigt? Heute haben wir jedenfalls begonnen.
Gleichzeitig löst sich anscheinend ein Knoten für meinen „verbliebenen“ lieben Sohn, und ich gönne es ihm so, wenn sein Leben wieder Fahrt aufnimmt und freudige Lichter aufleuchten. Heile dein Leben, und du heilst das deiner Ahnen und deiner Nachkommen. Ich wünsche mir sehr, dass das so geschehen möge.
Heute habe ich dann nach dem Coaching sehr lange geschlafen, ich war unglaublich erschöpft und wie ausgewalkt und durchgeknetet. Ein Hefeteig, der vor sich hin blubbert und aufgeht, aber erstmal noch nicht weiß, wozu er dienen wird, bis eine kundige Hand ihn in eine schöne Form bringt und was aus ihm zaubert.
Eine kundige Hand auf meinem Nacken wäre auch nicht schlecht, aber erstmal versuche ich es mit einem Muskelrelaxans. Einmal hatte ich eines genommen, als ich noch studierte, und dann wachte ich auf, und konnte zwar noch denken, aber nicht einmal einen Finger bewegen. Ich hatte im Laufe des Tages ein Glas (nur eines!) Wein getrunken, und das vertrug sich mit dem Medikament nicht. Ich hatte eine Wahnsinnsangst, denn ich dachte, das wäre jetzt permanent, ein Schlaganfall oder ähnliches, aber zum Glück hörte die Lähmung nach etwa einer Dreiviertelstunde wieder auf. Seither habe ich total Manschetten vor solchen Medikamenten und lasse mir keine verschreiben. Heute probiere ich es mit einem Glas Rotwein. Vielleicht hat das ja einen Placeboeffekt, und morgen bin ich wieder wie neu!
Nach meiner langen Schlafenspause habe ich mir auf der Terrasse mit der linken Hand vier Skizzen von den Hafenszenen vorgeknöpft. Koloriert und mit Kohle „bekräftigt“. Die Bilder haben eine ganz andere Anmutung als die mit der rechten Hand gemalten, aber ich finde sie dennoch irgendwie total schön und freue mich an ihnen. Die Malmeditation ließ mich den Schmerz sogar vorübergehend ganz vergessen, ich war so im Flow. Wie Leon es nennt, hatte die Muse zugebissen. Vielleicht hilft der Musenbiss in homöopathischer Weise als Gegenschmerz gegen den Schmerz, so dass sich Schmerzberg durch Schmerztal ausgleicht und auf Null setzt, so wie die Hahnemann'sche Medizin eben wirkt. Dann soll es mir recht sein! Malen als Therapie wird nicht schaden. Nun habe ich also etwas Neues entdeckt, dass gegen meine physischen Missstände wirken kann. Toll!
Abends machte ich mir Bratkartoffeln, ein Gefühl von Heimeligkeit geht von ihnen aus. Ein inneres Bratkartoffelessen nennt meine Schreiblehrerin Nadine manches Wohlgefühl, und somit habe ich mir heute in mehrfacher Hinsicht versucht, Gutes zu tun. Manches braucht allerdings Zeit. Zum Beispiel die Antwort von meinem Arzt in Dubai. Aber ich glaube, mein Body hat mich schon Mores gelehrt, ich sollte wohl die Tirolina nicht selbst befahren. Wenn ich körperliches Unwohlsein haben will, geht das auch ganz ohne spezielle Happenings.
PS: Nein, liebes Universum, ich will vollständig gesund sein und mich so wohl und zufrieden fühlen, wie es gestern war. Nimm mal das bitte als Zielzustand. Danke.
Wie ein Flamingo als Vorbote des Rauchverzichts vorbeikam - 14.1.2025
Heute hab ich erstmal weiter meine Wunden geleckt, bzw. mit meiner ungleichgewichteten Wirbelsäule möglichst platt im Bett gelegen, damit sie sich aushängt. Judith und ich haben beschlossen, dass das Wort Shavassieren Einzug in den Duden halten musst. Heute habe ich mich dafür wieder inaktiv eingesetzt.Als ich dann das Gefühl hatte, es geht wieder so halbwegs, hab ich mir einen halben Weg zugemutet, nämlich bis zum Strand, wo heute immer noch die Brecher brechen und die Wogen wogen. Unterwegs bemerkte ich, wie das Lenken in den Serpentinen mir weh tat, also möglicherweise ja auch zu dem Schmerzgeschehen ursächlich beigetragen hat. Ich lehnte mich am Strand an die Mauer aus groben Natursteinen und probierte mal, ob mir ein herausstehender Stein in passender Größe Linderung am Schulterblatt verschafft. Das ging eine Zeitlang ganz gut, aber dann musste ich mich doch hinlegen, um in meinem Buch weiterzuschmökern. Es zog und zog sich (ist immer noch dasselbe), so dass ich einschlief. Dann war es schon Zeit, zurückzukehren, denn heute hatte ich wieder Schreibworkshop.
Den habe ich dann gut hinter mich gebracht. Als der Zoom anfing, knallte mir die Sonne gerade noch voll in die Augen, während es in Deutschland schon Nacht war, aber später fiel der Vorhang der Dunkelheit auch bei mir in aller Schnelle herunter und sofort kam der Nachtwind auf, der mich etwas auskühlte. Die verkrümmte Haltung durch das Frieren scheint irgendwie gut getan zu haben, denn jetzt gerade ist es relativ gut.
Im Schreibworkshop kaute ich zum wiederholten Male den Unfall in Indien durch, was meine friedliche Stimmung etwas ins Wackeln brachte. Es ist halt immer noch schlimm, genau an den Moment zu denken, in dem es geschah. Auch wenn ich nun schon mehrfach drüber geschrieben habe, was normalerweise die Dinge ins Lot bringt.
Im Lauf des Vormittags hatte ich heute jedoch eine eher niedliche kleine Geschichte kreiert, die zu dem noch weiter überarbeiteten Kritzelkrakel von Leons letztem Kurs gehört. Hier ist sie (auf meiner Webseite letteratour.com samt Bild) und freut euch wahrscheinlich mehr als meine Unfall-Story:
Während ich an meinem Diabolo-Menthe nippte, gesellte sich ein Flamingo zu mir. Wir hatten uns noch nie zuvor gesehen. „Darf ich auch mal probieren?“, fragte er mit träger Mittagsstimme. Völlig überrascht hielt ich ihm mein Glas hin, und er tauchte seinen Schnabel ein. „Aaaaah, wie gut das tut!“, seufzte er mit schnarrend-gedehnter Stimme.
Dann begab er sich in den Schatten des nächsten Sonnenschirms und schlug elegant ein Bein über das andere. Kurze Zeit später schlief er ganz offensichtlich bereits, vollständig im Gleichgewicht mit sich selbst.
Ich bestellte mir einen zweiten Diabolo, dann einen dritten, da mein Körpergewicht wesentlich höher als seines war. Der Kellner weckte mich zum Schichtende.
Und hier erfolgen wieder seltsame Koinzidenzen… Kaum schrieb ich vom Diabolo Menthe, bekam ich eine Nachricht von dem Freund, mit dem ich damals in Frankreich war, und mit dem ich 2023 Kontakt wiederangeknüpft hatte. Mit ihm hatte ich dieses Getränk in Besançon täglich getrunken. Seit Ende 23 schlummerte der Kontakt aber wieder friedlich. Und genau heute meldete sich mein alter Freund aus Frankreich und berichtete, dass meine Worte ihm so geholfen hätten, dass er durch meinen Input es geschafft hätte, nun bereits 2 Monate rauchfrei zu sein, denn ich hatte ihm gesagt, es lohnt sich, das wieder anzugehen. „Ich bin überzeugt, du schaffst es“, hatte ich geschrieben.
Es freut mich sehr, dass er sich darüber ernsthaft Gedanken gemacht hat. So kann ein jeder Mensch mit dem was er sagt, für einen anderen eine Inspiration sein, selbst wenn er selber schon längst vergessen hat, dass er überhaupt zu dem Thema was geäußert hat. Also, falls jemand von euch mit dem Rauchen aufhören wollte, und es zum Stichtag 1. Januar nicht hingekriegt hat – es ist egal, wann man diesen Vorsatz fasst – es ist eine Angelegenheit, die man hinkriegen kann. Ich habe es am 21.7.2010 in Angriff genommen und bis jetzt durchgehalten. Davor hatte ich 3 Schachteln täglich geraucht. Das war schon ein Einschnitt!
Das Problem ist, dass man drei Tage durchhalten muss. In diesen drei Tagen geht es halt nur um die 1. Zigarette am Tag. Die darf man nicht rauchen. Und wenn der 3. Tag vorbei ist, ist der Drang am 4. Tag überhaupt nicht mehr so groß. Ab da geht es nur noch darum, dass neue Situationen unverhofft dazukommen können, in denen man bislang immer eine geraucht hat, z.B. bei einem Stammtisch draußen vor der Tür, beim Heimweg vom Konzert oder am Flughafen nach der Landung, so Sachen, die einem im Alltag halt nicht ständig, sondern in größeren Abständen passieren. Und wenn man jede erste solche Situation überstanden hat, ist die zweite kein Problem.
Trust me, ich hab das mehrfach gemacht, aus wohlüberlegten Gründen, aber auch mehrfach Minus eins wieder angefangen. Aus ausschließlich saudummen Gründen. Wie: „dir werde ich‘s zeigen, wenn du mich so ärgerst, dann rauch ich halt wieder. Sieh, was du mir angetan hast!“ Wer dann am meisten drunter gelitten hat, dass er hustet, sich schwach fühlt und einen Haufen Kohle verpulvert, ist dann ohnehin klar.
Nun gut, ansonsten habe ich von der Insel heute nichts zu berichten, außer dass es ein bissel windig ist. Und nebenan La Gomera liegt, wo Jarka herumklettert und fragt, ob ich auch rüberkomme.
Das innere Navi - 15.1.2025
Wiederum habe ich heute Kritzelkrakel-Bilder aus unseren Übungssessions ein bisschen nachgemalt. Es macht mir Spaß, aus meinen lausigsten Bildern noch irgendwie was rauszuholen. Ein richtiger Künstler könnte natürlich noch mehr damit anfangen, aber man muss auch mal klein anfangen. Es erinnert mich daran, wie ich noch ganz winzig war und auf dem Papier einfach Schmierischmari gemacht habe, und dann hat meine Mutter, die Modezeichnerin, aus irgendwelchen Kritzelschlingen, die ich aufs Papier gebracht habe, Gesichter und Tiere herausgearbeitet, so dass plötzlich etwas Tolles entstand. Leider hat sie das nur dreimal gemacht, aber heute ist es mir wieder eingefallen, wie stolz ich darauf war, dass wir gemeinsam so wunderbare Werke geschaffen haben. Ich hätte das gerne noch viel öfter gemacht, aber meine Mutter sprang leider nicht mehr drauf an.
Zu meinem Bild gehört folgender Text (intuitive Eigeninterpretation des Bildes):
Hab keine Angst, du bist sicher aufgehoben unter meinen Flügeln. Du fliegst im Windschatten meiner Schwingen, geschützt vor den Regentropfen. Und so fliegen wir mitten durch die Sonne.
Was auch immer die anderen da unten über uns sagen und über uns denken, nach uns greifen, uns Verbote setzen und mit Wedeln nach uns feudeln… Das sei uns nur Schall und Rauch!
Wir lassen uns nicht unterkriegen, zu ihnen auf ihre Ebene hinunterzwingen. Wir sind diejenigen, die den Überblick bewahren, sind diejenigen, die unangreifbar sind, sind diejenigen, die nicht darauf hereinfallen, in deren alte Spuren hineinzustürzen, um den Rest unseres Lebens in den Schienen zu fahren, die irgendjemand vorgegeben hat.
Wir sind König und Königin der Lüfte und überlassen den anderen ihr selbstgebasteltes Traumaland. Hier oben sind wir frei, und der Wind sträubt unser Gefieder und kitzelt uns zwischen den Federkielen.
Judith hatte mir beschrieben, was sie so in Sri Lanka zum Essen bekommt, was mich dann inspiriert hat, ein ähnliches Mittagessen auf die Schnelle zu zaubern. Inclusive gebratenen Kochbananen und gebratenem Khaki. Dazu Fischkroketten und Blumenkohlcurry mit Käse. Die Kombination war ungewöhnlich, aber sehr schmackhaft. Danach ließ ich mir von Judith Tipps geben, was ich in der restlichen Zeit heute anfangen könnte, und sie wies mich auf die Cumbrecita hin. Das ist ein Wandergebiet hinter El Paso, natürlich oben am Berg bzw. in den Bergen. Als ich ankam, fragte man nach meinem Berechtigungsschein, den ich natürlich nicht hatte. Man hätte online einen Parkplatz reservieren müssen, weil es da oben nur ganz wenige Parkplätze gibt. Da es aber bereits eine halbe Stunde vor Ende der reservierungspflichtigen Zeit war, ließ man Gnade vor Recht ergehen, und so durfte ich die restlichen 4 km mit dem Auto auch noch hochfahren.
Das war so eine wunderschöne Strecke. Ich fuhr sie sehr langsam mit Genuss und rief mich stetig zur Ordnung, im Hier und Jetzt zu sein, wie bei der Fahrt auf den Roque de los Muchachos auch, wo ich George Harrison mir zusingen hörte: “Be here now! A mind that wants to wander around a corner is an unwise mind…” Also schaute ich genau auf das, was vor mir lag, und fragte mich nicht, was hinter der nächsten Serpentine wohl auf mich warten würde. In dem Bereich gab es außerdem wenigstens nicht so viele Serpentinen wie sonst und auch sehr wenig Verkehr, so dass ich mehrfach unterwegs einfach anhielt, mitten auf der Straße, und mich traute, Fotos zu machen. Es war so schön dort! Dieses Grün tut so gut. Es befriedet. Es heilt die inneren Wunden. Es macht glücklich.
Am Parkplatz stellte ich dann fest, dass der von Judith angekündigte Spaziergang von einer halben Stunde wohl irgendwo anders angesetzt wurde, denn hier war laut Landkarte die allerkürzeste Wanderroute 2,5 Stunden, während die anderen zwischen 5 und 7,5 Stunden lagen. Also – für mich ist nichts davon möglich. Ich dachte, ich gehe dann halt ein Stück und kehre wieder um. Dieses Stück war mir dann bereits viel zu steil, auf groben Steinen. Wanderoutfit habe ich nicht, meine Schuhe sind nicht gerade optimal für so etwas, und mein Energielevel und mein Beinhebewinkel völlig unzureichend. Also kehrte ich nach ein paar Wegkehren, wo es nur den Berg nach unten ging, lieber wieder um und fuhr mit dem Auto wieder zurück. Ich genoss nun den Blick von der anderen Seite und entdeckte Neues. Es gab mehrere Stellen sowie ein Bachbett, in denen wohl Wasser fließen sollte, aber alles war komplett ausgetrocknet.
Ich hatte jedoch, weil mir jemand von der Malgruppe gesagt hatte, da gäbe es eine natürliche Quelle, wo man für Zuhause Wasser holen kann, 4 große leere Wasserkanister mitgebracht, und schließlich fand ich auch den Hahn, wo man das Wasser zapfen konnte. Zum Glück war der nicht auch trocken, sondern es gab genug. Während ich da meine Behälter füllte, kamen noch zwei andere mit ihren großen Wasserflaschen. Offensichtlich ist das ein offenes Geheimnis. Leider hatte ich keine kleine Flasche dabei vor lauter großen Gedanken, und so blieb ich längere Zeit durstig, weil ich nicht aus dem Kanister trinken wollte. Und das Wasser gluckerte so laut bei jeder Kurve, und ständig musste ich anhalten, um die Flaschen wieder hinzustellen, die auf steilen Wegen halt zum Umfallen neigen.
Weiter unten stellte mich die Wegweisung vor die Entscheidung, nach El Paso zurückzufahren oder nach Valencia. Ich versuchte auf dem Handy herauszufinden, was in Valencia sei, aber es zeigte nur eine Flugstrecke von Valencia nach La Palma. Da hupte es vehement hinter mir, und so fuhr ich erschrocken los, und zwar nach Valencia. Ich habe dort (in Spanien) einen Orangenbaum adoptiert, und so kam mir der Name freudig orangefarben leuchtend vor. Wie sich zeigte, war die Entscheidung gut. Es war eine sehr schöne Strecke, auf der ich den Eindruck hatte, die Natur befände sich hier fast in einem deutschen Frühling. So fröhlich hellgrün und gelb wie frisch gewaschen und neu geknospt blühte es allenthalben, so duftig nagelneu waren die Farben. Ich fuhr im Schneckentempo und genoss einfach. Es war niemand hinter mir.
Dann wurde die Straße definitiv von jetzt auf gleich bedeutend schlechter und endete plötzlich vor einem unwegsamen Gelände, durch das ich mich nicht mehr traute, weil ich meine Reifen nicht ruinieren wollte. So setzte ich zurück und wurde auf dem Rückweg bereits wieder von der niedrig stehenden Sonne gepiesackt (übrigens, die Sonnenbrille liegt immer noch gut zu Hause). Auch diese Entscheidung war richtig, denn hinterher stellte ich fest, dass Valencia scheint’s gar kein Ort, sondern ein Wandergebiet ist.
Auf dem Weg nach El Paso kam ich dann an einem Wegweiser zur Virgen del Pino (Jungfrau der Pinie) vorbei, die Judith mir ebenfalls empfohlen hatte. Ein kleines Kirchlein in Weiß mit einem zum Schmunzeln anregenden Schild vor dem Altar (siehe Foto). Daneben der älteste Pinienbaum der Welt, behauptet ein Aufsteller, nennt aber nicht einmal ein annäherndes Alter. Der Baum hatte wegen Ungezieferbefall und witterungsbedingten Schäden ziemlich gestutzt werden müssen ging ebenfalls aus dem Geschriebenen hervor. Trotzdem ist er majestätisch und unsagbar ehrfurchtgebietend. Leider kann man nicht hin und ihn umarmen, bzw. die Arme auf ihn legen. Drum herum fassen würde eh nicht gehen.
Auf dem weiteren Heimweg sah ich auch noch einen anderen, wohl sehr alten Baum, möglicherweise eine Platane, jedenfalls mit einem sehr beträchtlichen Umfang.
So hat mich heute mein inneres Navi wieder an genau die für mich richtigen Orte geführt, an denen ich mich wohl gefühlt habe und eine fette Welle von Freude empfand. Es lebe die intuitive Routenplanung! Einfach machen, gar nix fragen.
Im Anschluss gönnte ich mir noch eine Pizza über der Balustrade der Hauptstraße von Tazacorte und einen Zoom mit meinen vier getreuen Ladies, die mittwochs mit mir ihre Wünsche manifestieren. Auch diesmal herrschte wieder so eine gute Energie und fröhliche Stimmung. Es tut einfach wohl. Online-Meetings mit lieben Menschen sind fast so gut wie real life. Und das über 4000 km Entfernung. Schön, dass so etwas möglich ist!
Salzgischt - 16.1.2025
Endlich habe ich heute mal einen Ausflug bis ans südliche Ende der Insel gemacht. Nun habe ich also die eine Seite so ungefähr angeschaut. Die andere Seite wird aber noch mehr Zeit in Anspruch nehmen, weil man ja jeweils erst über die Insel fahren muss und auf der drüberen Seite dann hin oder her nach Nord oder Süd. Mein Weg heute führte mich jedenfalls nach Fuencaliente.
Auf dem Weg dahin über Kurvenstraßen - wie kann es anders sein - aber oftmals mit recht netter Aussicht (und fehlender Leitplanke) kam ich an einem kreisrunden Kirchlein vorbei, der Eremitage der Heiligen Cäcilia. Ich war vorbeigefahren und ein gutes Stück Wegs weiter unten dachte ich mir, ich hätte das aber gern gesehen. Umdrehen konnte ich nicht, nur irgendwo blöd am Rand parken. Also machte ich mich zu Fuß auf, wieder zurückzugehen.
Unterwegs fiel mir auf: was machst du da eigentlich – sonst wärest du bestimmt nicht ausgestiegen, um einen Berg hochzulaufen. Irgendwas in mir hat sich geändert, und ich bin auch fitter als zuvor. Ich musste dann die an dieser Stelle mal vorhandene Leitplanke im Grätschklettermodus hinter mich bringen und auf der anderen Straßenseite den Hügel hinauf. Die Eremitage hatte jedoch leider eindeutig geschlossen. An einer Stelle hatte ein Neugieriger das Fenster zerschmettert und man konnte ein kleines bisschen vom Inneren entdecken. Das kam mir jetzt nicht so absonderlich toll vor. Eigentlich weiß ich nicht, warum ich unbedingt da hochwollte. Manchmal macht das Universum vermutlich Witze mit mir. Oder es wollte mir die Erkenntnis vom Fußweg auftischen.
Heute morgen hatte es auch schon einen blöden Witz mit mir gemacht, denn bisher konnte ich immer schön vor meinem Haus parken, aber der Nachbar hatte mir gesagt, wenn ich an der Stelle parke, wird man mich anzeigen. So dürfe man nicht parken. Gestern war dann noch weniger Platz als sonst und ich habe deshalb mal sicherheitshalber hinter dem Hügel geparkt an einer Stelle, wo keine Markierung am Straßenrand ist und alle mit 2 Rädern auf dem Fußweg standen. Habe ich dann auch gemacht. Heute früh einen Strafzettel über 200 Euro vorgefunden. Wenn ich binnen 20 Tagen bezahle 50% Rabatt. Sehr nett. Sooo preiswert…
Nach dem zweiten Scherz im Laufe des Tages kam dann auch noch der dritte, denn aller guten Dinge sind ja drei. Restaurante Era in einem Ort namens Los Canarios beglückte mich damit. Gerne hätte ich im schönen Garten gesessen, aber Essen gibt es nur innen in der guten Stube. Ich bestellte eine Wasserkressesuppe. Ich stellte mir vor, das sei ein leichtes, wässriges Süppchen mit einer Handvoll Wasserkresse drin schwimmend und vielleicht noch einem Gänseblümchen als Deko. Ich bestellte eine halbe Portion, weil ich danach ein Entrecote schlemmen wollte. Was ich bekam war eine dicke, erbsensuppenartige Pampe mit undefinierbarem sehr saurem Geschmack, einer Konsistenz, dass man den Löffel drin stehen lassen konnte, und Maiskörnern zwischen nicht wirklich erkennbaren zermatschten Körnern oder Hülsenfrüchten oder was auch immer. Ein richtiger Wintereintopf für kalte Tage, so etwas, was man aus dem Schnee heimgekommen vor dem Kamin mit gerösteten Brotwürfeln langsam isst, um wieder warm zu werden. Heute hatte es 20 Grad und alles da draußen ist grün und lebendig und sommerlich.
Das Entrecote sollte dann laut meiner Bestellung ¾ durch sein, war aber de facto maximal halb durch, denn es blutete in die weiße Sauce, was mir den Appetit verschlug. Schade. Ich ließ es dann stehen. Die Wasserkressensuppe blieb nicht ohne Folgen. Also ich tippe auf zehn verschiedene Arten von Hülsenfrüchten.
Damit waren dann aber die drei Dinge abgehakt, und es durfte wieder positiv weitergehen. Ich fand die Salinen, über die ich gerade gelesen hatte, dass dort gestern noch irrsinnig hohe Wellen herrschten. In der Hoffnung, dass dies der Erkundung keine Abbruch tun werde, parkte ich mein Auto und traf direkt auf einen Händler von handgebastelten edelsteingeschmückten Drahttieren, hauptsächlich Spinnen, Krabben, Skorpione, Ameisen. Einen türkisverbrämten interessanten Gecko hatte er auch, dessen Körper aus einer eingetrockneten Avocado bestand, wie er sagte, was aber ganz anders wirkte.
Diesen Händler glaubte ich schon in Tazacorte gesehen zu haben, und als wir ins Gespräch kamen, zeigte sich, dass ich Recht hatte. Dort habe er sein „Büro“. De facto arbeitet er unter freiem Himmel, angesichts des für ihn unerlässlichen Meeres, auf meditative Art täglich an seinen Tierchen, die er dann in Tazacorte am Hafen oder hier bei den Salinen abwechselnd feilbietet. In dieser Umgebung fühlt er sich so richtig daheim. Als Holländer hat es ihn hierher nach vielen vielen Reisen verschlagen, und momentan glaubt er, dass er wohl hier, am schönsten Ort der Welt bleiben wird.
Gerade die unwirtliche Schwärze und für mich eher menschenfeindliche Umgebung des Lavamaterials liegt ihm so, da fühlt er sich ganz heimisch, während ich genau an dieser Stelle so das Gefühl habe, wie wenn zwei Magnete sich abstoßen. Diese hier ebenso wie bei Tazacorte überall alles bedeckende schwarze Kruste zeigt mir eigentlich, dass ich da ein Fremdkörper bin, der da nicht dazwischen gehört. Fatal ist, dass die Lava, die hier so frisch aussieht wie die auf dem 2021 von ihr verschlungenen Ort Todoque schon seit 1971 hier liegt. Der Vulkan Teneguía hat sie ausgewürgt.
Nur ganz wenig Grünzeug, niedrige einfache, sehr resistente Büschel unkrautanmutender Gewächse quälen sich hier durch den Boden. Das ist alles. Ich hatte geglaubt, das müsste viel schneller gehen, bis sich das regeneriert, aber Pustekuchen. Das wird ein Mensch in seinem Leben wohl nicht mitbekommen, dass die Grünkraft hier wieder Oberhand gewinnt. Wow. Und schaurig. Echt schaurig. Ein Gänsehautgefühl! Tja, Thomas‘ Lieblingsort. Täglich schwimmt er 40 Minuten im Meer sagte er, außer jetzt gerade, denn die Wellen sind gerade unglaublich imposant und lebensgefährlich. Nächste Woche sollen sie noch höher werden, kündigt er an.
Was für ihn denn das so Außergewöhnliche an der Insel sei? Das Feeling hier, die Freiheit, die Ruhe, das Sich-jederzeit-zurückziehen-Können, aber wenn man nicht zurückgezogen sein mag, das angenehme Wesen der Leute. In all der Zeit, die er jetzt hier ist, wird ihm nicht langweilig. Ich bin mir nicht sicher, ob es mir nach fünf Jahren nicht vielleicht doch zu wenig würde. Oder vielleicht bräuchte ich einfach nicht mehr mehr, weil das, was man hier hat, einfach völlig ausreichend ist.
Was mir selbst hier so gefällt, ist dass ich mich sicher, akzeptiert fühle, egal wie ich gerade herumlaufe, sehr frei, völlig unabhängig und vor allem ganz unbeleckt von den miesen Nachrichten aus aller Welt. Hier ist gefühlt so eine Art heile Welt, ein Mikrokosmos unter der Calima-Glocke - wie bei Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer, einer Insel mit zwei Bergen und dem Scheinriesen (vielleicht dem Roque de los Muchachos), der, wenn man näher kommt, immer kleiner wird. So möge es mit allen Problemen sein bitte!
Ich besichtigte dann die Salinen, um die ein netter, flacher Rundweg herumgeht. Es war ausgesprochen interessant, die verschiedenen Verdunstungs- und Kristallisationsphasen in den vielen vielen Becken anzusehen. In Bereichen bestand der Boden aus einer dicken Salzkruste, als wäre es verharschter Schnee. In den Becken nährten sich Algen. Von den roten Algen zehren wiederum Kleinstorganismen, die z.B. Flamingos verzehren und deswegen rosa sind. Verschiedenen Vogelarten ist hier reichlich der Tisch gedeckt. Sie sind wohl in großer Zahl an den Rändern der Becken beim Beuteaufpicken zu beobachten. Ich sah in den Abendstunden allerdings nur einen einzigen Kandidaten, der sich da redlich nährte.
Thomas hatte mir den Tipp gegeben, ganz ans Ende des Geländes zu gehen. Dort ist ein großes Loch im Boden, genannt El Bufadero, ein Teufelsloch, aus dem geysirartig wie auf Island das Meer in Abständen in einer riesengroßen Fontäne hervorbricht. Aus der Ferne konnte ich die Fontäne sehr gut beobachten, jedoch vor Ort lauerte ich mit dem Auslöser im Anschlag lange und vergeblich. Dann fragte eine Spanierin mich, ob sie ein Foto von mir machen sollte, und sobald ich dem Geysir den Rücken zugewandt hatte, explodierte er wirklich mit voller Gewalt und ich wurde total durchnässt. Das war richtig lustig. Wir konnten den Effekt dann reproduzieren, als sie ewig wartete, ihrerseits etwas aufzunehmen, und erst als ihr Mann sich dann umdrehte und zurückkam, wähnte sich der Geysir wieder unbeobachtet und griff hinterrücks an. Selber Effekt.
Im Restaurant vor dem Sonnenuntergang bekam ich dann, weil es sofort wieder kalt wurde, einen sauberen Niesanfall über meinem Barraquito. Der Andenkenshop war nicht sonderlich salzlastig, sondern beinhaltete sogenannte Kunst aus verschiedenen Teilen der Insel, ohne die man auch ganz gut leben kann.
Auf jeden Fall war dieser Ausflug es heute mal wirklich wert, gemacht zu werden. Ich hatte noch gelesen, am Interessantesten sei es bei Sonnenuntergang und hatte so blauäugig vermutet, da sei ich schon längst wieder weg, aber tatsächlich fuhr ich im Stockfinsteren wieder nach Hause. Ein schöner Tag, alles in allem!
Drauf pfeifen in drei Variationen - 17.1.2025
Tadaa, da bin ich wieder, falls mich jemand vermisst haben sollte! Habe es doch geschafft, wieder aufzustehen, nachdem ich mich – total ausgepowert wie mein Handy – hingelegt hatte. Jetzt ist es halb 12 nachts. Gute Zeit zum Aufstehen! Noch ist es jedenfalls heute. Erledigt habe ich: Zahlung meines kostspieligen Strafzettels in der Cajasiete. Das hat ganz schön lange gedauert. Ich hatte vermutet, dass das dort Standard wäre, dass jemand kommt und so etwas von denen erwartet, aber anscheinend bin ich die Einzige, die in Tazacorte Strafzettel bekommt. Und dann hat der Angestellte meine ganzen Vornamen für meine ganzen Nachnamen gehalten und musste alles erst mal von mir absegnen, dann stornieren lassen und dann noch mal von vorne machen. Puh. Jetzt bin ich schuldenfrei. Wenn auch mir immer noch keiner Schuld bewusst.
Danach ging es Serpentinen hoch wie immer. Je länger ich herumfuhr, um so unfroher wurde das Wetter hier. Grau, diesig, verhangen. Dann kam der Tunnel. Ich vermutete also, am anderen Ende wäre dann das Licht, wie üblich, aber nein, heute waren beide Seiten nicht gerade freundlich gestimmt. Als ich aus dem Auto ausstieg, musste ich mir gleich mehrere Jacken von meinen Zwiebeloutfits anziehen.
Leider war in der Zwischenzeit bei meinem Auto schon wieder eine Warnleuchte angegangen. Ich konnte wen bei der Autovermietung erreichen und bekomme morgen, obwohl sie da nicht arbeiten, und nicht in Santa Cruz, sondern in Los Llanos, was ein ganzes Stück entfernt ist, ein anderes Auto. Das ist dann natürlich völlig mackenfrei und fährt super und ist gegenüber meinem jetzigen Auto noch ein Upgrade. Manifestieren wir das mal bitte!
Wo ich heute hinfuhr, ist der Rastro-Kulturflohmarkt in Breña Alta. Ich hatte Schwierigkeiten, diese Finca zu finden, sie liegt etwas merkwürdig. Aber im zweiten Anlauf gelang es dann. Leider war ich offenbar zu früh da. 14 Uhr fängt das an, ich kam so gegen Viertel vor 3, und man sagte mir: ja, aber das ist doch Spanien! Um 17 Uhr ist dann hier was los, und da gibt es auch Live-Musik. Bloß – was sollte ich da tun bis 17 Uhr, wenn noch nichts geboten ist? Ich kaufte also Mangosaft und Mangomus, drei Strelitzien und zwei Feldfrüchte, die ich noch nie gesehen habe, und die angeblich wie Kartoffel schmecken sollen – eine andere Person sagte, wie Kohlrabi. Heißen tut das Zeug Chayota. Stachelgurke oder Gemüsebirne übersetzt sich das angeblich. Ich werde berichten, ob man es essen kann.
Da ich Hunger hatte, habe ich auch die dortige Küche geplündert. Es gab nur kalte Sachen, aber wenigstens einen sehr schönen Platz zum Sitzen in maurischem Ambiente. Dann wollte ich aber nicht die Zeit bis zum Musikbeginn da absitzen und sah nach, was in der Nähe ansehbar wäre. Ich fand einen kleinen Zoo, der eine Auffangstation für weggegebene, gefundene oder z.B. vom Lavafluss entheimatete Tiere ist: Maroparque. Der Eingang befand sich in einer steil nach unten führenden engen Straße, wie ich auf dem Rückweg bemerkte, die einen weit ab vom Schuss führte. Aber egal, ich hab es gefunden und für 10,40 Euro durfte ich hinein und nochmal für 2,50 Euro oder so Futter für Tiere kaufen.
Erstaunlich viele Vögel waren da weggegeben oder vom Vulkanausbruch vertrieben worden, zwar grad noch zählige, aber reichlich Papageien, Aras, hübsche Vogelarten, Pfauen unterschiedlicher Farben, Krähen, Erdmännchen, Wiesel oder so etwas, Reptilien, Schildkröten, Schlangen und sogar zwei kleine Kängurus, davon eines ein Albino. Die kamen mir beide merkwürdig vor, sie schlichen seltsam vor sich hin, und zwar mit allen 4 Beinen am Boden, was sehr unkänguruisch tollpatschig wirkte. Vielleicht haben sie einen Käfigkoller, auf jeden Fall kamen sie mir nicht wirklich lebensfroh vor. Auch einer der Kakadus hatte sich alle Federn im Brust- und Rückenbereich ausgerissen, hatte aber noch einen wunderbaren gelben Federschmuck am Kopf, den er für mich aufstellte.
Es gelang mir, mit einigen der Vögel zu kommunizieren. Das war lustig, der eine pfiff mir was vor, und ich pfiff nach. Als ich dann modulierte, änderte er auch seinen Gesang. Er wollte sich das aber nicht aufoktroyieren lassen und fing dann wieder in der alten Schiene an, und als ich weiterhin kreativ blieb, passte ihm das nicht, und er verstummte. Mit den riesigen Krähenvögeln konnte ich auch mittuten, sie hatten nur jeweils einen Ton drauf. Ich einen dritten.
Es gab auch kleine Kapuzineräffchen, die ich aber nicht füttern wollte, denn da habe ich als Vierjährige was Schlimmes erlebt mit einem Schimpansen, der meinen Arm in den Käfig hineinriss und mich in den Oberarm biss, als ich ihn mit einem Butterkeks fütterte. Vom Affen gebissen stimmt also bei mir. Außerdem hatte ich heute einen Vogel. In einigen Volieren waren die Papageien nämlich sehr zutraulich und rissen sich um Erdnüsse (alles andere war ihnen völlig schnurz, was in der gekauften Box war). Die kamen dann und besetzten einen, und wenn man nicht spurte und was hergab, fingen sie auch an, an Ketten zu kauen. Zum Glück war ich heute nicht behängt, aber an meinem Hexenmantel haben sie sich schon vergriffen.
Als ich mit dem Zoo fertig war, spielte gewiss längst die Band auf dem Kulturmarkt, aber mein Handy hatte schon wieder Akkusausen dank meiner Fotografiererei und mein Magen war auch nicht mehr so ganz zufrieden von dem bissel Kleinkram heute. Also machte ich mich auf den Weg, solange das Handynavi mir noch irgendwas sagen konnte. Bis zur Hauptstraße irgendwo oben am Berg musste ich ja noch kommen (und stellte dann fest, dass ich halt erstmal ganz hinunterfahren muss, um dann hochzukommen).
Schließlich fand ich dann bei El Paso ein Restaurant, das mir auf dem Hinweg schon heimelig erschienen war, ein Grillrestaurant La Cascada. Hier probierte ich es nochmal mit der Ziege, nachdem der nette Kellner (irgendwie erinnerte er mich an Sheldon) mir versichert hatte, dass das nicht wieder eine Suppe sei. Allerdings brach die Ziege dann auch nicht alle Geschmacksrekorde, sondern war zwar butterweich und im Zerfallsstadium, aber eher identitätslos gewürzt, so dass ich nach Salz und Zitrone verlangte und sie mir geschmacklich korrigierte. Auch Yucca hatte ich dazu bestellt. Die kam in frittierten Stäbchen, die zwar enthungernd, aber ebenfalls völlig geschmacksneutral waren. Manchmal frage ich mich, ob Corona mein Geschmacksempfinden damals so dauerhaft gestört hat, oder ob die hier auf der Insel echt so lasch würzen.
Da es mir nicht so sonderlich geschmeckt hatte, kredenzte der Kellner, der recht volle Teller abräumen musste, mir aus Sympathie zum Nachtisch eine Banane, die jetzt hier zuhause auf morgen wartet. Ohne Navi, das inzwischen den Geist aufgegeben hatte, habe ich es dann wieder nach Hause geschafft und mich erstmal warmzittern müssen. Ein Spaghettiträgerkleid war heute wohl in Tazacorte noch geeignet, aber sonst leider nirgends, wo ich war.
Ein paar Seltsamkeiten - 18.1.2025
Die heutigen Aushäusigkeiten habe ich schon früh hinter mich gebracht. Ich musste doch nach Los Llanos, um mein Auto umzutauschen. Ich hatte ja auf ein Upgrade spekuliert, nachdem dieser Wagen, den ich hatte, bereits zweimal eine Störung verzeichnete, aber was ich bekam, war genau derselbe Fahrzeugtyp, jedoch mit dem Upgrade, dass der „Neue“ 20.000 km mehr auf dem Buckel hat. Sonst alles wie gehabt. Nur, dass die Kupplung anders eingestellt ist, und man diese fast ganz loslassen muss, um endlich eine Bewegung zu produzieren, weshalb ich am Anfang im ersten Gang da stand wie der Ochs am Berg, das Auto wollte einfach nicht fahren. Ach so, na, dann fährt er doch. Da muss ich mich für die Serpentinenfahrten jetzt umstellen, aber das wird bald in Fleisch und Blut übergehen.
Das war Rückgabe Nummer eins. Für Nummer zwei zwar ich im Einkaufszentrum und gab den Glasöffner zurück, den ich euphorisch erstanden hatte (endlich niemanden mehr fragen müssen, um mein Essen zu öffnen), da er rein gar nichts taugt. Wieder ein Patent auf nix, falls das Ding überhaupt ein Patent hat. Dafür musste ich dann etwas anderes nehmen, und so hab ich mir eine Himalayasalzmühle ausgesucht. Die sollte ich am besten in jedem Restaurant dabei haben, dafür ist sie allerdings zu groß.
Dazwischen habe ich zwei Dinge in Los Llanos erledigen können, die ich schon geplant hatte. Zum einen hatte ich gelesen, dass der Eismacher El Drago am Park Gómez Felipe (neben dem ebenfalls El Drago betitelten Mural - fragt sich, was zuerst da war) so gut sei. Und heute war ich dort, sprach erst Spanisch mit ihm, stellte dann fest, dass das eher nicht seine Muttersprache ist, und wir uns vielleicht besser gleich auf Deutsch unterhalten sollten. Seine Kreationen Feigensahne, Tonkabohne und Avocado probierte ich aus.
Der Eishändler ist eine coole Socke, sieht aus wie ein Original-Aussteiger, oder so, wie die früher aussahen. Seit 20 Jahren mache er das Eis nur aus natürlichen Zutaten ohne Zusätze, auch mit wenig Zucker (was mir sehr entgegenkommt, denn wenn ich jetzt z.B. den zuckerstrotzenden Bienmesabe genannten Nachtisch nur angucke, fallen mir schon fast die Zähne aus dem Mund – die Palmeros haben eine ungewöhnliche Immunität gegen süßen Geschmack – vielleicht weil ja Bananen und Zuckerrohr hier bereits in der Muttermilch nicht wegzudenken sind) und er meinte, es gäbe Leute, die kolportierten, sein Eis sei das beste auf unserem Planeten.
Freilich hat er da eine heftige Konkurrenz bei mir zuhause im Münchner Stadtteil Milbertshofen bei seinem türkischen Kollegen, würde ich mal behaupten, der die Gelateria Romana führt. Der heutige Eismacher ist einer, der nach eigenen Angaben nicht mehr an Karma glaubt, so oft habe er schon Eis verschenkt, und denoch sei er einfach trotzdem nicht reich geworden. Tja, also musste ich wohl löhnen. Immerhin bekam ich noch zwei Probiererl zugesteckt.
Im Anschluss besuchte ich Strelitzien in ihrem natürlichen Umfeld im unteren Teil des Parks, der ansonsten in keinster Weise spektakulär ist, außer dass er einen Spielplatz aufweist, der wahrscheinlich vom deutschen TÜV nicht abgenommen würde, da man sich dabei sehr gut einen Schädelbasisbruch oder wenigsten eine Prothese holen könnte.
Am oberen Ende befindet sich jedoch der Mosaikpark mit Werken, die ebenfalls von Luis Morera stammen, dessen Park ich ja schon in Las Manchas besucht hatte. Hier setzte ich mich gemütlich auf eine Bank und wollte was skizzieren, aaaaber – jetzt erzähle ich euch, weshalb ich euch nicht verrate, wie mir das Eis geschmeckt hat, denn, Schockschwerenot – hier setzte sich ein angetrunkener oder einfach durchgeknallter rotgesichtiger Stadtstreicher zu mir und drohte mir spontan auf spanisch an, mir den Arm abzuhacken, wenn ich sage, dass das Eis gut schmeckt. Ich fragte mehrfach nach, aber auch dann wurde sein Spanisch und seine vernuschelte Zungenschlagaussprache nicht besser, so dass ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob er jetzt wirklich meinte, falls es gut schmeckt oder falls es mir nicht gut schmeckt. So hülle ich mich sicherheitshalber in Schweigen und behalte meine beiden Arme, bin nicht so ganz experimentierfreudig wie sonst. Ich könnte aber empfehlen, selbst hinzufahren und es auszuprobieren. Haltet euch aber vor dem Penner fern.
Ich musste mir dann noch einen (vermutlich geklauten) knallgelben, komplett verknüllten Bikini aus seiner Hosentasche zeigen lassen, der noch das Klebeetikett im Schritt aufwies, und den er mir für 2 Euro unbedingt verscherbeln wollte. War weder meine Größe, noch meine Farbe, und auf Drohungen möchte ich auch nicht weiter eingehen. Also verließ ich diesen ungastlichen Gesellen, der mir dann noch überall hin nachging, aber zum Glück waren in einem anderen Bereich des Parks Leute, und so wurde ich ihn dann los. Aus nicht näher zu erwähnenden Gründen war mir irgendwie die Seelenruhe abhandengekommen und ich fotografierte nur die schönen Stellen des Gartens, anstatt irgendwas zu zeichnen, und machte mich dann auf den Weg. Ich schaffte es dann auch, im 1. Gang von der Stelle zu kommen, und bin zuversichtlich, dass sich das wiederholen lässt.
Beim Einkaufsbummel fiel mir mal wieder auf, wie so viele Leute hier (auch auf Mallorca dasselbe Phänomen) vollkommen selbstvergessen und versunken in Läden vor einem Regal stehen, und keinerlei Notiz davon nehmen, dass man sich dazugesellt hat, und höflich darauf wartet, dass derjenige sich mal einen Schritt wegbewegt, weil keinerlei Möglichkeit besteht, vorbeizukommen. Andererseits stelle ich auch fest, wie Frauen Fußgänger, die nicht schnell genug queren oder Autos, die zögerlich irgendwo hineinfahren, wirklich gehässig aus ihrem Wagen heraus auf Spanisch ankeifen, was um so übler zu hören ist, als hier jeder die Fenster beim Fahren offen hat.
Als ich in Los Llanos dann in einem Café saß und frühstückte (ein frischgepresster Karotten-Apfelsaft und ein Schinkenbrot plus Cortado-Winzkaffee), was ich dann auch zeichnete (hier meinte ich, Ruhe zu haben), kam der nächste Stadtstreicher und laberte mich voll. Dabei warf er eine Erdbeere nach der anderen aus einer frisch gekauften Plastikschale ein. Er wollte Geld, weil er angeblich verhungere. Wenn ich mir aber überlege, dass er recht gut angezogen war und außerdem Erdbeeren, die auch hier nicht Saison haben und daher teurer als andere Sachen sind, aß, um nicht gleich ohnmächtig zu verschmachten, fand ich das ganze irgendwie unlogisch und ging auch auf ihn nicht weiter ein. Die Freude an meinem Aufenthaltsort hatte sich aber auch hier gerade durch sein aggressives Einwirken gelegt.
Auf dem Heimweg kam ich dann wieder an einem Schild vorbei, auf dem stand „Salta si puedes“. Spring, wenn du kannst. Ich glaube, das ist ein Restaurant. Sah aber jedes Mal sehr verschlossen drein. Auf jeden Fall habe ich mir überlegt, dass es eigentlich schon sehr lange her ist, seit ich nicht mehr springen kann. Du Springinkerl, sagte mein Opa anfangs oft zu mir. Aber irgendwann wird man alt und die Gummiballeigenschaften lassen nach. Das fing 2013 mit der Bandscheiben-OP an. Sehr schade. Danach war ich einmal beim Tanzen und war richtig gut drauf und hatte jede Menge Energie, ich erinnere mich, dass ich da gesprungen bin wie ein junger Hupfer. Aber inzwischen springe ich ungefähr so gut wie eine Schildkröte. Traurig, aber wahr. Wenigstens springe ich im 1. Gang noch zuverlässig an, wenn auch nicht weit.
Mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden - 19.1.2025
Den heutigen Tag habe ich mir ganz langsam und genügsam um die Ohren geschlagen. So dass es nur ein bisschen geschlappt hat, aber nicht wehgetan. Ich war nämlich schon fast im manuelitischen Stillstand begriffen. Fast. Um 12 Uhr bin ich immerhin noch zum Rastro-Flohmarkt in Argual aufgebrochen, nun zum dritten Mal. Um zu schauen, ob meine bestellte Kette jetzt mal fertig wäre. Vorletztes Mal hatte die Dame es vergessen, letztes Mal war ich nicht da. Heute sagte sie mir in anklagendem Ton, das sei aber schon so viele Wochen her, dass ich sie bestellt hätte. Aber sie hatte die Kette gemacht. Sie ist schön geworden und passt perfekt zu meinen Sachen.
Warum geht man eigentlich auf Flohmärkte? Ich jedenfalls, weil das für mich so eine Art Spaziergang ist. Spazierengehen ist was für alte Leute, die müssen das machen, damit die Osteoporose ihnen kein allzu schreckliches Schnippchen schlägt. Gut, ich hab Osteoporose, und wenn man in meinem Ausweis nachschaut, wie alt ich bin, hebt sich da auch keine Augenbraue. Außer bei mir. Ich fühle mich halt nicht so und hebe alle beide. Aber mei, spazieren gehen sollte ich, mag aber nicht. Das ist so öde. Also gehe ich auf Flohmärkte, alibimäßig, da hat man ja was zu tun, und auf Fotoausflüge, da hab ich auch was zu tun. Ich muss ja irgendjemanden mit meinen Bildern beglücken. Ich geh ja gar nicht für mich selber raus, ne, für mein Publikum. Schade, wenn man dann nur ein Like absahnt, wenn man sich schon so viel Mühe gemacht hat, wegen der anderen extra das Haus zu verlassen. Nun gut, wer die Ironie gefunden hat, darf sie für eigene Zwecke weiterverwenden.
Ansonsten geht man natürlich auf solche Märkte, um Schätze zu entdecken, die man überhaupt nicht braucht, aber irgendwie toll findet. Irgendeine kleine Sache bringt man dann ja mindestens nach Hause. Bei mir war es abgesehen von der Kette und drei kleinen Drachenbaumbildern noch ein Schraubdeckelöffner. Nachdem ich den anderen ja gestern zurückgegeben hatte. Dieser hier kostete mich jetzt mehr als der nagelneue viel ausgefeiltere kostete, ist allerdings rostig und auch mit Fairy Spülmittel, das hier auf der Insel das einzig wahre ist (die bezahlen mir nichts für diese Aussage – jedenfalls bisher!), nicht mehr aufzuhübschen. Aber er hat ein Patent, das mich tatsächlich überzeugt und in Deutschland zumindest gute Dienste geleistet hat. Mal sehen, ob er während meines Aufenthalts durchhält.
Der Händler war allerdings für Flohmarktverhältnisse ungnädig. Als ich einen Euro von fünfen herunterhandeln wollte, meinte er, das wäre das letzte Mal, dass das bei ihm ginge, wenn ich je wieder an seinen Stand käme, solle ich die Preise akzeptieren, wie er sie macht, denn die seien schon inclusive jeglichem möglichen Rabatt. Aha. Diesen Stand werde ich dann künftig eher auslassen. Flohmarktmentalität geht irgendwie anders. Aber ich brauchte das Teil. Ich hatte hier zwei Gläser stehen, die nicht aufgingen. Was muss ich auch Artischocken und Palmherzen kaufen, ich Snob.
Heute kam ich dann noch an den Ständen der beiden vorbei, die ich kenne, bzw. die ältere Dame hat mich heute erkannt, war aber so sehr in Verkaufsgespräche verwickelt, dass ich nicht dazwischengrätschen wollte, und dann war mir heute früh auch eine Laus in Form eines Traumes über die Leber gelaufen, die mich irgendwie miefig machte. Das zeigte sich dann am Stand von Leon, der wieder Malsachen aufgebaut hatte und mich (wie alle anderen, die vorbeigehen auch) in seiner unnachahmlichen Art köderte: „Hilf mir bitte, Kunst zu machen!“ OK, ich ließ mich natürlich breitschlagen, war aber vom Resultat heute nicht so begeistert.
Der Zuckerrohrsaft schmeckte mir heute auch nicht genauso gut wie letztes Mal, und sogar das Sandwich war irgendwie weniger lecker. Wahrscheinlich weil ich diesmal nicht widersprochen hatte, etwas Mayonnaise mit hineinzutun. Aber ich vermute, es war einfach meine heutige maue Stimmung und der Wetterbericht. Wenn der stimmt, wird es jetzt mal vier Tage immer wieder regnen, auf der Insel, auf der es laut Judith im Winter ja sonst nie regnet. Die Matratzen, die ich oben vom Terrassenbett hineingeschleppt habe, habe ich noch immer nicht wieder hinausgebracht, nutze diese Terrasse also überhaupt nicht.
Zu Hause habe ich dann meine Fernbeziehung gezoomt und Kontakt mit einigen Freundinnen in Deutschland gehalten, und sonst nur gelottert und gelesen. Judiths wunderbar bebilderter und betexteter Vulkanbildband fasziniert mich immer wieder, und ich habe heute erneut drin gelesen. Hier bietet ein Portal mir per Mail ständig auch geführte Wandertouren, wo man direkt auf diesen Vulkan kann, aber das glaube ich, werde ich lassen. Ich kann auch Spinnen jetzt einigermaßen aushalten nach drei Hypnosesitzungen, aber ich muss sie nicht unbedingt anfassen.
man zwischen Kokon und Bananenblüte den Faden nicht verliert – 20.1.2025
Nachdem ich heute morgen wieder ein bisschen den Pinsel geschwungen habe, um eine Kritzikratzi-Schnellskizze, die ich am Hafen in einer Minute nach Anweisung erstellt hatte, aufzuhübschen, fuhr ich ratzfatz los, um in El Paso ins Museum zu gehen, denn der Wetterbericht war sehr wenigversprechend, und da wollte ich gerne was zu tun haben. Die seltsame Straße, die mein Navi mich da hochführt („folgen sie 800 m dieser Straße“ - die schnurgerade sehr steil nach oben geht und tausendundein tiefes Schlagloch hat), schreckt mich inzwischen nicht mehr. Runterwärts bin ich sie heute sogar freiwillig gefahren, obwohl es andere Wege gab. Die von der Autovermietung hatte mir gesagt: „Unbefestigte Straßen dürfen sie doch nicht fahren!“ als ich ihr berichtet hatte, dass es hier so viel Serpentinen und schlechte Straßen gibt. Ich bin halt ein Flachland-Stadtkind. Bei uns kommt sowas nicht vor, dass man über 800 m im ersten Gang bergauf kriechen muss. Befestigt sollte man diese theoretisch asphaltierten Straßen schon nennen. Sie sind halt wohl einfach jahrzehntelang nicht mehr repariert worden.
Auf dem Weg nach El Paso sah ich mal wieder den nunmehr leeren Vulkanschlund in seiner ganzen rötlichen Pracht. Bei Ankunft gab es dann weit und breit kein Museum, wo mich das Navi hingeschickt hatte. Ich hatte ganz schön wild geparkt, allerdings inzwischen mit schlechtem Gewissen, denn hier wusste ich, dass man das nicht soll und was es kostet… Ich musste dann jemanden fragen, wo das Museum denn sei, und ein Bauarbeiter geleitete mich dorthin. Ob die Bauarbeiter in Ingolstadt auch wissen, wo da ein Museum ist, frage ich mich?
Im Inneren befindet sich im oberen Stockwerk der Ablauf der Geschichte, wie die Seide zu uns kam und schließlich nur noch in El Paso als letzter Bastion gewonnen und gesponnen wird. Alles begann mit der Entdeckung, dass man aus einem Kokon einen Faden gewinnen kann. Das passierte, weil Hsi Ling-Shi, der Kaiserin von China, 2600 vor Christus zufällig ein Kokon in den heißen Tee gefallen war und sich dann da drin zerfaserte. Sie muss eine clevere Person gewesen sein, dass sie gleich erkannte, dass man mit diesem Faden vielleicht was Interessantes anfangen kann. Dann kam die Seide über die Seidenstraße durch sehr viele verschiedene Länder und über Städte mit illustren Namen zu uns, außerdem auch über den Seeweg.
Das Museum enthält viele Exponate, Dinge und Kleidungsstücke, die aus Seide gemacht wurden, sowie Muster von verschiedenen Stoffarten, die Seidenfäden benötigen. Alles etwas schummerig, denn bei zu viel Licht würde die ganze Pracht zerfallen, weswegen man auch nicht mit Blitz fotografieren darf.
Auf Paneelen sind genau die Arbeitsschritte beschrieben, wie ein Taschentuch hergestellt wird. Man braucht ungeheuerliche Mengen an Seidenraupenkokons und wahnsinnig viel Zeit. Ein einzelnes Taschentuch braucht 9 Stunden in der Herstellung. Bei mir dümpeln die schönen alten, von meiner Tante bestickten Taschentücher in großen Stapeln in der Schublade - Papier ist so viel praktischer, nässt einem nicht die Hosentasche voll, muss nicht gewaschen und gebügelt werden…
Es wurde auch ein Film, gefühlt in Echtzeit, gezeigt, wie Seide gewonnen wird (leider ist der Anfang, den ich sehr spannend fände, aber ganz kurz geraten) und wie der Faden dann von Hand gezwirbelt und getrietzt wird, dass da brav ein schönes verwendbares garnartiges Material entsteht. Die Raupe da drin im Kokon wird erstmal ungefragt tot gekocht, bzw. Tausende von Raupen ereilt da gleich dasselbe Schicksal. Und dann geht die Wickelei tausendfach los. Man braucht unglaublich viel Geduld. Wäre was für die Mönche in einem Zenkloster. Bis da mal ans Färben gegangen werden kann, dauert es schon unendlich lang.
Dann färben sie nur mit natürlichen Substanzen, die auf der Insel wachsen. Auch in den Vitrinen habe ich kein scheeles Grün gefunden, was ja so unglaublich schön ist. Ich hatte als Kind ein solches zerschlissenes großes altes Seidentuch und auch ein lilanes, das wie ich heute gesehen habe, mithilfe einer Orseille genannten Flechte gefärbt wird. Dass das giftgrüne giftig ist, hat mir keiner gesagt, wahrscheinlich auch nicht einmal gewusst. Ich habe oft damit gespielt, weil ich seine Farbe und den Glanz so wundervoll fand.
Schließlich wird das Ganze dann auf den Webstuhl gespannt, was wiederum ewig dauert, da es ja so unendlich feine Fäden sind. Und dann fliegt das Schiffchen hin und her, als hätte es ein Eigenleben und wäre kein Sklave der Schwerkraft. Man hat früher nur schmale Bänder oder 70 cm breite Bahnen gewebt.
Im unteren Bereich des Museums sind zwei Damen damit beschäftigt, Seide zu verarbeiten, außerdem sind da die Färbesubstanzen ausgestellt und die gefärbten Seidenfäden zu bestaunen in ihren wunderbaren Farben. Zum Auffressen schön!
Draußen freute ich mich über das Fehlen eines Strafzettels und besichtigte ein Kirchlein mit einer Madonna, die einer Erscheinung gleich überirdisch leuchtete, zumindest auf meinen Fotografien, in echt, sah sie etwas dezenter aus, aber auf dem Bild kam es jedes Mal so überwältigend heilig raus. Eine größere Kirche war geschlossen, und so schaffte ich es genau um 14 Uhr noch, bei dem Bioladen unten anzukommen, der vor meiner Nase schloss (hier ist ja nachmittags wegen der Siesta immer alles geschlossen), aber als die Frau sah, dass ich zu ihr wollte, machte sie nochmal auf, und nach mir kamen gleich nochmal 4 Leute hinein. Leider entdeckte ich kein exotisches Obst bei ihr und kaufte anstandshalber ein Brot, was ich dann gleich bereute, weil es so extrem hochpreisig war.
Beim Hipermercado, also dem riesengroßen Einkaufsmarkt, fand ich auch nichts Besonderes. Immerhin gab es rote Bananen, die wollte ich auch mal probieren. Danach ging ich essen. Ich bestellte nach einem Bild und fragte dann hinterher, was das jetzt eigentlich gewesen sei. Es war ein Rührei mit unglaublich vielen dunklen Fleckchen drin. Die Fleckchen waren, wie sich dann mithilfe der Übersetzungsfunktion herausstellte, eine spezielle Blutwurst aus Burgos. Hat trotzdem gut geschmeckt. Während des Wartens sah ich aus dem Augenwinkel einen Mann mit einem niedlichen Kleinkind vorbeigehen, so hab ich versucht, das Kind aus dem Gedächtnis zu zeichnen bis mein Essen kam.
Unterwegs nach Hause kam ich an der Bananenfabrik vorbei und wollte mal nachfragen, ob die vielleicht eine Bananenblüte für mich haben. Nachdem der Bananenblütentee ja gut gegen Husten geholfen hatte, wollte ich noch mehr davon als Vorrat für Deutschland. Aber in der Fabrik wusste keiner, dass die Bananen überhaupt eine Blüte haben. Die kriegen die Stauden geliefert, verpackt in Mülltüten, und da ist keine Blüte mehr dran. Ich musste dort aufpassen, dass ich nicht von enormen Containern erschlagen werde, die mit Kran und riesigem Gabelstapler durch die Gegend gehievt werden. Am Ausgang war ein großer Container mit Abfällen aus der Bananenverpackung. Da lagen auch mehrere Kubikmeter grüne Bananen drin. Die waren denen wohl zu grün, dabei würden die mit der Zeit auch gelb. Man hätte seinerzeit etliche Bürger der neuen Bundesländer damit glücklich machen können. Wenn ich denke, wie mein Cousin aus der damaligen DDR mich besucht hat und täglich wirklich kiloweise fast faule Bananen und Kiwis gekauft und gemampft hat. Sicher gibt es auch hier Leute, die die Früchte gerne genommen hätten. In einer Woche wären die ja auch genießbar.
Gegenüber von der Fabrik sah ich eine Bananenplantage, und herausfordernd hing eine welkende Blüte straßenseitig heraus. Da musste ich ihrem Ruf nachkommen und habe sie mir abgebrochen. Sie wiegt wahrscheinlich zwei Kilo.
Wieder daheim hatte ich einen Tanzzoom, in dem die spannende Frage gestellt wurde, wie wohl ein Duft sich bewegt, oder auch wie man einen Duft tanzt. Hierzu habe ich einen Schnipsel geschrieben, weil ich das ausloten wollte. Wenn Ihr Lust habt, könnt Ihr den ja nachlesen. Ich selbst habe an meiner Bananenblüte gerochen, um zu überlegen, wie man den Geruch tanzt. Das ist ein Geruch, der irgendwas mit Kindheit zu tun hat, stark pflanzig, leicht unangenehm, so als wäre es vielleicht giftig oder bitter, aber es zieht ein Aroma von wärmender Sonne auf Blättern der Gartenwelt im Geiste auf, und das kenne ich eher aus meiner Kinderzeit, als ich mit dem Garten auf du und du war.
Ich habe dann wieder den Impuls gehabt, dass ich als Kind so viel gehüpft bin, aber bin auch heute wieder am Hüpfen gescheitert. „Tolle Hüpferung“ hatte der kleine Hase den großen bewundert im Buch „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?“ Sowas vergisst man nicht. Bei der Frage, welchen Sinn ich wieder stärken und mehr fördern möchte war es mir dann ein Leichtes zu antworten: 1) den Tastsinn (bin schon so lange von zu Hause weg, da kriegt man Hauthunger) 2) den Hüpfsinn und 3) den Unsinn (vielleicht der 7. Sinn).
Meerglasfischerin - 21.1.2025
Wieder mal ist das Meer ganz verstört, aufgeschreckt durch die Wasserfluten, die nachts den Himmel verlassen haben, während Tazacorte friedlich schlummerte. Da klopfte es nicht nur auf mein Dach und an mein Fenster ohn‘ Unterlass, sondern da wurde auch das selbstreinigende Meer von oben heftigst geduscht und zieht nun ziellos mit seinen Wellenkämmen in jegliche Richtung, ganz ohne Exerzierordnung und Eleganz. Die im Sonnenlicht silbern schimmernden Wogen weit draußen leuchten zu mir herüber und zeugen von der Verwirrung dieses kleinen Zipfels des großen Ozeantuchs hier vor meiner palmerischen Haustür. Dabei weiß das Meer doch gar nichts vom Weltgeschehen. Es spiegelt das Durcheinander, das gerade herrscht jedoch auf seine unnachahmliche Art und hat wie auch wir Menschen im Moment keine genaue Vorstellung davon, wie es jetzt weitergehen wird.
Die Wassermassen standen heute Nacht wieder bedrohlich auf dem Balkon, so dass ich sicherheitshalber meine Zeichenmappe, die ich mir angelegt habe, und alles was sonst noch nass werden könnte, in luftigen Höhen platziert habe. In der Nacht dann knallte die Terrassentür und ich sprang aus dem Bett, denn ich dachte, so, jetzt ist es soweit, das Wasser kommt herein, aber es war zum Glück blinder Alarm. Heute früh haben sich die Wässer verzogen und die Sonne saugt dran, um auch alles wieder trockenzumachen. Die Pflanzen brauche ich so schnell nicht wieder gießen, höchstens den Übertopf auskippen.
Sauber geworden ist der Boden nicht, denn jetzt ist alles richtig schön verteilt und ich muss mich dran machen, hier Ordnung zu schaffen.
In meinem Inneren habe ich heute auch schon Ordnung geschaffen, denn das Wetter sah echt unerfreulich aus, so dass ich beschloss, nicht mal das Bananenmuseum, das um 14 Uhr schließt, müsse heute sein. Stattdessen habe ich eine Psychedelic Breath Session mitgemacht, die über eine Stunde dauerte. Wow, das war wirklich krass! In acht Durchgängen wurde man an eine selbstinduzierte Trance herangeführt. Diese wurde erreicht, indem man in den einzelnen Sätzen viele Minuten lang eine Art Hechelatmung durchführte. Also so wie auf 1 ruckartig durch die Nase einatmen und auf 2 stoßartig durch den Mund ausatmen. Und zwar in der rasenden Geschwindigkeit, wie man 1, 2 nacheinander sagt. Durch das Hyperventilieren kommt man dann in diesen speziellen Bewusstseinszustand.
Nach jedem Set kam dann eine Pause, in der man ausatmete und sehr lange keine Luft mehr nachholte. Für mich war die Pause des Nicht-Atmens gefühlt noch viel zu kurz, ich hätte gerne länger ohne Atem da gelegen. Sauerstoff hatte man ja noch wirklich genug von vorher. Mit der Zeit fing der ganze Körper an zu pulsieren und sich gefühlt, wenn auch nicht de facto, algengleich zu bewegen. Ich war wie in einer Unterwasserwelt mit einer kristallklaren Brillanz und Sehschärfe mit mindestens dreifacher Pixelzahl als die, mit der ich sonst sehe. Da sah ich in diesem Raum gelbe und blaue Farben wie Ölflecken auf Pfützen irisierend schillern und fühlte den Raum an- und abschwellen. Meine Hände wurden schwer und pflaumig, sie fühlten anders als zuvor, so als würde ich durch Obst hindurch die Umwelt be-greifen. Das war in dem Fall nur meine Matratze.
Es stellte in mir die Frage, was meine Aufgabe in dieser Welt eigentlich sei, und die Antwort, die der Trancezustand mir verschaffte, erfolgte in Bildern. Der Boden des Bereichs, in dem ich da unter Wasser unterwegs war, war mit vielen vielen grauen Kieseln wie das Flussbett der Isar bedeckt. Darunter lag, wie sich dann zeigte, eine Kohleschicht, die vermutlich mein Nacht-Hyde, der immer so irre Geschichten kreiert, ist, und durch den alles gefiltert wird, so dass ein vollkommen pures, schadstoff- und mikroorganismenfreies Wasser die darunter liegenden Ebene kennzeichnet. Erstaunlicherweise war es da trotz der Kohledeckschicht ganz hell, und es glitzerten und glänzten Tausende von bunt gefärbten Glassteinen am Boden, vielleicht waren es auch Edelsteine, aber sie waren sehr bonbonfarben, manche auch wie Muranoglas mehrfarbig mit konzentrischen Ringen. Meine Aufgabe sei es, diese erstaunlichen Schätze, von denen keiner weiß, dass sie da lagern, nach oben zu bringen und sie auszustellen, vorzuzeigen, allen zugänglich zu machen.
Auf meine Frage, wie ich das machen sollte, kam dann die Vorstellung, wie das, was ich unter meinen pflaumigen Fingern betastete, das Fleisch der Menschen sei, mit denen ich zu tun hatte. Es sei z.B. Wissen, das von Fleisch und Blut in meinem Umfeld erhältlich sei, aber das diejenigen selbst nicht zur Kenntnis nehmen und selbst gar nicht wissen, was für Schätze in ihnen verborgen liegen, während meine Fingerspitzen diese kleinen Preziosen entdecken und bergen können.
Wieder war mir nicht klar, was ich mit dieser Erkenntnis anfangen sollte, und wie denn das vermittelbar sei, auf was ich da stieße, und so zeigte es mir, mein Blut sei nicht normal rot, sondern purpur (sagen wir mal wie die Farbe der Bananenblüte von gestern). Ein solch dicker Saft schwamm dann hier in einem riesigen viereckigen Glastank und ich wurde angewiesen, diese Tinte, mein Herzblut zu nehmen und zu schreiben, mit dem purpur auf schwarzem Grund. Vielleicht mit Jekylline oder Schnipselhumor auf Hydeuntergrund? Jedenfalls schrieb ich schwungvoll und schnörkelig mit einem altmodischen Füller, und jedes Glasnugget, das ich beschrieb, wurde Wort.
Nun könnt Ihr Euch mal überlegen, welche Art von Erkenntnis wohl von mir in der Welt verbreitet werden sollte. Vielleicht ist es ja auch nur genau das, was ich täglich mache – ein kleiner Einblick in meine Farb- und Freudenwelt mit einem Touch von hyde’scher Hintersinnigkeit. Ob dadurch die Welt wirklich besser wird, weiß ich nicht, aber vielleicht ist ein kleiner Ausflug in die Gehirnwindungen eines anderen ja entspannend genug, um ein paar Menschen einen Hauch von Entspannung und Abstand vom eigenen Alltag zu geben. Ich muss jetzt mal überlegen, ob ich den Blog umstellen kann auf purpurne Schrift auf schwarzem Hintergrund, fürchte aber, das wäre schwierig zu lesen.
Inzwischen ist es wieder wärmer geworden und es gäbe keinen Grund mehr, den Tag zu Hause zu verbringen, aber ich möchte mich noch auf mein Schreibworkshopfinale heute Abend vorbereiten und meine während der acht Wochen entstandenen Schreibergüsse durchlesen, also heute eher keine größeren Ausflüge mehr. Ihr seid also für heute huldvoll entlassen. Gehabt Euch wohl!
Alles, was Ihr schon immer über Bananen wissen wolltet – oder auch nicht - 22.1.2025
Heute früh sah das Meer noch verzweifelter drein als gestern, wo es nicht mehr wusste, in welche Richtung es sich bewegen sollte. Deshalb hat es sich dann gleich in drei Farbsegmente aufgeteilt, ob der nächtlichen Dauerauspeitschorgie durch Sturm und Regen. Das sah durchaus interessant aus. Nachdem es endlich aufgehört hatte, zu schütten, machte ich mich auf, zu zivilisierter Zeit das Bananenmuseum anzuschauen (es nervt, dass ab 14 Uhr alles zu ist). Das war eine gute Entscheidung, abgesehen davon, dass man dort auf warmes Wetter eingerichtet ist, und deshalb Tür und Fenster sperrangelweit offen hat, auch wenn der Wind eisig ist und das Wasser in Strömen vom Dach prasselt.
Wenn jemand nicht gerne Texte liest, soll er bitte diesem Ort fernbleiben, denn abgesehen von den Bananenfeldern vor den Fenstern gibt es eigentlich wenig anderes zu sehen außer Texttafeln auf Spanisch und Englisch. Die sind jedoch ziemlich interessant. Ich blieb so lange, dass der Museumswärter zusperren wollte und mit Erstaunen feststellte, dass ich immer noch da war. Allerdings meine Hauptfrage, ob es hier eigentlich in den Bananenplantagen auch diese miesen Giftspinnen gibt, vor denen meine Mutter mir in Bezug auf Bananen immer Angst gemacht hat, wurde nicht geklärt. (Ich habe bei Bananen auch alle dunklen Enden und schwarzen Stippchen rausgepult, es könnte ja eine verkappte Spinne sein.)
Die letzten vier Jahrzehnte aß ich keine Bananen mehr, seit ich einmal einen Herzkasperl davon gekriegt hatte. Da ist viel Kalium drin, und irgendwie hat mir das damals nicht gut getan. Man hatte nämlich zuvor anlässlich einer OP festgestellt, dass ich viel zu wenig Kalium in mir hätte, und somit hatte ich begonnen, schachtelweise getrocknete Aprikosen und getrocknete Bananen zu essen. Dann bekam ich schlimme Herzrhythmusstörungen. Ich war damals 21. Das hat mich schon sehr erschreckt, zumal ich während des Abiturs auch eine Episode hatte, wo ich so was ähnliches wie einen Herzinfarkt hatte, jedenfalls vom Schmerz her, Schweißausbruch, das Gefühl, auf brutal schmerzhafte Weise zu Tode gebracht zu werden. Herz war bei mir schon als Kind der Knackpunkt. Inzwischen hat es dank meiner Männergeschichten bereits so viele Knackse abgekriegt, dass da nix mehr knacken kann. Nur noch bröseln.
Hier auf La Palma habe ich wieder angefangen, Bananen in meine Mahlzeiten zu integrieren, getrocknete, gebratene, rohe sogar, vor denen ich besonders Manschetten hatte. Bisher geht es gut.
Doch zurück zum Museum. Die Bananen haben mit etlichen Schädlingen zu kämpfen, Läuse, Pilze, rote Spinnmilben, aber von den großen Spinnen war nirgendwo die Rede. Wäre doch nett gewesen, eine Vitrine mit mumifizierten Fundstücken aufzustellen, aber es standen bloß überall Giftspritzen und Waagen herum. Vielleicht gibt es hier auf La Palma auch diese Spinne gar nicht. Wäre beruhigend. „Schlangen, Skorpione und andere giftige Tiere kennt man nicht auf La Palma“, behauptet das Internet. An Spinnen höchstens die Zebra- oder Wespenspinne. Die hatte ich daheim auch schon im Garten. Sie ist sogar recht hübsch und für den Menschen nicht gefährlich.
Im Übrigen wurde auf einem Aushang behauptet, die riesigen lilanen Bananenblüten, die mich ja so faszinieren, und aus denen die Bananen entstehen (aus den weiblichen, es gibt aber auch funktionslose männliche und Hermaphroditen), seien nur als Viehfutter zu nutzen. Dabei sind sie ja in Afrika als Medizin gegen Husten, laut Internet auch als Tee gegen Depression und Angstattacken geeignet, sind gut gegen Diabetes und Anämie und eignen sich als Antioxidans gegen die bösen freien Radikale. Sie werden in anderen Ländern gekocht und dank ihres Pilzgeschmacks sehr geschätzt. Hier z.B. ein Rezept, das mir Judith heute aus ihrem Kochkurs in Sri Lanka übermittelt hat:
Curry aus Bananenblüten
250 g Bananenblüte
100 g Tomaten
Zwiebel
Gehackter Knoblauch
Curryblätter (oder Bockshornklee)
1 TL Kokosöl
½ TL Curcuma
½ TL Currypulver
¼ TL Chilipulver
1 TL Salz
250 ml Kokosmilch
Bananenblüte dünn schneiden. Kokosöl in der Pfanne erhitzen. Gehackte Zwiebel, Knoblauch, Curryblätter zufügen. Wenn es heiß genug ist, alle weiteren Gewürze einmischen und unter Rühren weiterbraten. Dann die Bananenblüte und geschnittenen Tomaten mit der Kokosmilch hinzufügen und 20 Min. bei mittlerer Hitze köcheln. Abschmecken. Fertig!
Wird bloß daran scheitern, dass Ihr in Deutschland eher keine Bananenblüten auftreiben werdet. Ist ja schon auf La Palma an der Quelle ein ungewöhnliches Anliegen. (Ihr könnt sie ja großzügig durch irgendetwas anderes ersetzen. Karottenstreifen und Bambussprossen aus der Dose vielleicht?) Die Blüte schneiden sie 15 Tage, nachdem das Bananenbündel sich entwickelt hat, ab. So ein Riesenbündel Bananen wiegt etwa 45 kg, es gibt auch Pflanzen, bei denen gleich 60 kg zusammenkommen.
Deshalb muss der Pflanze auch geholfen werden, die Bananen oben zu halten. Sie werden also durch Holzkrücken, heutzutage Eisenstäbe gestützt. In modernen Anlagen, werden die Bananen dann oben am Metallgestänge angebunden, also quasi abgehängt. Das sind diese hässlichen Gewächshäuser, die überdacht und mit einer Art scheußlicher weißer Bandagen ummantelt sind, und diese verschandeln hier überall die Landschaft. Man macht das aber so, weil dadurch der starke, hier herrschende Wind abgehalten wird, der die Stauden umwerfen kann, wodurch sie dann 2 Jahre nichts mehr werden. Die Planen sorgen auch dafür, dass drinnen die Temperatur höher bleibt und weniger Wasser benötigt wird, was auf dieser Insel ja ohnehin ein Problem ist. Überhaupt werden hier lauter Pflanzen angebaut, die sehr viel Wasser benötigen, z.B. auch unglaublich viele Avocados -aber im Normalfall – wenn ich nicht hier bin – regnet es hier schon fast gar nie – 3600 Sonnenstunden gibt es hier im Jahr.
Hier in Tazacorte baut man sehr gerne eine Sorte an, die Small Dwarf (Kleiner Zwerg) heißt, weil die nur etwa 2,5 Meter hoch wird, was natürlich praktischer zu pflegen und ernten ist, während andere Sorten bis zu 8 m hoch wachsen. Das war z.B. bei der Gros Michel Sorte der Fall, die aber aufgrund der Panamakrankheit (ein Pilz), die weltweit bei diesem Typ auftrat, inzwischen nicht mehr angebaut wird.
Die einzelnen Bananen in einem Bündel werden dann als „Hände“ mit 15-20 Bananen separiert, die man übrigens Finger nennt. Netterweise werden die Bananen dann, die vorher möglicherweise als Biobananen angebaut wurden, in der Verpackungsanlage (wo ich ja gerade auf Besuch war) mit Fungizidwasser gewaschen. Also spätestens hier ist es dann aus mit Bio. Im Reifungsraum werden sie dann mit Ethylen begast.
Im Museum las ich natürlich sehr viel Interessantes nicht nur über die Aufzucht von Bananen, Ernte, Verarbeitung, Sorten, Gesellschaften, die sich damit bereicherten (Fyffes z.B.), sondern auch zur Lebenssituation auf La Palma, Geschichte, Politik, Problemen wie der Auswanderung. Auch bekam ich ungefragt Informationen über den Bürgermeister, nach dem meine Straße hier benannt ist, an deren Ende ein Marterl für ihn steht: 1925 machte sich der Lehrer Miguel Medina Quesada erfolgreich für die Unabhängigkeit des Ortes Tazacorte von Los Llanos stark und wurde dann zum Bürgermeister erkoren.
Die Bananen mit 90 Kalorien in 100 Gramm enthalten ungefähr alles, was der Mensch so braucht, jede Menge Vitamine (A1, B1, B2, B6, B9=Folsäure und B12, C wie Tomate und Orange, Vitamin E), Eisen, Zink, Phosphor, Kalium, Calcium, Magnesium und Ballaststoffe.
Wegen des Kaliumgehalts regulieren sie den Blutdruck und verringern das Herzinfarktrisiko um 40% (bei vernünftiger Dosierung, nicht was ich gemacht hatte). Außerdem kann man, wenn man Bananen isst, leicht mit Rauchen aufhören, weil dann weniger Entzugserscheinungen auftreten. Sie sind auch gut für die Nerven, wenn man unter Stress steht (wegen des B6) und helfen gegen Depressionen (Tryptophan). Eine Banane zu essen hilft auch gegen Sodbrennen und ist gut für die Verdauung (auch gegen Magengeschwüre). Gegen Kater verwende man einen Milchshake aus Banane mit Honig. Und gegen Arthritis hilft unser Universalgenie auch noch.
Nach den Museum aß ich was bananenfreies neben dem Meer, wobei mir fast das Essen vom Tisch flatterte, es war extrem windig. Dann sammelte ich ein bisschen Schwemmholz am Strand, bewunderte wieder die riesigen Wellen und lauschte dem Konzert des Windes in der flappenden Fahne, deren Schnur in immer veränderlicher Weise rhythmisch und schon fast melodisch an die Stange klopfte. Zum Abschied vom Strand für heute ließ ich meine Liebe zum Meer mal ablichten, da steht dieses wunderbare LOVE-Schild ja nicht, um ungesehen zu bleiben.
Abends dann wieder mein Zoom mit meinen lieben Getreuen. Wieder sorgen wir für mehr Freude im Leben jeder Teilnehmerin. Jawoll!
Ein paar Sackgassen - 23.1.2025
Schönen guten Abend! Mein Tagesprogramm ist beendet. Gerade habe ich noch eine weitere Breathwork-Session bei Eva Kaczor mitgemacht, das tut mir gut. Heute habe ich aber keine Vision empfangen, die Session war nur kurz, die vom letzten Mal hingegen, über die ich berichtete, dauerte eine Stunde. Mit La Palma hat das freilich nichts zu tun, aber mit mir. Ihr seid ja mein Tagesspiegel, da müsst ihr durch, wenn ich noch andere Sachen mache als herumzufahren. Herumgefahren bin ich aber heute auch. Ein bisschen. Ein bisschen gepinselt hab ich auch. Einfach zum Spaß.
Was habe ich heute angeschaut? Hier in der Gegend habe ich nun alles abgeklappert, was man in meinem Zustand besichtigen kann, da ich ja nicht zum Wandern gemacht bin. Trotzdem habe ich heute mal die Wanderrouten auf der Insel angeschaut, da verkauft nämlich jemand eine tolle Finca bei Garafía, die an der „Kanalpiste“ liegt, und so habe ich nach dieser gegoogelt und gleich auch, was man sonst noch so begehen könnte. Leider dauert alles lang und ist weit. Es gibt schon ein paar Strecken, die nicht so viel Hoch- und Runtersteigen beinhalten, was ich gar nicht kann, aber die sind auch nicht so kurz, dass ich das hinkriegen kann. Glaube ich jedenfalls. Die Idee reift in mir, wie auch die, mir so eine Finca zuzulegen, aber vielleicht sind beide keine guten Ideen. Noch dazu, weil Garafía nicht wirklich für seinen Strand bekannt ist, sondern für seine wunderschöne Natur und Wanderrouten. Mit der Zeit werde ich bestimmt die passenden Inspirationen dazu bekommen.
Nun habe ich mich also einfach ins Auto gesetzt und bin Richtung Süden gefahren. Auf einer Straße in Tazacorte, wo ich noch nie gefahren bin, die mündete dann in eine, die ich schon oft gefahren bin. Es war aber kürzer und einfacher, dort hinzukommen. Wieder was gelernt. Danach kam ich wieder an den Rand des Lavagebiets. Dort führte ein harmloser Wegweiser „Zufahrt zur Küste und El Corujo“ (unterhalb vom verschütteten Todoque) nach unten, und ich schlich mich dort an. Ich fuhr durch Bananenterrassen mit diesen unschönen Verkleidungen, wie gestern besprochen. Die Straße endete im Nichts, nämlich in der Lava. Dann fuhr ich dort mehrere mögliche weitere Straßen ab, die ebenfalls in der Lava mündeten. Dazwischen - im Nirgendwo also - war eine hübsche Siedlung. Früher war hier alles so hübsch. Ein Haus hatte die Lava zur Hälfte noch übriggelassenen - eine völlig unbewohnbare Ruine ist. Die Träume so vieler Menschen wurden hier sprichwörtlich begraben. El Corujo ist übrigens der „Schwarze Mann“, vor dem spanischen Kindern Angst eingejagt wird. Außerdem ist es eine Art von Butt.
Ich hatte es einfacher als die Bewohner – ich fuhr dann halt mal zurück und in Richtung Puerto Naos. Da war ein Schild El Drago, dem fuhr ich nach, da ich hoffte, einen schönen großen Drachenbaum (Drago) zu sehen wie auf Teneriffa. Kleine wachsen hier schon allenthalben, aber irgendwie nicht so viele imposante Exemplare wie auf der anderen Insel. Bei Puntagorda gibt es welche, die bekannt sind, da will ich nochmal hin – letztes Mal war es auf der Rückfahrt für den Drachenbaumbesuch zu spät. Ich wurde von dem Drago enttäuscht – es war ein Schild für zu vermietende Apartments, und als ich eine ganze Weile durch uninteressante Landschaft gefahren war, verengte sich die abwärtsführende Straße so sehr, dass ich vermutete, es würde als Sackgasse ausgehen und dann müsste ich mal wieder rückwärts zurück. Darauf hatte ich keine Lust.
Also kehrte ich um und fuhr nach La Bombilla, von dem ich letztes Mal nur von oben den riesigen Lavabrocken am Strand von oben fotografiert hatte. Ich dachte, vielleicht kann man doch irgendwas dort sehen, fuhr auf einer asphaltierten Straße hinunter, aber die endete an einem Platz, wo es hieß, weiter unten seinen Parkplätze für den Strand. Also wieder hoch, durch den Ort durch, die Straße endete in einer unbefestigten Piste, die ich ja laut Aussage der Autovermietung nicht befahren darf. Ich kehrte also um. Es gab keine weitere Möglichkeit in den Ort hinunterzukommen. La Bombilla war evakuiert worden und dort ist wohl, wenn auch nicht überall, immer noch vom Vulkanausbruch mit erhöhten CO2-Werten zu rechnen. Seit Dezember sind wieder Häuser dort freigegeben, auch im daneben liegenden Puerto Naos wurde jetzt im Dezember das chinesische Restaurant wieder eröffnet, an dem ich als nächstes vorbeikam. Ich überlegte kurz, aber leider hatte ich nicht ausreichend Zeit für eine schönes Menü – das kann ich ja ein andermal nachholen.
In Puerto Naos parkte ich und ging zu dem Restaurant, das ich das letzte Mal dort nicht besucht hatte. Ich fand einen tollen Platz, an dem für 2 gedeckt war und freute mich, mit dieser schönen Aussicht schnell was zu essen, aber man verwies mich des Restaurants, sie schlössen jetzt bis 18 Uhr. Nur noch Mitarbeiter dürften da sein. Es waren ziemlich viele Leute da, die im Essen begriffen waren, und das waren definitiv nicht die Mitarbeiter. So zog ich angesäuert weiter, zurück zu dem einzigen sonst sichtbaren Lokal. Da gab es ja eigentlich aber nur 3 mögliche Vorspeisen und sonst nichts. Naja, besser als nichts. Leider war kein Platz frei.
Ein Tisch würde leer, es dauerte aber ewig, bis die Bedienung endlich mal das Geld abholen kam, an einem weiteren Tisch saß eine alte Dame mit Krücken allein, die wollte ich fragen, ob ich mich dazu setzen kann, aber sie fing plötzlich an, in ihr Telefon zu brüllen, dann musste das auch nicht sein. Wie ich so unschlüssig zwischen den Tischen stand, wurde ich von einem freundlichen holländischen Ehepaar eingeladen, mich zu ihnen zu setzen.
Wir unterhielten uns angeregt auf Deutsch (und als Essen gab es diesmal halt für mich einen Erdbeereisbecher). Leider müssen sie morgen schon wieder zurück. Sie seien zwei, die immer wieder hierherkommen, allerdings ins Hotel. Ihr Lieblingsstrand sei nicht mehr nutzbar wegen der Lava. Aber sie probieren andere Unterkünfte aus und seien immer sehr glücklich hier auf der Insel, vor allem, weil es hier keinen Massentourismus gibt, sondern alles so gemütlich und nett sei, und man keine Angst vor Verbrechern haben müsse. Man könne das Auto offen lassen oder die Haustür, da würde einem nichts wegkommen. Alle seien friedlich und eine besondere Art von Mensch.
Das hatte mir auch Judith gesagt. Ein fetter Pluspunkt für diese Insel! Bei mir in Ingolstadt, wo ich mich ansonsten wohl und sicher fühle, wurde vor meinem Haus den Fahrern des Möbelwagens ganz unverfroren der Rucksack mit ihrem Firmenhandy, dem Firmenwerkzeug und ihrer Brotzeit aus dem Auto geklaut, während sie damit beschäftigt waren, meine Küche hineinzubringen. Wie fies.
Mal wieder Schnipseljäger- und -sammlerin - 24.1.2025
Ihr Lieben, was gibt es heute zu berichten? Eigentlich nur, dass ich einen wunderbaren kreativen Tag hatte. Wieder ein Kurs von Leon, diesmal „Mehr Meer kleben“. Im Hafen von Tazacorte, also keine schwierige Anreise, und gut besetzt, sieben ambitionierte Köpfe, die alle vier Stunden voll im Flow waren.
Auf dem Hinweg kam ich noch an einer mobilen Fischverkäuferin vorbei, die in meiner Gasse ihr Glück probierte. Ich konnte mir nur nicht erklären, wieso sie große und mittelgroße Pferde (Caballo) anbot. Vor allem war sie nur mit einem kleinen Lieferwagen vorgefahren. Am Abend schlug ich dann nach, und stellte fest, dass Caballa Kabeljau bedeutet. Das ist dann irgendwie etwas logischer.
Zunächst haben wir auf der Mauer am Hafen einen großen Bogen Papier über etliche Meter aufgespannt bekommen und daneben noch einen Bogen Butterbrotpapier von der Rolle. Wir befestigten darauf noch herausgerissene Seiten aus verschiedensten alten Büchern, und dann ging es los. Ein jeder bekam Gummi Arabicum als Bindemittel und einen Pinsel. Danach durften wir uns ein Glas mit Pigmentpulver holen. Mit einem Stäbchen applizierten wir ein bisschen Farbe auf den aufgestrichenen Untergrund und pinselten nach Gutdünken und Laune alles an, was uns so einfiel. Dann gingen wir an eine andere Stelle und pinselten dem Nachbarn in sein Werk. Und dem nächsten. Man konnte auch die Pigmentgläser tauschen. Ich pinselte also mit Türkis und mit Rot allen ins Gehege.
Wir malten auch ein Aquarellpapier an, das unser Privatfundus sein würde - mit den Farben, die wir speziell in unserem Bild verwenden wollten. Das Aquarellpapier bekommt nämlich beim Reißen einen weißen Rand, wenn man mit der richtigen Technik und in der richtigen Richtung reißt, und diesen Rand würden wir dann als Wellenkämme einsetzen können.
Danach ließen wir das Werk erstmal trocknen und widmeten uns der Betrachtung des Meeres. Leon half uns verstehen, welche Farbe man wo mit etwas Erfindungsreichtum herausfiltern kann, und wo es hell ist, wo dunkel, wo größere Segmente nebeneinander zu liegen scheinen, und wo kleine. Das schrieben wir alle auf in Form eines Meerbildes, das nur aus Text bestand. Dann noch der Himmel, die Wolken, die Steine, die Mauer, der Wellenbrecher, der Strand, die Fußspuren. Was davon wir dann auf unserem Bild verwenden wollten, war dann unsere Sache.
Als nächstes durften wir aus den mittlerweile trocknen Riesengemälden von den Stellen, die uns gefielen, Streifen herausreißen. Und dann gingen wir zurück ins Café und bastelten dort auf einem leeren Blatt nach Leibeskräften. Zum Kleben diente Holzleim. Mit Leons guter Anleitung für die Reihenfolge der Schnipselsetzung klappte das perfekt. Ein jeder war begeistert bei der Sache, und am Schluss war ein Werk schöner als das andere. Wir haben beim Kleben auftretende Problemchen noch übermalt, mit Stiften oder Aquarellfarbe, bei einigen wurde auch kräftig Glitzernagellack integriert.
Bei der Werksbesprechung waren alle happy, denn dieser Workshop hatte wirklich so viel Spaß gemacht, und jeder konnte auf sein Opus total stolz sein. Und jeder hatte die Challenge auf seine eigene Weise gelöst und kam auf andere Ideen, so dass wir zwar alle dasselbe Stück Meer vor Augen gehabt hatten, aber sieben gänzlich unterschiedliche Bilder herauskamen. Auf meinem bin auch ich in meiner Glücksbubble zu sehen.
Ich gönnte mir dann noch in einem anderen Café einen Cortado, telefonierte mit Zuhause und war danach noch so beschwingt, dass ich auf der Terrasse dann noch meine gestern frisch organisierte Bananenblüte abmalte. Die wollte unbedingt zu mir, ich habe sie von einer ungepflegten Plantage befreit, die ihr zum Hals raushing, weswegen sie verzweifelt außerhalb der Mauer nach jemandem Ausschau hielt, der sie wertschätzen würde. Und dann kam ich und hielt bissel verbotswidrig mitten auf der Straße und nahm sie mit, wo sie mir doch so traurig, aber hoffnungsvoll zugewinkt hatte. Nun, sie hat sich nicht in mir getäuscht, denn heute ließ ich ihr sehr viel mehr Ehre angedeihen, als was all ihren Kollegen und Kolleginnen in der Plantage jemals widerfahren wird. Von ihr existiert also ein handgemaltes Portrait. Welche Bananenblüte kann das schon von sich sagen!
Ich darf das jetzt - 25.1.2025
Nachdem ich mich heute lange mit Online-Seiten herumgeschlagen habe, die mir Auskunft darüber geben sollten, was ich auf La Palma abseits von Wanderrouten so alles machen könnte, habe ich versucht, über mein Handy zwei Events zu buchen. Das eine ein Klavierkonzert. Ich habe viermal insgesamt versucht, einen Platz zu buchen, einmal wurde ich bis zu meiner Kreditkarte weitergeleitet und habe dort bestätigt, dass ich buchen will, und nullmal habe ich eine Bestätigung erhalten. Der Browser schloss einfach immer die Seite, wenn ich sie verließ, obwohl ich keinen geheimen Modus an habe, und dann hat sich die Buchungsseite dumm gestellt und fragte zum fünften Mal nach Eingabe meiner Kreditkartendaten. Es ist eine offizielle Seite, also kein Phishing, aber mein Internet hat wohl zu sehr geschwächelt. Ich durfte einfach nicht. Somit habe ich beschlossen, dass es wohl nicht sein soll.
Danach habe ich versucht, eine Bustour in den Norden der Insel mit anschließendem Besuch der Rum-Destillerie zu buchen. Dafür brauchte ich auch x Anläufe, obwohl ich dies, inzwischen wohlwissend, dass mein Handy das scheint’s nicht kann, vom Laptop aus gemacht habe. Ich dachte wieder, aha, soll wohl nicht sein und startete später wider besseres Wissen doch noch einen Versuch am Handy, und siehe da, jetzt hab ich eine Bestätigung gekriegt. Mir wurde also beschieden: mach halt, wenn du unbedingt musst. OK, von uns aus, du darfst.
Wie oft jetzt alles von der Kreditkarte abgeht, da bin ich gespannt. Und ob ich noch ein Konzertticket zugeschickt bekomme oder nicht? Sonst mach ich halt was anderes. Was soll's. Klavierspielen wird überwertet, kann ich ja selber. Nicht konzertreif, aber für meine beiden eigenen Ohren ausreichend. Sonst sollte besser niemand zuhören. Vielleicht würde er mir sonst was dafür zahlen, dass ich wieder aufhöre? Egal, ich darf so spielen, als ob nie jemand zuhörte.
So werde ich dann also nächste Woche in den Norden tingeln, wozu ich gnadenlos früh schon am Busbahnhof in Los Llanos sein muss. 8 Uhr, das ist für mich mitten in der Nacht! Ich schlafe doch bis halb 10 oder gar halb 11. Ich bin nachtaktiv! Und Morgenmuffel! So. Das war schon immer so. Pöh! Ich lege Wert darauf, dass das so bleibt! Nur so kann ich auch Hyde sein. Der verträgt kein Tageslicht! Ist wie mit den Vampiren. Sonst zerfallen sie zu Staub oder flirren im Sonnenlicht. Je nachdem, ob Bram Stoker oder Stephenie Meyer sie auf die Welt losgelassen hat. Jawohl, ich darf in dieser Lebensphase aufstehen, wann es mir passt!
Heute war es dann, ob der Rumgugelei schon für alles zu spät, und ich hatte auch rein gar nichts gefrühstückt, also rief ich mal gegen 15 Uhr beim Restaurant Los Lavaderos an, ob auf ist, und machte mich dann auf den Weg. 104 Stufen ging es hinunter und danach noch mehrere Straßen weiter bergab, bis ich durch den Torbogen in den schönen Terrassenhof mit der sprudelnden Riesenamphore trat. Der Kellner legte mir nahe, keine zwei Vorspeisen zu bestellen, weil die Aubergine-Vorspeise schon so groß sei. Dem musste ich später widersprechen, so groß war sie nicht, aber wahnsinnig interessant anzusehen, sehr unkonventionell komponiert (Aubergine in optisch irgendwie verflochtenen Schichten mit Schafskäse und einer Haube aus angeschwitzten karamellisierten Zwiebeln oben drauf – siehe Bild) und saulecker!
Da das jedoch meine einzige Mahlzeit sein sollte, bestellte ich doch noch den russischen Salat, war aber sogar in diesem Restaurant, wo man offensichtlich an der Kreation guten Geschmacks ein deutliches Interesse hat, ziemlich enttäuscht, denn er war zu wässrig, zu wenig salzig und es mangelte ihm an irgendeinem Kick wie z.B. kleingeschnittene Salzgurken oder einen spannenden Hauch von italienischen Senf. Die Wässrigkeit war in Teilen vielleicht bedingt durch den darübergelegten großen Heuhaufen von Rucola, der frisch gewaschen, aber nicht abgetupft worden war. Sprich: schon wieder mal habe ich das Gefühl, ich selbst könnte es besser hinkriegen.
Ich ließ dann die Hälfte stehen, nicht, weil ich es nicht geschafft hätte, sondern, weil es sich nicht lohnte, weiterzuessen. Das lerne ich gerade, mit Essen aufzuhören, wenn es keinen Sinn hat, oder auch mal Lebensmittel wegzuwerfen, die fürchterlich schmecken. Das habe ich mich mein ganzes Leben lang nicht getraut. Als Kind von Kriegseltern bekommt man es auch eingeimpft, was für eine schlimme Sünde es wäre, Nahrungsmittel wegzuwerfen. Von denen die hungernden Kinder in Afrika Stielaugen bekämen, wenn sie die in unserem Müll fänden. „Wenn wir damals so etwas gefunden hätten, was meinst, wir hätten uns gegenseitig die Haare rausgerissen, um das zu bekommen… Wir hatten ja nur ein Döschen Sardinen für die ganze Familie für den ganzen Tag. Unser Kaffee wurde aus Chicoree gemacht, der schmeckte grauenvoll.“ (Muttis Luxusvariante) Oder: „Es waren höchsten 5 Kartoffeln in der Suppe für das ganze Lager.“ (Mein Vater in Kriegsgefangenschaft) Das hat natürlich seine Berechtigung, aber momentan möchte ich das bitte nicht mehr weiter durchleiden für meine Vorfahren.
Hier habe ich mehrfach einen Fertigmix irgendwelcher Pasten gekauft, die in Deutschland üblicherweise megalecker sind, z.B. Hummus oder türkische scharfe Käsecreme und derartiges. Es gibt hierzulande durchaus Produkte, die so ähnlich aussehen, aber richtig widerlich sind. Ich habe beschlossen, ich muss mir das nicht antun. Auch wenn ich es selber ausgesucht und bezahlt habe. Es ist meine Lebensqualität. Ich darf jetzt selber wählen, ob ich das esse oder nicht!
Dafür war das Auberginengericht einfach himmlisch, und das viele Obst, das ich sonst immer hier zum Frühstück esse, ist es auch. Da brauche ich keine lieblos angepantschten Fertigprodukte.
Im Restaurant malte ich mit meinen Filzstiften ein bisschen herum, während ich wartete. Links von mir und draußen vor dem Torbogen warteten direkt die Bananenplantagen und riefen nach mir. Also lief ich danach zwischen ihnen spazieren, genoss die ehrlichen Düfte der Erde und die kühnen Farben der Natur. Eine Symphonie des Lebens, gewürzt mit Hoffnung! Ich hörte so manche wunderbar enorme lila Knospe flüstern, nimm mich auch mit! Aber es reicht jetzt. Die erste, die ich mitgenommen hatte, ist inzwischen leider schimmlig geworden, sie musste gestern auch weg. Die sind so dick und kompakt, dass sie nicht einfach leicht zu trocknen sind.
Auf dem eingeschlagenen Weg kam ich schließlich an die Straße, die zum Meer hinunterführt und entdeckte jetzt endlich, wie man zu Fuß da hinunterkommen kann. Da geht es auch ganz schön bergab, und später müsste ich wieder hoch. Ich habe es mir dann gespart. Ich darf es, ich muss nicht jeden Weg zu Ende gehen!
Stattdessen lief ich entlang der Straße, also nicht mehr durch die Bananen hoch und war wieder dankbar für meine Freude am Fotografieren, denn dadurch darf ich mit Fug und Recht dauernd stehen bleiben. Was sehr vorteilhaft ist, wenn man bergauf geht und außer Puste kommt.
Im Ort fand ich dann viele schöne Winkel, die begutachtenswert waren, begab mich ein bisschen auf Abwege, wo ich auch wieder unverrichteter Dinge zurückmusste, weil es nicht weiterging, und genoss den Schatten der Straßen, die die Bewohner liebevoll mit Topfpflanzen zustellen, so dass man da wohl kaum noch mit dem Auto vorbeikommt, ohne anzuschrammen. In etlichen Bereichen sind auch einfach Treppen über Treppen, da hat man mit dem Auto ohnehin keine Aufenthaltsberechtigung. Die interessanten typisch kanarischen holzreich gitterartig wirkenden Balkone sprenkeln ebenfalls viele Blumenbehältnisse, und diese hängen auch in luftiger Höhe irgendwo unterhalb von Fenstern über der Straße, so dass man sicherheitshalber vielleicht besser auf die andere Straßenseite wechselt. Meinem Chef ist mal ein Blumentopf direkt neben ihm auf dem Pflaster aufgeschlagen. Da wird einem schon ganz anders!
An einer Stelle war die Wand bemalt, aber irgendwie schon wieder verblasst oder nie fertiggestellt worden. Da beschloss ich, dort ein bisschen Klamauk zu machen. Ich stellte die Kamera auf einer Mauer in wackliger Höhe auf und stellte sie auf Selbstschuss. Dann wedelte und drehte ich mich vergnügt, um den Rahmen der Mauer zu nutzen, in dem offensichtlich ein interessantes Objekt fehlte. Ein paar Männer kamen vorbei und lachten sich halb kaputt. Ich machte weiter. Ich darf das. Denn ich hatte Spaß daran! Braucht man noch andere Gründe?
Schließlich war ich vor lauter Fotografieren, ohne irgendwelche Probleme mit dem Hochsteigen zu haben, die 104 Stufen auf anderen Wegen wieder hochgekommen und konnte noch den Sonnenuntergang von der Terrasse aus begutachten. Jeden Tag irgendwie anders, aber immer wohltuend friedlich und herzerhebend. Wie schön, dass es in meiner palmerischen Glücksblase keine Politik gibt mit diesem ständigen Zustand des Entsetzens, der Enttäuschung, des Missmuts und der Missgunst. Die einzigen Probleme: „was mach ich heute? Das Internet ist lahm. Die können nicht richtig würzen. Ich hab den Pinsel zu Hause vergessen. Da ist ein Sandmantel über dem Ort.“ Solche Probleme hättet ihr sicher auch gern. Nein, ich tausche nicht! Ich darf glücklich sein.
Es begab sich aber zu der Zeit... 26.1.2025
Ich bin noch am Brausen, am Kurven, am Schwingen, am Schleudern und Wedeln durch die Serpentinen. Im Geiste. Körperlich bin ich gerade angekommen. Was für ein Teufelsritt - wieder im Dunkeln mit ungeduldigen Gesellen hinter mir, die nur die nächste Kurve abwarten, um gnadenlos zu überholen. Richtgeschwindigkeit 60, die fahren mindestens 100, mir erscheint 60 schon wild. Links, rechts, links, rechts rechts immer noch rechts links links links immer noch links… Haarnadelkurven, dann wieder Tunnels, Fernlicht an, aus, an, aus, upsi, vergessen, sorry… Undefinierbares Objekt auf der Fahrbahn, abbremsen, aha, wieder Steine, links vorbei… Ne, hier fahre ich nicht so furchtbar gern in der Nacht. In Deutschland ist das was anderes.
Jetzt gönne ich mir erstmal meinen Bananenschnaps, den ich heute in der einzigen Destillerie der Insel gekauft habe. Da werde ich also nächste Woche auch schon wieder sein, denn ich habe einen Trip mit dem Bus gebucht. Uff. Heute war ich mal auf der anderen Seite der Insel. Vorfreudig hatte ich alle Blumen gegossen, Zahnbürste, Unterwäsche und Wechselklamotten mitgenommen, weil ich dort übernachten wollte, damit ich nicht jedes Mal wieder denselben Weg herumgurken muss, und dann dort morgen auch noch ein bisschen herumfahren kann. Anfangs bekam ich schon Panik, denn hier in Tazacorte war es ein supersonniger Tag, aber schon in El Paso fing Nebel an und Richtung Berge wurde es fürchterlich. Auf der anderen Seite war es so neblig, dass ich mir überlegt habe, wo das Auto vielleicht den Schalter für die Nebelschlussleuchte hat. Da es aber bergab ging, kam ich dann aus der Passatwolke wieder heraus und siehe da: azurblauer Himmel über azurblauem Meer.
Eineinviertel Stunden dauerte die Fahrt, aber eineinviertel Stunden harte Arbeit. Serpentinen halt. Auch bei Tageslicht nicht ganz ohne. Das Handy mit zwei offenen Apps überhitzte auch noch und schaltete sich aus. Ich habe dann die Lüftung voll eingeschaltet und auf es gerichtet, das hat geholfen.
Ich habe an einigen schönen Orten ein bisschen fotografiert, schlenderte dann durch das wunderschöne, aber ausgestorbene San Andrés, in dem alles sich auf eine einzige Stelle konzentriert hatte: alle saßen in einem Restaurant. Was für eine Geräuschkulisse! Ich dachte, das halte ich nicht aus. Auch sah es nicht aus, als wäre irgendwo noch Platz für mich. Also fuhr ich weiter an das Ziel meiner heutigen Pläne: Charco Azul. Das ist ein Küstenbereich, an dem es natürliche Meerwasserbecken gibt, in denen man direkt neben dem tosenden Meer in einem ruhigen friedlichen Tümpel plantscht. Der ist zwar so tief, dass man da nicht stehen kann, und genauso kalt wie das Meer, aber es wirkt gemütlich und lauschig.
Ich war für diese Stelle schon fast zu spät, ich hatte nämlich nicht mit einberechnet, dass es auf dieser Seite der Insel ja am Morgen warm ist, und die Sonne nachmittags bei mir drüben steht. Eine Weile konnte ich noch auf einer Plattform oberhalb des türkisenen Beckens an der Sonne liegen, dann wurde es ungemütlich. In der ganzen Zeit suchte ich nach einer Unterkunft im Internet – es war nichts zu wollen. Bei keiner der Telefonnummern, die ich fand, ging jemand hin. Ich hinterließ ein paar Nachrichten. Ohnehin scheint es in dieser Gegend kaum Übernachtungsmöglichkeiten zu geben. Ich hatte in San Andrés Leute danach gefragt, ob es irgendwo ein „Bett für eine Nacht“ gibt, aber das Haus, wo sie mich hinschickten, war auch geschlossen. (Ich sollte da klopfen. Sowas wie ein Schild gab es nirgends, nur den Türklopfer.)
Nach meinem Badeaufenthalt, beim Aufstieg wieder den Berg hoch sah ich vier Mädels im Badeanzug, die da traut im Kreise saßen und in ihr Handy glotzten. Ich sagte ihnen auf Englisch: „Wunderbar die Natur hier, gell, sie macht euch Freude! Habt ihr euch umgeschaut?“ Schuldbewusst sagten sie im Ton von „Jaaaaa, Mama…“, dass sie heute so müde seien, deswegen könnten sie grade nicht. Beim Hochgehen überlegte ich dann, wieviel Zeit meiner Anwesenheit ich im Hier und Jetzt gewesen war. Wohl auch kaum! Ich hatte auch die ganze Zeit nach Adressen gesucht, booking.com und airbnb und andere Portale durchstöbert und Telefonate geführt. Sehr vorbildlich. Zum Glück waren sie nach mir gekommen und konnten mich nicht darauf hinweisen. Aber da muss ich mich schon an der eigenen Nase ziehen. Schaut her, wie lang sie jetzt ist…
Im Ort dann also die Destillerie, deren Besitzer für mich sogar im nächsten Ort anrief, um mir einen Platz zu sichern, aber auch er hatte nicht mehr Glück als ich. Er beschrieb mir dann, wo genau das Hostal sei, und ich fuhr den ganzen Berg hoch nach Los Sauces (komischer Name), einem nach Möglichkeit noch ausgestorbeneren, wenn auch viel größeren Ort. Dabei war es schon gegen 18 Uhr, da müssten Geschäfte und Lokale eigentlich wieder offen haben, auch am Sonntag. In der Pension war auch niemand. Eine Telefonnummer stand dran, da rief ich auch wieder an. Nur Anrufbeantworter. OK. Hier also nicht.
Ich fuhr wieder nach San Andrés zurück. Der Ort ist nämlich total pittoresk, so wie gewachsen und nicht lange rumgeplant, sehr romantisch, nur die dicken Steine als Pflaster sind etwas ungut, aber heute hatte ich die richtigen Schuhe dafür dabei. Ich klapperte wiederum die Straßen ab, fand aber auch diesmal keine Unterkunft. Setzte mich dann in das inzwischen geleerte Lokal, in dem am Nachmittag so viel los gewesen war. Ja, das sei immer so am Wochenende, es sei heute kein besonderer Feiertag. Ich bestellte wieder den Alfonsiña-Fisch, den ich in der Küche persönlich aussuchte, und wieder kam er mit einem in zwei Hälften gespaltenen Schädel, der Arme. Das ist doch total abstoßend, diese Serviermethode. Wieso machen die das? Geschmeckt hat's aber.
Auch hier fragte ich wieder nach Unterkunft, langsam kam ich mir wie die Maria vor. Man verwies mich auf die nämliche Herberge, die ja heute zu war. In irgendeinem Stall nächtigen wollte ich dann doch nicht. Somit musste ich also wieder heimfahren. Falls ich das nochmal in Angriff nehme, sollte ich also vorher ausklamüsern, wo ich bleiben kann. Spontan ist nicht. Und auf Tourismus eingerichtet sind sie in dem Bereich auch gar nicht.
Auf dem Rückweg habe ich mich dann aufgrund des schmerzlichen Fehlens von Wegweisern in der Nähe der Inselhauptstadt auch noch verfahren, weswegen ich dann 1 Stunde 30 Minuten unterwegs war. Immerhin funktionierte das Navi auf meinem weiterhin eisgekühlten Handy vor der Lüftung, denn die Power Bank lag ausnahmsweise nicht auf dem Nachttisch.
Living in the Material World – 27.1.2025
Heute habe ich erstmal Zeit verbracht, meine Wunden zu lecken. Gestern hatte ich ja zwar einen schönen Tag, aber am Abend stellte ich fest, dass ich meinen geliebten Ring verloren habe. Den hatte ich am Charco Azul gestern, damit er keinen Schaden vom Salzwasser bekommt, mit meiner Uhr in meine Tasche gelegt. Die Uhr habe ich direkt nach dem Baden wieder angezogen, aber den Ring hab ich vergessen. Und dann habe ich vielfach in meiner Tasche gekramt und Sachen herausgezogen. Tja. Und abends daheim, als es mir einfiel, da war er weg. Auch im Auto habe ich heute alles abgesucht. Da ist er auch nicht. Einen Hilferuf in zwei Foren habe ich lanciert. Jemand hat heute nachgesehen und mir gemeldet, dass leider heute früh dort nichts zu finden war. Das ist sehr traurig, denn den Ring habe ich seit 2015, als ich ihn extra für mich anfertigen ließ, jeden Tag getragen.
Erstaunlicherweise ist das nun der zweite Ring, den ich hier verloren habe. Meinen anderen Lieblingsring, den ich auch schon seit sehr vielen Jahren immer trage, hatte ich hier aufs Bett gelegt vor dem Duschen, und hinterher war ich irgendwie schludrig und habe ihn aus Versehen vom Bett hinuntergefegt. Man sollte es nicht meinen, dass dieser Ring einfach nirgendwo mehr zu finden ist! Ich habe auch die Schubladen, die unter dem Bett sind, komplett ausgeräumt, aber auch da ist er nicht. Ich gehe schon fast davon aus, dass hier eine Polter-Elster ist, die meine Sachen verschleppt, um ihr imaginäres Nest damit zu schmücken. Wenn sich das fände, wer weiß, was für verlorengegangene, schmerzlichst vermisste Dinge meiner Vermieterin auch aus diesem vielleicht unerschöpflichen Füllhorn herauspurzelten – Dinge, um die schon viele Tränen geweint worden waren. Während die Polter-Elster kreischend ihr Nest verteidigt und Platzwunden in die Schädeldecke hackt… Stattdessen habe ich heute ein Ahnencoaching gemacht und sie vertrieben. Hoffentlich wird damit der Schmuck wieder freigegeben und taucht irgendwo auf.
Nach dem Coaching war ich angestrengt, da es insgesamt ziemlich ans Eingemachte ging, nicht nur die Ringe, sondern noch ganz andere Themen. So habe ich mich heute nur ausgeruht und keine Anstalten gemacht, das Haus zu verlassen. Einfach nur Shavassieren. Am Abend hatte ich dann noch einen Sensitive-Dance-Zoom, und in diesem kamen mir folgende Erkenntnisse:
Wie schwer es ist, sich daran zu freuen, dass es die Schwerkraft gibt! Mit meinem Körper, in dem bereits eineinhalb Ichs wohnen könnten eine Treppe zu erklimmen, einen Abhang hochzukriechen, ist die Schwerkraft eine Qual. Liege ich im Wasser, treibe ich oben auf, Brustschwimmen ist schon schwierig, da ich da so leicht bin. Auf dem Rücken funktioniert es am allerbesten. Aber wehe, ich betrete die Stufen zurück zum sicheren Untergrund. Mit jeder Stufe, die ich höher gelange, kommen 15 Kilo dazu, die ich plötzlich wieder schleppen muss.
Ein Umdenken, dahingehend, dass es wundervoll ist, dass es die Schwerkraft gibt, denn sie gibt mir auch Halt, bringt eine völlig neue Perspektive. Ich bleibe zentriert, kippe nicht nach hinten oder vorn, wenn ich stehe. Von der Erde aus strömt gute Kraftenergie über meine Fußsohlen in mich und gibt mir Power. Wenn mir jemand im Weg stünde, könnte ich ihn einfach umrammen, so einen Wumms hätte ich. Ohne diese Erdung wäre das nicht möglich. Da würde ich ihn zwar touchieren, aber dann würde es uns beide rückwärts bewegen, ohne dass etwas Besonderes passiert wäre. Allerdings würde es mich dann unsanft hinsetzen oder ich würde gegen den nächstbesten höheren Gegenstand, irgendeine Barriere getrieben, denn ich würde eben nicht gestützt. Wie gut also, dass die Schwerkraft da ist. Und ich bei der heftigen Umdrehung der Erde von weit über 1000 Stundenkilometern nicht wegfliege.
Und wie schön, dass ich mich bewegen kann. Ich habe einen großen Vorteil, z.B. Bäumen gegenüber – ich bin nicht an einer Stelle verwurzelt, sondern ich kann die angrenzenden Lebensbereiche nicht nur optisch oder haptisch erforschen. Ich kann auch in sie hineintreten, durch sie hindurchgehen und entdecken, was dahinter ist. Wie die peitschende Weide bei Harry Potter kann ich zwar auch, wenn ich an der Stelle stehe, überallhin ausschlagen und mich strecken und dehnen und berühren, was in einem gewissen Umkreis befindlich ist, aber darüber hinaus kann ich diesen Umkreis so beliebig erweitern, wie ich möchte. Ich kann das Zimmer verlassen, das Haus, die Stadt, das Land, die Erde mit dem Flugzeug. Auch für mich ist die Weite meine innere Heimat. Nicht jede Art von Weite – Reisen in manche Erdteile reizen mich überhaupt nicht. Aber das ist meine Entscheidung, und es kann auch irgendwann eine Umentscheidung fallen. Wer weiß das schon. In fernen Ländern kann ich mich genauso zuhause fühlen wie am heimischen Herd. Und ich kann mich dort hinbewegen, ohne gefällt werden zu müssen. Trotzdem kann ich – auf meine Weise - meine Blätter abwerfen, wenn es mir nicht gut geht, und wieder neue Knospen ansetzen, wenn es mit meiner Stimmung wieder aufwärts geht. So kann ich das Beste aus der Pflanzen- und der Menschenwelt vereinen.
Wen man sich überlegt, dass der Mensch zu mindestens 50 bis 65 Prozent aus Wasser besteht und sich vorstellt, wie das wäre, wenn die Flüssigkeit und alles andere sich separat innerhalb unserer Haut nebeneinander befänden, würde das für lustige Effekte bei jeder Bewegung sorgen. Da würden bei vielen Bewegungen Wasserbeulen in den Raum zipfeln und wogen, die dann bumerangartig wieder zurückprellen und stetig hin- und herplantschen. Dann die Geräusche dazu, das Gluckern und Schwappen… Dabei ist ja die Haut durchlässig, die Flüssigkeit befindet sich ja auch stetig außerhalb des Körpers, allein schon durch die Atmung, aber auch allenthalben über die Hauthülle, wenn wir nicht gerade stark frieren. Dann umgibt uns ständig ein feuchter Dunstschleier wie einen Nebelwald. Diese Nebelwolken von uns kommen in einer Menschenmenge in Kontakt mit den Wolken der anderen und vermischen sich. Was für ein Gebräu! Die verschiedenen Farben mixen sich, bis alles ein einheitliches Braun angenommen hat, so wie wenn man die verschiedensten Farbpinsel in einem Wasserbecher auswäscht.
Auch ohne über das Flüssigkeitsgefühl in mir nachzudenken, kann ich nicht definieren, wo mein Körper endet. Besonders, wenn ich froh gesinnt bin oder mich bewegt habe, dann sind da keinerlei Grenzen gesetzt. Ganz gewiss höre ich nicht da auf, wo meine Haut optisch meine Körperinhalte umgibt. Mein Wesen ist viel weiter da draußen, mit meinem Bewusstsein kann ich innerhalb von Sekundenbruchteilen bis in die Hantelgalaxie reisen und mich so groß ausdehnen, dass ich alles bin, was ich mir vorstellen kann. Zwar dann sehr dünnflüssig mit einer extrem geringen Moleküldichte pro Quadratkilometer, so dass quasi nichts von mir mehr irgendwo ist, aber mein Bewusstsein ist noch da und kann jederzeit zurückkehren, und so tun als, ob es die ganze Zeit ausschließlich da gewesen wäre und nicht gerade Weltall gespielt hätte. Wahrscheinlich ist es so, dass es nicht Universum spielt, sondern Manu spielt, wenn es gerade dazu Lust hat. Und bei der Vorstellung, was ich immateriell alles anstellen kann, wird das Materielle ganz klein und irrelevant.
Nicht jeder ist hier freundlich - 28.1.2025
Juchu, wieder daheim! Frisch beringt! Nachdem die Insel irgendwie beschlossen hat, dass meine mitgebrachten Schätze hier spurlos verschwinden (über den Ring, den ich am Charco Azul verloren habe, hat mich jemand per Sprachnachricht informiert, dass er gründlich gesucht hat, aber nichts gefunden), habe ich den Eindruck gewonnen, sie möchte, dass ich mich auf andere Weise als zuvor ausstaffiere. Und gerade habe ich einen schönen Silberring mit drei verschiedenen Steinen gefunden, der perfekt zu meinen meisten Kleidungsstücken passt (trage sehr viel Grün und Türkis). Und der Preis war auch OK, insbesondere nachdem ich nochmal gefragt hatte, ob sich da noch was dran machen ließe. Ich freu mich wie eine Schneekönigin!
Am Strand war ich heute auch mal wieder. Noch immer sind die mit dem Traktor künstlich aufgehäuften Dünen da zum Schutz des Ortes, damit die Wassermassen nicht über den Strand und die Kaimauer herauftoben. Jetzt toben sie aber nicht mehr so schlimm wie zuvor, eigentlich ist das eine milde Brise im Vergleich zu den letzten beiden Wochen, ein jämmerlicher Abklatsch. Dennoch wäre ich heute keinesfalls ins Wasser gegangen, nachdem ich ja letztes Mal, wo es ja schon fast windstill war, ungute Bekanntschaft mit dem steinigen Untergrund gemacht habe, und es mich fast hingeschmissen hätte. Boden küssen war Papstspezialität, ich muss das nicht nachmachen.
Die Strandnachbarin wusste offenbar nicht, wie heimtückisch die Wellen hier sein können und kam mit einer richtig großflächigen Schürfwunde am Oberschenkel zurück. Sie hat sehr enge Bekanntschaft mit den Steinen direkt am Strand gemacht. Wenn da eine Welle von hinten kommt und einen anschwappt, während man gerade auf dem Weg hinaus ist, und man nicht sofort bereit ist, mit der Welle mitzuspringen, stampft sie einen in Grund und Boden. Dann kann man schauen, wie man da wieder rauskriecht, weiter gedemütigt und verhöhnt vom Meer. Nein, hier ist der Atlantik gar nicht nett.
Einen ebenso wenig netten Gesellen hatte ich heute als Kellner. Abgesehen davon, dass ich eh schon den Armesünder-Tisch innehatte, der so prominent direkt am Eingang war, dass alle Neuankömmlinge, während sie darauf warteten, dass sie einen Tisch bekämen, mir in den Teller schauen mussten und notgedrungen guten Appetit wünschten, war der mir gegenüber echt unfreundlich. Nach einiger Zeit hat er auch vor meiner Nase eine Kette aufgespannt, damit niemand mehr reinkommt. Meinen bestellten Salat hatte er nicht mal aufgeschrieben, und als ich darum bat, dass ich den aber gerne trotzdem noch hätte, fing er auch noch an, mich einfach zu duzen, während ich ihn gesiezt hatte. Das finde ich schon mal unverschämt. Ich hasse es, als doofe Tussi behandelt zu werden.
Mein Spanisch ist im übrigen nicht schlecht. Wahrscheinlich beherrsche ich den Konjunktiv besser als die Spanier. Da braucht man bittesehr nicht mit einem Niveau wie „du nix sagen, ich nix schreiben, also du nix kriegen“ anzufangen. Er hat sich auch nie um meinen Tisch gekümmert und rein gar nichts abgeräumt. Dann wurde ich auch noch zum Zahlen hineinbeordert (andere nicht). Das Trinkgeld, das er nicht verdient hat, habe ich dann sehr gerne dem jungen Mann gegeben, der draußen auf seiner Klampfe schöne Musik gemacht hatte. Der hat wenigstens was getan für sein Geld.
Den netten Drahtbastelkünstler Thomas von Fuencaliente traf ich heute wieder an der Mole. Er hatte seine wunderbare Avocadoeidechse noch nicht verkauft. Er sagte, er wolle sich auch eigentlich nicht davon trennen. Wenn sie weg wäre, käme es ihm alles so leer und quasi sinnlos vor. Drum nennt er wohl jedes Mal aufs Neue einen stark überhöhten Fantasiepreis für sie. Vielleicht ist die Eidechse ein Horcrux, wie bei Harry Potter – wenn einer sie mitnimmt, hat er ein Stück von Thomas in seinem Eigentum, ein Stück von dessen Seele. Das muss dann schon ein besonderer Mensch sein, der das darf!
Ansonsten habe ich mir heute wieder einen ziemlich faulen Tag gemacht, ein bisschen telefoniert, ein bisschen gemalt, mein Buch praktischerweise zu Hause vergessen, so dass ich am Strand nichts anderes zu tun hatte. Aber bei 26 Grad muss man auch nicht so viel tun, oder?
Mehrere Sichtweisen unter einem Hut - 29.1.2025
Meinen Abend-Zoom habe ich schon beendet und bin dabei, mir zu überlegen, was ich wohl morgen für den Ausflug benötige. Ich habe eine Bus-Tour gebucht, damit ich nicht immer alle Serpentinen selber fahren muss. Und damit ich in Gesellschaft bin, um ein bisschen in der Gegend herumzulaufen. Bin gespannt, ob ich das morgen hinkriege. Schon mal zu so früher Stunde aufzustehen und nach Los Llanos zu fahren, wo ich dann abgeholt werde.
Den heutigen Tag habe ich mit einem Frühstückchen in einem Lokal hier in Tazacorte begonnen, das ich bisher noch überhaupt nicht entdeckt hatte. Google wusste aber, dass es dort was gibt, und so habe ich es ausprobiert. Sauvage (wild) heißt der Laden, und er war auch wild geschmückt mit allen möglichen Blumen. Die Inhaberin war super nett, ich war auch so eher der einzige Gast. Sie erzählte mir was von großer Kartoffel mit Hähnchenstreifen und Käse. Meine Fantasie begab sich natürlich sofort auf Abwege, dachte an gefüllte Ofenkartoffel mit zerfasertem Huhn, mit Käse überbacken. Die Wirklichkeit war dann völlig anders - Kartoffelchips mit fritierten panierten Hähnchenstreifen mit Käsesauce aus der Quetschflasche, aber es hat immerhin gut geschmeckt.
Da mir langsam die Ideen ausgehen, was ich auf der Insel machen könnte, fragte ich sie, was ihres Erachtens ein wunderschöner Ort sei, und sie nannte mir Puril bei Garafía, ich solle danach im Internet suchen. Stellte sich heraus, sie meinte Poris de Candelaria bei Tijarafe, aber macht nix. Außer, dass ich ja schon dort war. Schade. Hätte gerne noch weitere solche Fundstücke gesammelt!
Wenn ich schon mal im Ort bin und die Geschäfte ausnahmsweise offen, habe ich einen weiteren großen chinesischen Markt mit tausenderlei Haushaltsartikeln inspiziert, die man evtl. irgendwann einmal braucht, wenn man hier eine Wohnung hat. Dort habe ich mir einen Kopfschmuck mit Hörnern gekauft. Nicht direkt aus der Haushaltsabteilung. Der Verkäufer sagte „Ah, haben Sie was für Fasching gefunden!“ und ich antwortete ihm „Ne, nicht für Fasching, das trage ich jetzt jeden Tag!“ Tatsächlich wäre das Ding ein sehr praktischer Haarreif, denn hier ist es immer windig und meine Haare zotteln mir in die Augen.
Mangels neuer Ideen fuhr ich später immer der krummen Nase nach irgendwohin, um an einen Strand zu gehen, den ich vielleicht noch nicht kenne. Einer wäre in 49 Minuten Entfernung mit dem Auto. Das war mir ein bisschen zu weit, dachte vielleicht gibt es was dazwischen. Vorbei an Puerto Naos, an Charco Verde, an El Remo – ups – da kann man nicht vorbeifahren! Da endet die Straße im Nirgendwo. Und führt auch nicht zu dem 49 Minuten entfernten Strand oder annähernd in dessen Richtung. Also dachte ich, OK, war zwar schon hier, aber vielleicht haben die hier auch einen Strand.
Mein Auto stand also an dem Damm, der den Ort umgibt und ich fragte einen jungen Mann. Der wies mir eine Stelle, an der befinden sich etwa 10 m2 Strand, ansonsten Felsen. Überall nur Felsen. Auf die 10 m2 hatte eine Dame mit Haustier ein Monopol. Sie fläzte da aufreizend mittig auf dem Sandstückchen mit einem Stringtanga in ihrer gebräunten Kehrseite. Als sie aufstand, um mal ihre Füße zu kühlen, stellte ich fest, dass sie wahrscheinlich älter war als ich.
Ich hatte also aufs Badeoutfit schon verzichtet und saß stattdessen auf einem der vielen Steinblöcke, einfach um am Meer zu sein, die Wellen zu betrachten und zu bewundern, und schließlich auch, um nochmal ein kleines Bildchen zu malen. Danach holte ich mir noch mehr Vitamin Sea auf einer Bank am Damm, die bequemer als der Felsbrocken war, und freute mich, wie die Schulkinder ihre Hausaufgaben zu mehrt einfach da im Freien unter einem kleinen Dach mit Tisch und Stühlen in aller Öffentlichkeit direkt am Ozean machten. Das hätte mir als Kind auch gefallen. Was für ein Privileg! Ob die Kinder glücklich waren, dass sie Hausaufgaben machen mussten?
Der Kiosk Reme war auch heute offen. Ich bestellte mir was und hatte genug Zeit, sehr viel in meinem nächsten Buch zu lesen, denn der Kellner hatte es wirklich nicht eilig. Wahrscheinlich wollte er mir die Freude gönnen, den Sonnenuntergang von seiner Terrasse aus zu beobachten. Dafür kamen die meisten Leute ja hierher. Ich musste aber weg. Ich war dann äußerst knapp für meinen Abendtermin zu Hause. Zwischendurch habe ich nochmal aber den orangeflammenden Sonnenuntergang knipsen müssen, die Gelegenheit, die sich mir an einem Aussichtspunkt bot, war einfach zu schön.
Manu, Manu, du musst wandern... 30.1.2025
Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung. Oder langsam wieder, wenn man eine Stunde davor aufsteht. Das hab ich mir heute tatsächlich mal angetan, 5:45. Ich! Ja, genau. ICH! Ich gehe ja immer erst zwischen 2 und 3 ins Bett. Gestern dann mal früher. Tatsächlich bin ich sogar eingeschlafen. Fuhr dann mit einer Banane gestärkt nach Los Llanos, um einen Parkplatz zu finden. Hui, wie viele es um diese Zeit gab! Die Spanier sind wohl auch eher Spätaufsteher. Dann wartete ich ziemlich geraume Zeit auf den abholenden Bus. Schon langsam in der Angst, dass ich ihn irgendwie verpasst haben könnte. Aber der erwartete Bus war ein Taxi, weswegen ich ihn nicht in die Kategorie mögliches Verkehrsmittel eingestuft hatte.
Ich durfte mich dann noch auf den Vordersitz quetschen zusammen mit einem weiteren Fahrgast. Hinten war schon alles besetzt. Das war dann ein bisschen beengt, aber es stellte sich heraus, dass das Taxi uns nur auf die andere Inselseite bringen würde, von wo aus es dann mit dem Bus weiterginge. Zum Glück war mein Nebenmann ein angenehmer Mensch und hatte auch noch heute Geburtstag. Wir unterhielten uns recht angeregt. Der Taxifahrer hüllte sich in Schweigen wie auch die anderen Fahrgäste.
In Los Cancajos stiegen wir dann um. Der Bus war richtig groß, und es gab genug Platz für alle. Der Nebenmann und ich saßen aber weiter zusammen, weil wir uns gut verstanden. Ich konnte viele Fotos machen, da ich mir den Fensterplatz unter den Nagel gerissen habe. Unterwegs gab es mehrere Haltpunkte, an denen kleine Pausen eingelegt wurden.
In San Bartolo(mé) bei Puntallana war ein schöner Aussichtspunkt mit vielen Drachenbäumen. Außerdem war dort eine Figur aufgestellt, die nach der Legende des Sprungs des verliebten Hirten gefertigt worden war. Der hatte sich in die Falsche verliebt, die forderte ihn nämlich heraus, sich für sie an seiner Lanze dreimal über den Abgrund zu schwingen, dann würde sie ihn heiraten. Er schaffte den ersten Sprung im Namen Gottes, den zweiten im Namen der Jungfrau Maria, aber im Namen seiner Geliebten stürzte er ab und wurde nicht mal mehr jemals gefunden. Das hat der blöden Tussi dann zwar ihr Leben lang leid getan, aber da war es zu spät.
Einen Kaffee und Kuchen zum Frühstück konnte man bei dieser Pause in der Bar auch kriegen, das war nett, denn die Banane hielt nicht so gut vor. In der Bar wurde dann von den beiden Damen hinter dem Tresen Happy Birthday auf Spanisch intoniert, nachdem sie erfuhren, dass Maurice Geburtstag hat und sie schenkten ihm zwei Bananen, weil sie grad nichts anderes hatten. Das war echt nett. Die Bananen hab ich dann eingesteckt, weil er keine Tasche dabeihatte, und so hab ich die aus Versehen heute Abend mit nach Hause gebracht. Nachschub. Die Bananen verfolgen mich hier langsam. Sie sind auch auf der Insel glaub ich öfter mal eine Art Währung, so wie auch die Avocados. Davon hat man leicht zuviel und schenkt sie dann weiter als Good-Will-Aktion.
Wir fuhren die ganze Küstenstraße auf der rechten Seite entlang und sollten dann von San Miguel (Ihr erinnert Euch vielleicht noch, da war ich doch grade erst) zu Fuß nach Charco Azul laufen (daran erinnert Ihr Euch auch). Ich sagte, oh bitte, bitte, mach, dass er da hält, wo ich mein Auto abgestellt hatte. Denn der einzige Ort, wo der verlorene Ring noch sein konnte außer auf der Plattform neben dem Charco Azul, wo man mir ja auf Telegram per Sprachnachricht Bescheid gesagt hatte, dass da nichts zu finden war, wäre an diesem Parkplatz. Also eigentlich eine Parklücke zwischen 3 anderen Autos an der Straße. Was soll ich sagen? Der Bus hielt pfeilkrumm genau an dieser Stelle, wo mein Auto geparkt hatte (ohne dass ich was gesagt hätte). Ich brauchte nur unter die parkenden Autos zu schauen. Leider fand ich da nichts. Jedenfalls war ich jetzt da und brauche mir keine Illusionen mehr zu machen. Dann liefen wir den Weg durch San Miguel und am Meer entlang (Camino Convento), den ich neulich so gerne gegangen wäre, dann aber nicht wusste, wie weit das ist und ob ich es schaffe, wieder zurückzukommen.
Wir waren mit Informationen, die der kompetente und sprachlich total fitte Guide uns gab, 40 Minuten unterwegs. Lernten Neues über den Bananenanbau, ich dank meines exzessiven Museumsbesuch etwas weniger viel als die anderen. Immerhin konnte ich dann fragen, wieso hier die Bananenblüten (er nannte sie Herz der Banane) nicht gegessen werden, sondern einfach weggeschmissen oder als Viehfutter verwendet werden. Dazu erklärte mir der Guide, der das auch kannte, dass man damit andernlands leckere Sachen kochen kann, dass es sich bei der hauptsächlich hier angebauten Bananenart um eine andere Sorte handele, deren Blüte so säurehaltig sei, dass die nicht schmecke. Dafür seien die Bananen selbst aber besonders süß.
Am Charco Azul war ja die Destillerie, deren Chef für mich sogar versucht hatte, eine Unterkunft zu organisieren, und er erinnerte sich auch an mich, als wir im Pulk seinen Laden füllten. Wir sahen uns erst die angrenzende Halle an, in der die Maschinen stehen, mit denen das Zuckerrohr für seine Produkte ausgepresst wird. Am 3. März würde es gebracht. Das sei also kein Museum, sondern verwendete Geräte. Es gab auch eine große Destillieranlage, wie sie in Brasilien für Cachaza verwendet wird. Nach der Besichtigung wurden wir dann schon in den Vormittagsstunden abgefüllt. 13 Sorten Rum waren in der Tour kostenlos inklusive. Ich probierte drei. Ich glaube nicht, dass jemand unter den Teilnehmern besonders schlimm zugeschlagen hat, jedenfalls machte sich hinterher keiner unangenehm bemerkbar. Wir waren auch schon dreisprachig gewarnt worden, dass zwar hinter dem Busfahrer eine Scheibe sei, aber nicht hinter dem Reiseleiter, und so sollten wir bitte mehr als rechtzeitig Bescheid geben, falls es wem schlecht würde, sie hätten da schon unangenehme Dinge erlebt.
Ich habe einen Rum mit Chili und paar anderen Gewürzen gekauft, der tatsächlich chiliger mundet als derjenige, der als der Chili-Rum ausgezeichnet ist. Der schmeckt nämlich im Untergrund noch sehr dominant nach Rum, was ich nicht mag. Eigentlich ist Rum nicht so mein Ding. Ich hatte von dem nämlich mal eine unvergessliche Überdosis, und zwar mit sechzehn. Upsi. War nicht immer so brav. Immerhin hat mein Hirnchen nicht so viel Schaden davongetragen, ich kann mich noch dran erinnern.
Nach unserer kleinen Wanderung fuhren wir dann endlich in mir völlig unbekannte Gefilde. In Barlovento war ich wirklich noch nicht gewesen. Hier war es richtig kalt, und der Wind pfiff. Überhaupt war es heute sehr bedeckt und diesig, und später stülpte sich dann auch noch die Calima-Dunstglocke über die Insel. Auf dieser Seite der Insel sei es aber eigentlich immer kühler und schattig-dunstig-feucht-neblig. Wie schön, dass ich mein Domizil auf der anderen Inselseite habe…!
Wir gingen dort auf Erkundungstour in La Fajana. Dort sind noch viel größere Meerwasserbecken als in Charco Azul, aber die Stimmung hier war nicht so schön. Alles war finster und schattig am Wasser. Und das Meer außerhalb der Becken brauste und wütete ungeheuerlich. Die Wellen überschlugen einander und kämpften um Vorherrschaft, rangen sich jeden Meter gegenseitig ab, denn sie kamen von rechts und links gleichzeitig und trafen in der Mitte aufeinander, wodurch sich manche Wellen ungeheuerlich verstärkten. Da war dann so ein Kessel, in den alles unter gigantischem Getöse hineinbrandete. Wäre man da hineingefallen, hätte es einen wahrscheinlich hilflos herumgeschleudert und komplett zermalmt. Diese Urgewalten haben schon etwas Furchterregendes. Das Wasser wütete auch seinen Weg bis in die Meerwasserschwimmbecken hinein. Da wäre jetzt auch nicht gut Plantschen…
Mittagessen durften wir uns in Los Sauces gönnen. Aber ja nichts, was lange dauert! Papas Bravas wurde uns angeraten. Nun, ich hatte jetzt gerade genug von diesen Kartoffelkreationen, die irgendwie immer anders aussahen, als man sie sich vorgestellt hatte. Maurice wusste das nicht und bestellte sich welche. Dann stellte sich heraus, dass er Pommes eigentlich nicht mag. Das waren aber Pommes. Mit Thunfisch und einer ganzen Tüte geriebenem Käse oben drauf (nicht etwa überbacken). Nicht wirklich ein Geburtstagsessen. Ich war jedenfalls froh, ein Sandwich bestellt zu haben.
Derart gestärkt wurden wir nun zur letzten Kraftanstrengung gekarrt. Am Cubo de la Galga durften wir dann wandern gehen. Vorgabe: halbe Stunde hoch so weit wir kommen und halbe Stunde wieder zurück. Ich weiß ja, wie schneckenmäßig lahm ich vorankomme, und es ging ausschließlich bergauf, aber der Kavalier blieb bei mir und half mir vorwärts. Somit haben die anderen sicherlich eine sehr viel weitere Strecke zurückgelegt als wir, aber sie berichteten, dass auf dem restlichen Weg auch nichts anderes zu sehen gewesen sei.
Gut, gesehen haben wir ja was. Das ist ein sogenannter Lorbeerwald. Außer den Lorbeerbäumen gibt es interessante Felswände, riesige Wurzeln, die vor den Felswänden herunterzotteln, lianenartige Stränge von irgendwelchen nicht näher definierbaren Pflanzen, Spinnweben, ein trockenes, felsiges Flussbett und hohe Laubbäume verschiedenster Art. (An der Cumbrecita neulich waren es lauter Pinien) Jedenfalls wäre es sehr schön dort, wenn der Weg flach wäre. Maurice war erstaunt, dass ich auf dem Rückweg, wo es bergab ging, zehn Minuten weniger lang brauchte, so dass wir unnötig früh da waren.
Nach dieser Kraftanstrengung (heute 8,4 km und angeblich „30 Etagen“ hinter mich gebracht, außerordentlich viel für meine Verhältnisse) ging es dann zurück. Wir wurden dann in Los Cancajos in einen Bus gesetzt, der, wie ich mit der Zeit feststellte, völlig in die falsche Richtung fuhr. Nämlich Richtung südliches Ende der Insel (wo ich auch noch nie war). Er umrundete dann die äußerste Spitze der Insel, so dass wir in Fuencaliente bei den Salinen wieder herauskamen. Von dort ging es dann Richtung Lavafelder, aber dann zurück nach Puerto Naos. Dort wurden alle außer uns beiden rausgelassen. Wir befürchteten schon, dass wir total im falschen Bus wären, aber dort sagte der Fahrer dann, nene, er fährt schon bis Los Llanos. So machten wir also zum Heimkommen eine halbe Weltreise, die quasi doppelt so lange wie die Hinreise dauerte.
Nun gut, dadurch habe ich jedenfalls jetzt die gesamte Inselküste gesehen. An die untere Spitze muss ich dann glaube ich nicht unbedingt. Allerdings sollen da unten irgendwelche Höhlenschriftzeichen sein. Vielleicht doch. Aber nicht so schnell. Momentan stürmt es jetzt total, vielleicht wegen der Calima. Und morgen habe ich Zeichenkurs im Freien. Mal sehen, ob das geht. Bei Mistwetter muss ich nicht im Regen sitzen. Aber vielleicht jagt der Wind die Wolken ja jetzt alle weg!
Glatt oder rau? Gut oder besser? Oder es sich leicht machen? – 31.1.2025
Nach dem gestrigen Mammutausflug habe ich es mir heute ziemlich gemütlich gemacht. Ich nahm allerdings wieder an einem vierstündigen Zeichenkurs bei Leon teil. Diesmal trafen wir uns auf dem Hauptplatz von Tazacorte, wo das Rathaus steht. Dort haben wir verschiedene fröhliche Kritzelübungen gemacht, die mir so besonders viel Spaß machen, weil es wie ein Spiel ist, und ich spiele doch immer noch so gerne. Wahrscheinlich ist jeder andere erwachsen geworden, bloß ich nicht. Und ehrlich gesagt, habe ich nicht die allergeringste Lust, das zu ändern! Und keiner kriegt mich dazu. Das ist mein fester Wille.
Inzwischen bin ich allerdings so gut geworden, mit der linken Hand zu zeichnen, dass das nicht mehr nach Kinderkrakel aussieht, und somit hilft es eher, den Stift in der Hand zu drehen und den Arm kreisen zu lassen, um einen ähnlichen Effekt hervorzurufen. So eine rohe Ursprünglichkeit, unbefangen, naiv, mutig und mit rauer voller Kleinkinderstimme. Mein Sohn hatte als Kleinkind immer so ein schönes rauchiges Timbre in seiner Klangfarbe, ein herrliches dunkles Pfirsichorange. So wie ich seine Stimme noch im Ohr habe (jetzt ist sie auch schön, männlich und herb, etwas blasser und flacher als damals, wo seine Melodie mir ganz einzigartig erschien – aber wahrscheinlich liegt es auch daran, dass eine Mutter ihr Kind einfach innig liebt), so möchte ich zeichnen können. Animalisch, vital, dezidiert, ungeschliffen und trotzdem voller Liebe und Lebensvertrauen.
Heute haben wir uns dann mit Perspektive beschäftigt. Einen Würfel als Anschauungsbeispiel genau beobachtet, welche Linien wohin kippen, wenn man den Würfel bewegt. Nach oben oder nach unten? Wo wird es enger, wo sind sie kürzer, wo führt das hin? Wo sind die Fluchtlinien? Leon half uns, das zu verstehen, auch da, wo wir es selbst gerade nicht sehen konnten. Dann mussten wir das Rathaus zeichnen. Himmel hilf, wie viele Linien das hat! Und das ist alles gar nicht logisch! Die eine Seite hat andere Fluchtlinien als die andere! Was haben die sich denn beim Bauen gedacht! Der Gehweg ist auch noch krumm und schief. Und die Fenster sind nicht mal in einer Reihe!
Und das Haus hat viel zu viele Fenster. Ich habe 6 Stück reingezeichnet, wie es sich gehört. Dadurch ist das Haus jetzt einfach zu lang. Eine andere nur 4, dadurch sieht es eher aus wie in echt. Krass. So frei zu sein, auf diese Weise zu vereinfachen, muss man auch mal lernen. Faul sein könnte auch helfen. Ich stelle immer wieder fest, wie ungenau ich überhaupt hinschaue. Ich zeichne das Untergeschoss und denke mir, das Haus habe ich aber fein hingekriegt. Und dann erst stelle ich fest, dass es auch ein Obergeschoss hat. Au weia!
Mit unserem Sucherrahmen aus Sperrholz versuchten wir, die Abweichung der Winkel festzustellen. Wow, die Linie geht noch viel schräger nach unten, als ich gedacht hatte! Der Winkel ist ja in echt noch viel extremer, als ich das sehe. Wenn man über den Sucher einen Bleistift legt, der den Winkel zeigt, kann man ihn dann auf dem Blatt entsprechend ziehen. Wenn man die Finger am Bleistift verrutscht, kann man messen, wie breit das ist, was man zeichnen will und die Länge aufs Papier übertragen. Man kriegt dann alles prima hin, es verdirbt allerdings die schöne Unzulänglichkeit. Dann kann man wieder mit der linken Hand ein paar glatte Linien ungelenk erscheinen lassen, um den alten Charme wiederherzustellen. Aber erst, nachdem alles vorher perfekt ausgeklügelt war.
Habe heute viel gelernt. Auch dass es beim Zeichnen genauso ist wie im echten Leben. Und genau hier, muss ich relativieren, was ich oben schrieb – „ich habe es mir heute gemütlich gemacht.“ Ich habe eine riesige Tendenz, davonzulaufen, wenn es schwierig wird. Am liebsten hätte ich heute alles einfach hingeschmissen und mich nicht weiter bemüht. Ne, kann ich halt nicht. Dann hab ich mir aber gesagt, wie blöd das wäre, und dass ich ja freiwillig bei Leon bin, weil ich was lernen will. Wenn ich einfach aufgebe, lerne ich dann eben nichts und komme nicht weiter.
Und dann ist es gegangen. Zwar nicht toll, aber es ist besser geworden, als ich vermutet hatte. Jeden Tag ein Stückchen besser. Auch wenn Leon auf die Frage, ob er meint, dass ich Fortschritte mache, antwortet: „Naja, entwickeln tut sich jeder immer und täglich, in die eine oder andere Richtung.“ Mein Ego, die Schwurbelline sagt sofort: „Vielleicht meint er ja, du machst halt keine Fortschritte oder wirst sogar immer schlechter. Jetzt ist er zwar enttäuscht, will das aber diplomatisch rüberbringen. Vielleicht meint er ja, du lernst einfach zu langsam.“
Vielleicht meint er aber auch, vorher war es auch schon in seiner Art gut, jetzt wird es halt anders. Vielleicht meint er, er sagt mir nicht, dass es vorher ziemlich mies war, weil es eben gar nicht mies war. Vielleicht ist es einfach nicht gut, irgendjemanden an irgendwas zu messen, weil die Kreativität sonst auf der Strecke bleibt. Vielleicht ist bewerten einfach überflüssig, weil jeder auf seine eigene unnachahmliche Weise etwas schafft. Ob beim Zeichnen oder auch im Leben, in allem was jemand tut. Vielleicht ist das eine Lebensphilosophie. Lass den anderen sein, wie er ist, alles ist gut, was er tut. Alles hat seine Berechtigung.
Am Abend habe ich dann eine Klangheilungssession mit Andreas Goldemann mitgemacht. Mit seltsamen Frequenzen, die an liturgische Gesänge, tibetanische Mönche und bulgarische Volkskunst erinnern, dazwischen altkeltische Sätze - falls es das ist und nicht eine spontane lautmalerische Eingebung - erzeugt er ein seltsames Spannungsfeld und später Entspannungsfeld. Man fühlt sich irgendwie gereinigt und befriedet. Es hat einen Effekt, wenn man sich darauf einlässt. Ich muss zugeben, bei den ersten Malen konnte ich das nicht, weil es mir zu fremd und unglaubwürdig erschien, aber inzwischen sehe ich es als eine Art Meditation, die mir tatsächlich wohltut.
Und dann hat mich Jarka aus Deutschland angerufen, fast zwei Stunden. So gerne wäre sie auch hier. Geht halt nicht. So kann ich sie höchstens im Geiste in meine Erlebnisse mit einbinden. Und drüber schreiben. Hier ist sowas wie ein sorgenfreier Raum. Keine Familienfehden, keine Kleinbürgerlichkeiten, keine Politik, keine AfD, kein Krieg, keine Panikmache, keine Hetze, keine Fake News, keine blöden Abstimmungen über Migration, keine schlechten Energien, weder im Großen, noch im Kleinen. Nicht die Insel der Glückseligkeit, aber doch eine ganz gute Basis, um glücklich zu sein. Auch eine Frage der Perspektive! Ich bin echt dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, hier zu sein und das kennenzulernen.
Es geht auch ohne - 1.2.2025
Kein Tag der Sensationen. Ein stiller, ruhiger Tag stattdessen. Ich hatte es eigentlich anders vorgesehen, hatte heute geplant, zu einem Zeichenkurs zu gehen und abends zum Tanzen. Dass ich zu dem Zeichenkurs gehe, habe ich aber nicht laut gesagt, sondern nur für mich selbst beschlossen, und da Leon zu wenig Teilnehmer hatte, hat er dann den Kurs heute gar nicht stattfinden lassen, das aber auch nicht gepostet. Schließlich muss er ja auch von Garafía bis hierher fahren. Ich war deshalb am Hafen unten, ein paar Minuten verspätet, aber nicht viele und dachte – hä? Wo sind die so schnell alle hin? Dann habe ich sie halt gesucht, die Gruppe.
Erst ging ich in die eine Richtung und landete so mal endlich auf dem Wellenbrecher, der den Ort wirklich beendet. Da geht nichts mehr. Hinter dem Wellenbrecher ist ein furchtbar steiniges Areal. Da sah ich ein nacktes Kind herumlaufen und vermutete, dass da wohl das FKK-Gebiet hinter der Ecke sein könnte, von dem ich mal gehört hatte. War nicht neugierig auf nackte Menschen und hab deshalb nicht noch versucht, um die Ecke zu kucken.
Am Ende des Wellenbrechers wäre ich gerne auch hochgestiegen, denn es liefen auch Menschen oben drüber, aber mir war das nicht möglich. Da hätte man sich hochziehen müssen, es gab keine Stufen. Dann halt nicht. Auch hier habe ich einfach verzichtet.
Dafür stand ein Fischer da dekorativ und angelte, aber als er seine Angel so weit ausholend hinter sich schleuderte, dass ich den Haken fast in die Wange geschossen bekam, habe ich es auch ohne weiteres Zuschauen ausgehalten. Dafür habe ich entdeckt, dass es an diesem Ortsende tatsächlich Duschen am Wasser gibt und das Meer heute auch total friedlich war, so dass ich mich hineingewagt hätte, ohne Angst, umgeworfen zu werden. Nur hatte ich heute kein Badezeug für den Zeichenkurs mitgebracht. Musste das Meer ohne mich auskommen.
Dann ging ich noch in die andere Richtung, gab aber auf. Der Strand ist immer noch aufgeschaufelt zu einer künstlichen Düne. Zwei Männer erklommen diese und liefen auf ihr entlang. Am anderen Ende zwei verliebte Tauben, die liefen in die andere Richtung, den Männern entgegen. Als ich meine Kamera so eingestellt hatte, dass ich beide Enden drauf bekommen hätte, waren die Männer aber abgestiegen. Schade. Sah nämlich toll aus – nur die Silhouetten gegen die Sonne, schwarz gegen orange.
Im Lokal, wo wir sonst zeichnen, fragte ich dann den Kellner, als er eine Viertelstunde, nachdem ich mich hingesetzt hatte, endlich kam, nach Leon. Der sagte, er hätte das heute abgesagt, käme aber morgen. OK, also habe ich keinen Kurs verpasst, nur meine Zeit ungünstig eingesetzt, denn dann hätte ich halt ganz was anderes machen können. Aber ich war ja heute auch nicht untätig gewesen, hatte insgesamt fast vier Stunden mit den Lieben daheim telefoniert. Das war doch auch wunderschön, dass man sich auf Distanz trotzdem so nah sein darf. Und dank Europaflatrate auch nicht so wie früher: „Bin angekommen. Alles gut. Bin gesund, Sonne scheint, ciao, wird zu teuer!“
Wenn ich dann schon in unserem Zeichencafe saß, hab ich halt auch was gezeichnet. Einen schönen Baum hatte ich dort noch nie ins Visier genommen, das habe ich dann nachgeholt, auch eine Meertraube, von der ich schon am 21.12.2024 schrieb. Ich finde diese Bäume interessant und dekorativ. Ihre runden Blätter sind ungewöhnlich.
Der Kellner hat mich dann auch wieder vergessen, so dass ich mir überlegt habe, ob ich weiter Verzicht übe, das war dann aber schon ein bisschen zu viel für einen Tag, also erinnerte ich ihn nochmal erfolgreich.
Bei der Rückkehr zum Auto kam ich mal wieder an dem Lieferwagen des alten Mannes mit Obst und Gemüse vorbei. Er stand da völlig arbeitslos, wie schon auf dem Herweg, und so fragte ich ihn, ob das jetzt der Markt sei, von dem ich gerade gelesen hatte, dass er jeden 1. Samstag hier am Hafen stattfände, und er erklärte, der fände schon lange gar nicht mehr statt. Um ihm eine Freude zu machen, kaufte ich einen Strauß Blumen. Für drei Euro bekommt man so tolle Gewächse hier! Die anderen waren genau heute verblüht, die ich vor drei Wochen bei ihm gekauft hatte. Ich sagte ihm das auch, damit er sich freut. Dann nahm ich ihm noch ein Kilo Mandarinen ab. Statt mich jetzt bevorzugt zu bedienen, packte er mir faule Mandarinen mit rein, die musste ich zu Hause erstmal aussortieren und wegwerfen. Seltsames Geschäftsgebaren.
Auf dem Weg nach Hause wollte ich an der für heute angesagten Veranstaltung vorbeifahren, um zu sehen, ob die denn stattfände. Ich hatte nämlich nie wieder irgendwas über diesen Abend gelesen. Angeblich sollte heute von 17 bis 23 Uhr Tanz auf dem Hauptplatz sein mit lateinamerikanischer Musik. Ich sah zwei große Boxen, die da aufgestellt waren. Es plätscherte irgendeine seichte Musik. Ich hatte extra die Autofenster sperrangelweit offen, konnte aber fast nichts hören. Also fuhr ich heim und setzte mich auf die Terrasse, damit ich mitbekomme, wann es richtig losgeht. Bis vor kurzem hatte ich keinen Ton gehört. Inzwischen habe ich dann halt noch eine Heilungssequenz von Herrn Goldemann angehört. Jetzt endlich, um 21:15 Uhr ertönt von unten ein bisschen Musik, aber es ist richtig kalt geworden hier. Ob ich noch runtergehe, oder übe ich mich weiter im diesmal selbstgewählten Verzicht?
Friede, Freude, Eierkuchen – 2.2.2025
Gerade komme ich aus einer großen, gewaltigen Friedensmeditation. 29.625 Leute haben online zeitgleich daran teilgenommen, und das ist Weltrekord gemäß der anwesenden Guinness-Book-Preisrichterin. Es war ein magisches Zeitfenster! Die zielgerichtete Kraft all dieser Menschen mit derselben Vision! Wir haben unsere gute Energie in die Welt eingespeist, und da wird sie bleiben, denn Energie verschwindet nicht einfach, wie ihr aus dem Physikunterricht wisst. Und da 85.000 angemeldet waren, werden bestimmt ganz viele die Meditation auch noch hinterher ansehen, weil sie jetzt gerade keine Zeit hatten, aber im Prinzip daran interessiert sind, die Welt besser und ruhiger und wieder schön zu machen, eine Welt, in der wir gerne leben möchten, ohne die Schwierigkeiten, die im Moment so sehr auf uns lasten.
Ich sage uns, nicht weil das hier der Fall ist, aber in absehbarer Zeit bin ich wieder daheim, und dann geht es wieder los. Ich hoffe, dass bis dahin die von uns heute gesandte Energie der Akzeptanz und der Verwandlung in etwas Positives, unsere Fähigkeit, aus Mist Gold zu machen und Unedles in Edles zu verwandeln, und der Input von allen, die danach noch kommen und ihre Good Vibes mit in den Topf werfen, sich kumulieren und Positives in die Wege leiten für alle, bei denen es unfriedlich zugeht, die aggressiv und hassgeladen sind, deren Schmerz zu groß ist, so dass sie dadurch den Nächsten nicht mehr einfach so sein lassen können, wie er ist, sondern darüber nachsinnen, wie sie ihm Schaden zufügen und Macht über ihn ausüben können. Unsere riesige Energiewelle hat sich bereits ausgebreitet und wird eine besänftigende Wirkung ausüben. Ich glaube fest an die Kraft dieser guten Gedanken!
Dieser Meditationsabend war der Abschluss eines schönen Tages, auch wenn er für mich sehr anstrengend begonnen hatte. Soll ich lieber von hinten anfangen? Vielleicht mache ich das mal. Also vor der Meditation war ich am Strand und habe den schwarzen Sand unter meinem großen Tuch versteckt, so dass er mir keine Schmerzen zufügt. Dieser Sand ist sehr schnell unglaublich heiß. Dann habe ich gelesen angesichts der an dieser Stelle immer noch für mich unbezwingbaren Wellen, habe mein schönes Buch genossen, ohne einen Gedanken ans Baden zu verschwenden. Ein Buch von Julio Cortázar, das mir jemand geschenkt hat, und dessen Schreibe mir ausnehmend gut gefällt. Wie sehr, werdet Ihr bald wissen.
In der ganzen Zeit am Strand hatte ich wieder mal Besuch von einer Fliege, die mich einfach nicht in Ruhe ließ. Ich versuchte, der Fliege achtsam zu begegnen, zu akzeptieren, dass sie da ist und habe mir gesagt: Dass die Fliege da ist, ist ein Zeichen, dass der schreckliche Wind weg ist, der mich in der letzten Zeit so gestört hatte. Wäre er noch da, könnte sie sich nicht halten. Sie ist also ein Bote einer guten Nachricht.
Dann gehen wir wieder ein Stück zurück. Davor war auch schon etwas – heute habe ich mich mit der Freundin von Judith, die ich kennengelernt hatte, auf ein Frühstück im Lokal Belvedere getroffen. Ich habe heute mit der alten Regel gebrochen, dass dort immer alles schlecht schmecken muss, weswegen man wiederkommen muss, um der Küche noch mal eine letzte Chance zu geben. Ihr erinnert Euch vielleicht an das Spielchen, das ich beschrieben habe. Heute hat es einfach prima geschmeckt, und das durfte auch so sein.
Unser Gespräch war auch sehr angeregt. Ich habe etliche gute Tipps mitnehmen können, wir haben gelacht und einen schönen Brunch miteinander verbracht. Eventuell machen wir ja in meiner weiteren Zeit hier noch den einen oder anderen Ausflug miteinander. Quasi unter Anleitung vom Profi, was es hier so gibt, oder wo man übernachten kann. Ahaaaa! Genau, Margarita hat da Unterkünfte in petto. Dann würde sich das mit dem Zurückfahren am selben Tag auch entspannen. Sowohl im Stockfinsteren wie auch im Abendlicht, wenn einen die Sonne auf den Serpentinen in die Augen sticht, so dass man immer Angst hat, die nächste Kurve womöglich zu forsch zu nehmen oder einen Radler zu übersehen, ist es einfach ungut, hier herumzukurven. Das wäre dann damit nicht mehr erforderlich.
Nach unserem Treffen in guter Energie gingen wir zusammen noch in eine Ausstellung, von der wir beide gerade erst erfahren hatten, die aber nur bis heute geht. Das war eine Bereicherung, denn die Künstlerin kannte ich noch von dem Tag der offenen Ateliers, und auch mit ihr habe ich dann eine tolle Unterhaltung geführt (auf Spanisch), während Margarita mit einer weiteren Bekannten, die wir zufällig getroffen hatten, bereits davonstrebte.
Die Künstlerin, Naza Martín, hat mir erlaubt, ihr Gemälde aus dem Zyklus „Der Artenkatalog“ (Meerestiere würde ich sagen) zu fotografieren. Sie hat auch eine sehr lebendige Energie und fertigt ihre Bilder in den stillen Stunden an, wenn sie vom Tag mit ihren Kindern runterkommen möchte. Das hat dann für sie so eine beruhigende Qualität, ihre Zeichnungen mit den 0,3 mm Tintenstiften zu komponieren. An einem, das auch preisgekrönt ist oder dafür nominiert (habe nicht komplett verstanden) hat sie einen ganzen Monat gezeichnet. Ich verließ die Ausstellung mit hervorragender Stimmung.
Und jetzt kommen wir zu den Ereignissen des Morgens. Oder noch nicht ganz. Ich muss erst noch von gestern Abend berichten. Ihr erinnert Euch – der Tag war gelaufen, der war nicht sonderlich toll, und ich saß da, und überlegte, ob ich mich wirklich noch aufraffe, jetzt wo ich endlich Musik aus dem Ort höre, da noch hinunterzugehen. Eigentlich hatte ich echt keine Lust mehr, und es war kalt geworden. Aber dann hab ich mich selbst am Schlafittchen gepackt und mir gesagt – wenn schon der Tag nicht so gut war, dann gib ihm halt noch eine Chance. Wir gehen jetzt da runter, du, Manu, und ich, Manu, und schlimmstenfalls haben wir halt einen weiteren Spaziergang gemacht.
Und dann war ich mit Manu da unten, und ich stellte fest, es gab sogar zwei Stellen, an denen Musik gespielt wurde. An der Bar Marmotta an der Hauptstraße ging ich vorbei und weiter zum Rathaus, wo es ja eigentlich stattfinden sollte, und dort habe ich dann auch zwei Stunden lang getanzt. Die haben den vorgegebenen Zeitplan (Ende um 23 Uhr) überzogen, weil die Leute alle dafür waren. Ob sie das toll fanden, dass ich da ganz allein tanze, des Salsas und Bachatas nicht mächtig, in meiner eigenen Façon war mir egal, ich habe einfach gezeigt, dass ich noch Lebensfreude in mir trage und kein altes verbiestertes Weiblein bin. Außerdem war ich ja nicht ganz allein, Manu war ja dabei. Ich denke, durch mein Schuhwerk (Turnschuhe) habe ich den Tänzern sowieso signalisiert, da ist Hopfen und Malz verloren, die brauchen wir nicht aufzufordern, aber ich habe mich neben all den anderen Paaren, wo die Frau hohe Schuhe trug, tapfer behauptet und mir durch das Tanzen jede Menge angestauten Griesgram umgewandelt in beschwingte Heiterkeit und sprühend gute Laune. Nicht umsonst habe ich daheim ein Schildchen im Gang hängen, auf dem steht: Tanz mal drüber nach!
Als die Schar sich am Rathaus zu sehr ausdünnte (nur noch zwei Leute außer mir) machte ich mich auf zum La Marmotta. Da waren sie auch noch am Tanzen. Aber als ich mich dort niedergelassen hatte (die haben alte Metallfässer zu Stühlen umgemodelt) und ein Glas Rotwein bestellte (der sehr gut war), stellte ich fest, dass ich eigentlich total müde war. Somit habe ich nur mehr zugeschaut, bis auch hier alle nach Hause gingen, und das tat ich dann auf.
Und folglich habe ich für heute einen Wecker gestellt, damit ich bloß nicht unseren Brunch verschlafe nach der langen Nacht. Der Wecker ist mein Handy, das lag oben auf dem Bettaufbau hinter dem Kopfkissen. Um den Wecker auszumachen, musste ich im Tiefschlaf nach dem Handy greifen, und dadurch habe ich irgendetwas heruntergefegt. Ich hörte ein lautes Geräusch, es musste also etwas Größeres gewesen sein, ein bisschen schwer. Dann fing ich an, noch ganz benommen danach zu suchen, und stellte fest, dass mein gefräßiges Bett, das den Ring verschluckt und nicht wieder ausgespuckt hatte, diesmal mein Buch, in das ich mich gerade verliebt hatte, gefressen hat. Und es war nirgends zu sehen. Nicht zwischen Matratze und Holz, und auch nicht irgendwo am Boden. Mit der Zeit stellte ich mit der Taschenlampe vom Handy fest, dass ein winziger Zipfel des Buchs zwischen dem Lattenrost von ganz unten am Boden in der Mitte des Bettes rausschimmerte. Das Bett hat rechts und links riesige Schubladen, die es komplett abschließen. In der Mitte ist ein kleines Stück, in dem keine Schubladen sind. Da war das Buch.
Leider hatte ich erst ein Drittel gelesen und so wollte ich es nicht liegen lassen. Somit fing ich an, das Bett abzuräumen, um da runter zu kommen. Die obere Matratze konnte ich noch hinunterheben, obwohl die sicher zwanzig Kilo wog, aber die drunter – keine Chance. Und somit konnte ich auch nicht an den Lattenrost. Ich kniete mich unter der Matratze, von der Matratze fast erschlagen auf den Lattenrost mit meinem kaputten Knie (nach dem Fahrradunfall vor etlichen Monaten immer noch sehr schmerzhaft) und merkte, dass ich mit dem Arm nicht durch den Rost komme. Also nochmal herausgewälzt unter der schweren Fracht (eigne mich nicht als Packesel), in Ermangelung sinnvollen Werkzeuges einen Schöpflöffel aus der Küche geholt, um mit dem das Buch zu verschieben und irgendwie anzuheben. Verschieben ging, leider unter eine Latte, wo es nicht mehr rausging.
Somit musste ich nochmal aus dem Bett heraus, die Schublade so weit wie möglich herausziehen (man konnte sie nicht herausnehmen, weil der Abstand zur Wand zu gering ist), und dann kroch ich unter den Lattenrost, mit Lattenrost und Matratze auf mir lastend. (Wäre ich nicht mehr rausgekommen, hättet ihr künftig auf Eure Abendlektüre verzichten müssen.) Irgendwie kam ich aber mit dem Buch völlig entkräftet und am ganzen Leib zitternd wieder hervor, mit Striemen auf der Schulter vom Lattenrost, der mir denn noch auf den Fingernagel schnalzte, als ich ihn fallenließ. Freudengeheul!
Als ich so nach Luft schnappend und staubmausverziert neben dem Bett stand, stellte ich fest, dass sich die Matratze in die andere Richtung verlagert hatte und oben ca. 10 cm des Lattenrostes im Freien stand. Somit ging ich, von der zweiten Matratze am Boden ziemlich behindert, auf die andere Seite, um die auf dem Bett befindliche Matratze wieder zurückzuschieben. Und da sah ich: zwischen dem Lattenrost und dem Bettrahmen, unter einem Holzbrett glänzte etwas!
Da mein Ring mit den hellblauen Steinen ja vom Bett gefallen war und einfach trotz wildester Suche nirgends zu finden war, dachte ich mir – das kann nur der sein! Und so war es. Da stand er, senkrecht auf dem Lattenrost, eingeklemmt, zwischen dem Rost und dem Holzbrett an einer Stelle, wo ich ihn sonst nie im Leben wiedergefunden hätte – und Judith sicher auch nicht. Ich konnte ihn nur auf diese Weise finden, wie es passiert ist! Freudengeheul! Mit Tränen in den Augen. Danke danke danke, liebe Polterelster, dass du den Ring wieder zurückgegeben hast! Zwar auf eine für mich nicht so sehr erfreuliche Weise, aber immerhin. Ich habe es meiner Coachin berichtet, und dass die Polterelster mich wohl erstmal noch bestrafen wollte, bevor sie den Ring herausrückte, den wir von ihr wieder zurückbestellt hatten, bzw. gemeinsam daran gearbeitet haben, die universelle höchste Ordnung wiederherzustellen.
Meine Coachin sagte mir: Nein, so ist das nicht, bestrafen kann dich niemand, das machst du nur selber. Darüber habe ich dann nachgedacht. Also sehe ich die Aktion heute nicht als Strafe durch die Elster an, sondern freue mich an der Rückgabe und den unerfindlichen Wegen des Schicksals. Hätte ich nicht nach dem Buch in dieser kraftaufwendigen Weise gesucht, wäre der Ring nicht mehr ans Tageslicht gekommen. Und so hatte ich dann Grund, mir beim Frühstück heute zur Feier des Tages etwas richtig Leckerer zu gönnen! Und so ist aus dem Tag, der mit Mist anfing, Gold geworden. Fantastisch, oder?
Tag des Ladens - 3.2.2025
…so könnte man diesen Tag umbenennen. Es gibt ja gefühlt alles, vom Tag der krumpeligen Papiertüte über den Tag des dreijährigen Meerschweinchens bis zum Tag des multiplen Orgasmus. Heute also Tag des Ladens. Es fing damit an, dass mein Handy mir anzeigte, ich habe Null Nachrichten und Null Emails und dass meine Freunde alle beschlossen hätten, ihren Online-Status nicht mehr zu erkennen zu geben. Eine Suche im Internet ergab, dass das Internet selbst streikte. Als ich dann die deutsche Simkarte aktivierte, kam plötzlich alles dahergerauscht – pling pling pling pling… Es wollte gar kein Ende nehmen. Tja. Also Problem mit der Simkarte. Eine SMS von Orange, dem Kartenprovider, besagte, ich sei auf Minus 3 Euro gelandet, warum auch immer. Ich solle mindestens 5 aufladen, sonst tote Hose.
Von toter Internethose ist man nicht so ganz begeistert, wenn man stetig Online-Seminare macht und einen Blog führt. Also musste ich nach Los Llanos, um wieder Guthaben aufzuladen. Man entließ mich um 20 Euro ärmer (150 GB) frohgemut in den Ort, der zu so früher Stunde, wie ich ausnahmsweise unterwegs war, sogar offen hatte. Ich war also in diversen Läden und schaute mir Sortimente an, weil ich nichts Besseres zu tun hatte, von denen ich nicht sonderlich profitieren würde, außer in einem Laden, wo es ein Angebot für Koffer gab. Davon muss ich evtl. noch Gebrauch machen. Aber solange ich nicht weiß, ob mein Sohn nun herkommt oder nicht, kaufe ich jedenfalls keinen. Zu Hause habe ich eh schon mehr als einen zu viel. Und falls der Sohn herkommt, soll er mit der Menge Zeugs anreisen, die er immer mitnimmt (in seiner kleinen Tasche) und aber das Ganze in einen großen leereren Koffer tun. Den kriegt er dann gefüllt wieder mit nach Hause. Also wie gesagt – falls er überhaupt herkommt.
In einem Laden mit Sportfunktionsbekleidung für die wandernde Mehrheit auf La Palma, zu der ich bekanntlich nicht gehöre, schloss ich schon fast Freundschaft mit einem netten Rentner, der heute an dieser Stelle stand statt seiner Frau, die genau heute nicht konnte. Wir hatten ein supergutes Gespräch. Ich treffe gerade lauter Leute, die beschlossen haben, im Hier und Jetzt zu leben und das nach Leibeskräften zu genießen. Übrigens kam auch er aus Ingolstadt. Die Welt ist echt dermaßen klein… Irgendwann war es dann aber doch Zeit, irgendwas zu essen, und so begab ich mich auf die Suche.
Als ich im Internet nach dem von ihm empfohlenen Restaurant suchen wollte, stellte sich heraus, dass mein Internet immer noch nicht funktionierte. Nichts half. Ich habe die Apps geschlossen, den Cache geleert, das Handy neu gestartet. Kein Erfolg. Der Laden hatte inzwischen Siesta. Toll. Somit war ich also dazu verknackt, bis zur Wiederöffnung am Abend in Los Llanos zu bleiben. Das von dem netten Rentner empfohlene Restaurant, das 100 m weiter oben sein sollte, war eher 400 m entfernt, was für einen Wanderer schlecht zu unterscheiden sein dürfte, die sind ja eh gern und gut zu Fuß. Dafür sprach mich eines an, das knallblau gestrichen war und Frida hieß und was Indisches im Angebot hatte. Von den grausen Fischkroketten habe ich langsam genug, drum habe ich das gerne mal ausprobiert.
Während der Wartezeit habe ich mit meinen wieder mal neu gekauften wasserlöslichen Farbstiften die sich mir dargebotene Straßenflucht auf Papier gebannt, mit der üblichen künstlerischen Freiheit natürlich. Langsam muss ich noch einen 3. Koffer für die Stifte, Papiere und Pinsel einplanen. Als Kind war mein Lieblingsladen das Schreibwarengeschäft diagonal gegenüber von Papas Praxis, da steckte ich meine Nase fast täglich rein. Wortwörtlich in die Hefte und den nach Kampfer duftenden Buchstabenkasten für Abc-Schützen und blähte die Nüstern genussvoll über der Kreide, den Bleistiften, die nach Melone rochen und dem ekligen Tintenkiller, den süß riechenden Radiergummis und den erdverbundenen Holzlinealen. Die kannten mich schon und wussten, wer ich war, und hielten mich sicher für gaga, aber jedenfalls ließen sie mich gewähren. Wenn ich ein bisschen Geld zusammengespart hatte, kaufte ich ihnen auch schöne Schreibwaren ab. Insbesondere fehlgedruckte Papierstapel. Ich brauchte Unmengen von Papier. Papier war meine große Leidenschaft.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass ich nun, da ich schön langsam alt und wunderlich werde, wieder zu den Freuden der Kindheit zurückkehre. Ich habe ja Gründe, mir Malmaterial zuzulegen. Ich nutze es grade. Heute habe ich allerdings auch die Anzahlung für zwei Wochen Mosaikworkshop in Kroatien geleistet. Dafür habe ich auch schon einen Schrank mit Material. So viel Hobby, wie ich mir gönne, hat alles gar nicht Platz in einem einzigen Leben, denke ich manchmal. Wenn ich mal nicht mehr bin, und meine Söhne machen einen Garagenflohmarkt, lohnt es sich für Bastler und Künstler definitiv vorbeizukommen!
Das Mittagessen konnte ich durch die Zeichnerei ausdehnen bis 16 Uhr, da warf man mich dann raus. Ich kaufte noch etwas im Supermarkt im Einkaufszentrum und belud meinen Wagen mit den Vorräten für einen Monat für insgesamt 36 Euro. Das soll mal in Deutschland jemand nachmachen! Nur der schon zuvor in einer speziellen Bäckerei gekaufte Kuchen hatte 4 Euro pro Stück gekostet, was durchaus ein stolzer Preis auch daheim ist, und für einen Palmero wahrscheinlich völlig unerschwinglich.
Ich trödelte danach seeeehr langsam zu dem Laden von Orange, wo dann geöffnet war, als ich ankam. Es kostete die Dame, die sich jedes Mal meiner annimmt, auch ein halbstündiges Telefonat, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen, was auch immer da los war. Systemfehler erzählten sie mir. Na gut. Wie auch immer, war jedenfalls für mich ziemlich blöd gewesen. Aber ich habe indisch gegessen und ein paar neue Straßen entdeckt, die ich noch nicht kannte. Mit schönen bunten Häusern und Geschäften. Die dann am Abend endlich auch geöffnet waren.
Ein Laden mit bequemen Schuhen zum Beispiel war interessant, aber leider hatte er nicht das, was ich suchte, genauso wenig wie der Laden mit den bunten Wanderschuhen. Eigentlich brauche ich langsam so etwas, aber es gibt halt keine, in die man einfach hineinschlüpfen kann. Leute, die aus welchen Gründen auch immer nicht mehr zu ihren Füßen hinunterkönnen sollen sich halt gefälligst nicht erdreisten, die palmerischen Pisten zu betreten. Schuster bleib bei deinen Leisten, sprich glatten Wohnungsböden, am besten teppichfrei, um Stolperfallen zu vermeiden.
Über Sketchers-Schuhe, die ich suchte, weil ich in die einfach hineinschlüpfen kann, ohne irgendwelche Bänder zu binden (bzw. jemanden zu haben, der mir die bindet, wie zu Kleinkindzeiten) und ohne irgendwelche Klettverschlüsse zuzupappen (bzw. jemanden zu haben, der mir die zupappt, wie zu Kleinkindzeiten) oder Reißverschlüsse zu- und aufzumachen (bzw. jemanden zu haben und sofort und sofort) , hörte ich heute, wie mega-ungesund die seien, und man bekäme soooo breite Füße davon, genauso wie von Birkenstock. Da wäre der Fuß für alle Zeiten unwiederbringlich ruiniert. Na gut. Ist dann bei mir alles zu spät. Sehr ihr diese Füße, platt wie eine Briefmarke, nur nicht so schön bunt? Ja, das sind meine.
Nachdem ich dann endlich nach dem Sonnenuntergang Los Llanos verlassen hatte, bekam ich noch Lust auf einen Kaffee in Tazacorte und fand tatsächlich einen Parkplatz vor der Nase. Der Kaffee entwickelte sich dann zu einem Burger und einem Glas Wein. Die Burgersemmel war knallrot gefärbt. Das fand ich leicht befremdlich. Besonders, weil ich auch den Geschmack des Ganzen nicht wirklich einordnen konnte. Es war eine Menge Knoblauch in der Mayonnaise auf dem Knusperhühnerfilet drauf. Als ich dann bei den letzten Bissen ein großes Stück Ananas fast auf meiner Hose verlor, war mir endlich klar, was bei dem Geschmack so merkwürdig gewesen war. Ich hatte gedacht, das läge an der roten Farbe in der Semmel. Der Burger war wegen dieser durchgerutschten Ananas da am anderen Ende so süß gewesen.
In Berlin hatte ich mal vor ungefähr vierzig Jahren ein indisches Essen mit Hühnerstücken bekommen, die waren feuerwehrautorot eingefärbt. Das war auch irgendwie fürchterlich, und dieser Burger heute erinnerte mich (aber nur optisch) wieder daran.
Wieder einmal habe ich mir heute gedacht: Echt blöd, wenn man immer alles versteht, was die da am Nebentisch quatschen. Warum gibt es hier so viele Deutsche? Auf Gespräche wie: "Morgen stehe ich schon um 7 Uhr auf." "Was, warum?" "Na, weil Aldi schon um 8 Uhr zumacht." kann ich eigentlich sehr gut verzichten. Und auf die grelle Lachsalve, die danach folgt, auch. Ich rede mit der Bedienung jetzt nur noch auf Spanisch. Ich muss nicht überall dazugehören.
Zu Hause war ich dann so spät, dass ich mehrfach die gesamte Straße abgefahren bin auf Parkplatzsuche. Jetzt habe ich mich so in eine Lücke gequetscht, dass ich hoffe, dass die anderen davor und dahinter echt gute Fahrer sind. Also mindestens so gut wie ich. Ich musste nämlich noch meine Monatseinkäufe ausladen. Und leider auch hochschleppen. Und jetzt erkläre ich diesen Laden hiermit für geschlossen! Genug für einen Tag. Außerdem schon wieder 6,5 km gelaufen, 461 kcal. Vermute, Burger und indisches Essen hatten mehr. Ich werde hier zwar fitter, aber werde ich auch schlanker? Wenn Ihr auch nur ein bisschen Anstand besitzt, dann schweigt jetzt an dieser Stelle bitte wie ein Grab.
Inspiration - 4.2.2025
Den Tag habe ich hauptsächlich zuhause verbracht, denn morgens begrüßte mich die Calima mit einem nur halben Meer und grauem Dunst oben drüber – ein guter Grund, das Bad zu putzen, meine Meditationen nachzuholen - eine davon von Joe Dispenza zum Thema Inspiration - und die neuen Stifte auszuprobieren. Nachdem ich das gestern angefangene Bild von Tazacorte beendet hatte, wollte ich mal etwas Gröberes, Ursprünglicheres malen und holte meinen riesigen neuen Block hervor. Dann tobte ich mich mit den reinen Farben und der Kohle aus. Back to the roots!
Nach dem Telefonat mit meiner Freundin in München war es schon zu spät, um irgendwas Größeres anzugehen, also ging es halt nur noch nach unten ans Meer, um wenigstens noch etwas das Urlaubsflair zu genießen. Am Hafen traf ich Thomas mit den Drahttieren und redete lange mit ihm. Langsam tut es gut, auch wem Auge in Auge zu begegnen und sich in 3D zu unterhalten, wenn man immer allein ist. Thomas meinte, er hätte täglich Ansprache durch seine Kunden. Sollte ich etwa auch einen Stand mit meinen Bildern aufmachen? Vielleicht gefällt ja irgendwas davon sogar jemandem… Man weiß ja nie. Ich könnte z.B. mit einem La Palma-Stempel die Bilder als Souvenir von hier kennzeichnen und sie tauschen gegen eine wilde Story aus dem Leben desjenigen, der es mitnimmt. Dann bräuchte kein Geld fließen und kein Gewerbe angemeldet werden, und die Story könnte ich dann weiterverwursten. Und schon entsteht der nächste Blog...
Ich bestellte mir dann in einem Lokal eine Paella, die 35 Minuten Wartezeit hat, weil sie ganz frisch gemacht wird. Meine erste Paella, seit ich hier bin. Sie war auch tatsächlich gut, es waren etliche Meeresbewohner drauf und drin gelandet, so wie sich das gehört, wenn es nicht ein unappetitlicher, den ganzen Tag schon zusammengeschmurzelter Touristenpampf ist, der hauptsächlich aus preiswertem Reis mit wenig weiterem Inhalt besteht. In der Wartezeit schrieb ich was in mein Heftchen. Ich denke, ich muss nämlich wieder anfangen, etwas anderes zu Papier zu bringen als nur mein Tagebuch, sonst verflacht meine Inspiration, versandet meine Kreativität.
Hier nun also, wozu mich das Warten auf die Paella neben dem Strand beflügelt hat:
Der schwarze Strand
Da unten lauert er, der Strand. Er wartet, dass du die Schuhe abstreifst, um dich gebührend zu empfangen. Mit einer rauen Kruste, mit der gespeicherten Mittagshitze, die dir in die Fußsohlen beißt wie ein gefährliches Tier. Zwischen den Zehen wird es schwarz. Diesen Sand wird man später überall erkennen. In den Schuhen, in der Wäsche, in der Tasche, in den Haaren und Augenbrauen.
Die Schwärze stößt dich ab, zurück, reizt Dich nicht, dich da niederzulassen. Das ist nicht deine Art von Strand. Das ist ein unfreundlicher, fremdartiger Strand, der sich von Touristen ernährt. Er verschlingt sie und spuckt sie nicht wieder aus. Darum sind nur so wenige da. Er reicht ihnen scheinheilig den Sand, zieht sie zu sich, bestäubt sie, bis sie unkenntlich geworden sind als kämen sie von der Elfenbeinküste. Er deckt sie zu mitsamt ihrem bunten fröhlichen Flitter, ihren exotisch gemusterten Decken, ihren lilafarbenen Plastikschuhen, ihren gelben Wasserflaschen mit dem Gecko-Motiv, ihren knalligen Bikinis. Er bedeckt die Boxershorts der Männer und verfärbt den niveablauen Wasserball, der wenig später von einem der Steine angeritzt seufzend den Weg alles Strandgutes geht.
Wagen die Touristen sich ins seichte Wasser mit ihren schwarz beklebten Pos und Schenkeln, so stößt er sie unverhofft hinterrücks einen Meter tiefer ins Meer, um sie möglichst rasch zu ertränken.
Es ist ein ungnädiger Strand, voller heimtückischer Stolperfallen, insbesondere da, wo das Meer ihn beleckt, und es ist ein gnadenloses Meer. Die beiden spielen sich die bleichen Frischfleischbrocken wie mit Pingpong-Schlägern zu. Weder auf die schwarze Fläche, noch in das graublauwütige Meer gehören die Menschen. Der Strand erteilt keine Aufenthaltserlaubnis. Wer wagt, gewinnt hier nicht. Er wird unbarmherzig hin- und hergeschleudert, kommt verprügelt, geduckt, reumütig zurück oder gar nicht.
Das ist unser Lebensraum, nicht eurer, lästige Zweibeiner, verzieht euch oder geht unter! Das Meer räumt auf. Wer einen halben Liter Salzwasser geschluckt hat, geht aus freien Stücken. Wer bleibt, wird überdünt und gedarrt. Die Haut birst bald in brandigen Blasen auf, das Schwarz des Strandes lässt die Touristen schneller garen. Im Fiebertraum packen sie Ihre Sachen, wenn sie es noch können.
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Ich beschloss, mir heute auch noch einen Eisbecher zu genehmigen, den ich am Nachbartisch gesehen hatte. An einem der Tische saß übrigens mein ehemaliger Chef. Bzw. er sah aus als wäre er es. Sowas passiert mir immer wieder. Wenn man wie ich Prosopagnosie hat, kann man die Leute nicht erkennen, bzw. erkennt Leute, die man nicht kennt, und meint, sie seien jemand anderes. Obwohl ich ihn anglotzte wie eine Kuh, hat er kein Zeichen des Wiedererkennens bemerken lassen. Ich habe mich zwar die letzten 28 Jahre sehr verändert, besonders meine Haarfarbe, aber meine Augen vergessen die Leute nicht. Wenn er es gewesen wäre, hätte er bestimmt wenigstens einen kleinen Moment gezögert und mich ebenfalls mehrfach angekuckt, es sei denn, er wäre ebenfalls gesichtsblind. Er verhielt sich aber völlig normal.
Somit wandte ich mich einer zweiten Geschichte zu, die ebenfalls geschrieben sein wollte, denn sie fand genau neben mir statt. Hier bitteschön:
Meeresrauschen
Ein stetig sich erneuerndes Geräusch, eine Endlosschleife wird hier abgespielt, die dennoch mit jeder Wiederholung ein kleines bisschen anders klingt. Mal ist es sehr wässrig, spritzig, man meint, die Gischt durch die Luft fliegen zu hören und sie sich aus dem Augenwinkel wischen zu müssen, bevor es anfängt zu brennen.
Beim nächsten Mal ist das Meer zahm und liebevoll, es lässt Raum für die Sphärenklänge, die der Straßenmusikant an der Strandpromenade webt und einen Jauchzer eines Kindes. Aber bald schon fällt der grollende Unterton auf, der zwischen den Wogen kontinuierlich übers Ufer knirscht und rollt. Ein irgendwie bösartiges Innuendo, der immer da ist und zeigt, dass mit dem Ozean nicht zu spaßen ist.
Unermüdlich nagt er an der Insel und wird sie eines Tages komplett zerkaut haben, weswegen diese ihm von oben mit der Zufuhr von Neumaterial in Form von Lava in unregelmäßigen Abständen kontert. Auf diese Weise kann der Ozean nicht alles, was er am Ufer findet, zerbröseln und in seine unendlichen Weiten fernab des Ufers hinforttragen.
Die nächsten Wogen türmen sich plötzlich scheppernd und dröhnend, sie schlagen gewaltig und gewalttätig auf. Im Dunkeln klingt dies unfriedlich und beängstigend. Man ist froh über die Ufermauer, die im Zweifelsfall das Meer im Rahmen bleiben lässt, es in Schranken weist, an denen es sich die Zähne ausbricht. Doch das Meer hat den längeren Atem, und eines Tages, wenn der Mensch nicht stetig nachbaut und sich absichert, wird das Menschenwerk zerbröckeln und das Meer in die gute Stube lassen. Und inzwischen tut es harmlos und hellblau mit ungetrübten Wässerchen.
Let's call it a day, was sonst? - 5.2.2025
Ein klein aufgespannter Tag – nicht viel passiert, nicht viel getan. Das Hauptevent heute war, dass ich aus den restlichen Papierschnipseln, die ich vom Kurs „Mal Meer kleben“ mitgenommen hatte, noch eine weitere Kollage gebastelt habe. Das war ein bisschen schwierig, da ich das auf der Terrasse tat, und der Wind mir ständig meine farbigen Papierstreifen entführte. Auch die frischgewaschene Wäsche hat er mir der Länge nach auf den Boden geschmissen, was blöd war, da es sich um die Bettwäsche handelte. Nun hab ich also Bettwäsche mit Vulkanaschenstaub. Der Vulkan holt mich hier einfach überall ein, sogar im Bett!
Später ging ich dann noch zum Strand, setzte mich wagemutig auf den vordersten hohen Punkt am Strand – Dünenkamm kann man das nicht nennen, es ist an sich flach. Da hatte jemand eine Art Burg gebaut, und ich lehnte dagegen. Aber die Wellen fangen schon wieder an, höher zu werden, für nächste Woche sind fünf Meter angesagt. Auf einmal kamen nicht nur die üblichen drei bösen Brecher nacheinander, sondern fünf, da kam das Wasser, das keine Zeit hatte, zurück ins Meer zu rinnen, dann fast bis zu mir, somit bin ich dort weggezogen. Mein Buch habe ich ausgelesen. Also blieb mir nur zu telefonieren, und da wurde mir dann so viel Politik um die Ohren gehauen, dass sich meine Stimmung erheblich verschlechtert hat.
Ein Radler beim Italiener hat das auch nicht behoben. Ich hab mir heute doch eine Pizza genommen, damit ich rechtzeitig zu meinem wöchentlichen Zoom daheim bin, und Pizza geht ungefähr überall berechenbar schnell. Dabei ist mir mal aufgefallen, dass Pizza eigentlich das Wurstbrot der Italiener ist. Nur ist das Brot nicht so dick, und der Belag deutlich interessanter und dominanter.
Als ich damals mit meinen Eltern in Neapel war, wo die Pizza wohl erfunden wurde, haben wir in einer sehr ursprünglich anmutenden Lokalität in einer ziemlich heruntergekommenen Gegend, also vermutlich relativ authentisch, unsere erste Pizza bestellt. Allerdings hat meine Mutter mit Sicherheit wie immer gesagt, dass im Essen kein Käse sein darf (sie hatte eine Aversion). Ich war damals 14 und kannte Pizza nicht. Wir waren echt sehr enttäuscht, weil wir von anderen gehört hatten, dass das was Tolles sei, aber es war ein sehr dicker Teigboden mit etwa drei Scheiben Salami drauf und einer dünnen roten Farbschicht und ein bisschen Öl. Wir haben das Experiment Pizza nie mehr irgendwo wiederholt. Wie sie eigentlich ausschaut und schmeckt lernte ich dann erst während des Studiums kennen.
Na gut, der Zoom ist vorbei, der Tag auch irgendwie, und heute kann ich Euch nicht mal mit einer großen Fotogalerie beglücken. Übrigens, der Mann, den ich gestern im Restaurant gesehen habe, ist laut meiner Kollegin, die ich gefragt habe, tatsächlich damals der Chef gewesen. Dann hat er mich also nicht mehr gekannt.
Morgen steht wahrscheinlich Museum auf dem Programm. Da gibt’s wieder Fotomaterial! Gute Nacht!
Was fürs Auge – 6.2.2025
Yesss, mein Vorhaben für heute hat geklappt! Wollte in das Museum „Espacio de Arte“ in Tijarafe gehen, das u.a. durch seltsame Öffnungszeiten glänzt, insbesondere viele Wochentage, an denen es überhaupt nicht öffnet. Ausnahmsweise hat gestimmt, was im Internet steht und ich konnte rein. Parkplätze gab es leider gar keine, somit habe ich an einer Stelle geparkt, wo ich wusste, das gehört sich nicht und war mit etwas Muffensausen im Museum, denn wie hoch die hiesigen Strafzettel sind, habe ich ja zu meinem Leidwesen persönlich feststellen müssen.
Dafür hat das Museum keine Eintrittsgebühr, und ich bekam direkt eine kleine persönliche Führung auf Englisch. Was wo ist und unbedingt zu beachten, dass nicht fotografiert werden darf außer der Architektur, denn es sollen die Bilder nicht schon außerhalb des Museums bekannt sein. Sie haben auch die Bilder nicht mit Titel und Künstler ausgezeichnet, so dass sich jeder seine eigenen Gedanken dazu machen soll, ganz unverfälscht und unbeeinflusst. Das ist im Prinzip eine tolle Idee, andererseits für Leute wie mich, die sich etwas nur merken können, wenn sie es fotografiert haben, weniger gut.
Auch kann ich Euch somit nicht so sonderlich viel zeigen. Ein paar interessante Museumsecken, einen Schattenwurf, wo man die Bilder eigentlich nicht erkennt und ein bissel Text. Man hatte mir ein wie eine Zeitung mit einem Holzgestell gebundenes Heft gegeben, wo ich nachlesen konnte, wenn mich was interessiert. Ich habe sehr viel gelesen. Was mich an der Architektur des Gebäudes fasziniert hat ist, dass alles absolut überdimensioniert ist. So riesenhafte Fenster. So ein riesenhafter Lift. So ein edles, großformatiges, modernes Gebäude, wo hier sonst alles so klein klein und niedlich ist.
Innen im Museum, das Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts birgt, fand ich heute ganz besonders gut, wenn ein Künstler total brachial, mit Urgewalt zu Werke gegangen ist. Löcher in der Leinwand, wo anders Hügel, Bereiche, die hervorstehen, riesige Schmierakel von Farbmassen (wahrscheinlich viel Gips drunter, sieht aber aus, als wäre es reine Farbe), der Übergang vom 2D-Bild in eine 3D-Skulptur in einem. Es gab z.B. Werke von Anselm Kiefer und Miguel Barceló, soviel darf ich schon sagen, denn das steht auch auf der Webseite. Und das sind Künstler, bei denen genau so etwas an der Tagesordnung ist.
Es gab auch Videoinstallationen. Eines war eine Serie von vielen Obdachlosen, die jeweils eine ganze Stunde an einer Straßenkreuzung standen ohne sich zu rühren, bzw. sich absichtlich zu rühren. Das wurde im Zeitraffer gezeigt, wobei man sah, dass sie schon ziemlich wackelten beim Stehen, dazu Inhalte aus Interviews mit diesen Personen. Insgesamt glaube ich zwei Stunden lang. So lang blieb ich allerdings nicht. Davor waren mal keine hölzernen Bänke, sondern zwei Matratzenstapel aufgestellt, auf denen ich es mir gemütlich machte, dankbar hier sitzen zu können, während ich zuhörte.
Als ich dann im nächsten Saal die dortigen Bilder betrachtete, kam die Museumsführerin empört zu mir, eine Besucherin hätte ihr gesagt, ich hätte mich da hingesetzt. Wie sich herausstellte, und was ich überhaupt nicht bemerkt hatte, waren die Matratzen ein Kunstwerk. Ups. Wie peinlich! Auf einer Seite war auch ein Schild auf dem Boden mit einer durchgestrichenen Hand. Ich hatte es überhaupt nicht gesehen. Ich gehe aber mal davon aus, dass ich keinen Schaden angerichtet habe. Nicht wie die Putzfrau bei Beuys. An den Matratzen gab es nicht viel kaputtzumachen. Außer vielleicht den Staub zu vertreiben.
Spanische Künstler aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, die in anderen Sälen zu bestaunen waren, haben auch schon richtig wild mit Farben gewütet, oder auch tiefschwarz, mit sehr viel Textur. Es würde mich jucken, mit dem Vulkanmaterial hier etwas zu kreieren. Das würde toll ausschauen und sich vermutlich ganz gut bearbeiten lassen. Oder mit dem schwarzen Sand. Aber das hätte zwei Nachteile: erstens wäre das zu schwer für mein Gepäck, und zweitens darf man Steine und Sand von hier anscheinend nicht mit nach Hause nehmen. Jarka hatte was dabei, wurde gefilzt und musste es abgeben. Also kann ich mit dieser Idee nichts anfangen. Auch wenn es mir Spaß machen würde. Und zu Hause haben wir diese Art von Material natürlich nicht. Falls jemand Bilder der spanischen Künstler sehen möchte, man kann eine Broschüre herunterladen, da sind sie drin. Nämlich hier:
https://2021lapalma.com/wp-content/uploads/2025/01/CHAPTER-ONE_en_Early-Spanish-online.pdf
Die rabiate Brutalität der Strukturen, der 3D-Effekt, was beides auch bei vielen dieser Bilder vorhanden ist, kommt allerdings so plattgedrückt als normales Foto nicht zur Geltung.
Den 1 1/4-stündigen Film sah ich mir dann nicht mehr an, da draußen mein Auto so schlecht geparkt war. Aber als ich zurückkam, prangte an der Windschutzscheibe: gähnende Leere. Hurra! Ich fuhr dann zu einem Restaurant, das sehr gute Bewertungen hatte, weil ich keine Lust mehr auf mieses Futter hatte. Ich hatte Bilder online gesehen von den Nestern aus Kartoffelstreifen, in denen das La Muralla einige Speisen serviert, und wollte auch so etwas. Das war eine fantastische Idee, denn das Essen schmeckte super, sah toll aus, und die Aussicht war auch genial von da oben. In einem Gehege unter mir spazierte außerdem ein Strauß herum und machte merkwürdige Geräusche, die ich von so einem Tier nicht erwartet hätte. Ein dünnes Zwitschern, das ich einem viel kleineren Vogel zugedacht hätte, und eine Art Gurren, würde ich es mal nennen.
Ich gönnte mir auch, um meinen Status als Touristin mal auszunutzen, eine Sangría, die ich bis jetzt Mallorca zugeordnet hatte, und einen Nachtisch mit Schaum aus Ziegenmilch. Das erste Mal, dass man nicht einen gesamten Zuckerstreuer in dem Nachtisch lokalisieren konnte, er war geschmacklich gut und nicht übertrieben süß.
Im Anschluss fuhr ich die Straße hinunter, die ich von oben gesehen hatte. Die Gegend da war so schön und erinnerte mich irgendwie ein bissel an den Gardasee. In Schlangenlinien ging es lange lange bergab. Ich hatte die Straße zu einem der angeblich schönsten Strände der Gegend eingeschlagen, Playa la Veta, aber wusste bereits im Vorfeld, dass ich den Strand nicht zu Gesicht bekommen würde, weil man dorthin nämlich zu Fuß gehen muss. 25 Minuten vom Parkplatz aus über die Klippen. Es gäbe dort viele Treppen, und man müsse sogar durch eine Höhle hindurch. Das wäre natürlich interessant, wenn man fit ist und Badezeug dabeihat und es nicht schon bald Abend ist.
Diese drei Punkte waren aber leider nicht erfüllt. Vor allem der erste. Ich fuhr also so weit hinunter, wie ich es meinem Auto zumuten wollte, aber dann verwandelte sich die Straße wieder in eine löchrige Piste mit recht ungemütlichem Neigungswinkel wie auch bei dem Schmugglerdorf in der Höhle (Poris de Candelaria), und somit beschloss ich, aufzugeben und zurückzufahren, insbesondere, da mein Auto ein Problem mit der Kupplung hat. Da kann man nicht zärtlich damit umgehen, sondern das Auto springt gerne einfach mal zwei Meter weit wie ein Ziegenbock, wenn man schaltet. Das ist ungünstig in Kurven.
Die Landschaft war aber wunderschön, insbesondere, da es jetzt hier Frühling wird. Ganz viele kleine gelbe Blumen gibt es, die Mandelbäume blühen (gerade war in Garafía das Mandelblütenfest über eine Woche lang, ich war nicht dort) und auch ansonsten gibt es neue frische helle Grüntöne in dem Sukkulenten- und Macchia- und Palmen/Drachenbaum-Dschungel hier, der ohnehin so viele wunderbare und vielfältige Grüns beherbergt. Kaum auf der Straße zurück besuchte ich dann ein Eisenwarengeschäft, einfach, weil es an der Straße war, recht groß und offen hatte. In dem kaufte ich, was ich in einem solchen Geschäft eher nicht erwartet hätte, frische Maracujas.
Beim Ort El Jesús verpasste ich typischerweise wieder, rechtzeitig anzuhalten. Da gibt es nämlich ein Loch im Fels, durch das abends die Sonne durchscheint, wenn man seitlich aus den Kurven in den Abgrund schaut. Aber wenn man es aus dem Auto heraus gesehen hat, gibt es keinerlei Möglichkeit mehr, irgendwo anzuhalten. Außerdem war es in diesem Bereich wieder absolut furchtbar mit der Blendung in den Serpentinen. Man kann abends da kaum fahren, weil man komplett blind fährt. Und es kommen LKWs halb auf der falschen Seite entgegen etc. Ich hatte da drauf keine Lust und fuhr die nächste Abzweigung von der Straße ab, mal wieder bergab.
Das war an sich eine gute Entscheidung, denn der Weg war ganz schön und führte weiter unten durch Bananenplantagen, die die Blendung unterbanden, und an vielen Drachenbäumen vorbei, die ich in Ruhe gegen die Sonne ablichten konnte, weil die Straße völlig unbefahren war. Das Problem war bloß, dass diese Straße, nachdem ich schon sehr ausgiebig auf ihr vorangekommen war, einfach mal wieder im Nichts mündete. Da ging rechts ein Weg weiter, eine unbefestigte Straße, aber ich hielt an, um mir das sicherheitshalber anzusehen. Das war auch gut so, denn das war keine Straße, sondern nach wenigen Metern eine Treppe. Das hätte ich dann mal der Versicherung erklären müssen…
Ich stieg also auf eine Art Plattform, auf der ein Drahtgitterzaun stand, an dem man aber vorbeikonnte. Ich wollte eigentlich bloß den tollen Sonnenuntergang in den Palmen fotografieren und stand plötzlich vor einem irrsinnig tiefen Abgrund (ganz ohne Absperrung). Immerhin hat sich heute das Gefühl, ich sollte mal einfach so hinunterspringen, nicht gemeldet. Vielleicht habe ich das mit der Tirolina beseitigt. Man hatte hier jedenfalls eine absolut gigantische Aussicht über Tazacorte Hafen und Stadt und die gesamte Küste und den schwarzen Strand. Das Meer brandete wild, die Häuser sahen aus wie niedliche Spielzeuge in fröhlichen Farben und man konnte mal gut sehen, wie weit der Ort wirklich von seinem Strand und Hafen entfernt ist.
An dieser Stelle kann man wohl von unten nach oben hinaufsteigen und noch weiter bis zum Berg Time, der oben drüber ist. Jarka hatte das gemacht. Ich glaub, ich würde das nie hinkriegen. Viel zu hoch. Ich habe Vorbeikommende gefragt, wo ich hier sei. Das war also La Punta. Etwas unterhalb der Stelle, wo ich stand, hatte jemand eine meditative Steinspirale gelegt. Vielleicht ein speziell magischer Ort. Mir war das jedenfalls ein bisschen zu nah am Abgrund um da singend barfuss durch den Kreis zu wandeln. Womöglich noch im Dunkeln bei Kerzenlicht.
Von hier aus sollte es eigentlich einfach sein, mit dem Auto nach oben zu kommen, dachte ich mit meiner deutschen Logik, aber mein Navi verneinte das vehement. Ich musste fast den ganzen Weg wieder zurückfahren. Auf jeden Fall habe ich so mal was Neues gesehen, und diese Gegend war wirklich schön.
Inzwischen wurde es ziemlich dunkel, was beim Serpentinenfahren im Zwischenstadium, wenn es noch nicht ganz dunkel ist, deutlich besser ist als das direkte Gegenlicht der Sonne. Allerdings sind viele Autofahrer hier unverschämt und blenden das Fernlicht nicht ab, wenn sie entgegenkommen, was dann ungefähr denselben Effekt wie die Sonne hat.
Unten am Hafen angekommen, machte ich erstmal Zwischenstation, um meinen kurvengepushten Adrenalinpegel wieder in den Griff zu kriegen. Ich hab mir einen Barraquito genehmigt und festgestellt, dass man heute ohne Jacke dasitzen konnte. Es war total lauschig warm, kein Wind, angenehme Temperatur, wunderbar! Warum nicht immer so! Zwiebellook ist ansonsten abends angesagt. Ich ziehe zwei Kleider übereinander an, habe eine Bermuda drunter, und bis zu vier Jacken unter meinem Hexenmantel. Dazu trage ich zwei Schals.
Und morgen ist das Meer hoffentlich brav. Wenn ihr nichts mehr von mir hört, war es das nicht, und ich bin bei meiner Bootstour über Bord gegangen. Aber noch besteht Hoffnung!
Festtag - 7.2.2025
Hui, was für ein gelungener Tag heute! Two in a row! Morgens machte ich mich also auf zu dem Bootsausflug, und wie Ihr seht, ich bin wieder zurück, Ihr müsst noch mehr von mir lesen! Oder dürft! Das Meer war heute glatt wie ein Babypopo, ideale Voraussetzungen, und ich wurde auch gar nicht seekrank. Zunächst fuhr die Fairy Tour zu den Vulkangebieten. Man sah, wo die Lava sich vierzehn Tage nach Ausbruch ins Meer gestürzt hatte. Vom Wasser aus kann man erkennen, dass da wirklich nicht so viel gefehlt hatte. Wenn der eine Hügel nicht dagewesen wäre, wäre die Lava in Tazacorte hineingeflossen, so aber hat das Schicksal sie umgelenkt. Von unten sieht man auch Häuser an der Klippe stehen, die jetzt mit Lava gefüllt sind. Da haben so viele in Todoque und einem Ort, der Paradies hieß, ihren Lebenstraum verloren. Immerhin konnten alle rechtzeitig fliehen, weil die Lava so langsam floss. Etliche konnten viele Dinge mitnehmen. Nur diejenigen, die am weitesten oben waren, standen dann ohne nichts da. Eine schlimme Vorstellung. Was würde man selbst wohl mitnehmen, wenn man sich diese Frage stellen müsste?
Danach ging es ziemlich weit aufs Meer hinaus. Anlass für einige, sehr blass neben der Reling die Augen zu schließen und zu hoffen, dass es bald vorbeigeht. Ein Kind neben mir war auch krank und weinte fast die ganze Zeit. Auf einmal hielten wir. Tatsächlich waren etliche Delfine zu sehen und ein Stückchen weiter kamen noch Pilotwale dazu. Es waren zwischen 11 und 15 Tieren. Wie schön! Sie waren aber sehr träge, sonnten sich wohl an der Oberfläche, ließen sich vom Motorenlärm gar nicht stören, der währenddessen tuckernd weiterging, obwohl das Schiff sich nicht bewegte. Sie waren offensichtlich an die täglichen Menschenbesuche gewohnt. Ein zweites Walbeobachtungsboot dümpelte auch in der Nähe herum. Das war den Meeresbewohnern relativ egal, für sie war klar, dass niemand ihnen was tut.
Das Boot hatte auch einen Glasboden, man konnte die Treppe ins Verließ hinunterklimmen, aber da unten war es sehr beengt und muffig, und man hätte auf dem Boden kauern müssen, um etwas zu sehen. Das hätte ich nicht gekonnt, und somit arbeitete ich mich wieder hoch. Oben musste ich mir helfen lassen, sonst wäre ich nicht mehr rausgekommen. Seit meinem Busunfall bin ich sehr vorsichtig in fahrenden Verkehrsmitteln, solange sie sich bewegen. Was bei einem Schiff ja auch im Stillstand der Fall ist. Es ist mir heute mal klar geworden, wie die anderen sich da einfach trauen, hin- und herzugehen. Bei mir hat sich die Freude daran erledigt. Früher war ich mit Begeisterung auch in der Trambahn oder U-Bahn beim Fahren durchgegangen, ich hatte einen guten Gleichgewichtssinn und konnte Wackeleien und Schwünge locker ausbalancieren. Jetzt ist es so: wenn’s wackelt, bleib ich, wo ich bin und halte mich fest.
Zum Filmen und Fotografieren war das suboptimal, weil alle an der Reling standen und nur zweite Reihe möglich war, also ohne Haltegriff. Somit hab ich mich wo hinbegeben müssen, wo ich mich wenigstens an Einbauteilen festhalten konnte. Da war dann halt die Sicht nicht so toll. Aber ich habe die Tiere gesehen, wir waren ja lang da vor Ort und sie bewegten sich auch herum und auch das Schiff drehte sich ein bisschen im Kreis, so dass jeder eine Chance bekam. Das war richtig wundersam, so friedlich, Mensch und Tier nebeneinander und in Sicherheit. Man hatte das Gefühl, die Welt ist schön, schöner als sie eigentlich in echt ist. Hier war ein kleiner Garten Eden – oder beatle’scher Octopus’s Garden, ohne Arg, ohne Heimtücke und Gefahren.
Später fuhren wir dann in eine Höhle, genannt die „schöne Höhle“ (la cueva bonita), weil bei Sonnenuntergang die Sonne drin so wunderbare Effekte mache. Wir waren allerdings mittags da und die Höhle war innen dunkel, das Wasser eher schwärzlich. So mussten wir es halt glauben. Die Höhle ist 105 m lang und 84 m breit, am Eingang aber nur 17 und 10 m hoch. Die Höhle hat einen geheimen zweiten Ausgang und war deshalb gut geeignet, um Piraten zu entkommen. Wir passten mit dem Schiff höhenmäßig grade so ein bisschen hinein, bis wir rückwärts wieder hinausdampften. Dann fuhren wir noch die Schmugglerhöhle Poris de Candelaria an, die viele ja noch gar nicht kannten. Ich wurde bewundert dafür, dass ich mich getraut hatte, die Straße mit dem Auto runterzukommen. Es war hinreichend bekannt, dass das eine ganz grauenvolle Strecke ist.
Zu der Strecke von gestern stellte sich heraus, dass der Strand La Veta, zu dem ich gestern durch Zufall unterwegs war, momentan gar keinen Sand hat. Der Sand bildet sich da saisonweise, in den Wintermonaten wird er weggewaschen, dann kommt er wieder. Somit habe ich schon mal rein gar nichts verpasst durch meine Umkehr. Wir haben auch in dem Lavagebiet von 2021 gesehen, dass sich dort bereits einige Strände gebildet haben. Allerdings natürlich in Bereichen, wo keine Straße hinführt. Nur große Lavabrocken, über die man auch eher zu Fuß nicht hinkommt. Im Übrigen steht an der autobahnartigen Straße über die Lavafelder immer noch ein Schild, dass man aufpassen soll, weil der Boden heiß ist. Die haben tatsächlich das Meisterwerk hinbekommen, die Straße über die noch teilflüssige Lava zu bauen. Inzwischen ist sie bestimmt größtenteils im oberen Bereich erkaltet, aber beim Bau war sie noch beweglich, und es wurden spezielle Maßnahmen getroffen, um die Straße trotzdem stabil zu bauen. Was der Mensch alles kann! Großartig!
Bei der Einfahrt in den Hafen entdeckte ich, dass an den riesigen Hafeneinfassungen eine sehr neckische nackte Frauenplastik in Hünengröße mit herausgestrecktem Hintern hingebaut wurde. Witzig. Was das wohl bedeuten soll? Ihr geht mir alle am A… vorbei? Denn das müssen die Schiffe.
Wieder zurück bestellte ich mir einen Salat mit Kabeljau, von dem ich dachte, das wäre jetzt was Kleines. Auf dem Schiff hatte man mir, da sie mich umgebucht hatten (das Schiff, mit dem ich meine Tour machen sollte, ist bis auf weiteres erstmal in der Werft) und ich deshalb eine andere Tour gekriegt habe, als Entschädigung ein Lunchpaket überreicht, das tatsächlich sogar viele und gar nicht so uninteressante Sachen enthielt. Die Thunfischsandwiches hatte ich schon gegessen. Als der Salat kam, dachte ich, ich hätte aus Versehen für zwei bestellt. Eine Riesenplatte. Gut war es! Salatbett, und drauf gezupft der warme Kabeljau ohne Gräten, das ganze gemischt mit riesigen Rosinen und Mandeln. Das war mal etwas ganz anderes, und tatsächlich richtig lecker. Ich hab mir die Hälfte dann einpacken lassen.
Zu Hause rief mich Jarka eine Stunde lang an. Wir haben immer so viel zu reden! Ich hatte mich heute zum ersten Mal auf die obere Terrasse gelegt. Im Bikini, denn da kann keiner reinschauen, außer vielleicht Arbeiter auf den Bananenterrassen. Dann sind sie halt selber schuld. Machte meine Dispenzameditation und dann wäre ich fast eingeschlafen, aber ich hatte heute noch was vor. Ich musste nämlich dringend was feiern! Ratet mal, was!
Tatsache, als ich den Bikini aus meiner Tasche auf dem Autositz klaubte, die gestern neugefüllt mit mir auf dem Autositz sämtliche Serpentinen miterlebt hatte, dabei umgekippt war und da so hin- und herschuckerte, während ich rauf und runter brauste – als ich also da hinein griff, sah ich ganz am Rand der Tasche meinen lieben verlorenen teuren Ring liegen! Er schaute mich reumütig an und sagte: bei dir ist es schöner als wo anders. Darf ich wieder heim? Und wie er durfte! Ich hab eine ganze Weile geweint, so froh und dankbar war ich!
Wie er da drin sein konnte, nachdem ich die Tasche komplett ausgeleert und über dem Steinboden ausgeklopft hatte, so dass ich genau höre, falls irgendwas auf den Boden fällt (und es fielen nur Berge von Sand, Papiertaschentücher und Zahnstocher), und nachdem ich noch zwei weitere Male in meiner Verzweiflung alles aus dieser Tasche herausgerissen habe, denn irgendwo musste der Ring ja sein – das gehört ab sofort zu den großen Rätseln der Menschheit! Vom Charco Azul war er also offenbar mitgekommen und hatte mich nie ganz verlassen. Vielleicht wollte er nur sehen, ob ich ihn vermisse. Ob ich ihm treu bin. Ob ich ordentlich geknickt bin und nächtens den Mond anjaule. Ja, hab ich getan! Offenbar hinreichend, und dem Ring hat es auch nicht gefallen im dunklen Beutel.
Und so habe ich zur Feier des Tages beschlossen, ich werde bei dem Tanz mitmachen, für den ich irgendwo eine Anzeige gelesen hatte. Afrikanisch Tanzen in Tazacorte. Das hat zwar mit meinem Leben und meinen Präferenzen bislang absolut gar nichts zu tun, außer dass ich eine Freundin habe, die das gerne macht, aber ich dachte, ich geh einfach mal hin. Stellte mir vor, das sei in irgendeiner piefigen Turnhalle, denn es hieß, dass es im „Collegio“ stattfinde. Als ich ausstieg, fand ich das Collegio gar nicht, und ich sprach eine Frau an, die auf der Straße mit Yogamatte unterwegs war und so aussah, als könnte sie dasselbe suchen wie ich. Ja, dem war so. Also suchten wir gemeinsam und dann hörten wir was trommeln. Ganz wo anders, als das Navi angegeben hatte, dass es sein sollte.
Dem Klang nachgehend haben wir es dann schließlich gefunden. Es war eine lustige Gruppe, die im Lauf des Abends immer größer wurde. Keiner kam aus Afrika. Aber getrommelt wurde toll, und die Anleiterin tanzte auch so, dass man ihr das sehr gut abnahm, dass es authentisch war. Der Kurs war auf Spanisch, ich verstand nicht immer alles, ich konnte auch einiges überhaupt nicht mitmachen und saß öfter auf der Bank, weil sie was machten, das mit einem versteiften Rücken nicht klappt, aber ich hatte Spaß, und Misha, die ich vorhin kennengelernt hatte, auch.
Die Choreographie haben wir nicht so richtig hinbekommen, aber war das so wichtig? Es waren auch ein paar Herren dabei, die sich sichtlich amüsierten. Einige Teilnehmer/innen waren wohl schon öfter dabei gewesen. Aber es war gleichgültig, ob wir es konnten oder nicht. Interessanterweise wurde nach jedem Durchgang innerhalb des Tanzens die hintere Reihe nach vorne geschoben, und die vorderste stellte sich ganz hinten an, so dass jeder mal vorne tanzen musste, von allen beobachtet, dafür aber aus nächster Nähe sah, was er eigentlich machen sollte.
Hinterher bin ich mit Misha noch einkaufen und etwas trinken gegangen, bis uns ihr Bus plötzlich aus dem Gespräch riss. Es war jedenfalls ein toller Tag und ich bin glücklich und voller Adrenalin!
Mir ist der Appetit vergangen… - 8./9.2.2025
Falls Ihr mich gestern gesucht habt, habt Ihr wohl nicht gut genug geschaut! Ich war nämlich hier. Im Bett, so ungefähr den ganzen Tag. Nach der Tanzveranstaltung hatte ich klatschnassgeschwitzte Haare, und an dem Abend war es echt kalt. Oder vielleicht hab ich auch was von dem kranken Kind an Bord aufgeschnappt. Ich weiß nicht, was genau. Gestern hatte ich einen dumpfen Kopf und stechende Kopfschmerzen. Dann bekam ich noch sowas wie Nierenschmerzen und Herzrhythmusstörungen. Somit habe ich nur Meditationen gemacht und bissel telefoniert, ansonsten hauptsächlich geschlafen.
Heute morgen hatte ich dann Unterbauchschmerzen, die ich überhaupt nicht zuordnen kann, aber gegen Abend sind sie irgendwie langsam weg. Puh, besser so. Ich brauch nicht unbedingt irgendwelche medizinischen Probleme. I banish every trace of ill health from my body! Affirmation von Rob Wergin. Normalerweise hat die funktioniert. Ich habe es immerhin geschafft, nach einem Kurkumatee zum Bauchwärmen, zum Flohmarkt zu fahren und noch eineinhalb Stunden dort herumzustreifen. Vier Leute habe ich getroffen, die ich kannte, oder sie mich. Gekauft habe ich nur eine Ersatzpflanze für eine, die hier auf der Terrasse nicht wirklich so toll ausschaut, und eine frisch handgerollte Zigarre für einen Freund.
Leon habe ich wieder geholfen, Kunst zu machen, zwei kleine Bildchen. Ich habe ihm von meiner Idee erzählt, Bilder gegen Geschichten zu tauschen, und er hat mir einen seiner La-Palma-Stempel geliehen, damit ich den Leuten ein Souvenir bieten kann. Mal schauen, ob ich ein paar Bildchen auf Vorrat produzieren kann, die ich nicht vermissen würde. Das Problem ist ja, dass einem das gefällt, was man da macht, und dann mag man es gar nicht hergeben. Was herzugeben, was einem nicht gefällt, ist aber schlechter Stil, oder das ist dann auch so schlecht, dass es jemand anderen auch nicht anspricht.
Heute Nachmittag habe ich mich dann wieder brav hingelegt. Heute und gestern war ich beide Male endlich oben auf der anderen Terrasse und hab da an der Sonne geschlafen. Eingelullt haben mich die Meditationen. Außerdem strengt mich das Lesen an. Nach zwei Kapiteln bin ich gleich KO und muss eine Viertelstunde wegtreten. Das ist so kein Zustand.
Gegen Abend habe ich dann bemerkt, dass ich heute nur eine Maracuja gegessen hatte. Schon die habe ich ohne jegliche Begeisterung runtergewürgt. Auf dem Flohmarkt hat mir eine Dame eine Banane geschenkt. Ich hab ja schon mal erzählt, dass das hier auf der Insel scheint’s so eine Art Liebesgabe ist. Gibt man dir eine Banane, ist das wohl ein Zeichen, dass sie dich nett finden. Hoffentlich korrigiert mich jetzt niemand in den Kommentaren und raubt mir sämtliche Illusionen…
Die Banane hab ich aber nur eingesteckt, und nach Hause getragen. Dort hatte ich jetzt nichts Interessantes mehr zum Essen, also habe ich endlich die beiden neulich gekauften Chayote gekocht. Nach einer Dreiviertelstunde waren sie endlich weich. Innen drin war ein größerer Kern, und im Innenbereich der Schale waren sie wohl nicht mehr wirklich so gut, da sah das Fleisch orange aus. Also habe ich lieber nur das rausgelöffelt, was normal, also blassgrün aussah.
Geschmeckt hat es wie Gurke und völlig kalorienfrei. Anscheinend entspricht das auch den Tatsachen, 100 Gramm haben nur 19 kcal. Also nicht wirklich das richtige Kräftigungsfutter für jemanden, der nicht fit ist. Dafür hatte ich ein Glas Salmorejo getrunken, das ist eine Art Gazpacho, falls Ihr den kennt. Jedenfalls eine zähflüssige Suppe aus Tomaten, Olivenöl, Knoblauch, Salz und Brot. So gemixt, dass man von all dem nichts mehr erkennt, und kalt serviert. Kann man hier im Tetrapack kaufen. Das war aber auch nicht nach meinem Geschmack, und ich habe das eine Glas mit Müh und Not hinuntergekriegt.
Also, wenn ich keine Lust auf Essen habe, ist schon was faul! Sehr faul… Ihr dürft mit also die Daumen drücken, dass ich morgen mein hungriges altes Selbst wieder habe und die Energie, z.B. nach Los Llanos ins Museum zu fahren. Ansonsten, mein Buch hat noch die Hälfte übrig. Und mein Bett leistet mir willig Gesellschaft.
Rhythmen und aus roten Fäden gewebte Flaggen - 10.2.2025
Wieder ein Tag überstanden. Der heutige fing nicht gut an. Gegen 8 Uhr, wo ich noch tief schlafe, klingelte es Sturm. Ein LKW-Fahrer mit einem großen leeren Container auf der Ladefläche, der an meinem Auto nicht vorbei konnte. An dieser Stelle hatte ich schon öfter geparkt, aber er konnte da nicht durch. Sowieso fuhr er nur ans Ende der Straße, um da zu wenden. Jedenfalls hatte er auch schon die Polizei angerufen, und mein Nachbar hatte ihm wohl gezeigt, wo ich wohne. Na toll. Ich also im Pyjama ins Auto gestiegen und ein Stück weitergefahren, wo heute auch ein Platz frei war, gestern aber halt nirgends.
Danach habe ich mich in Erwartung der Polizei angezogen und gewartet. Draußen auf der Straße stand auch jemand und beobachtete das Haus. Weiß aber nicht, ob das ein Polizist in Zivil war. Ich blieb drin und dachte, wenn sie was wollen, dann sollen sie bitte auch herkommen. Es kam aber niemand. Heute Abend sah ich dann am Auto nach, ein Strafzettel ist nicht dran. Aber vielleicht schicken sie mir den dann ja. War jedenfalls ein blöder Einstieg in den Tag. Insbesondere, da ich eine miese Nacht mit schlimmen Bauchschmerzen hatte. Im Lauf des Tages gingen sie dann weg. Keine Ahnung, was das war.
Heute hatte ich dann ein Coaching und habe mal gesehen, wie viele Männer mich eigentlich in meinem Leben nicht auf Augenhöhe, sondern irgendwie als Mensch zweiter Klasse behandelt haben. Das will ich nicht mehr zulassen. Warum glauben Männer, dass sie mit Frauen so umgehen dürfen? Sei es der Chef, der einem in einem lapidaren Zweizeiler nach Jahren guter Arbeit einfach so mal kurz kündigt, sei es der Mann, der dadurch, dass man dann nicht mehr verdient, plötzlich meint, er habe jetzt eine Leibeigene, seien es sonstige Männer, die nicht nur mich, sondern bestimmt die meisten Frauen in ihrem Leben so behandeln, als seien sie unmündig und bedürften der Bevormundung.
Dabei sind die meisten Frauen, die ich kenne, durchaus sehr viel besser als so mancher Mann in der Lage, Dinge zu regeln und in den Griff zu kriegen. Oder sind das nur die Frauen, die ich halt so kenne? Das halte ich dann doch für unwahrscheinlich. Den Frauen, die ich kenne, geht es nämlich mit denen, die sie kennen genauso. Die wenigsten sind arme, treudoofe Hascherl, denen man alles sagen muss. Jedenfalls in meiner Generation. Und die, die nachgewachsen sind, lassen sich auch gar nichts mehr sagen, glaube ich.
Ich habe jedenfalls gelernt, wie man überlebt, wie man allein zurechtkommt, wie man niemanden mehr fragt, wenn man was braucht und sich nur auf sich selbst verlässt, und wie man rebelliert, wenn einem jemand blöd kommt. Das ist eine gute Basis, aber es ist auch Zeit, jetzt zu lernen, einige dieser Grundsätze wieder ein bisschen zu verlernen, denn sie sind nicht immer nützlich oder für andere verständlich. Das Rebellieren behalte ich aber.
Den Nachmittag habe ich, immer noch nicht wohlauf, wieder liegend verbracht und telefoniert. Mit Menschen, die einfach gut tun. Mit denen man lachen kann und wieder Leichtigkeit gewinnt. Denen man solche Sachen erzählen kann und verstanden wird.
Weitere Innenschau habe ich dann bei der Tanzrunde betrieben. Heute ging es darum, den eigenen Rhythmus zu finden. Ich habe dabei festgestellt, eine Musette-Musik tut mir zum Beispiel sehr gut, die beschwingt mich, und lässt mich mit jeder Art von eigenem Schnörkel tanzen, den ich liebe und ich bin bereit, hier viel Raum einzunehmen, den ich damit nach meiner Intuition flink und graziös (sofern das mit meinem Volumen geht) bemale, ich quasi als der Pinsel in einem bunten, farbenprächtigen Bild, das durch mich entsteht.
Wird die Musik aber zu voll, zu bombastisch, schleichen sich Fanfaren ein, dominiert das Schlagzeug, vergeht mir die Freude. Dann ist schon alles voll mit Musik, mit Übersättigung, da gibt es nichts mehr zu malen, da werden meine Bewegungen ständig kleiner, und es fängt an, mich zu langweilen, so dass ich mich hinsetze und bloß noch warte, dass es endlich vorbei ist und ob das nächste Stück hoffentlich wieder mehr Freiheit lässt. Die lateinamerikanischen Rhythmen haben das alle mit mir gemacht, und das, obwohl ich ja jetzt hier an diese Musik gewöhnt bin, das spielt hier ja allenthalben.
Aber das ist nicht meins. Diese Art Musik setzt mir zu viel Vorgabe, und ich bin da nur noch ganz klein da drin, kann mich nicht ausdehnen, nicht ausleben. Außerdem macht mich ein Übermaß an Getrommel so nervös, dass ich mit einem Bein wackle wie ein ADHS’ler auf Speed. Wenn die Musik dann wieder ruhiger wird, Richtung meditativ, kann ich mich wieder gut hineinversetzen. Ich habe bemerkt, dass mein Körper die Musik nachspielt, auch die Tonhöhen und die einzelnen Instrumente. Vielleicht kann er das auch nicht mehr, wenn da gleich 20 Instrumente spielen, oder 5 so laut spielen, dass kein Rockzipfelschwung mehr zwischen die Töne passt.
Nach der meditativen Melodie waren dann im Stillsitzen meine beiden Füße immer noch in Bewegung, jedoch abwechselnd und in relativ gesittetem Takt. Auf jeden Fall in einem nachvollziehbaren Takt, nicht wie vorher das Gehampel mit einem Bein.
Nachdem ich dann derart auferweckt worden war, beschloss ich, dass die Süßkartoffel, die ich zum Frühstück hatte nach der komischen Gurke von gestern, auf Dauer nicht ausreicht, und ging zu Fuß die vielen Treppen ins Dorf hinunter. Ein Lokal sah ich offen, das sonst noch nie offen hatte, aber alles war reserviert, also ging ich weiter bis zum Sonnenuntergang. Dort sollte es eine gute Pizza geben. Das habe ich ausprobiert, aber war mega enttäuscht, denn für mich hatte die weder Salz, noch Feuer, noch Rhythmus, noch Tanz. Und das Messer auch keinen Biss.
Immerhin war der Wein gut genug zum Zeichnen (besser als zum Trinken) und half mir bei meinem Abendstimmungsbild. Nach Hause war dann beschwerlich, ich merke schon, dass ich absolut nicht fit bin, und mit einem Puls von 139 bin ich kurz vorm Umkippen. Trotz sehr vieler Pausen kam ich nur mit knapper Not wieder hoch. Leider wohne ich so ungefähr am höchsten Punkt des Ortes. Oder fast. Dafür ist natürlich die Aussicht hier auch großartig. Und hier kann mich kaum einer von oben herab schwach anmachen.
Ein X für ein U, ein U für ein X? - 11.2.2025
Satz mit x… War wohl nix… - So könnte man den heutigen Tag nennen. Aber man könnte ja auch einfach was draus machen, auch wenn es nicht so doll lief. Einen Satz mit u – schrei Juchu! Das ist, was ich täglich versuche, und was relativ häufig auch irgendwie gelingt. Es geht bei mir ja nicht um was Großes Wichtiges. Ich bin ja nicht Politikerin, ich muss ja nicht den Laden schmeißen. Was für ein Glück! Mit so einer Verantwortung würde ich nicht umgehen wollen.
Morgens bekam ich schon mal die Nachricht, dass der von mir gebuchte Kurs „Zeichnen mit Feder und Tinte“ leider abgesagt wird. Immerhin konnte ich dann einen ganz normalen kurzen Kurs stattdessen an einem anderen Tag belegen. Und Leon stellte mir gratis drei Online-Workshops zur Verfügung. Davon habe ich heute einen angeschaut, allerdings hatten wir den Inhalt schon mehrfach ohnehin geübt. Ich hab also mal wieder schraffiert und schattiert. Langsam könnte ich da einen Kurs geben, haha…
Beim Verlassen des Hauses Richtung Los Llanos, wo ich heute dem Völkerkundemuseum einen Besuch abstatten wollte, erwischte ich die über 80jährige Nachbarin beim Rauchen. Sie hat vor kurzem angefangen, wie ein Schlot zu rauchen und sitzt dazu ständig auf der Treppe. Ich hab ihr mal ungefragt erzählt, wie schön ich es finde, dass ich damit wieder aufhören konnte, naja, ihr kennt ja meine Geschichte und braucht sie hier nicht schon wieder. Dennoch war es ein freundliches Gespräch, und ich hatte das Gefühl, es gefiel ihr sogar, dass ich ihr sowas gesagt habe. Sie braucht wohl im Moment halt einfach jemanden, der lieb zu ihr ist. Das wird der Grund sein, dass sie so viel raucht.
Gut gestimmt trat ich an mein Auto, als ein Mann sich aus der Ecke schälte und mich ansprach. Ob ich wohl bitte so lieb wäre, in Zukunft nicht da drüben zu parken, da käme ein LKW nur mit 1 cm Abstand vorbei, das sei so beschwerlich. Ich weiß nicht, wer er ist, aber ich erklärte ihm sehr freundlich, dass ich auch nicht jemand bin, der gerne anderen Leuten zur Last fällt und ihnen extra das Leben sauer macht, deswegen habe ich da geparkt, weil es absolut nicht anders ging und dass ich normalerweise schon schaue, dass das nicht sein muss.
Ich habe ihm erzählt, dass man in Deutschland grundsätzlich da parken darf, wo es nicht verboten ist, und an der Stelle ist es nicht verboten, aber in ¾ des Bereichs weiter unten schon (gelbe Linie = Parkverbot), wo die anderen immer parken. Da unterscheidet sich halt La Palma oder Spanien vielleicht – wer weiß? – von unserem Land. Hier ist es zwar verboten, aber es stört niemanden, deswegen ist es dann in Ordnung, wenn man da parkt. Da wo es nicht verboten ist, aber jemanden stören könne, ist es aber dann nicht OK. Da müsse man halt von außen drauf schauen. Aha! Jedenfalls war es ein total nettes Gespräch, und wir haben viel gelacht.
In Los Llanos stellte ich fest, dass das Museum tatsächlich direkt hinter dem Trocadero-Einkaufszentrum ist, wo ich immer parke. Nur hatte ich da noch nie nach links geschaut. Da ist es aber, riesengroß und eigentlich gar nicht zu übersehen.
Bei meiner Ankunft an der Tür, die wehende Hexenmäntel super schön spiegelt, entdeckte ich unter dem riesigen V, das einem ein Museums-U vorgaukeln soll - schon eher zu übersehen - einen Zettel, dass ausgerechnet heute das Museum leider um 15 Uhr schließen muss. Warum auch immer. Öffnungszeiten sind nämlich bis 20 Uhr. Das war jetzt blöd. Die Geschäfte und Lokale hier waren natürlich in der Siestazeit auch zu. Im Einkaufszentrum gab es aber ein paar, die man unsicher machen könnte.
Erst mal fragte ich bei der Pediküre, ob ich nicht vielleicht zufällig… heute… Ne? Wirklich nicht? Nein, leider. Wirklich nicht. Auch nicht für mich, die beste angehende Stammkundin aller Zeiten, die innerhalb meines Aufenthalts ja vielleicht auch sogar ein drittes Mal vorbeikommen könnte. Am Montag ginge es aber. Tja. Wieder eine Hoffnung zerschlagen, was man mit dem heutigen Tag anfangen könnte. Dann blieb nicht viel übrig.
Ich erinnerte mich, dass ich da am Kiosk im Einkaufszentrum irgendwie echt gut gegessen hatte, und das wiederholte ich dann also. Mir fiel auf, dass sie mitten unter dem luftigen Glasdach des Komplexes Sonnenschirme aufgestellt hatten. Regenschirme soll man ja nicht in geschlossenen Räumen über dem Kopf aufspannen, damit einen kein Unheil ereilt – aber Sonnenschirme? Ich beschloss, man darf, und setzte mich drunter. Da fühlt man sich gleich beschirmt. Irgendwie erstaunlich, dass das so ein Gefühl von Zufriedenheit und Schutz auslöst! Und gleichzeitig die Illusion, es sei Sommer und man säße im Freien. Wie sich die Psyche so einfach austricksen lässt!
Bis das Essen kam, hab ich ein bisschen rumskizziert, denn es waren interessante architektonische Ideen in den Bau gesteckt worden. Mit dem Schaum meines Kaffees habe ich dann das Dach und die mit einer Gaze entblendeten Fenster angepinselt, und mit dem Kaffee den Schirm über mir. Und der Wrap mit Lende war wieder sehr gut!
Danach habe ich noch ein paar Shops durchstöbert und mir zwei T-Shirts gekauft, da es mich langsam langweilt, was ich so zum Anziehen dabei habe. Vor allem entweder mit langem Ärmel oder ganz ohne. Jetzt hab ich also so ein Mittelding.
Im Supermarkt ganz unten, kurz vor dem Heimfahren wollte ich wieder die Saftmaschine für die Orangen nutzen, aber leider leider war sie auch heute wieder defekt. 2 kleine Flaschen konnte ich noch gewinnen, aber die dritte Flasche wurde und wurde nicht mehr voll, weil die Orangen irgendwo innen drin sich verklemmt hatten und oben sinnlos im Kreis trudelten, aber innen nicht mehr weiterreisten. Dabei drehten sich die Pressteile dekorativ wie eine Kinderkarussell stetig im Kreis und hätten so gerne sinnvoll eingegriffen und mir herrlichen erfrischenden Saft zur Verfügung gestellt, aber die hat leider keiner gefragt. Personal war auch weit und breit keines, also musste der Mann an der Kasse sich meiner Reklamation wohl selber annehmen, aber ich hatte keine Lust mehr, wieder ans hintere Ende des Ladens zu watscheln. Das Ganze hat mich aber erinnert, dass ich in der Wohnung dringend eine Zitronenpresse brauche, und die habe ich dann in einem der Geschäfte noch erstanden, und nicht erneut vergessen.
Als ich dann ins Auto einsteigen wollte, hatte mich einer auf der Fahrerseite so eingekeilt, dass ich die Tür kaum mehr öffnen konnte. Es wäre mir unmöglich gewesen, mich da noch einzufädeln. Schon letztes Mal musste ich von der rechten Seite aus einsteigen, wobei ich mit Müh und Not irgendwie überhaupt über den Schalthebel unters Lenkrad hineinkam. Es war ein richtiger Act, und mir graute davor, das wiederholen zu müssen. Wenn man das Bein nicht so richtig heben kann, ist das halt manchmal echt unangenehm.
Aber ich sah, dass die junge Familie, die neben mir geparkt hatte, vielleicht helfen könnte. Und tatsächlich konnte ich den jungen Mann dazu bringen, mir mein Auto so weit rauszufahren, dass ich einsteigen konnte. Ich ließ seine Frau ihn für mich umarmen und war richtig happy, dass ich heutzutage endlich in der Lage bin, um Hilfe zu bitten, wenn ich was nicht kann. Und somit hatte ich schon wieder ein total nettes kurzes Gespräch und fuhr erhobenen Herzens nach Hause.
Dort widmete ich mich dann einem Vortrag zum Thema Zukunft der Menschheit. Ich fürchte, ich kann kein großes Scherflein dazu beitragen, dass alles nicht so schlimm wird, wie es grad gehandelt wird. Wenn einer erst noch mit dem Leben anfängt, dann kann er noch richtig was auf die Beine stellen. Bei mir fallen die Beine eher ab und müssen zum 70. Mal neu angeklebt werden, und der Leim ist schon so dick, dass sie ganz unterschiedlich lang sind… Wie bei richtigen alten Hexen halt. Aber immerhin weiß ich, wie es geht, mich inmitten misslungener Pläne trotzdem auf die Suche nach meiner guten Laune zu machen. Vielleicht kann ich euch ja ab und zu ein kleines Stückchen davon mitgeben, dann hätte ich auch wenigstens ein winziges Quäntchen beigetragen!
Und wenn jeder weniger leicht zu verärgern ist und sich weniger oft aufregt, und ein bisschen seiner inneren ruhigen Freude ausstrahlt, sind die Menschen um ihn herum vielleicht auch weniger leicht auf 180, und es hat doch an manchen Stellen auf unserem Planeten einen kleinen Effekt. Es wird zwar nicht gerade wie der herumflatternde Schmetterling in Brasilien einen Wirbelsturm in Texas bewirken, aber vielleicht ein kleines bisschen Farbe im grauen Alltag hineinpinseln. Heute: Juchuorange. Demnächst dann noch mit frühlingsgrünem Rand!
300 Prozent Steigerung! - 12.2.2025
Der heutige Tag fing richtig klein an und wuchs und wuchs… Erstmal kam ich kaum in die Gänge. Ich hatte mich für einen Online-Kongress angemeldet, und da habe ich mir vier Vorträge angehört. Auf der Terrasse (frierend), in der Küche (unbequem), im Bett (schön warm). Den vierten habe ich drum nicht mehr wirklich gehört. Dadurch habe ich festgestellt, dass meine megageniale Uhr, die meinen Schlaf misst, tagsüber nicht misst, nachts aber behauptet, ich wäre während meiner Schlafphase ewig wach, wenn ich einfach auf dem Bett liege und ins Handy schaue, weil mir sonst zu kalt wäre. Somit ist ein lausiger Schlafwert von 54 sehr relativ, denn nein, ich war nicht drei Stunden davon einfach wach. Ich hab nämlich einfach noch gar nicht geschlafen und auch gar nicht schlafen wollen! Und dass ich nachmittags dafür geratzt habe wie ein Meerschwein ist nirgendwo vermerkt. Ich erhebe Einspruch! Soooo war das nicht!
Naja, jedenfalls war ich irgendwie etwas dämmrig im Kopf, als ich mich endlich endlich gegen 16 Uhr aufgerafft habe, das Haus zu verlassen. Ich hatte auf Facebook gelesen, dass ein bestimmter Foodtruck in Tazacorte schmählich vernachlässigt würde, und die armen, hoffnungsvollen Pächter sich umsonst die Beine in den Leib stehen würden, und keiner käme. Also fuhr ich hin, um ihm einen Besuch abzustatten. Irgendwie hatte ich den noch nie wirklich gesehen, war aber sicher 20x an ihm vorbeigegangen. Heute ging ich direkt darauf zu und überlegte mir schon, wo auf den vielen leeren Stühlen ich Platz nehmen würde. Die Armen, echt keiner da. Dann sah ich warum: der Truck war geschlossen. Mist! Die machen wohl Siesta. Dann muss ich wohl später wiederkommen.
Ich beschloss also, mir stattdessen irgendwas zu trinken zu gönnen. Ein bisschen herumlaufen und dann… Hier unten war es ja richtig warm! Der Strand war ja echt rammelvoll! Komisch, auf der Terrasse hatte ich doch so gefroren! Und ich hatte in meinen kleinen Rucksack zwei Jacken und einen Plaid hineingestopft. Außerdem trug ich den Hexenmantel. Und die am Strand badeten da im Meer, das heute übrigens total brav war. Lang nicht mehr so friedlich gesehen. Wenn ich mich so recht erinnere, war wohl auch die Kunstdüne wieder abgetragen. Alles war strandlich, wie es sich eigentlich gehörte. Man hätte Tazacorte glatt einfach für einen schönen Touristenort halten können.
In solche Gedanken versunken, kam ich an Thomas vorbei, dem Drahtkünstler. Er war grad dabei, seinen Stand aufzubauen. Wir quatschten ein bisschen und ich fragte ihn, was ich wohl tun könnte, stünde so 'nen Meter neben mir. Er meinte: ins Meer, schwimmen, er sei heute zwei Kilometer unterwegs gewesen. Oh ja, das hätte ich vor ein paar Jahren auch noch mit Begeisterung gemacht. Aber jetzt irgendwie nicht mehr. Und auf diesen den Sand unterlegenden Steinen nicht. Und heute erst recht nicht. Ich hatte nicht mal einen Bikini dabei. Wollte ja bloß was essen.
Also suchte ich mir stattdessen einen Platz, heute zum ersten Mal freiwillig im Schatten. Es ergab sich, dass ich von dort aus einen Blick auf den Stand mit den Drahttierchen hatte. Der Kellner wollte mich einfach nicht zur Kenntnis nehmen, bediente alle, außer mir. Somit nahm ich schließlich, nachdem das Buch nicht so spannend war, mein Zeichenzeug raus. In Ermangelung anderer Motive malte ich einfach, was da geradeaus vor mir zu sehen war. Der Stand am Meer mit den Tierchen, und den Blick aufs Meer gerichtet, der Thomas. Der am liebsten immer so steht, dass er aufs Meer guckt. Sein Büro, seine Werkstatt, der herrlichste Platz der Welt. Mit dem Gesicht Richtung Sonne und Wasser, im Freien, wo der Wind weht, völlig ungebunden und dabei, etwas zu tun, was ihm einfach Freude macht. Neue Tierchen basteln, meditativ, mit Liebe und Fantasie. Wie schön er es hat! Wenn auch viele Leute kaufen würden, wäre es perfekt. Sehr viele blieben leider nicht stehen.
Endlich bekam ich dann mal was zu trinken, und somit konnte ich meine Bleistift-Skizze dann dank der Fanta auch mit dem Pinsel und Kohle verbessern. Dann versuchte ich was Neues, mit dem Zucker am Boden des Kaffees verstärkte ich die bunten Farbtüpfelchen der gezeichneten, mit Edelsteinen versehenen Tierchen und außerdem die Gischt am Strand. Das glänzte dann total schön in der Sonne. Das Bild veränderte ich zum Schluss noch, indem ich einen fliegenden Skorpion einbaute. Denn die anderen Leute sehen Möwen über dem Meer fliegen, aber Thomas zieht seine Inspiration aus dem, was er da am Meer so vor seinem inneren Auge sieht. Da kommen ganz andere Tiere daher. Auf unkonventionellen Wegen vielleicht!
Der Kellner ließ mich mit knapper Not nach einer halben Stunde Warten auf die Rechnung endlich zahlen. Ich knallte ihm das Geld nur noch auf das Blechtablett, Trinkgeld wäre hier wirklich unverdient gewesen. Auch wenn man nur eine Einzelperson bedient, könnte man doch ein bisschen flotter reagieren. Dann halt eben nicht. Ich kann beim nächsten Mal auch wo anders sitzen.
Das Bild zeigte ich dann Thomas und wollte den Block schon einstecken, der aber noch feucht war, da fragte ich aus einer Laune heraus: Magst du das Bild vielleicht haben? Und Thomas freute sich total und wollte es super gerne nehmen. Wow! Er bei der Arbeit in seinem Open-Air-Atelier, davon hatte er sicherlich noch kein Gemälde. Und es gefiel ihm so sehr, dass er mir sagte, ich solle mir eine seiner Ameisen aussuchen. Das fand jetzt ich wiederum total süß von ihm. Wie rührend! Ich hatte ihm das für mich nicht so wertvolle Bild ja einfach so geben wollen. Aber nun hab ich mein erstes Werk vertauscht. Wie cool ist das denn!
Die Ameise stellte sich natürlich total an, genau wie die neue Besitzerin, und wie auch der Hersteller, wollte sie in keine Box passen und sich nicht reinquetschen lassen. Im übrigen, was Thomas nicht wusste, hab ich eine spezielle Affinität zur Ameise, die hat Symbolwert für mich, denn mit einer früheren besten Freundin gab es in unserer gemeinsamen Geschäftsbeziehung Ameise und Grille, wie bei Jean de la Fontaine. Die Ameise ist also ein Symbol. Also passte das perfekt mit der Ameise, obwohl ich ihn immer wieder eher nach einer Spezialanfertigung eines anderen Tierchens gefragt habe.
Meine (wegen des Kellners und noch etwas anderem, einem Brief zu Hause, über den ich mich echt geärgert hatte) ziemlich gruftige Laune hatte sich plötzlich so sehr verändert, so sehr, dass ich quasi zum Foodtruck schwebte, vom Hexenmantel umweht. Mein erstes Werk abgenommen, eingetauscht, also ja fast verkauft. Ich wollte ihm was Gutes tun, und da tat er mir was Gutes! Wie herrlich! Und natürlich hatte der Foodtruck jetzt geöffnet, und ich speiste fürstlich und werde eine wunderbare Rezension verfassen, damit die Leute ab sofort richtig in Geld schwimmen.
Halt, brrrrrr Brauner! Das wäre jetzt gelogen. Der Truck war zu. Es war halb sieben abends. Tja. Ich hatte es versucht. Dumm gelaufen. Da ich gleich danach zu Hause einen Zoom hatte, musste ich irgendwie noch schnell zu Essen kommen. Ich lief zum Dorf zurück und stellte fest, dass der Supermarkt heute wieder den GUTEN russischen Salat und nicht den grässlichen Verschnitt hatte, den sie letztens anboten. Und dann funktionierte auch noch zum allerersten Mal die Kartenzahlung ohne Problem. Ui, ich bin total im Flow!
Oben bei meiner Wohnung angekommen, musste ich noch unbedingt nach dem Kater sehen. Ich machte mir große Sorgen um ihn. Anfangs, und das hatte ich euch ja glaube ich nicht mal erzählt, weil ich keine miesen Zwischentöne in meinen Blog hineinkommen lassen wollte, war ich mal nach Hause gekommen, und da hatte ein Tier auf meine Couch gekackt. Volle Kanne. Ein Rieseneumel wie von einem Hund! Es roch aber eher nach Katze. Ich habe keine Ahnung, wie das Tier da reingekommen war, außer dass im obersten Stock ein Fenster eine Handbreit offen war, das hatte Judith so gelassen. Tier war keines in der Wohnung. Mit dem Sofa hatte ich dann eine Heidenarbeit. Und irgendwas riecht hier im Wohnzimmer immer noch nach Kater. Ich finde es nicht, wo. Der Bursche wird irgendwo sein Revier markiert haben, und da gibt es viele Möglichkeiten, wo der hingetröpfelt haben kann. (Ich will aber nicht mit der Nase am Boden entlang kriechen.)
Dieser Kater, den ich da in Verdacht habe, hat mich am Anfang immer angefaucht. Er sitzt unter den Autos in unserem Bereich der Straße. Irgendjemand stellt auch eine Schale mit irgendwelchem Futter ab und zu mal hin. Der Kater sitzt immer unter einem anderen Auto. Letzthin hatte er sich zu meinem Gefährt vorgearbeitet, und neulich, wo ich einsteigen wollte, kam er gerade und setzte sich explizit zwischen die Räder, wo ich mich gerade startbereit machen wollte. Also musste ich ihn da lieb herauskomplimentieren, denn ich will ihm ja nichts abfahren. Schließlich bewegte er sich dann vorwärts unter den nächsten geparkten Wagen.
Und vorgestern sah ich den alten Kater in der Bananenplantage oberhalb der Rampe, die zu meiner Wohnung führt, verschwinden. Da hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich glaube, diese Rampe war auch für ihn ein ziemlicher Kraftakt. Er wirkte so elend. Irgendwie hatte ich das Gefühl, der geht jetzt in die Plantage, um sich für immer hinzulegen. Und zwei Minuten später kam ein junger Mann mit IS-Bart und einem Kampfhund und setzte sich da auf die Rampe, um zu rauchen. Der Kampfhund zog derweil frei durch die Bananenplantage. Ich hatte die ganze Zeit so einen Bammel, dass der Hund nun den armen Kater fertigmacht. Ich hab so gehofft, dass das nicht passiert! Ungefähr fünfzehn Minuten später zog der Gebartete endlich mit seinem Hund ab. Danach sah ich den Kater einfach nirgends mehr. Ich schaute gestern und heute nach ihm, aber nirgendwo war er zu sehen.
Gestern saß der Bartträger schon wieder auf der Rampe. Da fragte ich ihn, ob sein Hund nicht etwa… Der Kater sei kurz vor dem Hund in die Bananenplantage. Der Bartträger ganz erschrocken – oh nein, ganz bestimmt nicht. Das sei nicht so ein Hund. Es stellte sich heraus, dass der Bartträger zwar verboten aussah, aber wohl gar kein so schlechter Mensch ist. Und sein Hund vielleicht auch ein ganz netter Hund, auch wenn er ein Kampfhund mit einem riesigen kräftigen Kiefer ist.
Und heute ging ich die ganze Straße ab und miaute nach dem Kater. Ich kann das recht gut, denn wir hatten früher mal dreizehn Katzen. Und dann… sah ich ihn am oberen Ende der Straße unter einem Auto zu mir herschauen. Zu der komischen schwarzen Katze da unten, die ab und zu ein Mensch und ab und zu eine Hexe oder eine Katze oder eine Ameise ist. Heute eine glückliche Ameise! So froh, die Katze zu sehen, die mir anfangs solches Ungemach beschert hatte. Ich hätte einfach das Motto von meinem gestern neu gekauften T-Shirt richtig verinnerlichen sollen: Don’t worry about the future – enjoy the now!
Und danach hatte ich noch drei wundervolle Zoomsessions mit allerbester Laune. Die Welt ist schön. Jedenfalls hier in der Bürgermeisterstraße! In einem Dorf, wo man sieben verschiedenen Menschen begegnet, die man nicht kennt, die alle allein herumlaufen, und alle ein breites Lächeln auf den Lippen tragen. Was für eine freudige Atmosphäre!
Mit Schwung ins Wohnzimmer - 14.2.2025
Rumms! Tür auf! Hey Leute, bin wieder da! Heute noch voller Power! Hatte einen recht guten Tag heute. Bin ganz beschwingt! Wo fang ich an? Große Dinge gibt es nicht zu erzählen, aber heute lief fast alles ganz ohne blöde Ecken und Kanten, an denen man sich Zeh oder Schienbein stoßen könnte, nein, heute war mein Leben in bester Butter! Außer, dass ich mir an der Autotür den Kopf gestoßen habe. Vom Kopf hatte ich grad auch nichts gesagt. Krieg vielleicht ‘nen blauen Fleck. Aber ist nicht schlimm.
Mittags habe ich endlich mal, nach bald drei Wochen „Audienz“ bei meinem Sohn gehabt, wir haben uns dafür dann gleich eineinhalb Stunden oder so am Telefon unterhalten, und jetzt treibt er mal sein Herkommen auf die Insel voran, auf das ich ja schon die ganze Zeit warte. Er soll mich doch mal besuchen, selber sehen, wie schön es hier ist und genießen, was mir hier so Freude macht.
Danach musste ich mich beeilen, rechtzeitig beim Zeichenkurs in Argual zu sein, für den ich mich angemeldet hatte, denn vor lauter Ratschen hab ich fast die Zeit vergessen. Als letzte war ich dann da, es wurde noch ein Tisch angebaut, aber dadurch hatten dann auch die anderen mehr Platz, sich auszubreiten. Heute lagen auf dem Tisch Blüten, an denen wir das genaue Beobachten üben sollten. Mit einem Bleistift haben wir angefangen uns von außen nach innen vom relativ Einfachen zum Schwierigen vorzuarbeiten.
Als wir dann das fertige Bild jeweils im Kreis weitergegeben haben, waren wir echt erstaunt, wie jeder auf der Basis der identischen Anleitung etwas Spannendes geschaffen hatte, aber alle hatten eine Eigenheit und jedes Bild war ein absolutes Unikat. Man hätte nie vermutet, dass wir alle dasselbe gesagt bekommen hatten. Haben wir alle was anderes gehört, oder einfach eine ganz andere Art und Weise, es auszuführen, oder so viel Talent oder so großen Ungehorsam? Mir tut es eigentlich leid, dass wir kein Foto gemacht haben, auf dem alle Bilder beieinander liegen. Zwar hatte jeder eine einzelne abgezupfte Blüte, die ja natürlich unterschiedlich sind, aber dass auch die Darstellung so stark abweicht - das wäre eigentlich schon fotoreif gewesen. Leider kam mir die Erkenntnis zu spät.
Danach sollten wir uns weiter mit den Blüten beschäftigen oder auch etwas anderes aus der schönen Umgebung unseres Sitzplatzes malen. Es entstanden mehrere Blütenbilder, eine Kirche, ein paar Häuser und ein Bild, auf dem Farbverläufe waren und sonst nichts. Meins war noch mal ein Blütenzweig, den ich erst sehr intuitiv (nicht so genau, wie wir das vorher getan hatten) erfasst habe. Schon war er mir wunderbar gelungen, aber irgendwie zu wenig auffällig, man sah ja die Linien fast nicht. Also habe ich dann noch die Farbstifte hinzugezogen, habe versucht, die Blüten ganz genau zu beobachten, und dann das bisschen Rosa, das unter dem Weiß wie Himbeeren unter Schlagsahne hervorlugte randlos eingefügt, die grünen Blättersterne in der Mitte ebenfalls atemlos hineingestreut, die vorwitzigen, ungestümen gelben Pollenkügelchen verteilt, die standfesten jovialen braunen Blütenansätze eingebaut und das Grün der Zweige nachgezogen, die sich unter der Pracht stabilisierend zu verstecken versuchten, es aber nicht zur Gänze hinbekamen. Auch ihr seid schön, liebe Stiele, nicht nur die weißen Petticoats!
Nichts entkam mir. Dann war es aber immer noch zu unklar. Also zückte ich meinen Kohlestift, und dann wurde es richtig vogelwild. Dann hörte ich auf, der Realität zu folgen und kreierte die Blüten nach meiner Façon, nahm ihnen ihren Schmelz und dramatisierte sie mit schmerzhafter Knute. Da man immer noch nichts sah, musste ich doch noch mit einer blauen Farbe und dem Pinsel einschreiten. Und dann stellte ich fest: ich hätte alles viel viel größer machen sollen. Oder ich sollte es zurechtschneiden. Kleinere Formate liegen mir mehr. Und das mir, wo ich doch einen riesigen Zeichenblock gekauft habe, von dem ich erst ein einziges Blatt vermalt habe! Eben, weil er so riesig ist. Nicht so praktisch, in der Handtasche mitzunehmen und mal eben im Café unauffällig ein bisschen herumzukritzeln...
Ich war wunderbar im Flow und entsetzt, dass die Zeichenzeit schon wieder vorbei war. Für nächste Woche habe ich mich dann halt zur Abwechslung schon wieder angemeldet. Das geht ganz schön ins Geld - hatte ich bei meiner Kalkulation vor diesem Urlaub nicht geahnt, aber nun ist es so. Ich tu ja was für mich und bin happy mit dem, was uns geboten wird und wie ich dazulerne. Meine künstlerische Freiheit entwickelt sich rasant. So locker war ich noch nie, wenn ich versucht habe, irgendwas zu zeichnen, und so viele verschiedene Herangehensweisen von den anderen zu sehen, macht mir auch Freude und bringt mein Hirnchen zum Rattern.
Ich nahm noch eine Teilnehmerin nach Tazacorte mit und lief dann selber allein ein bisschen hier herum, habe weitere pittoreske Ecken entdeckt, wo ich noch nicht war, besuchte die Touristeninformation für weitere Tipps. Zum Beispiel erfuhr ich, dass gestern hier ein Konzert war, was natürlich ganz hilfreich ist, nicht wahr? Aber demnächst ist ein Filmfestival, sogar mit deutschen Filmen.
Schließlich landete ich mal wieder bei der Bar Marmota vor dem Sonnenuntergang über dem Bananenhain und genoss einen mit Schafskäse überbackenen Aubergine, der auch wirklich gut und fleischlos war. Ich hatte ein Buch inseriert, das wurde da abgeholt, und gleichzeitig hatte ich dann mal wieder ein Tischgespräch, denn die beiden Abholer waren so nett, sich auf ein Getränk zu mir dazuzusetzen. Aus derselben Telegram-Gruppe hat mich heute eine Leserin kontaktiert, die mich persönlich kennenlernen möchte, das finde ich ja auch eine sehr nette Idee! (Wink! Ja, dich meine ich). Ich habe derzeit noch viele freie Stellen in meinem Terminkalender, da mir langsam die Ideen ausgehen, was ich noch alles anschauen könnte.
Morgen wäre wieder der afrikanische Tanz, aber das war mir dann doch ein bisschen zu anstrengend, weswegen ich Misha einfach so treffen mag, ohne mich zu verausgaben. Also schon mal ein Grund, sich auf morgen zu freuen! Vorfreude ist die schönste Freude. Und falls irgendwas mal nichts wird, dann hatte man wenigstens die Freude, das ist auch schon was. Ein wohliges Seelenbad.
Den Abend verbrachte ich noch mit einem gelungenen zweistündigen Diskussionszoom, der friedlich und angenehm verlief und das Gefühl gab, in einem großen Zoom-Wohnzimmer zu sitzen. Viele sprachen davon, dass sie so viel Wut in sich fühlten, dass das eine große Eigenschaft von ihnen sei, und dann hätten sie das Problem, dass sie es nicht gut herauslassen durften. Es waren Leute, die mit Heilen und Patienten zu tun hatten, und wurden somit zu unser aller Freude beim Reden keineswegs polemisch. Mir fiel aber heute wiederholt auf, dass Leute ihre Rede einleiten mit "Ihr werdet lachen", wenn es bei dem Nachfolgenden keinesfalls irgendwas zu lachen gibt, sondern dass dies eigentlich eher ein Wegweiser zum entgegengesetzten Ende der Gefühlsskala ist.
Ich stelle fest, dass ich das Gefühl von ohnmächtigem Zorn, das mich in meinem Leben oft beherrscht hatte, seit langem nur noch selten fühle. Ich lasse mich nicht mehr beuteln, völlig aus dem Gleis sprengen. Wenn eine Wut vorbeikommt, dann ist sie kurz und nicht mal mehr schmerzvoll, sondern löst sich relativ schnell und darf gehen, ohne großen Schaden angerichtet zu haben. Ich glaube nicht, dass es so ist, dass ich die in mir anstaue und vergrabe, was völlig widernatürlich wäre und Lösungen aller Art blockieren würde. Irgendwie habe ich jetzt eine viel gesündere Herangehensweise, und das, was die anderen heute so bemängelten, ist gar nicht mehr ein Problem, mit dem ich zu tun habe. Wie schön! Wie erleichternd, dass ich nicht wirklich irgendwie Existenzängste haben muss oder von anderen abhängig bin! In so einer Umgebung wie hier fällt einem das Wutfrei-Sein auch leicht.
Langsam habe ich das Gefühl, ich habe um mein Zoom-Wohngemach ein noch viel größeres, ganz Tazacorte umfassendes Wohnzimmer. Wenn nicht die blöde Parkerei wäre – wo darf man, wo besser nicht, neuerdings ja unter In-Betracht-Ziehen, dass es verboten sein könnte, wo es erlaubt aussieht – hätte ich das Gefühl, hier ganz zuhause zu sein und überall gemütlich sitzen, zeichnen und schreiben zu können und mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Es ist einfach nett und heimelig hier. Mit den bunten Häuserfarben haben sie es mir auch nach meinem Geschmack eingerichtet. Und diese Himmelslampe mit ihren wunderschönen Abendvarianten… In keinem Möbelhaus gibt es eine bessere!
In der ersten Reihe hört man besser - 15.2.2025
Ein interessanter Tag heute! Da ich nicht immer dasselbe machen wollte wie sonst, und mal wieder richtig fies und gemein sein musste, habe ich zunächst mal wieder, allerdings auf der Terrasse mit Blick aufs Meer und nicht wie zuvor im Wohnzimmer in Ingolstadt, eine böse, sehr böse Hyde-Geschichte geschrieben, nämlich diese hier: Die Murmelwelt. Nach Inspirationen aus Judiths Zettelglas auf der Terrasse, in dem sie einzelne Begriffe auf gefalteten Zetteln hineingelegt hat, aus denen man eine Geschichte basteln kann. Den einen gezogenen Begriff unterzubringen, fiel mir richtig schwer, aber ich wollte nicht schummeln, drum ist er jetzt auch in der Geschichte versteckt.
Mit meiner Münchner Freundin habe ich telefoniert und mich danach mit Misha getroffen, die heute eigentlich Tanzkurs gehabt hätte wie ich auch. Aber ich hatte ja für mich selbst schon beschlossen, dass ich nicht mehr hin gehe. Misha hatte auch Rückenschmerzen und nicht so die große Lust auf den Kurs. Es hatte auch keinerlei Einladung zum Termin gegeben, nur eine Viertelstunde vor Beginn wurde gefragt, wer sich heute aufrafft, und dann kamen reihenweise Absagen. Das Gespräch mit Misha in der ersten Reihe im Lokal, nebeneinander, mit Blick auf das Meer, war gut und für sie wahrscheinlich schwierig, weil ich viel nachgefragt habe. Vielleicht fällt es ihr ja durch irgendetwas, was ich gesagt habe, leichter, den Weg zu finden, nach dem sie gerade sucht. Das wäre meine Hoffnung. Aber manchmal ist die Tür noch so lange zu, bis man etwas Bestimmtes in seinem Leben gefunden hat, und erst dann, wenn man wieder hinschaut, ist sie plötzlich offen, als wäre das schon immer so gewesen.
Während wir da saßen, kam plötzlich eine immense Welle und schwappte über alles drüber. Ich hatte fälschlicherweise berichtet, dass ich glaube, die künstliche Düne sei wieder nivelliert. Heute sah ich, dass ich wohl nicht richtig hingeschaut hatte oder mich schon an sie gewöhnt hatte. Sie ist noch da. Und die Welle heute überquerte einfach den gesamten Strand einschließlich der Düne. Wir standen auf und beobachteten von der Hafenmauer aus, was los ist. Im Wasser kraulte auch ein Schwimmer, aber der zeigte sich offensichtlich unbeeindruckt. Außerdem gibt es hier jemanden, der immer auf einem motorisierten Surfbrett oberhalb des Wassers herumschießt. Das Brett hat einen kleinen Mast, der nach unten ins Wasser ragt und bewegt sich eigentlich inmitten der Luft. Der hatte auch Spaß in der Bucht, und niemandem schien etwas passiert zu sein, außer dass einigen das Handtuch überflutet worden war.
Nach unserem Treffen suchte ich im Dorf nach dem Ort für die Bücherlesung. Diesen kleinen Laden, La Banana, einen Kulturverein, hatte ich noch nie gesehen. Ich war zu spät, aber wurde trotzdem noch gerne aufgenommen. In der ersten Reihe gab es nämlich noch alle Plätze. Und in der 3. und 4. von 4 auch. Also hatte ich in der deutschsprachigen Lesung schon wieder einen Logenplatz, wodurch man sich viel direkter einbezogen fühlt.
Das erste Buch, das vorgestellt wurde, entstammte offenbar einer Serie von historischen Romanen, die die Autorin, die Historikerin Barbara Schlüter, so konzipiert hat, dass jeder für sich abgeschlossen ist. Jeder hat einen kleinen Bezug zu La Palma. Heute las sie etliche Seiten aus ihrem jüngsten Baby „Verschacherte Leben“. Hier verquicken sich verschiedene Handlungsstränge, bei denen Verstrickungen auftreten mit dem Handel mit „weißem Menschenfleisch“, maßgeblich und angeblich zufällig jüdischer Herkunft, wodurch die armen Mädchen, denen vorgegaukelt wird, sie würden für eine Künstleragentur ins Ausland geschickt, um dort auf der Bühne auftreten zu können, in Freudenhäusern landen, wo sie dann quasi „lebendig begraben“ arbeiten müssen und selten jemals wieder dort herauskommen. Die Autorin berichtete dann auch von ihren Funden in den Dokumenten, die sie dafür herangezogen hat, dass bereits zur Jahrhundertwende 1800/1900 in Deutschland eine sehr starke Judenfeindlichkeit in den Archiven zu erkennen war. Diese hatte also eine traurige Tradition, schon lange, bevor es damit wirklich ernst wurde.
Leider leider, wenn man unser Jahrhundert so aus einer fernen Zukunft anschaut, sieht man in den derzeit kursierenden Texten, insbesondere Kommentaren in sozialen Medien auch lauter hässliche menschenverachtende fiese Spitzen durchstechen, nicht nur gegen Juden, sondern gegen alle möglichen, ursprünglich aus dem Ausland zu uns gekommenen Menschen, aber das wisst Ihr alle selbst. Ich hoffe bloß, dass sich unsere Geschichte noch mal zurechtbiegen, und der Trend sich wieder irgendwie umlenken lässt, so dass niemand 2100 sagen muss: 2025 war das alles ja schon sonnenklar und konnte gar nicht anders enden. “History has a habit of repeating itself“ war schon einer der Übungssätze, die wir im Dolmetschunterricht auswendig lernen mussten (zur Gedächtnisschulung lernten wir – wenn ich mich recht erinnere - 200 oftmals inhaltsschwere Sätze auswendig, die miteinander nichts zu tun hatten, wir mussten uns selbst eine Eselsbrücke bauen. In so etwas war ich gut.)
Unmittelbar im Anschluss folgte eine von einer eindrucksvollen Bilderschau untermalte zweite Lesung aus dem Buch Lava Steinzeit (Edad de lava) der auf La Palma beheimateten Deutschen Gudrun Bleyhl. Sie hat jeweils eine Seite auf Spanisch und die andere Seite auf Deutsch bedrucken lassen. Es handelt sich hier um einen Erlebnisbericht der Zeit des Vulkanausbruchs des Tajogaite 2021. Damit es nicht zu trist wird, hat sie immer wieder bunte Einsprengsel fröhlicher Geschichten von früher hineingestreut, als die Welt noch in Ordnung war an der Stelle der Insel, wo heute nur noch Lava liegt. So hat sie sehr bewegend mit diesem Buch wahrscheinlich versucht, ihre eigene Traumatisierung zu verarbeiten. Das Ganze hat wohl schwer an ihrem Nervenkostüm genagt, es ist halt ihre Geschichte, sie hat das live erlebt, hat aber noch Glück gehabt im Gegensatz zu manch anderem. Und damit ist sie nicht allein. Wie viele Menschen hier bis an ihr Lebensende Angst haben werden, wenn irgendwie der Boden zittert oder ein lautes Geräusch ertönt…
Überhaupt ist es ja ein Wunder, dass der Ausbruch keine Menschenleben gekostet hat, obwohl die Behörden eigentlich kläglich versagt haben. Die Autorin erzählte, dass im Vorfeld des Ausbruchs absolut niemand evakuiert wurde. Man hatte zwar seinen Rucksack gepackt, aber sich wirklich nicht die Vorstellung gemacht, wenn ich dieses Haus verlasse, komme ich nie wieder zurück. Da wird es kein Haus mehr geben. Wenn der sich voranschiebende Lavawulst 12 m dick ist, hat man keine Chance, auch wenn die Bagger Tag und Nacht versuchen, noch eine Rinne zu graben. Das ist der Lava dann sowas von egal.
Man dachte sich halt, na gut, bevor mir in der Küche womöglich irgendwas auf den Kopf fällt, nehme ich mal ein paar Nudeln in die Draußenküche mit, damit man da schlimmstenfalls etwas brutzeln kann. Es war den Vulkanforschern aber durchaus bekannt, dass der Vulkan jetzt ausbrechen würde, aber durch Versagen irgendwelcher Leute wurde die Vulkanampel nicht von Gelb auf Rot gestellt. Der Ernst der Lage war den Bewohnern im Vorfeld der Geschehnisse also absolut nicht bewusst. Da relaxte man zum Beispiel gerade in der Badewanne, als es losging, und musste unverhofft sofort das Haus verlassen, und das war's dann.
Ich verließ die Lesung mit zwei signierten Büchern unterm Arm, und habe nun für die nächste Zeit lektüremäßig gut vorgesorgt. Mit dem einen kann ich vielleicht sogar mein Spanisch noch verbessern.
In der ersten Reihe hört man besser - 14.2.2025
Ein interessanter Tag heute! Da ich nicht immer dasselbe machen wollte wie sonst, und mal wieder richtig fies und gemein sein musste, habe ich zunächst mal wieder, allerdings auf der Terrasse mit Blick aufs Meer und nicht wie zuvor im Wohnzimmer in Ingolstadt, eine böse, sehr böse Hyde-Geschichte geschrieben, nämlich diese hier: Die Murmelwelt. Nach Inspirationen aus Judiths Zettelglas auf der Terrasse, in dem sie einzelne Begriffe auf gefalteten Zetteln hineingelegt hat, aus denen man eine Geschichte basteln kann. Den einen gezogenen Begriff unterzubringen, fiel mir richtig schwer, aber ich wollte nicht schummeln, drum ist er jetzt auch in der Geschichte versteckt.
Mit meiner Münchner Freundin habe ich telefoniert und mich danach mit Misha getroffen, die heute eigentlich Tanzkurs gehabt hätte wie ich auch. Aber ich hatte ja für mich selbst schon beschlossen, dass ich nicht mehr hin gehe. Misha hatte auch Rückenschmerzen und nicht so die große Lust auf den Kurs. Es hatte auch keinerlei Einladung zum Termin gegeben, nur eine Viertelstunde vor Beginn wurde gefragt, wer sich heute aufrafft, und dann kamen reihenweise Absagen. Das Gespräch mit Misha in der ersten Reihe im Lokal, nebeneinander, mit Blick auf das Meer, war gut und für sie wahrscheinlich schwierig, weil ich viel nachgefragt habe. Vielleicht fällt es ihr ja durch irgendetwas, was ich gesagt habe, leichter, den Weg zu finden, nach dem sie gerade sucht. Das wäre meine Hoffnung. Aber manchmal ist die Tür noch so lange zu, bis man etwas Bestimmtes in seinem Leben gefunden hat, und erst dann, wenn man wieder hinschaut, ist sie plötzlich offen, als wäre das schon immer so gewesen.
Während wir da saßen, kam plötzlich eine immense Welle und schwappte über alles drüber. Ich hatte fälschlicherweise berichtet, dass ich glaube, die künstliche Düne sei wieder nivelliert. Heute sah ich, dass ich wohl nicht richtig hingeschaut hatte oder mich schon an sie gewöhnt hatte. Sie ist noch da. Und die Welle heute überquerte einfach den gesamten Strand einschließlich der Düne. Wir standen auf und beobachteten von der Hafenmauer aus, was los ist. Im Wasser kraulte auch ein Schwimmer, aber der zeigte sich offensichtlich unbeeindruckt. Außerdem gibt es hier jemanden, der immer auf einem motorisierten Surfbrett oberhalb des Wassers herumschießt. Das Brett hat einen kleinen Mast, der nach unten ins Wasser ragt und bewegt sich eigentlich inmitten der Luft. Der hatte auch Spaß in der Bucht, und niemandem schien etwas passiert zu sein, außer dass einigen das Handtuch überflutet worden war.
Nach unserem Treffen suchte ich im Dorf nach dem Ort für die Bücherlesung. Diesen kleinen Laden, La Banana, einen Kulturverein, hatte ich noch nie gesehen. Ich war zu spät, aber wurde trotzdem noch gerne aufgenommen. In der ersten Reihe gab es nämlich noch alle Plätze. Und in der 3. und 4. von 4 auch. Also hatte ich in der deutschsprachigen Lesung schon wieder einen Logenplatz, wodurch man sich viel direkter einbezogen fühlt.
Das erste Buch, das vorgestellt wurde, entstammte offenbar einer Serie von historischen Romanen, die die Autorin, die Historikerin Barbara Schlüter, so konzipiert hat, dass jeder für sich abgeschlossen ist. Jeder hat einen kleinen Bezug zu La Palma. Heute las sie etliche Seiten aus ihrem jüngsten Baby „Verschacherte Leben“. Hier verquicken sich verschiedene Handlungsstränge, bei denen Verstrickungen auftreten mit dem Handel mit „weißem Menschenfleisch“, maßgeblich und angeblich zufällig jüdischer Herkunft, wodurch die armen Mädchen, denen vorgegaukelt wird, sie würden für eine Künstleragentur ins Ausland geschickt, um dort auf der Bühne auftreten zu können, in Freudenhäusern landen, wo sie dann quasi „lebendig begraben“ arbeiten müssen und selten jemals wieder dort herauskommen. Die Autorin berichtete dann auch von ihren Funden in den Dokumenten, die sie dafür herangezogen hat, dass bereits zur Jahrhundertwende 1800/1900 in Deutschland eine sehr starke Judenfeindlichkeit in den Archiven zu erkennen war. Diese hatte also eine traurige Tradition, schon lange, bevor es damit wirklich ernst wurde.
Leider leider, wenn man unser Jahrhundert so aus einer fernen Zukunft anschaut, sieht man in den derzeit kursierenden Texten, insbesondere Kommentaren in sozialen Medien auch lauter hässliche menschenverachtende fiese Spitzen durchstechen, nicht nur gegen Juden, sondern gegen alle möglichen, ursprünglich aus dem Ausland zu uns gekommenen Menschen, aber das wisst Ihr alle selbst. Ich hoffe bloß, dass sich unsere Geschichte noch mal zurechtbiegen, und der Trend sich wieder irgendwie umlenken lässt, so dass niemand 2100 sagen muss: 2025 war das alles ja schon sonnenklar und konnte gar nicht anders enden. “History has a habit of repeating itself“ war schon einer der Übungssätze, die wir im Dolmetschunterricht auswendig lernen mussten (zur Gedächtnisschulung lernten wir – wenn ich mich recht erinnere - 200 oftmals inhaltsschwere Sätze auswendig, die miteinander nichts zu tun hatten, wir mussten uns selbst eine Eselsbrücke bauen. In so etwas war ich gut.)
Unmittelbar im Anschluss folgte eine von einer eindrucksvollen Bilderschau untermalte zweite Lesung aus dem Buch Lava Steinzeit (Edad de lava) der auf La Palma beheimateten Deutschen Gudrun Bleyhl. Sie hat jeweils eine Seite auf Spanisch und die andere Seite auf Deutsch bedrucken lassen. Es handelt sich hier um einen Erlebnisbericht der Zeit des Vulkanausbruchs des Tajogaite 2021. Damit es nicht zu trist wird, hat sie immer wieder bunte Einsprengsel fröhlicher Geschichten von früher hineingestreut, als die Welt noch in Ordnung war an der Stelle der Insel, wo heute nur noch Lava liegt. So hat sie sehr bewegend mit diesem Buch wahrscheinlich versucht, ihre eigene Traumatisierung zu verarbeiten. Das Ganze hat wohl schwer an ihrem Nervenkostüm genagt, es ist halt ihre Geschichte, sie hat das live erlebt, hat aber noch Glück gehabt im Gegensatz zu manch anderem. Und damit ist sie nicht allein. Wie viele Menschen hier bis an ihr Lebensende Angst haben werden, wenn irgendwie der Boden zittert oder ein lautes Geräusch ertönt…
Überhaupt ist es ja ein Wunder, dass der Ausbruch keine Menschenleben gekostet hat, obwohl die Behörden eigentlich kläglich versagt haben. Die Autorin erzählte, dass im Vorfeld des Ausbruchs absolut niemand evakuiert wurde. Man hatte zwar seinen Rucksack gepackt, aber sich wirklich nicht die Vorstellung gemacht, wenn ich dieses Haus verlasse, komme ich nie wieder zurück. Da wird es kein Haus mehr geben. Wenn der sich voranschiebende Lavawulst 12 m dick ist, hat man keine Chance, auch wenn die Bagger Tag und Nacht versuchen, noch eine Rinne zu graben. Das ist der Lava dann sowas von egal.
Man dachte sich halt, na gut, bevor mir in der Küche womöglich irgendwas auf den Kopf fällt, nehme ich mal ein paar Nudeln in die Draußenküche mit, damit man da schlimmstenfalls etwas brutzeln kann. Es war den Vulkanforschern aber durchaus bekannt, dass der Vulkan jetzt ausbrechen würde, aber durch Versagen irgendwelcher Leute wurde die Vulkanampel nicht von Gelb auf Rot gestellt. Der Ernst der Lage war den Bewohnern im Vorfeld der Geschehnisse also absolut nicht bewusst. Da relaxte man zum Beispiel gerade in der Badewanne, als es losging, und musste unverhofft sofort das Haus verlassen, und das war's dann.
Ich verließ die Lesung mit zwei signierten Büchern unterm Arm, und habe nun für die nächste Zeit lektüremäßig gut vorgesorgt. Mit dem einen kann ich vielleicht sogar mein Spanisch noch verbessern. Als historischen Roman habe ich einen anderen als den heute besprochenen gewählt. Zuhause schaute ich dann noch nach, was der Straßenname des Bananen-Clubs eigentlich bedeutet – Caballos Fufos. So was wie Crazy Horses, es handelt sich eigentlich um ein traditionelles Fest, das ursprünglich aus Kuba stammt. Hier verkleiden sich die Herren der Schöpfung als Pferd und traben zu Polkaklängen durch die Stadt, wobei sie immer wieder auf die Zuschauer lospreschen, was eine Mordsgaudi zu sein scheint. Dazu wird sinnigerweise ein Lied über ein Täubchen gesungen, und im Umzug muss auch eine fransige Giraffe dabei sein. Na dann… Kein Wunder, wenn hier jedes Outfit in Ordnung ist! Die sind hier schließlich einiges gewohnt.
Zuhause schaute ich dann noch nach, was der Straßenname des Bananen-Clubs eigentlich bedeutet – Caballos Fufos. So was wie Crazy Horses, es handelt sich eigentlich um ein traditionelles Fest, das ursprünglich aus Kuba stammt. Hier verkleiden sich die Herren der Schöpfung als Pferd und traben zu Polkaklängen durch die Stadt, wobei sie immer wieder auf die Zuschauer lospreschen, was eine Mordsgaudi zu sein scheint. Dazu wird sinnigerweise ein Lied über ein Täubchen gesungen, und im Umzug muss auch eine fransige Giraffe dabei sein. Na dann… Kein Wunder, wenn hier jedes Outfit in Ordnung ist! Die sind hier schließlich einiges gewohnt.
Sprachrohr sein – 15.2.2025
Heute war ein richtig schöner Tag, auch wenn er ein bisschen in Schräglage mit einem Missklang angefangen hat. Morgen hatte ich nämlich etwas, wie ich meinte, echt Schönes geplant, und das hat sich zerschlagen, weil ich nicht so gut gehen kann. Es ging darum, dass das, was da geplant war, in einer Höhle stattfinden sollte, und die Gruppe sollte dann zu der Höhle erstmal zu Fuß gelangen. Da gibt es aber nur einen Weg, der sehr abschüssig ist, und eher zu erklettern ist, als zu begehen. Und damit ist die Angelegenheit für mich für diesmal wohl leider gestorben. Es handelt sich um eine Kakaozeremonie mit Astralreise. Das kann ja sein, dass dieser Ort sich dann für diesen speziellen Zweck besonders gut eignet, weil da ganz besondere Energien vorhanden sind und er deswegen von Haus aus irgendwie mystisch und außergewöhnlich ist. Aber meinem Bein ist das halt leider egal.
Im Vorfeld war mir schon gesagt worden, der Weg sei schwierig, aber eigentlich ein „Gehweg“. Und heute sagte ein anderer ganz frank und frei heraus, da seien auch schon mehrere Unfälle passiert, und man könne jemanden da auch nicht mehr wieder hochbringen, wenn er verunglückt, weil es so steil ist. Gut, dann muss ich halt ehrlich zu mir stehen und sagen: diesmal nicht. Das ist die falsche Location für mich. Dann soll es jetzt nicht sein. Vielleicht irgendwann anders, vielleicht bin ich noch nicht ausreichend dafür „bereitet“. Oder es sollen erstmal andere Wege begangen werden.
Auf einen weiteren Unfall kann ich verzichten und ich darf auch zu mir selber stehen, dass ich das Allerwertvollste in meinem Leben bin, und ich auf mich unbedingt gut aufpassen muss. Eine andere Dame hat dann gemeint, sie würde dann auch nicht teilnehmen, weil es nicht recht sei, dass Leute, die irgendwie gehbehindert sind, nicht teilnehmen könnten. Das sehe ich jetzt nicht so. Ich bin nicht gehbehindert, und ich bin auch schon selber groß und kann für mich einstehen, und aus Sympathie für mich braucht dann auch gar niemand irgendwas nicht zu tun, was er gerne täte. Auch wenn’s lieb gemeint ist oder ein echtes Anliegen, sich für andere einzusetzen.
Nun gut, dieses Event habe ich also für morgen abgesagt, obwohl ich mich jetzt richtig drauf gefreut hatte, aber dann ist es halt so. Wird schon irgendwas anderes auch noch kommen, das interessant ist, und vielleicht im Moment geeigneter und bedeutungsvoller für mich.
Heute traf ich mich dann in El Paso im Restaurant El Geco mit einem erklärten Fan. Sie war sichtlich erfreut, dass sie mich treffen konnte, und strahlte mir ganz glücklich entgegen. Das ist ein tolles Gefühl für mich, denn das ist mal jemand, die mich tatsächlich rein über meinen Blog kennengelernt hat. Ein Novum! Wir führten gute Gespräche über einem fast guten Essen (ich habe der Bedienung auf Nachfrage noch mitgeteilt, was genau mir daran noch fehlte, und wurde gebeten, das nächste Mal dasselbe noch mal zu probieren, aber vorher meinen Wunsch bekannt zu geben, sowas finde ich echt lobenswert!).
In den letzten Wochen habe ich mir oft überlegt, was überhaupt meine Mission hier auf Erden genau ist. Die Insel ist ja so ein Ort, wo man allenthalben mit Spiritualität konfrontiert ist. Wo man sich Gedanken über das eigene Leben macht, und ob es einem so gefällt, wie es jetzt gerade (daheim) ist. Was die Perspektiven sind, und ob sie einem gefallen. Ob man sich selbst in dem, was man so erreicht hat, gerecht wird, oder ob man an seiner Bestimmung meilenweit vorbeigeht.
In einer Meditation vor ein paar Jahren war mir gezeigt worden, ich sei hier auf der Welt als ein Sprachrohr. Es ist mir ja klar, dass dies in der Zeit, als ich noch als Übersetzerin arbeitete, meine Funktion sein musste. Somit habe ich als Beruf auch das aufgegriffen, was meiner Berufung entsprach. Der Zweck war hier stets Information von der einen Seite, möglichst ohne Verluste und Verfälschungen, auf die andere Seite zu transportieren. Also aus einer Sprache in die andere.
Abgesehen davon bin ich genötigt, mich stets selbst zu übersetzen, da ich ja mit meinen synästhetischen Empfindungen eine weitere Dimension von Eindrücken erfahre, die ich so, wie sie ankommen, ja weder wirklich beschreiben kann, wenn der andere das nicht kennt, noch sie in einer ausreichenden Bandbreite rüberbringen kann. Ich muss also stets den Kern der Empfindung herauskristallisieren und dann in Worte fassen. Das ist eine Herausforderung, mit der ich ununterbrochen kämpfe. Ich sehe alle meine Gedanken in Bildern und Farben, in Wörtern denke ich nicht, und diese Farben, Gerüche, Geschmäcker, die bei mir vorhanden sind, haben andere Menschen einfach nicht. Ausgedünnt und konzentriert kann ich also das anbieten, was sich da im Inneren tut.
Oftmals ist der Kampf mit der Sprache so intensiv, dass der Inhalt mir verloren geht. Dann glänze ich durch Auslassung vieler Punkte. Das Dazwischen muss ich dann in einzelnen Fäden später noch nachspinnen, damit letztendlich eine Landung auf demselben Punkt erfolgt, von dem ich ausgegangen war. Ein Füllhorn also, aus dessen dünnen Ende dann die Essenz träufelt, also wieder eine Art von Sprachrohr, wenn man sich das optisch vorstellt.
Nun hat mir Monika wieder eine ganz andere Variante dieses Sprachrohr-Seins gezeigt, ich danke ihr herzlich dafür! Sie hat nämlich festgestellt, dass sie meine Berichte so gerne liest, weil diese so authentisch mein gesamtes Erleben und meine Gefühle vermitteln, dass es ihr dadurch leicht fällt, ihre jahrelang verdrängten Gefühle wieder langsam langsam aufleben zu lassen, wieder zu spüren, was eigentlich gespürt sein möchte, vorhanden ist, aber weggeschoben worden ist, so dass es sich nicht mehr getraut hat, aufzumucken. Und in meiner Bilderfarbenpracht und meinen wahrhaftigen Up- and Down-Beschreibungen aus meinem körperlichen und seelischen Erleben kann sie das wieder fühlen, ganz anders, als wenn jemand eine Geschichte abseits seiner selbst über irgendjemanden anderen schreibt.
Das hier bin ich, ist mein Leben, ist meine Realität, ich zeige offen, was das mit mir macht und meinen Umgang damit. Wenn ich glücklich bin, strahlt das durch die Zeilen, reißt Euch mit und steckt Euch hoffentlich auch ein bisschen an, und wenn es ein mieser Tag war, bin ich mal blass und ein bisschen verhuscht, wie das jeder normale Mensch ist, kratze dann aber die Kurve, und bin trotzdem noch präsent und letztendlich zuversichtlich, dass das nicht so bleibt, sondern morgen, mit einem neuen Tag auch ein neuer Anlauf zum Glück möglich ist. Und das hat sie zur begeisterten Leserin meines Blogs gemacht. Und mir eine weitere sinnvolle Facette in dem gegeben, was ich eigentlich mache.
Ich frage mich ja schon manchmal, wenn ich schon als „Sprachrohr“ diese Geschichten niederschreibe, die so einfach aus mir herausquellen (mein Hyde-Blog, die Tagträume von Jekylline und meine Schnipsel, die 5-Minuten-Schreibübungen) - was daran soll für einen Leser denn in irgendeiner Weise wichtig sein, warum kommt das aus mir heraus, für welchen Zweck kann das gut sein? Es sind ja schließlich keine zur Weltrettung geeigneten Weisheiten, nichts, ohne das die Zivilisation nicht locker weiterbestehen könnte, nichts, das irgendjemanden vom Selbstmord abhielte, nichts das irgendjemandes Leben auf Dauer wirklich bedeutsamer machen würde, auch nicht mein eigenes. Aber wenn jemand sagt, er fühlt sich selber wieder mehr, weil ich das so gut beschreibe, dann ist es doch vielleicht etwas Gutes, wenn ich weiterschreibe. So schön, das zu erfahren!
Wir gingen dann noch lange spazieren. Hier ist es irgendwie vom steten Dauersommer in Umkehrung der gewohnten Reihenfolge plötzlich Frühling geworden. Das ist wunderschön, wie es jetzt allenthalben so blüht und farbsprenkelig leuchtet. Von grünt brauche ich ja nicht zu reden, das haben wir hier ja überall. Aber dieses Gelb ist neu, all diese Rapsblüten dazwischen, die kleinen Calendula-Blütchen, dazwischen die lila Natternköpfe. Und nun blühen auch die Riesenlöwenzähne mit Riesenlöwenköpfen und die Margeriten mit Riesenblütenkörben. Wie Monika gut beobachtet hat, ist hier vieles einfach übergroß.
Klein dazwischengestreut, aber auch interessant waren eine Art eher rundlicher Pyramiden, die die Ureinwohner an besonderen Kraftplätzen oder Orten gebaut haben, die ihnen irgendwie etwas Spezielles bedeutet haben. Da, wo wir heute herumliefen, war mal nicht das Vulkanische übermäßig präsent, obwohl der Tajogaite ja eigentlich direkt nebenan durch die Wolkenschicht blinzelte. Aber hier hatte er nicht um sich geschlagen. Hier war eigentlich Schottland. Wenn man es so anschaut, mit all den einfach aufeinandergelegten Steinmauern entlang des Wegs, mit dieser Variation der Vegetation dazwischen, sah es wirklich sehr aus wie auf jener ganz anderen Insel. Auf La Palma gibt es so viele unterschiedliche Vegetationsformen untereinander, dadurch, dass es so hoch hinauf geht.
Unten ist eindeutig Meer, Palmen, Bananenplantagen, sehr südlich anmutend, vielleicht kubanisch (ich war noch nicht dort), und in diesem Bereich, wo wir heute waren, da war Schottland und direkt oben drüber kam dann was eher Italienisches oder Schwedisches, diese Kiefern oder Pinien. Gerochen hat es nach Korsika. Also hier ist überall was anderes geboten. Dann gibt es ja auch diese Lorbeerwälder, etwas das sonst auf der ganzen Welt ausgestorben ist, darin diese riesenhohen Farne. Eine Art Nebelwald. Und dann oben auf dem Roque de los Muchachos, dem liegenden Riesen, da friert man im Schnee. Schon unfassbar, alles auf diesem engen Raum!
Wir haben etliche Pausen auf dem Weg nach oben eingelegt, so dass ich es auch locker geschafft habe. Runterwärts war dann einfach – das war ja auch ein Weg, auf dem man nicht kraxeln musste. Unten trafen wir dann eine Frau, die Monika bereits kannte, und die Pferde hält. Sobald sie was von Schriftstellerin hörte, fragte sie mich, ob ich vielleicht ihre Pferdegeschichten, die sie gerne veröffentlichen möchte, für sie in Worte fassen könnte, wenn sie mir das Grundgerüst gibt. Das wäre natürlich mal eine ganz andere Aufgabe. Ich hatte ja kürzlich gerade überlegt, ob ich von irgendjemandem Geschichten einsammle, um drüber zu schreiben. Allerdings dachte ich eher an Lebensgeschichten von Menschen. Aber seltsam, wie einen die Dinge plötzlich anspringen, kaum hat man danach gefragt, nicht wahr? Das bedeutet es, wirklich im Flow zu sein. Und hier fließe ich. Auch die Zeit fließt hier, sie fließt um mich herum, wie um einen Stein im Bachbett, ohne mich zu behelligen, ohne mich zu belästigen, ganz seidenweich, schon fast berührungslos.
Den Abend beschloss ich mit einem sehr spontanen Stopp in einem Lokal, das mir bis dato noch nicht aufgefallen war. Ich hatte die schöne Aussicht direkt durch einen Magnolienbaum in den Sonnenuntergang, den ich nicht komplett ohne mich vergehen lassen wollte, drum habe ich da angehalten. Ganz unverhofft kam ich dann noch zu einem zweiten, diesmal sehr guten Essen in Spitzenqualität mit Erbsenkroketten in Burratacreme mit meinem diesjährig ersten grünen Spargel, gekrönt von einem ausgezeichneten Wein. Trotz allem wurde er noch für das Eintauchen meines Pinsels verwendet. Ein echter Weinkenner würde mich sehr strafend anblicken, aber meine Getränke sind beim Herstellen meiner kleinen Bilder immer sehr hilfreich. Der Nachtisch schimpfte sich Schokoladenkatastrophe, war aber alles andere als katastrophal.
Zu Hause erwartete mich noch ein langes, schönes Telefonat mit meiner Münchner Freundin. Somit bin ich nun rundum zufrieden mit allem, was sich heute ergeben hat. Und ich habe wieder ganz etwas Neues gesehen. Nicht spektakulär, aber einfach so schön!
Sturm im Goldfischglas? - 16.2.2025
Heute hätte Martha Mutlos aka Manuela etwas wirklich Entscheidendes vorgehabt. Leider hatte es sich im letzten Moment zerschlagen. Sie hätte nämlich eine Sternenreise angetreten, um sich vielleicht außerkörperlich mit der Seele ihres Vaters, der 2013 verstorben ist, zu treffen. Aber das sollte nicht sein. Der Termin hätte wunderbar gepasst, genau am Todestag hätten sie sich begegnen können. Genau heute hätte Martha etwas erfahren, das in ihrem bisherigen körperbehafteten Leben so nicht möglich ist. Aber der Hinweg zu der Höhle, in der die Astralreise stattfinden sollte (mit Kakaozeremonie) hatte sich als zu schwierig herausgestellt.
Zum Glück hatte sie das bereits gestern erfahren und daher die beschwerliche Anreise über Hunderte von Serpentinen gar nicht erst angetreten. Am Abend schrieb ihr dann eine der anderen Teilnehmerinnen, sie wäre auf dem Weg zur Höhle umgekehrt, sie hatte es ihrem nicht ganz so guten Fuß nicht zumuten können. Wenigstens hatte Martha alles richtig gemacht. Obwohl sie heute mal wieder fand, dass „Nomen est omen“ bei ihr wirklich Programm war. Sie hätte sich ja schon überwinden können. Sie hätte gaaaanz gaaanz langsam gehen können. Mit ihren sichersten Schuhen und 2 Paar Socken drin, damit sie ja nicht rutscht. Sie hätte die anderen Teilnehmer bitten sollen, sie festzuhalten, ihr die Hand zu geben, sie sich einhaken zu lassen. Sie hätte ihre Sachen in einen Rucksack stecken sollen und einfach mitgehen. Vielleicht hätte sie es doch geschafft. Aber sie hatte es nicht getan.
Fast den ganzen Tag hatte sie also ziemlich übel gelaunt auf der Draußen-Couch unter freiem Himmel verbracht, gefroren, in ihrem neuen Buch nur ungefähr läppische zehn Seiten gelesen, ziemlich viel geschlafen und sich irgendwie gefuchst. Dabei hatte ihr Vater ihr damals, wo sie klein war und sich ein Universal-Abenteuertool von ihm gewünscht hatte, tatsächlich ein Fahrtenmesser geschenkt. Mit dem hatte sie ein bisschen Weidenzweige geschnitzt und es größtenteils in der Kommode gut in Ehren gehalten.
Ganz universell war es halt nicht. Es hatte nur eine Funktion. Man hätte es natürlich auch zum Messerwerfern verwenden können, aber ihre Freundin, die vor dem Baum stehen sollte, hatte da aus unerfindlichen Gründen nicht mitspielen wollen. Mit einem echten Universal-Abenteuertool wäre Martha aber unter allen Umständen überall und immer in der Lage gewesen, Probleme zu lösen, die auf ihrem unglaublich abenteuerlichen Lebenspfad aufgetreten wären. Da das Tool aber statt 693 Funktionen nur eine hatte, fand das unglaublich abenteuerliche Leben halt nicht statt. Alternativ hatte Martha ein Leben mit mittlerem Katastrophenlevel abgestaubt. Aber mit einer ganzen Reihe von Zusatzleben, wenn eins verbraucht war.
Um die verpasste Kakaozeremonie irgendwie wettzumachen, hatte Martha den Schrank geplündert. Als Frühstück durften zwei kleine Schoko-Erdnuss-Riegel herhalten. Später brach sie noch ein handgroßes Stück von der Luftschokolade ab, die sie irrtümlich erstanden hatte, weil für sie der Zusatz „extra knusprig“ irgendwie signalisiert hatte, dass das eine Krokantschokolade sei. So musste sie halt mit dem vorliebnehmen, was da war, und gut ist ehrlich was anderes. Aber immerhin, es war Kakao enthalten. Die Zeremonie dazu sparte sie sich, der Kakao hatte ja schließlich auch keine zeremonielle Qualität. Er steuerte jedenfalls aber noch einen Beitrag zur gesunden Ernährung im heutigen Tagesablauf bei. Was Martha sonst noch verzehrte bleibt lieber unter dem Siegel der Verschwiegenheit für allezeit unerwähnt.
Den ganzen Nachmittag murrte sie weiter vor sich hin, fühlte sich mies, hatte Nervenschmerzen im Gesicht, am Rücken und am Fuß und stellte im Laufe des Tages fest, dass es sich natürlich mal wieder um eine Art Phantomschmerzen handelte, jedenfalls die Art von Schmerzen, die man nicht greifen kann. Wenn man mit dem Finger drauf drücken will, sind sie nie an der Stelle, wo man drückt, sondern frecherweise ein kleines Stück weiter weg. Langt man dann da hin, sind sie schon wieder wo anders. Wenn man allerdings meint, dass man dann einfach nur wild irgendwo hin stupsen muss, um sie wegzubekommen, denn wenn man jede Stelle angepiekst hat, müssten sie ja weg sein, so irrt man sich! Sobald eine Stelle nicht mehr vom Fingernagel wehtut, ist der Schmerz plötzlich dorthin gezogen. Diese Art von Schmerz ist also nur da, um einem zu sagen: du bist mies drauf, weil etwas in deinem Leben in Schieflage ist. Genieß das mal so richtig, wie schief alles ist, suhl dich darin, am besten schnauzt du auch noch deine Freunde an und kündigst ihnen die Freundschaft, denn dann hätte es sich ja richtig gelohnt, und du hättest einen fetten Grund, dir selber leid zu tun!
Martha unterdrückte zum Glück noch den Reflex auf schöne Streitgespräche und machte sich rasch dünne, wo auch immer sie heute Menschen begegnete – in live auf ihrem kurzen Flohmarktbesuch und in Nachrichten auf ihrem Handy - das war die bessere Variante. Sie zog ihren Klappschnorchel heraus und ging auf Tauchstation. Von da unten sah die Welt mit ihrem grünblauen Schatten, hinter dem trüben, undurchsichtigen Schleier schön trist und wenig lebensbejahend aus, und das gefiel Martha heute ausnehmend gut. Dankbar war sie für den Mangel an genau definierbaren Geräuschen. Außer den Luftblasen, die sie selber erzeugte und dem leichten Schwappen des Wassers war es friedlich still und nichts störte ihren Missmut.
Die Welt um sie herum hatte sich gefühlt verkleinert, Martha lebte heute auf einem Schrumpfplaneten, der nur ihren kleinen Mikrokosmos beinhaltete. Alles andere war ausgeblendet, nicht relevant und drang gar nicht zu ihr durch. Man könnte schon sagen, dass das fast irgendwie schön war. Jedenfalls verdarb es ihr geradezu die schlechte Laune. Wie blöd! Nach einiger Zeit bemerkte Martha, dass sie gar nicht mehr so muffig war. Sie bekam direkt Lust aufzutauchen und mal zu kucken, wie das Wetter war!
Ha, draußen war es heute windig. Der Himmel hatte sich zugezogen, es könnte sein, dass es mal wieder regnet. Na, das passte doch! Sollte der Himmel doch ebenfalls lausig drauf sein! Wie im Himmel, so auf Erden, und umgekehrt. Da wäre sie mit ihrer Astralreise dann eh in den Wolken steckengeblieben, der Blitz hätte sie womöglich erschlagen. Oder dafür gesorgt, dass sie den Weg zurück nie wieder fände. Dann wäre sie womöglich in einen falschen Körper zurückgekehrt. Vielleicht hätte irgendein tibetanischer Mönch gerade auch so eine Reise unternommen, und dann wäre sie in seinem asketischen, ausgemergelten Körper gelandet, ohne zu wissen, wie sie nur mit diesem dünnen Tuch, das der Mönch trug, und seiner kleinen Reisschale überleben sollte. Unfähig, sich aus seiner Yogaposition zu entknoten, und ebenso wenig fähig, sich in der passenden Sprache zu artikulieren.
Der Mönch hingegen hätte sich in Marthas weichem runden Körper wiedergefunden, hätte acht Sprachen beherrscht, mit denen er aber überhaupt nichts anzufangen gewusst hätte, denn seine eigene war nicht dabei, und statt seinem gewohnten Reis hätte er irgendwelche Tintenfischsachen und runzelige Kartoffeln zu essen bekommen, die er nicht vertragen würde nach jahrzehntelanger Askese (hoppla, dieses blöde Verschwiegenheitssiegel, wie ist das jetzt hier einfach verrutscht?). Er würde schwer krank werden und geschwind das Zeitliche segnen. Dann könnte er nochmal von da oben bei den Sternen den Weg nach unten suchen, wäre aber nicht mehr inkarnierbar und hätte seine Aufgabe abgeschlossen. Vielleicht wäre er ja in Demut dankbar dafür, schließlich war das etwas, was er sein ganzes Leben lang geübt hatte.
Nun, lassen wir es lieber erst gar nicht so weit kommen! Die große Reise hatte ja heute nicht stattgefunden, und somit war alles gut. Martha tätschelte freundlich ihre molligen Oberschenkel und der Asket strich seine genau 7 Haare auf dem linken Unterschenkel glatt, die sich aus ihm nicht erklärlichen Gründen plötzlich aufgestellt hatten, als hätte ein eisiger Windstoß seine dünne Robe durchweht. Der Klappschnorchel wurde zusammengeklappt und wieder in die Schublade neben das Fahrtenmesser gelegt, und als Martha das Handy zückte, um ihre erste freundliche Nachricht an diesem Tag zu verschicken, prangte auf dem Display das lächelnde Gesicht ihres Vaters aus der Bildschirmschoner-Diashow. Er hatte es nämlich gar nicht nötig, sein kleines Mädchen irgendwo im Äther zu treffen, er konnte nämlich überall sein, wo auch immer sie an ihn dachte.
Wenn einem die Insel auf den Kopf fällt – 17.2.2025
Der Blick aus dem Fenster heute verriet: Calima und es wird regnen. Kissen reinbringen! Bissel aufräumen, mal Staub saugen, häuslich sein? Nach dem Saugen von zwei Zimmern meldete sich schon mein Rücken, und die Schmerzen von gestern waren auch wieder da. Heute haben sie sich ins andere Bein begeben, Kopf dröhnt immer noch, im Hals sticht es mich und in der Brust auch. Na toll. Wenn der Tag schon so anfängt… Was kann man denn da noch draus machen? Und ich merke, wie sehr mich das Wetter beeinträchtigt. Ich habe es immer noch nicht gelernt, graue Tage schön zu finden und mich da normal zu fühlen.
Glücklicherweise hatte ich wenigstens für heute einen Termin ausgemacht – Pediküre in Los Llanos. Das Museum dort, das für mich nicht geöffnet hatte, hat laut Telefonat von heute Mittag jetzt jeden Tag nur bis 15 Uhr offen, und dadurch war es heute wieder nicht möglich, hinzugehen, da wäre mein Termin gerade beendet. Pediküre ist jetzt nicht was zum Freudengekreisch, aber immerhin. Ich darf zulassen, dass jemand sich um mich kümmert, und eigentlich brauche ich das die Tage gerade. Wenn der Nervenschmerz da ist, kommen viele Erinnerungen hoch, die mit diesen Neuralgien verbunden sind. Ob der Schmerz tatsächlich da ist oder nicht, kann ich nicht sagen. Er ist ein Teil von mir. Eigentlich ist er immer da, aber an den meisten Tagen fühle ich ihn nicht mehr. Er ist schon so unendlich alt. Ich glaube, er fing ungefähr an, als ich 23 war oder sowas. Da hatte ich eine Gürtelrose, aber keine Ahnung, dass es eine war. Also habe ich gewartet, dass es irgendwann aufhört. Damals bin ich nicht gerade oft zu Ärzten gegangen. Das war bei mir zu Hause nicht üblich, denn meine Eltern waren nicht krankenversichert. Also kurierte man sich selbst. Zähne zusammenbeißen, wird schon wieder werden.
Im Falle einer Gürtelrose würde ich Euch das nicht empfehlen, wie ich später erfahren habe. Denn sie geht zwar irgendwann schon von selber weg, aber dann hat man möglicherweise für den Rest seines Lebens immer wieder Nervenschmerzen, und wie in meinem Fall auch immer wieder Gürtelrosen. Ich bin hier Expertin im nicht mehr wirklich fühlen, wenn sie wiederkommt. Dieser Schmerz ist ja altbekannt. Mein Ex sagte zu mir, wenn ich berichtetem ich hätte schon wieder diese Neuralgie – „ach, die Alte Ralgie.“ Da kommt sie halt, und in drei bis fünf Tagen geht sie. Ich bin der Fels in der Brandung, ich bleibe da. Aber wenn sie mich anschwappt, weiß ich, es liegt was im Argen. Das will sie mir zeigen.
Die Pediküre habe ich mir dann angedeihen lassen, danach mir noch einen der guten Wraps, diesmal mit Spinatfüllung servieren lassen. Die sind echt so lecker dort im Einkaufszentrum! Dort dann unten wieder in den Supermarkt zu gehen wäre mir dann aber doch zu viel des Immergleichen gewesen. Und ich wollte was anderes machen. Dass ich heute nichts Großartiges mehr hinbekommen würde, war mir schon klar. Ich hatte eine nicht gut verlaufende Whatsapp-Kommunikation mit Zuhause geführt und war nicht in der Lage, das Missverständnis klären zu können. Sowas ist echt schade. Aber ich verstehe, dass man, wenn man verletzt ist, sich der Situation nicht weiter aussetzen will. Wenn man grade ein dünnes Fell hat, ist man leicht verletzt. Momentan haben wir beide ein dünnes Fell. Ich bin ja auch sehr gut im Aus-dem-Weg-Gehen. Sehr weit weg zum Beispiel. Sehr weit weg zu sein ist allerdings nicht immer gut.
Auf dem Heimweg im Regen beschloss ich, wenn ein Platz in Tazacorte neben dem Supermarkt frei ist, geh ich da rein. Und so hab ich mal wieder paar Pfirsiche bekommen und Joghurt. Damit bin ich gut versorgt, ich brauche nicht so viel im Moment. Ich esse ja so oft draußen.
Unterwegs fiel mir wieder ein, wie ich zum ersten Mal spontan eine starke Liebesanwandlung zu einem schutzbedürftigen Kind empfunden habe, was dann dazu geführt hat, dass ich mich dann doch für Kinder entschieden habe, und hab das Gefühl so stark gefühlt, dass ich im Auto fast angefangen hätte zu heulen. Wahrscheinlich weil unsere inneren Kinder auch gerade so liebesbedürftig sind. Die Geschichte habe ich hier aufgeschrieben (ein 15-Minuten-Schnipsel): Als das Jesuskind in mein Leben trat
Zu Hause habe ich dann zum Ablenken zwei Online-Vorträge angehört und an einem wirklich außerordentlich interessanten Zoom mitgemacht, bei dem mich aber leider mein Internetprovider bei jedem zweiten Satz im Stich gelassen hat. Glaube, es wird keine Aufzeichnung geben. Danach habe ich mit Jarka fast zwei Stunden telefoniert und währenddessen zwei Bilder gemalt. Das hat mich sehr entspannt und mir gut getan. Somit ist aus einem reise-armen Tag wenigstens ein künstlerischer geworden. Andere kritzeln ja auch beim Telefonieren. Hatte ich noch nie gemacht. Auch eine neue Möglichkeit, die mir jetzt offen steht. Vielleicht muss ich morgen auch drauf zurückgreifen - es regnet wieder in Strömen.
Informations-Overkill? - 18.2.2025
Hallo, Ihr Lieben! Heute Morgen gab's nach einer patschnassen, lautstarken Nacht, in der etliches auf der Terrasse auch noch umgekippt ist, einen versöhnlichen Regenbogen. Und das war wohl das Vorzeichen dafür, dass ich heute endlich mal wieder etwas Material für Euch beschafft habe, mit dem ich auftrumpfen kann. Die Schmerzen sind weg und ich hab was gemacht, nicht nur faul herumgesockt! Mich endlich mal aufgerafft, früher aufzustehen und ins Museum zu gehen. Das, das am Nachmittag zu hat. In Los Llanos. Ihr wisst schon welches. Das Benahoarita-Museum. Bena-Was? Das waren die Ureinwohner auf La Palma. Benahoare war ihr Name für die Insel. Das bedeutete: mein Land, mein Ort. Vor ca. 2000 Jahren wurde die Insel besiedelt. Genau weiß man es nicht. Aber das waren Leute aus Nordwest-Afrika, bzw. Marokko.
Im Museum gab es nicht so wahnsinnig viele Exponate, hauptsächlich riesige Tafeln mit Bildern und ganz viel Text. Am Eingang kam als erstes ein Steinkreis, denn diese Steinhaufen sind typisch für die Insel. Sie waren am häufigsten am Rand der Caldera de Taburiente, zwischen 1,20 und 4 m groß. Außen herum wurden große schmale Platten aufrecht hingestellt, und innen drin wurde mit einer Menge Steinmaterial einfach irgendwie aufgefüllt, so wie es scheint. In Llano de las Lajitas ist eine spektakuläre Stätte mit 17 solcher Steinhaufen und über hundert Felsgravuren. Das was wir in El Paso für Pyramiden angesehen haben, diente als private Kultstätte. Rund herum wurde wohl getanzt, dort wurden vielleicht Besprechungen und Freizeitaktivitäten abgehalten.
Dann waren noch zwei Skelette in Glaskästen zu sehen, einige kleine Werkzeuge, Muscheln, Tongeschirr, ein geflochtener Korb, Kieferreste, anhand derer spekuliert wurde, was die damals wohl so gegessen haben und welche Krankheiten sie hatten.
Interessant war die linke Seite des Museums (leider nur auf Spanisch beschriftet), auf der eine Ausstellung gezeigt wird über die Petroglyphen auf der Insel, also in Stein eingravierte Zeichnungen und Symbole. Hauptsächlich handelt es sich um Spiralen oder Labyrinthartiges, in späterer Zeit hatten sie dann wohl keine große Lust mehr auf noch weitere Spiralen, und haben stattdessen Punkte hingetupft oder gebohrt. Künstlerische Freiheit. Von diesen Petroglyphen ist mir bisher auf meinen Inselfahrten noch keine untergekommen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man zu ihnen jeweils wandern muss. Sie sind überall auf der Insel, aber halt nicht direkt neben der Straße. Und wie es mit meinen Wanderkapazitäten steht, habt Ihr ja längst herausgefunden.
Die meisten der etwa 520 Felszeichnungen befinden sich im Norden (Paleopalma), nur etwa 20 im Süden (Neopalma), allerdings sind welche neu entdeckt worden, und in der Südhälfte gab es auch 8 Vulkanausbrüche, die möglicherweise vieles ausradiert haben. Es gibt also wohl welche bei El Paso, Fuencaliente, Caldera de Taburiente, Pico Bejenao, Garafía, Villa de Mazo usw. Manche sind in Form von Buchstaben oder geometrischen Formen gefunden worden. Die Funde sind zum Teil einzelne Inschriften, an einer Stelle wurden gleich 135 auf einem Haufen entdeckt. Die Größe variiert zwischen 5 cm und stolzen 4 m.
Diese Symbole hatten unterschiedliche Funktionen. Es heißt, sie wurden für Fruchtbarkeitsrituale und Regenmachen benutzt. Die Spirale stünde für das Wasser als Lebenselement, der Mäander für den Fluss, gekrümmte Linien ebenfalls für Wasser. Bei einigen der größten Quellen der Insel, die nie austrocknen, scheinen besonders große Symbole angebracht zu sein. Außerdem wurden Symbole für Sonnen- und Mondkult verwendet, z.B. für die Sommersonnwende. Auf einem der gefundenen Gefäße sind 365 Striche angebracht, eine Zahl, die wir ja irgendwoher ganz gut kennen.
Auch um Wege zu markieren wurden solche Zeichen hinterlassen. Insbesondere an Weideplätzen und in Richtung zu den Gebirgspässen wurden sie so eingesetzt. Sie weisen auf Felsvorsprünge, Wasserstellen, Weidewege hin. In Puntagorda findet sich auch eine Zeichnung der ganzen Insel aus der Zeit, perfekt nach Norden ausgerichtet.
Zeichnungen von Kreisen und Halbkreisen scheinen auch als eine Art Grabplatte verwendet worden zu sein, bzw. wurde auch ein Grab mit den sterblichen Überresten von (etwa!) drei Personen in einer Höhle gefunden, das sich inmitten einer riesigen solchen Zeichnung befindet (Cueva del Sauce, Garafía).
Außerdem hatten die Benahoaritas allenthalben kleine Wasserreservoire aus dem Stein herausgebohrt, mit welchen Werkzeugen auch immer, und angeblich diese immer mit Wasser befüllt zu rituellen Zwecken, möglicherweise um um Regen zu bitten. Vorrichtungen aus Kanälen und Schalen gab es an den Hängen von Schluchten mit Blick auf die Weite des Landes. Außerdem waren überall auch im Untergrund Wassersammelvorrichtungen zu finden, denn im nördlichen Teil der Insel gibt es viel Wasser, aber im Süden so gut wie nichts. Weswegen dort auch wenige Siedlungen sind. Man hat Zwiebelkraut und Sauerampfer angebaut als Wasserreserve.
Die Archäologen untersuchten genau, womit die Urpalmeros sich damals ernährt haben. Natürlich mit Fleisch, z.B. gab es hier eine Art von Nacktschaf, das es sonst nirgends gibt, Ziegen, Schweine, die schon das Problem der Lagerung mit sich brachten, da sie deutlich fleischiger sind als die anderen Tiere, und man sich was einfallen lassen musste, um Reste aufzubewahren. Pökeln, trocknen oder sowas. Es wurden auch Heuschrecken gegessen und Vögel, z.B. Raben und (andere) Singvögel.
Pilze wurden auch für halluzinogene Erlebnisse oder medizinische Zwecke gesammelt, ebenso wie Johanniskraut, Drachenblut, Mocain-Nüsse, aus denen ein spezielles berauschendes Getränk hergestellt wurde. Auch wachsen die unterschiedlichsten Beeren hier, Brombeeren, wilde Oliven, Erdbeerbaumfrucht, wilde Oliven, Stinkwacholder, Ginstersamen und andere.
Außerdem konnte man natürlich Fischfang betreiben. Erst war man davon ausgegangen, dass die Benahoaritas nicht mal schwimmen konnten und nie Fisch gegessen hätten, aber dann hat man eine Menge Fischrelikte bei den Ausgrabungen gefunden. Beliebt waren z.B. Papageienfisch und Moränen. Gefangen hat man sie mit Haken, Netzen aus Binsen oder zum Beispiel mit Distelsaft, wodurch die Fische benommen wurden und leicht zu erwischen waren. Woher auch immer man sowas heutzutage weiß.
Und natürlich darf der Gofio nicht fehlen, der hier auf der Insel ja auch heute noch verwendet wird, ein Mehl aus gemahlenem und gerösteten Getreide oder anderen Substanzen, z.B. Farnwurzeln oder Zistrosensamen. Gofio wurde dann pur, mit Milch, mit Wasser oder z.B. mit Honig gegessen. Es wurden sehr viele runde Mahlsteine dafür gefunden.
So, nun seid Ihr umfassend informiert. Erschlagen von Details. Ich war es auch ein bisschen und wandte mich daher dem Lokal zu, das der nette Herr im Funktionsbekleidungsladen mir neulich empfohlen hatte. Oh Wunder, es hatte offen, und es gab mehrere Sachen zum Auswählen. Eines duftete unglaublich gut, Pute mit Curry und Kochbananen, irgendwelche Gemüse und Glasnudeln. Das hat mich also drangekriegt. Dazu einen Saft aus roten Rüben und anderem, gesund und sehr lecker.
In der Tiefgarage merkte ich, dass jemand sich an meinem Nummernschild zu schaffen gemacht hatte, es war zusammengebogen worden. Das versuchte ich zu richten. Nach dem Bezahlen wollte ich dann rausfahren, aber das ging nicht. Die Schranke ging nicht hoch, ich musste anrufen, damit jemand kommt. Der Grund war dann, dass ich das gebogene Nummernschild schon beim Reinfahren hatte, wie der Parkschein zeigt, auf dem das Nummernschild angegeben ist, und zwar um zwei Zahlen verkürzt, und deshalb war ich für das System nach dem Zurechtbiegen nicht mehr dieselbe. Auf dem Parkschein im selben Parkhaus von gestern waren noch normal alle Zahlen drauf. Also ist das wohl in der Nacht vorm Haus passiert. Keine Ahnung, wer solche blöden Sachen hier machen könnte?
Den Rest des Tages habe ich wieder mit Vorträgen aus dem Vielbegabungskongress und einem Abendvortrag von Veit Lindau verbracht. Dabei habe ich wieder herumgekritzelt, aber Portraitieren ist erwartungsgemäß nicht mein Ding. Noch dazu wenn das Objekt sich in steter Bewegung befindet. Da ich Gesichter nicht zuordnen kann, kann ich sie auch nicht in ihrer ganzen Strahlkraft darstellen, die Einzelteile des Gesichts verrutschen in unterschiedliche Ebenen. Der „Knick in der Pupille“ wird hier sichtbar, aber das verwundert mich nicht. Ich sollte das beim Zeichnen noch willentlich verstärken, dann käme vielleicht ein Picasso dabei heraus.
Die alte Frau und das Meer und die druckfrischen Druckfische - 20.2.2025
Gestern war ich so im Flow, dass ich keine Zeit zum Schreiben mehr hatte. Bis spät in die Nacht hinein war ich mit Malen beschäftigt! Und dieser Mega-Adrenalinschub hatte schon am Vormittag begonnen, denn da war nämlich wieder Malkurs. Diesmal haben wir bei Leon gelernt, wie man aus Moosgummi einen Stempel anfertigt. Davon haben wir im Lauf des Tages drei Stück gemacht. Einen erstmal einfach so, Larifari, zum Spielen. Und zwei, wo wir uns auch angestrengt haben, die schön zu machen. Mit einer auf einem Campingkocher erwärmten Nadel wurden noch Details auf unseren auf einer Holzplatte applizierten ausgeschnittenen Frischfisch gepresst und getupft, und dann ging es los.
Ich habe nicht weniger als sage und schreibe 29 Bilder angefertigt! Wir waren alle vier direkt in einem tranceartigen Schaffensrausch. Das erste Exemplar erschien uns schon so wunderschön. Und das nächste erst! Und – wow! Das ist jetzt mein Lieblingsfisch! Ui, aber der hier ist ja noch schöner! Und so ging das weiter. Immer neue Versionen wurden mit Aquarellfarbe ausprobiert. Mal nur recht flüssig gedruckt und dann mit einem in Wasser gestippten Pinsel fertiggewischt. Mal ein trockener Zweitabdruck, auf dem man dann mit anderen Farben mit dem Pinsel weitergemalt hat. Oder ein Abdruck, auf den noch einer oben drüber kam. Und dann vielleicht nochmal einer zur Ergänzung. Jeweils in anderen Farben.
Beim Drittfisch haben wir dann noch probiert, mit einer Glasscheibe, einer Rolle und Akrylfarben richtig zu drucken. Und dann fiel Leon noch ein, man könne ja auf den Abdruck, den der Stempel auf der Glasscheibe hinterlassen hatte, auch ein Blatt Papier auflegen. Das ergab dann ein Negativ, die Linien waren weiß und der Rest des Blattes gefärbt. Wie schade, dass vier Stunden schon vorbei sind! Nein, Mann, ich will noch nicht gehen, ich will noch ein bisschen drucken! Aber nix ging mehr. Leon hatte eine Verabredung. Wir mussten einpacken.
In der Zwischenzeit hatten wir einen Teil unserer Werke zum Trocknen an zwei Wäscheleinen aufgehängt. Das war richtig cool, zu sehen, wie sich unsere Ideen entwickelt haben. Ich hab auch durchaus die Ideen der anderen abgekupfert, oder anständig gesagt: aufgegriffen. Aber dafür ist man ja in der Gruppe, dass man sich auch gegenseitig inspiriert.
Am Schluss stellten wir fest, dass die anfangs so wunderherrlichen ersten Exemplare uns jetzt nicht mehr ganz so unglaublich toll vorkamen, dafür hatten wir andere Lieblingsfische. Der da! Oder ne – der da! Oder vielleicht doch dieser hier? Ach, ich hab mindestens 15 Lieblingsfische. Jetzt kann ich dann einen Fischstand aufmachen und die verscherbeln. Gegen Geschichten, wie irgendwann neulich mal geplant?
Gestern war jedenfalls kein passender Tag für sowas. Es war nämlich sagenhaft windig, da wäre alles davongeflogen. Ich brachte nach dem Kurs eine Teilnehmerin von Los Llanos mit nach Tazacorte, wo sie an den Strand gehen wollte. Wir stellten aber fest, dass momentan gar kein Strand da ist. Da war gestern überall Wasser! Das Wasser war auch in die Großbaustelle gelaufen, die bis vor kurzem noch ein Parkplatz gewesen war (welcher jetzt fehlt). Nun hat Tazacorte im Moment so wie der Charco Azul (Meerwasserschwimmbecken Blaue Pfütze) und der Charco Verde (grüne Pfütze) neben Puerto Naos nun also einen Charco Rojo (rote Pfütze) in Tazacorte Puerto, würde ich mal sagen, denn der Schlamm des Untergrundes färbt alles ein. Das wäre ein supertolles riesiges Meerwasserschwimmbecken. Aber ich glaube, darauf legen sie es nicht an. Es gibt hier auch ein großes Schwimmbad im Ort. Da war ich aber noch nie.
Außerdem war auch bis weit hinter den Kaimauern alles voller schwarzen Sandes, das heißt, diese rote Pfütze hätte zwar vom massiven Regen in der Nacht herrühren können, stammte aber in echt vom überschwappenden Meer. Ich habe auch vorgestern ein Video gesehen, das ein anderer Urlauber gedreht hatte, wie das Meer komplett über den riesigen Wellenbrecher, die alte Mole herübergebrandet ist. Von vorne bis hinten, einfach überall, als wäre es nichts, dabei ist diese Mole richtig hoch!
Gestern sahen wir Ähnliches, wenn auch in Teilen, mal vorn, mal hinten, mal in der Mitte, nicht vorhersehbar und deswegen auch nicht von mir dokumentiert. Da an Schwimmen nicht zu denken war – der Strand und auch der Kai waren abgesperrt, und jeder vernünftige Mensch bekommt bei solch hohen Wellen eine heilige Angst und würde sein Leben nicht riskieren wollen, denn seine Knochen würden zu Mus zerschmettert werden – haben wir uns ein Lokal gesucht, von dem aus man das Meer beobachten konnte.
Ich werde es nicht müde, immer und immer noch zuzuschauen, was für ein Spektakel es bietet! Diese unglaublichen Brecher, die auch gestern noch bis an die Kaimauer anrannten, und sie vielfach überwanden, so dass etliche Leute, die sich zu nah herangetraut hatten, nasse Füße bekamen, kommen immer noch in Gruppen von drei, maximal fünf Wogen am Stück.
Das Meer rast an gegen den Strand, wird bedrohlich immer und immer höher. Man wartet quasi auf Erlösung, als hätte das Meer eine Kolik, die es zusammenkrampft. Wenn der Meeresschmerz seinen Gipfel erreicht, fällt das Meer endlich erleichtert aber gewalttätig vornüber, fängt an zu rollen statt im stehenden, immer monströser und steiler werdenden Kamm sich parallel zum Strand vorwärtszuschieben. Dann galoppieren die ersten Meerespferdereihen in gewaltigen Wasserfällen voran, die von den Hufen beschriebenen Vorwärtsbewegungen runden sich immer weiter, gischten aberwitzig in Fontänen im Wind rückwärts und winken der nachkommenden Wasserwand, wobei sie nachwehende Fahnen hinter sich flattern lassen.
Dann drischt das Meer mit einem gigantischen Donnerschlag auf die Ufersteine, wirbelt sie vollständig durcheinander, als wären es einfach federleichte Papierstückchen, mahlt sie, so wie es sich anhört, binnen Sekunden zu einer Instantsandbrühe, verteilt sich dann blitzesschnell unter den durch die Luft flirrenden Wasserpartikeln, die wie eine gigantische Staubwolke alles einhüllen und die Haare zu Lockenkringeln aufspringen lassen, in Millionen von lecker aussehenden cremigen Schlagsahnehäubchen über den ganzen breiten und langen Strand bis an die Ufermauer und zieht sich schließlich in einem Gebrodel wie kochendes Wasser mit Milliarden von kreisrunden Blasen, die aufploppen und sprudeln, wieder zurück, während verschiedentlich lustige kleine Geysire aus dem wallenden Gewässer ein paar Meter hoch in die Luft springen, als hätte da unten ein Wal geschnauft. Wahrlich möchte man sich nicht zwischen dem Meer und der Ufermauer befinden, das käme in dieser Zeit einem Todesurteil gleich.
Manche Wellen verlaufen ein bisschen schräger, und dann durchscheint sie das Sonnenlicht in Teilen, so dass flache, fast brettdünn wirkende flaschenglasgrüne Wände entstehen, die eine unglaublich herzerwärmende Wirkung haben. Man möchte sie sofort für immer besitzen, so unglaublich schön sind sie! Aber man kann nicht mal den Moment in einem Foto festhalten. Er ist flüchtig wie ein Vogelflug, und dennoch hat man fast eine Vision gesehen - es scheint für ein, zwei Sekunden, als wären die Huris aus dem Paradies heruntergestiegen und sängen für die Seele. Man wartet und wartet auf eine Wiederholung, und erst, wenn man viele Minuten später endlich leicht enttäuscht den Blick abwendet, nimmt man genau in diesem Moment in der Kopfdrehung noch im Augenwinkel den erneut aufblitzenden göttlichen Funken im Wellenkamm mit.
Dieses unglaubliche Flaschengrün und die weiße Schlagsahnekleckserei sind meine liebsten Bilder vom Meer. Leider kann man all dies nur auf die Netzhaut bannen, wenn man im Gespräch ist, und auch in den Tagen, wo das Meer sich bereits in den letzten Wochen ab und zu besonders unbändig benommen hat, hat sich ja gezeigt – auf den Bildern sieht das alles ohne den Soundeffekt und die massive Urgewalt, die man hier am ganzen Leib durch die Erschütterung des Aufpralls und den Gischtregen auf der Haut verspürt, so unspektakulär aus! Ich postete Filme von den unglaublichen Wogen auf Facebook und wer es ansah, sagte dann, ach ja, das Meer immer wieder schön… in der Vorstellung, das seien so gemütliche Wellchen am Ufer mit maximal 30 bis 50 cm Höhe. Badefreuden für Kinder!
Aber nein! Die Wellen waren da schon vier Meter hoch, und gestern glaube ich fast noch doppelt so viel. So was habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Auch der andere, neue Wellenbrecher, der viel niedriger ist als die alte Mole, wurde von den Wellen jeweils komplett überflutet, so dass er gar nicht mehr zu sehen war, bis das Wellental einsetzte. Das Problem mit den Wasserbildern ist, dass man keinen Maßstab erkennen kann. Wenn ich jetzt einen abgetakelten Walfänger mit auf dem Bild hätte oder gar ein Kreuzfahrtschiff, würde man die tatsächliche Höhe vielleicht erfassen. Aber die Welle sieht ja im Prinzip genau gleich aus, ob sie 30 cm hoch ist, oder sieben Meter.
Während der Betrachtung haben Marianne und ich uns angeregt unterhalten und – wenigstens ich – lecker gespeist. Chipirones, die fritierten ganzen Minitintenfische, sind immer noch jedes Mal fantastisch – knusprig, würzig, innen zart – in Deutschland eine Marktlücke, da können die piefigen drahtigen Calamaresringe in wahlweise angematschter oder brettlharter Panade nicht dagegen an… Die Malkollegin hatte aber leider eine Tortilla bestellt, die dann so klein ausfiel, dass man das eigentlich nicht als Hauptspeise, sondern eher als Tapa bezeichnen müsste.
Wieder zuhause habe ich dann meinen Karma-Zoom gehalten, bei dem diesmal die Zeit viel zu kurz erschien. Und im Anschluss hielt ich noch zwei Stunden Zoom mit meinem lieben Daheimgebliebenen ab, was eine sehr gute Idee war. Danach war ich noch so fit, dass ich noch versucht habe, ein Portrait von mir nach einem Handyfoto zu malen. Ich wollte mal sehen, wie sehr ich mich selbst verkenne. Es ist so unglaublich schwer, die einzelnen Teile an die richtige Stelle zu setzen. Und in der richtigen Größe. Wenn sie mal tatsächlich gut gemalt sind, stellt man fest, dass der Abstand überhaupt nicht stimmt. Und wenn man es dann richtet, ist es nicht mehr gut gemalt. Ich habe mich selbst erstmal 20 Jahre älter gekriegt und das Lächeln vom Ausgangsbild dabei komplett verloren. Wirkte ausgepowert, grämlich, nachdenklich und vom Leben angeödet. Danach habe ich das Bild dann noch zig Male abgeändert, durch ständig neuen Wasserauftrag zum Löschen von Fehlern, weil ich keinen Radierer habe, Löcher ins Papier bekommen, und am Schluss endete ich dann mit einer Hautfarbe wie die Simpsons. Die Hand sieht in echt auch wie eine Hand aus, und auf dem Bild eher nicht. Naja, aber irgendwas an dem Opus gefällt mir jetzt trotzdem besser. Ich glaube, da muss ich einfach noch unglaublich viel üben…
Die Kunst der Knotenlösung und der Umgang mit Gewalt – 21.2.2025
Hi, Ihr Lieben! Ja, es gibt mich noch! Gestern war nur so ein ereignisloser Tag, dass ich dachte, den spar ich Euch. Ich war eigentlich nur zuhause. Was hab ich eigentlich gestern gemacht? Ohje, vergessen. Vermutlich shavassiert! Mir irgendwas mit Nudeln gekocht. Bissel gelesen. Jede Menge Knoten aus meinem Leben versucht zu lösen. Knoten, die sich ergeben haben, weil ich gewagt habe, mir einen Wochenkurs zu buchen bei Leon, eine Woche lang malen. Und vergessen hab, dass ich in dieser Woche auch schon was anderes vorhatte. Ich und Bürokratie! Das ist im Normalfall etwas, das ich versuche zu vermeiden oder abzuwarten, bis sich Dinge von selbst erledigen, und wenn nicht, dann löse ich sie in einem Schaffensschub im allerletzten Moment. Nicht immer zu meinem Besten, aber häufig. Manche bürokratischen Dinge haben die blöde Angewohnheit, wenn man denkt, puh, Gottseidank, endlich hab ich es geschafft, das von der To-Do-Liste zu streichen und kann wieder in normalem Gleis fahren, dann schlagen sie zurück. Dann kommt DIE Mail, die einem die ganze Woche versaut. Wo man richtig auf 180 ist und nur noch jemandem den Boxsack polieren möchte. Aber der normal-anständige Mensch lebt diese Gewaltfantasien nicht aus.
Naja, gestern konnte ich das etwas weniger spektakulär und mit größerer Zeitreserve hinkriegen. Heute verknotete sich der Tagesanfang dafür auch stark. Der Tag hatte es absolut in sich. Z.B. rief ich in der Bank an, und während ich anrief, bekam der Banker einen Anruf, dass seine Mutter gestürzt sei, und musste den Notarzt für sie alarmieren und selber hin. Dann hatte ich einen Termin, aber die Nachbarin hielt mich auf und drückte mir eine Postbenachrichtigung in die Hand, die mir das Adrenalin zu Kopfe steigen ließ, weil ich dachte, ups, jetzt kommt doch noch was von der Polizei wegen neulich wegen ungut Parkens. Erst nach einer Weile stellte ich fest, dass das gar nicht für mich war. Nach Rückfrage bei meiner Vermieterin ist ihr dieser Mensch auch nicht bekannt, bekommt aber stetig immer mal wieder Post, die aber keiner abholt. Das Phantom der Oper nennt sie ihn. Somit bin ich aus dem Schneider, aber es führte erstmal zu Diskussionen.
Der Vermieterin, bei der gestern so ein schrecklicher Rambazamba mit Gebrüll und Geheule war, habe ich heute gesagt, wenn sie Hilfe braucht oder jemanden zum Reden, soll sie es mir bitte sagen, dann bin ich für sie da. Obwohl sie in dem Moment offenbar ganz allein zu Hause war, hat sie mir aber nix erzählen mögen. Vielleicht ist die Lautstärke für Spanier normal, vielleicht schämt sie sich aber auch oder hat Angst.
Dann war bei mir zuhause ein Problem mit der Heizung, das gelöst werden musste und nebenbei hatte ich bemerkt, dass meine Haushälterin die letzten Tage ständig ums Haus geschlichen ist. Die ist ja jetzt nicht aktiv eingesetzt, weil das Haus ja bewohnt ist. Trotzdem sah ich sie auf der Kamera immer ums Haus stiefeln, auch zu nachtschlafender Zeit. Heute hat sich herausgestellt, dass sie den Schlüssel zu ihrer Wohnung abgebrochen hat und in ihrem Haus, statt den Schlüsseldienst zu rufen, im Keller schlief. Sie ist alt und hat keinerlei Internetaffinität, und in der Hinsicht scheint sie mir recht unbeholfen. Jedenfalls hat sie sich schließlich an meine Hausbewohner gewendet, und die haben ihr auch Hilfe und Asyl angeboten. Das musste auch erst mal besprochen werden. Sie hat sich jetzt nicht mehr gemeldet, als ich anrief auch nicht, also hoffe ich, dass die Situation inzwischen irgendwie geklärt und bereinigt ist.
Schließlich durfte ich dann aber doch zu meinem Termin losfahren. Ich hatte mit Misha ausgemacht, dass ich mir eine der von ihr angebotenen Massagen und Energiebehandlungen angedeihen lasse. Ich kam nach all dem Stress auch nur harmlose zwei Minuten zu spät, hatte dann aber erstmal nötig, mein Herz auszuschütten. Nachdem ich mich beruhigt hatte, ging es dann los. Die Behandlung war aber echt ein wunderbares Erlebnis. Ich hab mich schon gewundert, wieviel Zeit sich Misha gelassen hat, aber sie hat irgendwie auf die Uhr geschaut und sich verkuckt, und so hat sie zwei Stunden an mir gewerkelt, statt wie ausgemacht eine. Unglaublich, ich an ihrer Stelle wäre einfach umgekippt, ich kann nicht so lange stehen, aber für sie verging die Zeit wohl anders und offenbar gut und im Flow. Ich fand es natürlich fantastisch, so viel gute Zuwendung zu bekommen.
Ich möchte an dieser Stelle mal erwähnen, dass ich bei Berührung und Musik (wie auch bei Essen, Gerüchen und Menschen) synästhetische Wahrnehmungen habe (nicht bei Zahlen oder Text). Das war also für mich ein Vielfacherlebnis, denn sie hatte auch eine schöne Trancemusik eingelegt, die endlos lief und unglaublich gut zu dem Fühlphänomen passte.
Da verschoben sich in mir violette und grüne Wolken wie in einer Lavalampe, deren innerer Tanz jeden Moment changiert, wie die Wolken am Himmel, die stetig ihre Form ändern, kaum meint man, man hätte etwas entdeckt: da wird aus dem Elefanten eine Mücke und aus dem Fuhrwerk ein Flugzeug, der weiße Hase mutiert zum Nasenbär und der Wasserkrug zur Untertasse. So in der Art sind dann meine Farben, sobald ich sie mir genau anschaue, zerfließen sie schon, und wenn ich versuche, jemandem zu beschreiben, was ich sehe, verändern sich auch die Farben, ohne dass ich das wirklich bemerke, aber was vor 30 Sekunden noch orange war, ist dann einfach gelb und das Blaue ist schwarz und die Zickzacklinie ist ein sich bewegendes Springseil mit rot-weißen Streifen. Heute waren da ganz viele kammartige Linien mit einseitiger Ausrichtung, und als Misha die andere Seite in Angriff nahm, wandte sich der Kamm auf die andere Seite, so wie die Energien durch den Körper fließen und die schlechten ihn verlassen.
Somit haben wir heute ganz viele Knoten aufgelöst. Etliche böse Energienester waren natürlich – wen wundert es – im Bereich meiner geschundenen und vielfach vernarbten Lendenwirbelsäule, aber es hatten sich auch eine Menge in der Ferse angesiedelt, auf dem Brustbein und in den Fingergelenken. Ich sah sie richtig davonspringen, als Misha diese Bereiche in Angriff nahm und bat um mehr, weil noch so viele weitere solche Energien da hinauswollten. Da flogen schon fast die Funken! Manche Berührungen waren jedoch so himmlisch, gerade aufgrund von Fehlempfindungen, die ich durch beschädigte Nerven habe, dass sie sich schon fast angefühlt haben wie Akkorde in einer Melodie, und Misha spielte darauf mit kundigen Fingern. Ich weiß nicht, ob sie wie durch eine Eingebung das fühlt, was sie bewirkt oder weiß, wo diese Stellen sind, jedenfalls schaffte sie es, ganz ganz häufig genau diese Bereiche zu beleben, wo es dann in mir flimmerte und blitzgewitterte, bis sich alles gefühlt in eine webstuhlartige Ordnung strukturierte, bloß dass die einzelnen Fäden ganz locker eingehängt sind und sich bei Bewegung heben und senken. Aber die Laufrichtung schien zu stimmen und die Knöpfe waren raus.
Ich war sehr dankbar für diese Behandlung und habe sie wirklich genossen. Misha habe ich gesagt, das könnte ich jeden Tag brauchen. Leider hat sie aber nicht so viel Zeit, ich bin ja nicht die einzige, die was von ihr will… Dann fuhr ich wieder heim, und gleich wollten neue Knoten in mein Leben treten, aber ich hatte keine Lust, mich durch sie beeinträchtigen zu lassen. Der erste war, dass ich heute einen Abendtermin hatte, der Typ ihn aber um einen Tag verlegt hat, ohne mir rechtzeitig Bescheid zu sagen. Zum Glück erfuhr ich das dann noch knapp zwei Stunden vor dem Termin. Misha meint, auf der Nord-West-Seite der Insel sei sowas ganz typisch, da gäbe es so viele, die esoterische Angebote machen, aber im Prinzip eigentlich dafür weder wirklich qualifiziert, noch ausreichend vorbereitet sind. Allein die Hoffnung, irgendwie zu Geld zu kommen, treibt viele, andere vielleicht Idealismus. Dann kommt leicht was dazwischen, an das keiner gedacht hatte. Naja, ich werde morgen hingehen, falls der Termin morgen stattfindet, und gegebenenfalls gnadenlos berichten. Ihr kennt das ja. Ehrlich und ungeschönt. Aber jedenfalls werde ich mal noch hoffnungsvoll dort aufschlagen.
Vor der Heimkehr fuhr ich spontan zu dem Italiener vor dem Sonnenuntergang mit Bananenplantage und bestellte eine Pizza zum Mitnehmen, denn parallel zu dem ausgefallenden Termin hatte ich einen zweiten, einen Zoom den ich aber schlimmstenfalls nachhören kann, weil er aufgezeichnet wird. So gedachte ich also, den Termin einhalten zu können, da eine Pizza zum Mitnehmen ja nicht lange dauert. Nach 45 Minuten Warten ging ich hinein, um denen zu sagen, ich mag jetzt nicht mehr, sie können mich gern haben. Da war sie erstaunlicherweise grad in der Schachtel gelandet.
Dann fuhr ich hoch, aber jemand parkte mitten in der Straße. Er hielt offenbar einen Ratsch im Haus und es dauerte, bis er sich wieder ins Auto bemühte. Als ich dann vor meinem Haus ankam, gab es Nullkommanull Parkplatz. Irgendwie sollte da was nicht sein. Ich musste also weit unten parken und zu Fuß hochhechten. Dann war ich fünfzehn Minuten zu spät im Live, konnte aber zurückspulen auf den Anfang und kam dann genau bis zu einer Stelle in der Heilungsmeditation, die mega-interessant war, weil mir plötzlich klar wurde, wie meine Mutter sich gefühlt haben muss, als sie mit mir schwanger war.
Im Gegensatz zu mir war meine Mutter nämlich wahnsinnig eifersüchtig, etwas, das ich zum Glück nicht geerbt habe, und für sie war es super wichtig, dass mein Vater keine Sprechstundenhilfe einstellte. Mein Vater führte nämlich die Praxis mit ihr allein. Sie war ja eigentlich Modezeichnerin, aber nach Kauf der Praxis war sie halt seine Sprechstundenhilfe und zeichnete nicht mehr. „Ich bin die Frau, deine Göttin, du sollst keine andere Göttin haben neben mir.“ Und damit musste sie sicherheitshalber auch in der Schwangerschaft perfekt funktionieren, sie musste besonders fleißig sein, sie musste weiterhin extrem effizient sein und alles können, ohne dass er ihr hilft. So tun, als wäre alles ganz normal, als würde ihr die Schwangerschaft gar nichts ausmachen oder ändern.
Und wie Andreas Goldemann heute aufzeigte, übertragen sich solche Gefühle und hier gezeigten Eigenschaften 1:1 auf das Baby, das dann später nicht weiß, wieso es durch solche Situationen immer getriggert wird, denn das ist nichts aus dem eigenen Leben. Das ist etwas aus dem Leben der Mutter, und daran erinnert man sich halt nicht. Aber jetzt habe ich es erkannt. Insbesondere im Umgang mit Männern war jahrzehntelang ich diejenige, die immer besonders fleißig und effizient ist, und alles hinkriegt, ohne dass mir jemand hilft. Dann sucht der Mann sich nach Mamas Geheimrezept, das aber eine Milchmädchenrechnung ist, keine andere. Auch wenn ich nicht mal selbst davon ausgehen kann, dass ich es hinkriegen könnte, aber ich muss es, einem inneren Drang gehorchend, einfach machen, auch wenn mir jemand Hilfe anbietet, selbst wenn ich nur einen Zentimeter vom Scheitern entfernt bin. Die Hilfestellung schlage ich aus, und reiße mir lieber selber das Bein aus oder gleich alle beide und einen Arm noch dazu, nur um dem zu entsprechen. Der andere ist dann immer wieder wie vor den Kopf geschlagen und bietet irgendwann nicht mehr an, dass er einem was abnehmen könnte. Und so kann man sich selber ganz schön handikappen.
Genau an dieser Stelle brach dann das Video ab, weil die Liveübertrageung inzwischen beendet war. Aber ich denke, das war für mich genau richtig, dass es hier aufhörte, vielleicht sollten die Umstände, die dazu geführt haben, dass ich erst so spät einschalten konnte, genau das bewirken. Somit konnte ich über diese sehr häufig in meinem Leben auftretenden Situationen nachdenken. (Die Aufzeichnung werde ich dann schon noch ansehen.)
Ich war dann bereit, zu einer weiteren Veranstaltung zu gehen, diesmal zu Fuß. Im Ort findet seit heute die Tazacortiade statt, ein „Filmfestival“. Ausgesucht wurden Filme von Michael Haneke, den ich noch nicht kannte. Das Ganze wird von einem Filmclub organisiert, ist kostenlos, und seit heute bin ich Mitglied in dem Club (was ebenfalls kostenlos ist), um den Film anschauen zu können. Das war dann richtig harter Tobak, in dem Sinne, dass der Film Gewalt und Sadismus in einer Art und Weise zeigt, die einem krass an die Nieren geht. Ich habe wirklich am ganzen Körper gezittert, als der Film fertig war, und ich glaube nicht nur aufgrund dessen, dass ich heute so befreit von jeglichen negativen Energien und mein Schutzpanzer so weit geöffnet war, sondern einfach, weil der Film auch extra so konzipiert ist. Dass auch dem Hartgesottenen die Freude an Gewalt vergeht. Allerdings wurde sie nicht gezeigt, man hat sie hinterher erkannt oder einfach das Ergebnis vor den Latz geknallt bekommen in grausamer Realität, die man sich nicht hätte ausmalen mögen.
Eine der schlimmsten Szenen für mich als Frau war jedoch die Demütigung der Darstellerin, wo man nur hörte, was geschieht, aber nicht sieht. In Überlautstärke. So wie man die Angst des kleinen Jungen mehr hört (sein lautes Atmen) als sieht. Und trotzdem fühlt man jede Sekunde jedes miese kleine Detail und jede miese grässliche ausufernde unvorstellbare Misshandlung am eigenen Körper mit.
Am Schluss gab es Weißwein und eine Diskussionsrunde. Ich hätte dringend einen Schnaps gebraucht. Aber auch so hat der Weißwein bewirkt, dass ich in der Diskussionsrunde - nachdem meine Meldungen zweimal geflissentlich übergangen wurden und jeder andere zu Wort kam und ich schließlich erstmal einen Rückzieher gemacht hatte mit dem Gedanken: dann diskutiert halt ohne mich, mir auch egal - es mir nochmal anders überlegt habe, und dann richtig eingestiegen bin.
Am Sonntag gibt es den nächsten Film aus der Serie. Der Veranstalter sagt, wir haben mit dem schlimmsten Film von Haneke angefangen, ich hoffe, das entspricht der Realität und es kann nur einfacher werden. Wiewohl man nach dem Film nicht mehr genau weiß, wo jetzt der Unterschied zwischen Film und Realität sein soll. Wie einem der mieseste Charakter im Film komplizenhaft zuzwinkert, so quasi, na, du spielst ja doch auch mit, du magst doch auch noch mehr davon, sonst säßest du ja nicht hier, und dann diskutieren in der (meines Erachtens) Schlüsselszene die Psychopathen nonchalant, völlig unbeeindruckt von den Geschehnissen, die sie gerade haben ablaufen lassen, quasi wie man so ein Experiment mit dem im Alltag Ausagieren eines völlig abwegigen Filmskripts macht und im Kopf des Zuschauers läuft dann der Film ab, wie im direkten Anschluss das Ganze möglicherweise einfach mit umgekehrten Rollen stattfinden kann… Da bleibt einem schon der Spaß im Halse stecken. Sehr unlustige Spiele, der Film Funny Games! Jetzt muss ich mich erstmal erholen. Bin im Stechschritt nach Hause getigert und habe den Berg wie nix überwunden, in Gedanken und getrieben von dem Bedürfnis, diese hässlichen Kräfte wieder aus mir hinauszudrängen. Da wäre jetzt schön Platz in mir, aber nein, ich will sie nicht! Pfui! Aus! Kusch! Als Kind habe ich einen Zauberknoten erfunden, von dem man zehn oder fünfzehn übereinander machen kann, und das sieht aus wie ein gordischer Knoten, aber wenn man an einer Seite zieht, löst er sich unglaublicherweise einfach komplett auf. Nur solche Knoten dürfen jetzt noch in mir entstehen! Und ich weiß, wo ich ziehen muss. Wer hat’s nämlich erfunden? Genau.
Was für die Kehle und die Seele! - 22.2.2025
Gen Mittag, nachdem ich, angespitzt durch einen Schreibfehler einer Freundin einen tollen Titel für eine Schnipsel-Geschichte unbedingt mit Text untermauern musste (siehe hier: …), fuhr ich nach El Paso. Da stieg heute das „fantastische“ Fest: La Ruta de Gallo, die Hahnenroute. Nicht wissend, was mich da genau erwartet, parkte ich sicherheitshalber etwas abseits vom Stadtzentrum, denn die Veranstaltung sollte um 12 Uhr beginnen. Ich war, kanarischen Verhältnissen angemessen gegen 14 Uhr da. Auf der Straße hörte ich eine fröhliche kleine Band. Ich ging ihr entgegen und folgte ihr dann eine Weile. Es waren ein Hahnenkorb voller bunt perückter, grässlich kunstbebarteter und in einem Fall möglicherweise hahnenfedergeschmückter Musikanten. Ob die nun wirklich die Quintessenz dieses Tages darstellten, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war, abgesehen von ihnen, der Ort ausgestorben. So wie an Weihnachten, als ich auch in El Paso vergeblich nach dem Weihnachtsmarkt suchte, der im Internet angepriesen war.
Ich fand eine Straße, die steil bergauf führt, und wo ein Soundcheck durchgeführt wurde. Von oben hing immer noch meiner Meinung nach der Weihnachtsflitter, unten standen drei oder vier geschlossene Buden. Hundert Meter weiter fand ich ein Lokal, an dem stand: Tapas 6 und 8 Euro. Da die Attraktion, zu der ich heute extra total hungrig ausgerückt bin, darin besteht, dass Tapas verkostet und bewertet werden sollten, fragte ich sicherheitshalber ein deutsches Ehepaar, ob ich hier jetzt richtig sei. Nein, hier nicht, aber 50 m die Straße runter. Rechts. Die leere Flitterstraße war links. Waren die sicher? „Ja, sicher, aber doll war's dort nicht.“
Ich zog also wieder ab, noch hungriger angesichts der lecker wirkenden Tapas, die die Leute da verspeisten. Tatsächlich, innerhalb der Einfriedung des riesigen Platzes, der letztes Mal völlig leer gewesen war hinter den hohen Plakatwänden, war ein kleiner Bereich, in dem es ein paar Stände gab. Und einen DJ, der mit Sonnenbrille und coolem Kopfzucken vor und zurück (oder er fand sich wenigstens ostentativ cool) hektische Musik ertönen ließ. Ich fand heraus, dass man pro Tapa einen Coupon für 3 Euro kaufen musste, und pro Getränk für 2 Euro. Also holte ich mir von den etwa 7 Ständen, an denen es Essen gab, 3 Tapas und einen drittelvollen Becher Weißwein.
Jeder der Standinhaber wünschte mir besten Gewissens und freudig einen guten Appetit. Ich bekam auch noch Visitenkarten ausgehändigt, bei wem ich denn da aß. Dann fand ich einen Platz an einem Tisch mit Japanerinnen (vermute ich) und begann zu essen. Ehrlich gesagt, hätte ich alles am liebsten gesammelt in den Mülleimer geworfen. Das war alles grässlich, sorry to say! Selbst jetzt, wo ich so großen Hunger hatte, war nichts zu machen. Ich brachte einen großen Teil des Zeugs nicht mal runter. Ich frage mich wirklich, wieso das Essen hier oftmals so grottenschlecht ist! Und dann wollten die Ärmsten noch um einen Preis wetteifern. Ich hoffe mal, dass die Tapas an den anderen 4 Ständen besser waren, aber Lust drauf, das zu probieren, hatte ich nicht.
Auf der anderen Straßenseite, der mit dem Flitter, sollte abends dann die große Sause abgehalten werden, mit jeder Menge Musik. Auf so einen Krach hatte ich keine Lust und fuhr enttäuscht nach Tazacorte zurück. Fragte Leon von unterwegs, ob er zufälligerweise heute einen Kurs im Hafen hatte, aber er schrieb: „hatte gerade einen, der von 16-18 Uhr entfällt heute.“ Als ich die Antwort las, war ich bereits selber vor Ort und hatte gesehen, dass keiner da war. Ich setzte mich in ein Eiscafé und ließ mir eine Waffel mit einer Kugel Eis und Sahne bringen. Wenigstens ein guter Nachtisch. Den hatte ich mir verdient.
Bis um 18 Uhr musste ich die Zeit totschlagen und habe ein bisschen rumgezeichnet, allerdings hatte ich nur einen Bleistift und einen Rötelstift sowie einen Pinsel dabei. So war die Farbauswahl ziemlich begrenzt. Mein Espresso leistete dann noch gute Dienste beim Einfärben.
Dass um 18 Uhr mein Throat Singing Circle stattfinden sollte, hatte ich ja bereits erwähnt. Nun, ich stand dann da am Treffpunkt wie bestellt und nicht abgeholt, starrte mehreren Leuten, die ich für den möglichen Initiator hielt, tief in die Augen, bekam aber kein Feedback. Schließlich rief ich die Seite auf meinem Handy auf und ging mit ausgestrecktem Handy mit dem Veranstaltungsbild auf zwei junge Männer zu, die da schon eine Weile standen und sich unterhielten. Bingo, die waren das. Der eine war derjenige, der zeigen wollte, wie es geht, der andere ein Bekannter von ihm aus Norwegen. Beide waren im Alter meines älteren Sohns, und ich verstand mich gleich gut mit ihnen. Der Norweger war sehr gesprächig und gut drauf.
Nach geraumer Wartezeit kamen schließlich noch vier weitere junge Leute dazu, wovon sich zwei gleich wieder verabschiedeten. Wo das Ganze abgehalten werden sollte, war vorher nicht wirklich überlegt worden. Ich schlug vor, möglichst ein gutes Stück vom Meer wegzugehen, da es auch heute sagenhaft laut war. Die Brecher rasten weiter auf die Strandmauer zu, aber der wieder neu mit dem Bagger aufgehäufelte Sand ließ sie abprallen. Oben auf der Kunstdüne saßen ein paar Wagemutige und warteten, ob das Meer sie hinunterspült.
Da mir von der afrikanischen Tanzsache die Gegend ein bisschen bekannt war, steuerten wir alsbald in die Richtung, wo der Schulhof ist. Wir blieben aber vorher auf einem großen Platz auf einer Treppe hängen, ein paar Meter nur von einem Wohnhaus entfernt, was eher weniger zu deren Abendvergnügen beigetragen haben dürfte. Dann bekamen wir eine Vorführung, was der Throat-Sänger David sich autodidaktisch beigebracht hatte, nachdem ihm beim Autofahren absichtslos der erste solche Ton aus der Kehle gekrochen war, und er sich erstaunt gefragt hatte, was denn das sei. Das wollte er kultivieren, und von da an fing er an, immer mehr dran zu arbeiten. Er grollte und knurrte und drohte und durchschnitt die Luft mit stimmbandschädigend klingenden Tieftönen, die man einem normalen Menschen eher nicht zutraut. Doch doch, Frauen können das auch, meinte er. Danach kam eine Anleitung, wie wir möglicherweise selber solche Töne erzeugen könnten. Oder zumindest mal einen ersten.
Ich muss sagen, wir hatten richtig viel Spaß an der Sache. Wir kreierten unzivilisierte Kotzgeräusche, Rülpsattacken, hechelatmende halborgiastische Tantrahöhepunkte, Wolfsknurren, gemischt mit Stimmabrutschern in Quietschoktaven, und dem Norweger gelang es als erstem, tatsächlich genau das zu machen, was der Plan war. Bravo! Ein Naturtalent! Muss sagen, mit seinen schwarzen Haaren und Augen wirkte er mit dieser Stimmlage recht bedrohlich, dabei ist er ein echt lieber Kerl. Stimme macht was aus!
Wir beiden Frauen hatten es irgendwie nicht ganz so drauf. Dafür konnte ich was übers Obertonsingen erzählen, und das Mädchen berichtete auch von ihren Gesangserlebnissen. Diese Gruppe könnte ich mir jedenfalls super als Begleitung für den nächsten Wolfsheulversuch bei Vollmond vorstellen! Wir verabschiedeten uns alle mit einer Rudelkuschelumarmung, neuen Erkenntnissen und dem guten Gefühl, auch heute mal wieder etwas getan zu haben, was wir noch nie gemacht hatten. Man wollte mich auch noch instruieren, wie Beatboxen geht, aber das war mir dann zu viel für einen Tag. Es war eine sehr lustige Truppe, und obwohl alle wesentlich jünger als ich waren, schien das nichts auszumachen, ich fühlte mich wohl und hatte das Gefühl, sie kamen mit mir ganz gut klar.
Dann, im Auto auf dem Rückweg, wo mich keiner hören konnte, traute ich mich, richtig aus mir rauszugehen, und siehe da, auf einmal konnte auch ich diese Töne produzieren! Gut hörbar, unglaublich tief und auf jeden Fall komplett unweiblich, ja nicht mal menschlich klingend. Allerdings hatte ich es anscheinend richtig gemacht, denn uns wurde gesagt, man bekommt davon Verschleimungen, da würde alles nach oben gespült und so könne man auch seine schlechten Emotionen loswerden. Nun ja, meine Stimme funktionierte erst mal gar nicht mehr richtig, weil sie so belegt war.
Dennoch schaffte ich es, bei der Vermieterin zu klopfen und für die beiden alten Damen und die Pflegerin jeweils eine riesige Königs-Protea abzugeben, die ich am Puerto erstanden hatte. Sie freuten sich und strahlten richtig! Vielleicht wärmt eine kleine Freude ja ihr Herz nach all dem Streit da unten, den ich letztens mitbekommen habe.
Nur mal kurz auf den Markt - 23.2.2025
Endlich daheim! Ausgepowert, wie auch mein Handy… Keinerlei Parkplatz zu nachtschlafender Zeit. Ganz ganz unten an der Promenade hab ich endlich was gefunden, das heißt, ich musste auch ganz ganz hoch latschen. Leider hab ich mich dazu entschieden, statt der steilen Straße die Treppen zu gehen. Oh je. Das hat noch viel länger gedauert. Geduscht, aber noch so auf Adrenalin, dass ich gleich wieder duschen müsste. Egal. Zurück zum Tagesgeschehen davor!
Mittags machte ich mich auf zum Sonntagsmarkt in Villa de Mazo auf der südöstlichen Inselseite. Eine Strecke, die ich bisher nur mit dem Bus gefahren war. Rechts von Santa Cruz bzw. südlich war ich mit meinem Auto noch nicht. Dieser Teil der Insel ist noch viel tropischer bewachsen als die andere Seite, und es ist nicht so viel schwarz dazwischen. Eigentlich sieht es aus wie eine normale Insel, nur mit mehr Berg als normale Inseln so haben, mehr Bewuchs, denn meist ist es ja auf Inseln relativ kahl mit viel Erde dazwischen. Unten am Wasser ist es dann aber schon schwarz. Der Inselrand besteht aus Klippen, wohin das Auge sieht.
Neben der Straße mauscheln sich aber zwischen die inzwischen hinreichend bekannten Palmen, Drachenbäume und Sukkulenten auch jede Menge Platanen und Maulbeerbäume. Ich war spät auf dem Markt, weil ich zwischendurch ein paar kleine Stopps gemacht habe, wo ich kucken wollte, wie es da aussieht. Meist nicht so arg spektakulär, ich hatte es nur gehofft. Auf dem Markt im riesigen Gebäude gab es enttäuschenderweise nur vielleicht zehn Stände mit Kunsthandwerk, einen mit Brot und Honig und einen mit verschiedenen Lebensmitteln wie den beliebten Bananen- und Kochbananen-Chips, Keksen, Erdnussbutter, Wein usw.
In dem Raum war auch eine Möglichkeit, sich hinter zwei Trachtenfigur-Aufstellern mit Kopfausschnitt fotografieren zu lassen. Hab ich versucht, aber als Selfie ist sowas nicht besonders erfolgreich. Es waren keine anderen Leute da, die ich hätte fragen können. Hier stand auch ein offener Bücherschrank, in dem auch jede Menge deutsche und englische Bücher lagern.
Ich habe mir zwei schwarze Rastalockenschnurdingsens für den nichtvorhandenen Dutt gekauft, die ich jetzt um die Handgelenke trage, das passt perfekt zu meinem Hexenmantel. Außerdem Frühstück für morgen. Dann habe ich noch ein bisschen den verschlafenen Ort erkundet. Kirche war zu, Urnenfriedhof war auf, Fincas sind am Verlottern, Straße ist verheerend gepflastert, das macht da keinen Spaß. Ein Park könnte schön sein, ist aber ebenfalls am Verlottern. Die Kneipe, die Fleisch und Huhn auf Bestellung anbietet, hätte nur ein Sandwich da gehabt, auf das ich verzichtet habe. Am Ortseingang steht ein Schild „Magische Dörfer Spaniens“. Das hatte ich mir ein bisschen interessanter vorgestellt. Das Museum, das rote Haus, hatte natürlich auch zu. Sonntag.
Das hätte mir zu denken geben sollen, aber ich fuhr frohgemut weiter zu meinem zweiten Tagesziel, die Petroglyphen von Belmaco. Leider ist dieser Ort touristisch aufbereitet, sprich, es gibt ein Gittertor davor und hinten wohl eine Art Museum. Das bedeutet, hier muss man Eintritt bezahlen, und tja, es ist Sonntag. Der Museumswärter hat heute frei.
Die von der Touristeninformation hatte mir auf der Karte angezeichnet, dass der Strand von Salemera gut sei. Also fuhr ich ein Stück zurück zu diesem Strand. Inzwischen hatte ich aber ganz schön Hunger, und Google sagte mir, da sei ein Kiosk am Strand mit sehr guten Bewertungen. Ich fand ihn auch gleich. Es ist ein wenig luxuriös wirkendes Restaurant mit nobelschnieke angerichtetem Schlemmeressen. Und man muss warten, bis der etwas abgerissen wirkende, fürchterlich geschäftige und fleißige Kellner Zeit hat, einen zur Kenntnis zu nehmen. Dazu steht man erst mal blöd in der Pampa herum, so ca. 10 Minuten. Danach fragt er einen dann, wie viele Personen und sagt, man solle da drüben (an der Knallsonne) warten. Da saßen sie schon alle wie die Hühner auf der Stange. Ich habe insgesamt 53 Minuten auf einen Tisch gewartet. Da ich aber inzwischen die Fotos vom Essen im Internet angeschaut und die Philosophie des Restaurants gelesen hatte, wusste ich jetzt auch, dass sie schon das zweite Mal einen Preis gewonnen hatten. Das rechtfertigt, warum da gar so viele Leute warteten. Somit habe ich beschlossen, durchzuhalten, dachte aber schon sehnsüchtig an die Leckereien vom Markt, die ich im Auto an der Sonne schmoren lassen musste. Hätte damit ja auch irgendwo ein Picknick machen können.
Schließlich wurde ich, im Gegensatz zu den Leuten neben mir, die gemeckert hatten, wie lang das denn noch geht und sie seien vor den anderen dran, belohnt mit einem Tisch auf der schönen lichtdurchfluteten Terrasse, und nicht wie sie in der Baracke daneben. Da mich beim Tauchen mal eine Muräne voll erschreckt hatte, dachte ich, heute probiere ich mal, wie die schmecken. Sie stehen hier auf der Insel öfter auf der Speisekarte. Sie kam dann nicht gerade so dekorativ daher wie die Bilder im Internet, war aber sehr sehr knusprig und geschmacklich lecker. Dieser Fisch hat eine festere Konsistenz als anderer Fisch, eher schon fleischartig, aber es waren Rückgratstücke mit einpaniert, so dass ich erst dachte, vielleicht kann man die mitessen. Die hatten keine Gräten dran, es war nur eine Wirbelsäule. Das wurde dann aber recht beschwerlich, und ich wollte mein Leben auch nicht bei einem Erstickungsanfall an diesem netten Ort lassen. Ich entdeckte dann, dass man mir sogar den Kopf mitpaniert hatte. Das Viech hatte sehr sehr spitze Zähne, und vor allem viele. Ich hab den Kopf lieber beiseitegelegt. Vielleicht wäre der ja eine Delikatesse gewesen. Aber manchmal bin ich gern Banause! Leider hatte ich durch meinen bereits krachenden Magen von dem Aioli mit Brot ziemlich viel gegessen, bis das Essen kam, somit musste ich was zurückgehen lassen.
Dann ging ich durch den Ort und zum Strand. OK, es gibt ein bisschen Sand. Und dann kommen Felsen und Steine und ein lebensgefährlicher Einstieg ins Meer. Wenn man über einen Felshaufen hampelt, geht von diesem eine Metallleiter ins Wasser. Da ist es vermutlich einfacher, hineinzugelangen. Gereizt hat mich das aber gar nicht. Was hingegen sehr schön ist, und was die Tourist Information vermutlich gemeint hat, ist nicht der Strand, sondern die Tatsache, dass da eine Menge bunter Boote am Ufer liegen und dahinter kleine Hütten sind, die jeder irgendwie anders gestaltet hat. Die Hütten sind gemauert, aber alles andere als luxuriös, und der Wohnraum ist sehr großzügig beschnitten. Mit b. Platz ist in der engsten Hütte für Waschmaschine und Wäscheständer und ein Bett und wahrscheinlich auch einen Herd im selben Zimmer. Ob die auch ein Klo haben? Jedenfalls ist alles von außen malerisch und wahrscheinlich erschwinglich.
Ich hatte beschlossen, wenn ich schon mal so weit unten Richtung Inselspitze vorgedrungen war, diese zu umrunden und auf der anderen Seite nach Tazacorte zurückzufahren. Irgendwo bei Tigalate hielt ich auf der Einfahrt von einem Privatgrund an, weil ich durch die verschmierte Windschutzscheibe bei der Sonnenblendung nichts mehr sehen konnte und wischte mit lausigem Ergebnis am Fenster herum. Da kam ein Mann mit einem Eimer warmen Spülmittelwasser und kippte ihn mir über die Scheibe. Wie wahnsinnig nett!
Etwas weiter kam ich an Las Indias vorbei und beschloss spontan, nachzuschauen, ob es da irgendwelche Anklänge an Indien oder Indianer zu sehen gäbe, aber mein Navi spricht nicht mehr mit mir, und somit sah ich nach einem ziemlich normalen Häuserhaufen an der Hauptstraße, dass das Ziel nicht mehr vor mir, sondern bereits hinter mir lag. So fuhr ich einfach weiter, denn da stand auch noch Zamora auf dem Schild, und davon hatte ich auch irgendwas gehört. Es stellte sich heraus, dass das ein Strand ist. Und zwar gibt es Zamora Chica, wo ich hinfuhr, und Zamora Grande. Also einen Babystrand und einen Mamastrand. So riesig viel größer war der Mamastrand nun auch nicht. Vom Chica aus konnte man ihn nicht erreichen, höchstens schwimmend, was ich bei dem Seegang nicht empfohlen hätte, es sei denn, man ist lebensmüde. Beide Strände sind von getrennten Treppenfluchten aus zu erreichen, wo es ganz schön viele Stufen hinuntergeht. Diese beiden Strände konnten jedenfalls mit Sand punkten.
Über dem Chica fand ich einen Kiosk, wo ich noch einen Cortado schlürfte mit Blick auf die im Meer vorgelagerten großen Felsen und die Machenschaften des Ozeans, der auch hier sein Bestes gab, um einen zu verschrecken oder mindestens in Ehrfurcht erstarren zu lassen.
Ich musste aber weiter, denn ich hatte noch was vor. Leider musste ich den ganzen Weg bis Fuencaliente wieder zurückfahren, denn da unten an der Küste führt keine Straße weiter Richtung Norden. Ich war überrascht, wie viel Zeit mein Navi berechnete, und wie sich zeigte, hatte es da auch noch dabei geschummelt. Es dauerte noch ein gutes Stück länger. Als ich in Tazacorte ankam, hatte ich noch 6 Minuten Zeit zu parken und ins Kulturhaus zu kommen. Zum Glück war ein Parkplatz direkt in greifbarer Nähe. Somit hatte ich also wohl – siehe oben – mein vom Universum bewilligtes Parkplatzkontingent für heute ausgeschöpft.
Der Film, Die Klavierspielerin, aus der Haneke-Serie war wieder schrecklich, aber diesen konnte ich besser aushalten als den vom letzten Mal. Er stieß bei mir nur auf veranlagungsbedingtes Nicht-Nachvollziehen, aber löste nicht Panik und Fluchtreflex aus wie der erste. Im Anschluss gab es noch eine lange Diskussion, durch welche die erfolglose Parkplatzsuche dann bedingt war, denn heute kam ich am Haus erst zu einer Zeit an, wo auch die Spanier von ihren Abendvergnügungen bei Freunden oder irgendwo zum späten Essen längst wieder daheim sind.
Nun bin ich gespannt, ob ich es schaffe, morgen rechtzeitig am Hafen zu sein. Ich habe jetzt eine ganze Woche lang täglich Meer-Mal-Kurs. Yippie! Und abends Kino. Falls ihr also wenig von mir hören solltet, dann wisst Ihr Bescheid. Ohnehin möchte ich nach der Wahl in Deutschland mir lieber Dinge gönnen, die mich von dem Ergebnis ablenken.
Hoffnung ist meerfarben, und das Meer hat ganz viele Schattierungen - 24.2.2025
Wenn man außerhalb von Deutschland den Tag verbringt, hat das an Tagen nach Wahlergebnissen durchaus was Positives. Man darf den Tag noch genießen. Das habe ich heute getan! Verzeiht mir. Aber für mich ist es besser so, mich nicht mit den Nachrichten vollzuknallen und mir Sorgen zu machen. Zufällig zog ich heute wieder mein Shirt an, auf dem steht: “Don’t worry about the future, enjoy the now!“ Das sorgt für ein besseres Gefühl als die Postkarte, die ich 1977 in Schottland gekauft hatte: “If I ignore the future, maybe it will go away.“ Im Prinzip haben beide aber etwas gemeinsam.
Dafür habe ich nach der Freude des heutigen Tages einen dystopischen Fim angeschaut. Die Tazacortiade mit den Michael-Haneke-Filmen bescherte uns heute Wolfzeit, ein Film, in dem eine nicht näher erklärte Katastrophe eingetreten war und sich die Menschen in einer Überlebensnotsituation fanden. Insbesondere die vierköpfige Familie, um die es geht. Sie waren sich wohl vorher kaum bewusst, dass es wirklich eine solche Krise gibt. Und dann werden sie binnen Minuten hineingeworfen. Da waren es nur noch drei.
In so einer Zeit wird der Mensch dann vielleicht des Menschen Wolf, andere werden des Menschen Wohltat. Wieder andere tendieren zum Dominieren, was auf gute und auf schlechte Weise geschehen kann. Einige drehen komplett durch. Andere verdienen sich durch skrupellose Ausbeutung eine goldene Nase. Mancher auf der Seite derjenigen, die, ohne Rücksicht auf Verluste, nur auf sich selber schauen, ist dann doch noch zu bekehren, andere nicht. Wer feig und mies ist, wird es wohl immer bleiben. Und der, von dem man nichts erwartet, opfert sich für die Allgemeinheit, indem er eine falsch verstandene religiös-mystisch-verblendete reißerische Geschichte verinnerlicht und für sich selbst neu interpretiert.
Das Ende des Films kann Hoffnung geben, ein Zurück zur Normalisierung nach angenommenem Opfer, oder auch bedeuten, dass eine Art von Verblendung vorliegt. Und hier schlägt dann der gestrige Wahltag doch noch zu - wie geht es uns jetzt, uns nach diesem Wahlergebnis – wo steuern wir hin? Was geschieht mit Europa? Wo lässt uns Trump hängen? Was ist für uns geschrieben in der bundesweiten und in der weltweiten Politik? Können wir noch umlenken und auf ein anderes Gleis fahren in eine Welt, in der alles wieder in Ordnung ist?
Der Schluss in schönster Farbe gefilmt, während vorher neblig, dunkel, schattig (da ohne spezielle Ausleuchtung gearbeitet wurde, um diese Stimmung zu erzeugen) an der Tagesordnung war, also ohne Hoffnung, ohne Freude.
Insgesamt konnte ich feststellen, dass zu meinem Erschrecken bei mir ein Gewöhnungseffekt in Bezug auf die beobachtete Gewalt eintritt. Das ist der dritte scheußliche Film in Serie, den ich mir zugemutet habe, und jetzt bin ich bereits Profi im Anschauen von Dingen, die einen eigentlich völlig fertig machen müssten. Entweder tritt eine Abstumpfung auf und ich iehe meinen Schutzpanzer bereits hoch, wenn nur der Name Haneke fällt, oder es liegt daran, dass der heutige Film keine widerwärtige, grässliche, völlig sinnlose Gewalt zeigte, sondern eine, die man unter den gegebenen, wenn auch unbekannten, Umständen noch als halbwegs normales Verhalten in Extremsituationen begreifen kann. Es wurde lange genug an den Nerven des Kollektivs gezerrt, das Wohnen in menschenunwürdigen Bedingungen auf engem Raum kann entsprechende Ausbrüche befördern. Das ist erklärbar, wenn auch nichtsdestotrotz sehr unangenehm und nicht gut auszuhalten.
Nun, nachdem der Tag so geendet hat, spule ich mal zurück zu dem schönen Teil. Und er war heute echt lang. Von 11 bis 16 Uhr hatten wir ohne Pause Zeichenkurs zum Thema Meer malen. Nach der Vorstellungsrunde besprachen wir fast eine Stunde lang mit Leon, was die Spezialitäten von Farbspektren aus Pigment und von solchen aus Licht (z.B. auf Monitoren oder halt in der Natur) sind. Wie sie sich unterscheiden. Wie man das natürliche Licht in ein Bild auf Papier oder sonstigen Materialen bannen, sprich übersetzen kann, und was bei Mischungen passiert. Wir dachten an, warum der Himmel blau ist und das Meer, und ob jemand, der einen Bleistift als rot bezeichnet, wohl in echt genau dieselbe Farbe sieht wie derjenige neben ihm. Oder ob der eine in Wirklichkeit grün sieht und der andere blau, aber wir alle haben ja in der Kindheit bereits gelernt, diesen Bleistift eben rot zu nennen. Unabhängig davon, was wir tatsächlich sehen.
Danach ging es los. Wir hatten das Privileg, tatsächlich genau vor dem Meer zu stehen und das Meer zu malen. Wir konnten ganz genau analysieren, welche Farben darin vorkommen und wo. Wo man viel sieht und wo wenig. Wo es scharf ist und wo unscharf. Dazu malten wir einfach farbige Bänder aufs Blatt in den Farben, die wir vorher als Probe unten hingepinselt hatten, um zu vergleichen, welche davon im Meer heute tatsächlich vorhanden waren. So bemalten wir vier Blätter mit unterschiedlichen Übungen in Ratzfatzmanier. Später sollten wir dann ein ausgefeiltes Bild in Eigenregie mit Eigenkreativität herstellen. In der Zwischenzeit, während wir die Anweisungen bekamen, und auch danach hatte ich mich schon mit Feuereifer über meine vier eher nichtssagenden Werke gebeugt und angefangen, sie zu vervollkommnen.
Hab keine Angst vor der Perfektion, du wirst sie nie erreichen, sagte Dalí. So ging es auch mir. Aber ich freute mich doch über meine inzwischen erworbenen Kenntnisse und meine Fähigkeit, diese immer besser anzuwenden. Ich bin wirklich erstaunt, wie es voran geht! Und diese Woche habe ich noch drei weitere Meermalkurstage.
Das große Bild stellte mich vor die Herausforderung, die Gischt der Wellen darzustellen. Wenn man Weiß auf einem weißen Blatt malen will und ansonsten nicht viel Farbe auf das Bild drauf kommt, muss man ja trotzdem irgendwas machen, sonst bekommt das Ganze gar keine Form. Da habe ich ganz schön dran geknackt. Ich hatte mich hierzu nicht ans Meer gestellt, sondern eine fotografierte Welle als Inspiration herangezogen. Die ist nicht so schnell wieder weg! Man kann mal in Ruhe hinschauen, was wo ist. Aber auch diese Übersetzung vom Foto ins Gemälde ist ganz schön schwierig. Ich habe mich dem gestellt, hätte aber mehrfach gern aufgegeben. Aber aufgeben gilt nicht! Folglich habe ich ein paar neue Wege gefunden, wie es gehen könnte, und siehe da, es sieht gar nicht übel aus!
Und dann habe ich noch für nächste Woche was Neues in Angriff genommen. Ich möchte ein paar Stunden nehmen zum Trainieren meiner Sprechstimme. Das wollte ich schon lange, weil meine Stimme nicht so viel Korpus hat und von manchen Menschen sehr schlecht zu hören ist. Vielleicht lässt sich ja was verbessern. Ich bin gespannt!
Und jetzt ab ins Bett. Morgen muss ich wieder unziemlich früh raus und dann erstmal eine halbe Stunde oder mehr an mein Ziel fahren. Wir malen nämlich jeden Tag wo anders. Ich wünsche uns allen farbenprächtige Nächte. Es gibt so viele fröhliche Farben. Da muss es nicht die eine sein, die wir nicht gern sehen.
Wut tut selten gut - 26.2.2025
Hallo und gute Nacht… Ich würde auch gern ins Bett gehen, aber dann vernachlässige ich meine Protokollantinnen-Funktion. Gerade komme ich von einem weiteren Haneke-Film, den die anderen bereits zum vierten bis sechsten Mal gesehen haben, ich hingegen jetzt gerade zum ersten Mal: Das weiße Band. In der Folge habe ich etliche ungeklärte Fragen zum Geschehen. Es kann aber sein, dass auch die anderen noch nicht herausgefunden haben, was sich genau aus was ergibt. Fest steht: Obrigkeit (in verschiedenen Varianten – Pfarrer, Baron, Gutsverwalter, Arzt, Vater) fügt niedriger Gestelltem (insbesondere Kindern, Frau, Knecht, Geliebter) Unrecht zu, und dann geben die das Unrecht wieder an noch Schwächere als Racheakt weiter. Es gibt hier verschiedene Formen von Ungerechtigkeit im Namen der Gerechtigkeit, es gibt nur Schwarz und Weiß und nichts dazwischen (auch das Band, das erinnern soll, dass man keine schwarzen Sachen zu machen hat, ist weiß) – außer dem Lehrer, der neben einem kleinen, bislang noch durch Erziehung nicht verdrehten, unschuldigen Jungen einzigen positiven Figur – und auch der Film ist schwarz-weiß. Um einen besonders intensiven Effekt zu erzielen, wurde er jedoch absichtlich auf Farbfilm gedreht, der dann in einjähriger Arbeit in schwarz-weiß umgewandelt wurde.
Das Dorf, in dem alles spielt, wurde komplett neu gebaut, ist aber ein Dorf in den Dreißiger Jahren, und die Geschichte zieht sich bis zur deutschen Kriegserklärung an Russland nach dem Vorfall von Sarajewo. Das Ende ist offen. Alles, was mich interessiert hat, bleibt ungeklärt. Es könnte so oder anders sein. Ein Ende, das nervt. Aber es ist auch so, dass, wie der inzwischen alt gewordene Lehrer als Greis im Vorspann erzählt, die Geschichte auf die Gegenwart weisen soll. Nein, diese Arten von Gewalt gibt es immer noch. In Nischen, bei einzelnen Familien, in anderen Ländern leider noch schlimmer, aber in Deutschland halt eher im Verborgenen.
Missbrauch von Schutzbefohlenen in verschiedenen Varianten, Demütigung von Frauen, Mobbing von Personal und von Kindern, insbesondere, die nicht genau der Norm entsprechen, findet weiter statt. Es gibt dafür keine Lösung. Man kann nur sehen, dass die Art der Behandlung mit brutaler Strenge die Situation jedenfalls nicht ins Lot gerückt hat. In einem angstdurchwirkten Milieu rotten sich die Bösen in einer Gemeinschaft der Bösen zusammen und finden das ganz normal. Sie kennen ja nichts anderes. Wut lässt dann Dinge eskalieren. Oben drüber dann noch als höchste Autorität Gott, der höher gestellt ist, als die irdischen Instanzen, und der entscheidet, ob man z.B. das Leben verliert beim Balancieren über die Brücke oder nicht. Und wenn nicht, dann ist das wohl ein Zeichen, dass man ja doch alles richtig und gut gemacht hat mit den Untaten, die das Gewissen belasten.
Das war also wieder ein anstrengender Film. Ich hatte heute auch eine anstrengende bürokratische Geschichte wegen meines Mietautos, die mich Nerven gekostet hat und mir auch beim Malkurs gezeigt hat, dass ich dann in meiner Kreativität eingeschränkt bin und Wutgemaltes nicht so sonderlich toll ist, wenn auch die Farbe nur so spritzt. Außerdem hat es die anderen auch mitgenervt, dass ich so genervt war. Es klappt halt auch nicht alles so wunderbar hier. Man kann sich nicht wirklich drauf verlassen. Immer noch Knoten. Ich bin dafür, dass das mit den Knoten jetzt mal aufhört. Will wieder einfach Freude leben!
Auf dem Rückweg, der mir nun langsam leichter fällt, weil ich schon drauf gefasst bin, dass ich den Berg hoch muss, erinnerte ich mich, wie nun jede Nacht daran, wie ich damals als Jugendliche während meines Sprachkurses in Besançon nachts immer sechs Kilometer bis Planouse zu Fuß nach Hause lief, oft mitten auf der Straße, weil nichts los war. Und wie ich während meiner Collegezeit vom Stadtrand von Edinburgh nach Dalkeith zu Fuß ging, auch mindestens so weit. Ich war über zwei Stunden unterwegs, und das war halt so. Die Füße taten furchtbar weh wegen des lächerlichen Schuhwerks, aber sonst strotzte ich nur so vor Gesundheit. Angst hatte ich keine. Die kam erst später während des Studiums in München.
Immerhin war ich heute im Malkurs wieder 5 Stunden ohne Pause im Flow und enttäuscht, dass wir zusammenpacken mussten. Heute hatten wir uns beim Charco Verde verabredet, was schon ein Stück zu fahren ist von hier. Das Meer dort war heute fantastisch. Wir hatten die Wahl, es in derselben Art zu malen wie gestern oder was Neues zu lernen, was ich angesprochen hatte, denn ich hatte Bilder gesehen, dass Leon so etwas mit einer anderen Gruppe gemacht hatte. Da hatte ich nicht verstanden, wie sie den Effekt zustande kriegen.
Na, ihr kennt mich, ich musste unbedingt das Neue ausprobieren, auch wenn das Meer dort so unglaublich toll war und es so viele verschiedene Motive gegeben hätte. Was uns auch an Ort und Stelle gehalten hat, war, dass wir ein paar Sonnenschirme über unserem Kopf aufgehängt bekommen haben, aber es sonst überall Knallsonne hatte. So saßen wir da glücklich und zufrieden und schrubbelten papierene, ausgerissene Felskonturen mit Ölkreide ein und wischten dann mit dem Finger die Kreide auf das weiße Blatt, was erstaunliche Effekte bot.
Es wurde uns dann gesagt, wir könnten auch mit Aquarellfarbe dazwischen malen. Das tat ich dann dooferweise beim Telefonieren und versaute mir damit, weil ich nicht beides so gut gleichzeitig konnte, ein wunderschönes Bild, das ich sehr gut so hätte lassen können, wie es vor der Pinselbehandlung aussah. Das ärgerte mich dann voll. Es sah plötzlich nach nichts mehr aus, wie von einem Kindergartenkind, so primitiv und lapidar. Die ganze Schönheit war herausgetilgt. Von der Mühe, die ich mir vorher damit gegeben hatte, war gar nichts mehr zu sehen. Leon stachelte mich dann an, indem er intensiv auf meinen Verriss einging. Ich hatte schon Angst, dass er jetzt mein von mir als misslungen abgestempeltes Bild zerknüllt und wegwirft. Dann gab er mir jedoch ein paar Tipps, und ich habe einen davon ausgeführt, und gleich sah alles viel besser aus. Und dann kam ich plötzlich auf Ideen, wie ich es reparieren könnte. Tatsache, es ist inzwischen richtig gut geworden! Und wie die Malkollegin sagte: wenn ich es nicht vorher verdorben hätte, hätte ich gar nicht gewusst, wie gut ich es dann noch hingekriegt habe und hätte mich nicht so sehr an dem nun doch noch gut gewordenen Bild gefreut. Ich habe dabei außerdem wieder neue Vorgehensweisen gelernt.
Wir haben heute viel experimentiert und eine Menge Schnipsel produziert, mit deren Hilfe wir uns dann die Finger wundrieben. Ich wusste gar nicht, dass man Ölkreiden so zerreiben kann. Der Effekt ist jedenfalls super. So kamen wir dann doch noch alle stolz erhobenen Hauptes den Strandweg wieder hoch zum Auto. Ich gönnte mir noch ein Essen bei dem berühmten Kiosk in El Remo, was nur wenige Kilometer weit entfernt ist. Das Lokal sieht futuristisch aus und soll besonders lecker kochen. Ich hatte echt Glück, denn den einzigen nicht reservierten Platz bekam ich, die nach mir kamen, mussten alle wieder gehen. Ich hatte dann einen ganz netten Fisch und ein Nest aus dünnen Pommes Frites mit karamellisierten Zwiebeln und in Mandeln gewälzten Frischkäsebällchen. Interessant, aber nicht völlig überwältigend. Am Fisch war irgendwie gar nicht viel dran, auch wenn er groß aussah. Im Nest war zu viel zu lange frittierte Kartoffel. Aber die Bedienung, die ich hatte, war sehenswert hübsch. Jedenfalls war auch ich nett, denn ich hatte ja auch Glück gehabt und Lust, es weiter zu geben. So bedeutete ich einem Pärchen, das zu ihrer Enttäuschung weggeschickt wurde, ich gehe jetzt gleich, sie sollen warten, und dadurch haben sie dann doch meinen Tisch gekriegt.
Danach ging ich noch am Meer spazieren, um meinen Kopf auszulüften und saß noch länger auf einer Bank, um die immer noch gigantischen Brecher zu bestaunen - wie sie sich grollend zusammenballen und unglaublich hoch werden, steil und dunkel dräuend, bevor sie zusammenfallen! Auch am Charco Verde hatte es heute spektakuläre Wellen gegeben, die ich jedoch nicht fotografiert hatte. Meine Hände waren total voller Ölkreidenschmiere. Das hätte meinem Handy-Button nicht so gefallen. Morgen geht es dann weiter mit einem Kurs in Puerto Naos. Bestimmt wieder ganz was Neues! Und auch wieder nette neue Leute.
Vom gründlichen Verstehen - 27.2.2025
Hallo miteinander, heute kann ich ja zur Abwechslung den Gaul mal wieder von vorne aufzäumen! Mein Malkurs ist für heute vorbei. Wir waren diesmal in Puerto Naos, da gibt es ja einen bei den Touristen unglaublich beliebten langen flachen, natürlich wie überall hier, schwarzen Sandstrand. Aber heute war auch hier Baden nicht unbedingt anzuraten. Von Zeit zu Zeit kamen die bereits erwähnten Wellentriaden und rammten alles in Grund und Boden. Ein paar Unentwegte trauten sich trotzdem hinein, aber etwas später wurde das Baden dann verboten. Ich schätze, zu Recht.
Uns jedoch kann niemand das Malen verbieten! Wir haben inzwischen so viele unterschiedliche Stile entwickelt wie Sand am Meer, und jeder hat in sich alles angelegt und kann mal lieblich-zärtlich oder rabaukenhaft. Die alten Wilden… zu denen zähle ich mich, und momentan arbeite ich an der Zerstörung des Schnuckiputzi-mei-wie-liab-Schemas. Nur um dann, wenn ich müde geworden bin und der Rücken vom Sitzen an der prallen Sonne brennt, wieder einschmeichelnde Maltöne von mir zu gurren.
Heute habe ich einen langen und mühsamen Kampf mit der Gischt ausgefochten. Ich musste sie erstmal begreifen, wie sie funktioniert, wie die Welle funktioniert, was ist das, was ich da sehe? Und wie lässt sich das übersetzen? Irgendwann hab ich dann gewonnen. Aber spontan ging das nicht. Ich stelle mir vielleicht auch ein bisschen schwierige Aufgaben. Es ließe sich auch einfacher lösen, aber ich möchte es komplex und gut. Sonst kann man ja nichts lernen, wenn es viel zu einfach ist! Somit muss ich Striche aus der Ellenbeuge und linken Hand schütteln, mit Kohle knirschen, mit Graphit verzwirbeln und Deckweiß um mich spritzen, damit es tobt und wütet, um sich dann letztendlich doch noch brav unter mein Joch zu beugen.
Auf jeden Fall scheint es möglich zu sein - ich sehe Licht am Ende des Tunnels, halte es nicht mehr für ausgeschlossen, dass man Wasser auf Papier darstellen kann. Ich meine, ich habe auf Facebook in vielen Gruppen gesehen, dass es Fotorealisten gibt, die sowas ständig hinkriegen. Aber auf diese Art will ich gar nicht malen können, ich lege Wert darauf, dass man sieht, dass es gemalt und nicht etwa fotografiert und vergrößert ist. Es gibt viele Schliche, die man dabei lernen kann. Täglich kriegt man von Leon wieder was Neues mit. Immer noch macht es Spaß. Morgen ist aber ein Ruhetag, jedenfalls vom Kurs. (Ansonsten mache ich mich drauf gefasst, den ganzen Tag unterwegs zu sein.)
Am Abend, nach meinem Karmazoom, der wie immer schön herzerhebend und aufrichtend war, wetzte ich natürlich wieder hinunter ins Dorf zum Haneke-Film. Diesmal wurde einer gezeigt, den ich fast richtig gut fand: Liebe. Kein namenloser Schrecken, sondern die Studie einer Liebe, die die plötzliche Erkrankung mit einhergehender Demenz des einen Partners schultern muss. Die Geschehnisse sind für mich in keinster Weise Neuland. Meinen Partner hat das nicht betroffen, aber fünf Jahre habe ich meinen Opa gepflegt, ein halbes Jahr betraf es meinen Vater, und meine Mutter war viele Jahre schwer krank, und ich habe mich, so gut es mit zwei Haushalten ging, um sie gekümmert.
Zum Glück war sie bis zum Schluss klar im Kopf, außer, dass ihr das technische Verständnis abhanden kam, aber dass ich ihr nicht gestattet hatte, zu gehen, als sie eine Gehirnblutung hatte und sie operieren ließ, hat sie mir fast bis zum Schluss nicht verziehen. Als sie endlich entdeckte, dass es doch noch irgendwas in ihrem Leben gibt, das gut ist, musste sie dann gehen. Da war es dann zu früh, sie war genau da nicht einverstanden. Im Film passiert etwas anderes, aber was passiert, ist für mich nachvollziehbar. Vielleicht nicht wirklich gut, aber ich verstehe es. Und durch das Zimmer trappelt eine Taube, das Symbol der Seele.
Den ganzen Prozess des sich immer mehr selbst Verlierens und dadurch die Schwierigkeit für den Partner, den anderen nicht mehr mit der Person identifizieren zu können, die sie früher war, und dabei immer mehr eingespannt zu werden, sich pflichtschuldig zu fühlen, sich zu kümmern bis zur Selbstaufgabe, bis der eigene Körper schon deutlich verfällt, fand ich extrem gut gezeigt. Bei meiner Mutter habe ich diesem Elend fünf Jahre zugesehen und war allein für alles zuständig. Quasi war ich in der Rolle des Partners, ich bin in punkto Verantwortung zu meinem Vater geworden, ich musste alles in Ordnung bringen, was nicht stimmte.
Ich habe eingekauft, die Finanzen kontrollieren müssen, mit den Ärzten die Behandlungen besprechen, in den Krankenhäusern und Rehakliniken ein übers andere Mal wieder dafür sorgen, dass sie sich besser kümmerten, denn es ging unglaublich viel schief, den Ärzten, die gerade mal drei Minuten Zeit hatte, erklären, dass sich die Medikamente, die sie nimmt, mit den Augentropfen beißen, Alternativen suchen, als das Herzmedikament einen kontinuierlichen Hustenreiz auslöste, ich musste im Haus alles reparieren, was kaputt ging und schließlich Handwerker engagieren, um die herunterfallenden Kacheln im Bad ganz abzureißen, und das nun frisch verputzte Bad trotz meiner Bandscheiben-OP selber streichen, weil kein Maler verfügbar war, und sowieso ständig Arzttermine aller Art organisieren und Mutter und Rollstuhl ins Auto wuchten und wieder raus. Eine Überschwemmung von 180 m2 in Ordnung bringen lassen und die Möbel retten. Einen motorisierten Sessel besorgen und Verträge mit den Pflegern abstimmen, die ganz zum Schluss hinzugezogen wurden, und täglich und immer war ich Ansprechpartner und Alleinunterhalterin. Das war wirklich nicht leicht.
Meine Mutter verstand zum Beispiel die Fernbedienung nicht und konnte nicht mehr von ARD zu ZDF wechseln. Dafür musste ich dann halt an die 80 km mit dem Auto hinfahren. Bald darauf wollte sie dann wieder das Erste anschauen. Da war ich aber schon wieder in München. Aufgeschrieben mit idiotensicheren Erklärung hatte ich vieles. Geholfen hat das nichts. Also ich erlebte die Art von Situationen aus dem Film Hunderte von Malen. Ich weiß, wie es ist. Der Film war echt gut gemacht. Und jeder, der Ähnliches mit seinen alten Eltern oder womöglich mit seinem Partner erlebt hat, wird mir zustimmen. Nicht jede Handlung aus Liebe ist allerdings richtig und schön. Aber, wie gesagt, verständlich.
Wirre kleine Geschichten - 28.2.2025
Home, sweet home! Endlich wieder da, nach einem langen Tag. Die Tazacortiade ist beendet. Inzwischen kennen mich die anderen. Heute musste ich mich outen mit meiner Gesichtsblindheit, denn sie hat bewirkt, dass ich den ganzen Film nicht verstanden habe. „Happy End“ hieß er. Es gab zwei oder sogar drei dunkelhaarige Frauen darin. Bis zum Schluss habe ich nicht bemerkt, dass es nicht dieselbe Person ist. Oh je. Aber als ich sagte, mir fiel das erst in der Bankettszene auf, sagten die anderen, sie hätten auch nicht kapiert, wer wer sei, der Film sei sehr verworren. Aber es gäbe ganz viele lange Einstellungen, die jeweils eine eigene Geschichte seien, und das hätte sich ja gelohnt. Letztendlich habe ich hinterher einen Teil des Films trotzdem noch begriffen, muss aber noch mehr drüber lesen. Das kann ich dann machen, wenn mein Akku wieder etwas geladen ist. Seit 18:20 hat mich mein Handy bereits verlassen.
Ich war auch in einem Reparaturladen, da wurde mir gesagt, dass da wohl mehrere Dinge gleichzeitig kaputt seien. Das Handy habe ich aber erst seit einem Jahr, das ist jetzt irgendwie nicht so toll. Es lädt nicht mehr richtig (dauert etwa 3 Stunden trotz Schnellladefunktion) und der Akku leert sich auch binnen weniger Stunden. Ich kaufte heute auch eine (vorgeladenene) Power Bank, die hat es geschafft, das Handy um 30 % zu laden und war dann leer. Damit hat es von 9:30, als ich das Haus verließ, bis siehe oben überlebt. Nicht sehr lang, also ist das Handy nach 6 Stunden bereits scheintot.
Seufz, irgendwelche Probleme gibt es immer! Wenn mein Handy mir kein Internet mehr geben kann, kann ich aber diesen Blog auch nicht mehr online stellen. Das wäre schon blöd, jetzt wo ich beschlossen habe, noch bis Ende April zu bleiben. Denn Judith, meine Vermieterin, bleibt noch länger in Sri Lanka.
Heute hatte ich dann großen Autowechseltag. Der Zeichenkurs pausierte heute, und daher musste ich das von gestern, wie es eigentlich vor meiner spontanen Immatrikulation im Meermalkurs vorgesehen war, auf heute verlegen. Dafür musste ich stundenlange Telefonate führen und war echt frustriert. Wäre der freie Tag gestern gewesen, wäre ich einfach mit meinem Dacia Stepway nach Santa Cruz gefahren und mit einem Fiat 500 von der anderen Autovermietung zurückgekommen. Einen Tag später gab es aber nix wie Probleme. Und den Kurs wollte ich so gerne besuchen. Es war auch wertvoll und gut, dass ich gestern dort war.
Heute also musste ich um 10 Uhr in Los Llanos mein Erstauto zurückgeben und dann mit dem Bus nach Santa Cruz fahren. Ich habe die Gelegenheit genutzt, um auch nett mit einem Eisshake und getoasteten Sandwich zu frühstücken, meine Buchungsformulare für das neue Auto ausdrucken zu lassen und die Telefonkarte neu aufzuladen. Am Busbahnhof wollte ich noch fragen, wie ich das am Montag machen soll mit der Fahrt zum weißen Fest, los Indianos, aber der Bus, genannt La Guagua, fuhr in 3 Minuten, da hab ich das nicht mehr hingekriegt. Schuld an der Verzögerung im Plan war ein Sportfest der Schulen, das in der Stadtmitte abgehalten wurde. Die Kinder rannten einmal im Karree, jede Klassenstufe wohl eine Runde. Und da war kein Durchkommen, denn alles war abgesperrt und rammelvoll.
Ich stellte mich dann halt neben all die begeistert jubelnden Mütter und erinnerte mich, wie ich bei meinen Kids bei Veranstaltungen, wo diese etwas leisten sollten, dabei stand und mein Bestes gab, sie anzufeuern und mitfieberte, als ginge es um meine eigene Klassenehre oder meine eigenes Selbstwertgefühl, und wie ich glücklich war, wenn ihnen gelang, was man sich so vorgestellt hatte, wie sie sich freuten, dass sie es geschafft hatten, und auf einmal spürte ich, wie es aus meinen Augen haltlos herauskullerte. Das war doch eine schöne Zeit damals! Ich wurde von einer meterhohen Woge der Liebe zu meinen Kindern überrollt und sah diese Liebe gespiegelt in den Augen der Mütter und in der Freude der Kinder, die vor lauter Eifer zu gewinnen fast alle bereits bei „auf die Plätze!“ losrannten. (Tres – dos – uno war das spanische Kommando).
Ich erwischte den Bus also ganz knapp und stellte fest, dass das System recht gut funktioniert. Auch hier, wie in München, eine elektronische Bandansage einer menschlich wirkenden, aber falsch betonenden neutralen Damenstimme vor jeder Station, an der durchaus nicht gehalten wurde, nur wenn jemand da hinaus oder herein wollte. Die mit dem Auto so anstrengende Kurvenfahrerei erschien im Bus total harmlos. Man fühlte sich gut und geborgen, und der Preis für die lange Strecke auf die andere Seite der Insel war lächerlich, ich glaube 2,60 Euro habe ich bezahlt.
Am Hafen von Santa Cruz angekommen wollte ich dann halt dort im Büro nachfragen, wie ich meinen Trip am Montag gestalten könnte, aber da war kein Büro. Man schickte mich in eine Richtung und ich lief ziemlich weit, fand aber nichts. Da meine Füße heute ohnehin so schmerzten und ich noch viel vor hatte, kehrte ich um. Ich besuchte das Touristeninformationszentrum, wo man mir nicht wirklich weiterhelfen konnte. Außer dass die Negra Tomasa in Santa Cruz bereits um 10 Uhr morgens ankommt, und nicht etwa um 12, wie es im Internet hieß. Das heißt, wenn ich tatsächlich alles mitkriegen will vom Los-Indianos-Ereignis, muss ich echt früh aufstehen.
Das Fest in Santa Cruz sei nur mit weißem Puder, das in Los Llanos, das ich für Samstag geplant habe, und wofür ich den Zeichenkurs an diesem Tag abgesagt habe, ist hingegen mit buntem Pulver, also wie das Holifest. D.h. ich kann nicht dieselben Klamotten anziehen. Bei bunt sind sie hinterher definitiv hinüber, das haben wir beim indischen Holifest in Jaipur gesehen. Das war der bislang schönste Tag in meinem Leben, aber die Klamotten hat man ausgezogen und in den Müll verfrachtet, da war nichts mehr zu wollen. Wir hatten auch dort extra weiße Sachen gekauft.
Die weißen Sachen für die Indianos habe ich parat liegen. So musste ich heute noch was anderes zum Wegwerfen besorgen. Ich probierte verschiedenes in mehreren Geschäften an, fand aber dann den Preis für scheußliche Sachen, die man hinterher entsorgt dann doch zu teuer, wenn es auf alles mögliche Rabatt gibt, nur nicht für das. Am Schluss erstand ich ein T-Shirt für 14 Euro, das geht noch. Und Leggings habe ich noch, bei denen ich vermute, dass die sich waschen lassen, und wenn Farbe darauf zu sehen bleibt, ist das auf schwarzem Untergrund nicht so schrecklich. Schuhe habe ich übrigens auch endlich gefunden. Ich habe hier schon überall eine spezielle Marke gesucht, weil ich in die einfach hineinschlüpfen kann, ohne mich bücken zu müssen, was ja nicht geht.
Außerdem suchte ich ein Bekleidungsgeschäft, wo ich letztes Mal ein Kleid gekauft hatte, das so dermaßen bequem ist, dass ich am liebsten noch fünf solche hätte. Ich hatte vermutet, der Laden wäre im unteren Drittel der Fußgängerzone gewesen. Das war aber nicht so. Vielmehr lief ich bis zum obersten Drittel den Hügel hoch und war schon ganz enttäuscht, denn jetzt schlossen alle Läden wegen der Siesta und ich dachte, er sei schon zu und ich daran vorbeigegangen. Dann bat ich das Universum, zeig mir jetzt bitte den Laden, dass ich wenigstens weiß, wo er ist. Nächste Tür rechts war er. Leider gab es diese Kleider in den tollen Farben nicht mehr. Nur noch drei in Armeegrün, schwarz und beige. Ich habe alle anprobiert und beschlossen, ich adoptiere sie trotzdem, weil sie einfach so sagenhaft bequem sind. Winterkleider. Man kann auch eine Jeans drunter tragen. Ich benutze das eine, das ich hatte, als Mantelersatz.
Und dann die angenehme Überraschung – alle waren auf 50 Prozent heruntergesetzt. Yihaaa! Jetzt brauche ich nur noch meinen Sohn, der mit dem leeren Koffer anreist und mit dem vollen nach Hause fliegt, damit ich nicht mit 2 Koffern heimreisen muss.
Dafür speiste ich danach in einem Nepp-Lokal, wie ich beim Bezahlen bemerkte. Ich hatte fast nichts, aber es kostete dasselbe wie in Deutschland, und das ist hier absolut nicht normal. Eigentlich komme ich immer zwischen 8 und 14 Euro raus, 27 Euro ist nicht normal. Tatsächlich hatten sie für das Essen 15 Euro und den Aperol Spritz 9 Euro berechnet, und das Brot auch noch extra. Das ist für hier schon wirklich eine Frechheit. Das Essen war auch seltsam, Fleisch und Kartoffeln mit dem üblichen Mojo, den ich schon nicht mehr sehen kann (es gibt hier die rote und die grüne Variante, und die werden gnadenlos auf fast alles drauf gekleistert – so als würde man alles mit Ketchup essen wollen). Und obendrauf: ein Schöpflöffel Öl! Wer mag denn sowas? Meine Galle vermutlich nicht. Zum Glück hat sie nicht gleich rebelliert, denn ich habe versucht, alles aus der „Sauce“ rauszuziehen und abtropfen zu lassen.
Später gönnte ich mir am Hafen noch einen Cortado und versuchte, die Balkone zu zeichnen, die für die Kanaren so typisch sind, aber ich war gänzlich uninspiriert und hatte das Gefühl, wenn ich die Augen schließe, schlafe ich auf der Stelle ein. Ich war auch schon sehr weit gelaufen. Bis zum Bus musste ich dann noch ein gutes Stück weiter watscheln. 17:01 sagte das Internet, und dann alle halbe Stunde. Ich hatte den schon aufgegeben. Ich konnte nicht mehr gehen. Um 17:10 kam ich endlich an. Aber der Bus kam auch erst um 17:14. Perfekt!
Ich fuhr also zum Flughafen und holte dort mein Auto ab. „Hallo, mein lieber Schatz!“, begrüßte ich den schnuckeligen kleinen Blauen, um ihn gleich gut zu stimmen. Und tatsächlich, nachdem ich im Internet gegoogelt hatte, wie man den Rückwärtsgang bei dem denn einlegt, weil es nicht klappte, und dann einen Angestellten geholt hatte, wie man denn das Fenster aufkriegt (Knopf ganz wo anders als gedacht), fuhr er wie eine Eins, sogar viel flotter und problemloser als der große Dacia. Jetzt muss ich nur aufpassen, denn beim Dacia fühlte sich 40 schon an wie 80, und jetzt fahre ich 80 und denke, es sind 50. Also umlernen. Komisch, was der Kleine für eine Power hat! Und wenn ich den Berg runterfahre leuchtet ein Zeichen, das - glaube ich - bedeutet, dass er lädt. Scheint ein Hybrid zu sein. Nur hat er dieselbe Macke wie der Dacia – wenn meine Tasche auf dem Beifahrersitz steht, pfeift er, weil er meint, dass sich da jemand nicht angeschnallt hat. So schwer ist also meine Tasche! Erstaunlich, was ich so alles mit mir rumschleppe.
Dankbar und glücklich habe ich dann heute nach dem Film doch diesmal trotz später Stunde – denn wir haben wieder lange diskutiert und dann noch eine ganze Weile auf der Straße weitergeredet – noch einen Parkplatz gefunden. Der Wagen ist auch kürzer als der vorige und braucht nicht so viel Raum. Wie schön! Und er hat sogar ein Schiebedach.
Mehr von den schönen Dingen - 28.2.2025
Was für ein Flow-Tag! Heute gab es für mich nichts anderes als Malen, Zeichnen, Kritzeln, Schmieren. Mit den verschiedensten Arbeitsmitteln. Meer und Mehr malen hieß es auch heute wieder. Und mehr Meer und mehr als ich hat heute keiner gemalt. Als ich dann einpacken sollte, war ich eigentlich noch mitten drin und hätte locker weitermachen können. Dabei hatte ich nicht mal Frühstück gehabt. Und der Kurs war fünf Stunden lang.
Folglich gibt es hier heute eigentlich nur meine Werke von heute zu sehen. In all ihrer Naivität bis vielleicht Schönheit. Keine Angst, morgen habe ich mal wieder ganz was anderes zu berichten.
Nach meinen Malexzessen kehrte ich dann im Restaurant ein, habe aber die falsche Sorte Tintenfisch bestellt. Notiz an selbst: Chocos a la Plancha sind große, ganze Tintenfische, die wie aufgeblasene Luftballons aussehen und nach Eiweiß schmecken. Vielleicht erinnern sich einige von Euch noch an meine Frühstücke in Indien, nachdem ich die Küche im Krankenhaus, wo ich wegen meines Unfalls lag, gebeten hatte, ich hätte gern mal statt der sauscharfen Knoblauchsuppe frühmorgens Rührei. Ja, gerne, meldeten sie mir, aber dann bekam ich eine Schüssel, mit Eiweiß (ohne Eigelb) von ca. fünf Eiern, die mit einem Messer kleinstgeschnibbelt waren. Ohne Salz. Eiweiß mag ich nicht. Das war weder damals ein guter Start in den Tag noch heute der krönende Abschluss.
Aber die Bildervielfalt macht den Tintenfisch wett. Und die Trump-Selenskij-Diskussion auch, ich möchte gar nicht weiter drüber nachdenken, das erfüllt einen ja mit Angst, Schrecken und Verzweiflung. Bei mir ist Frieden und die Leute sind nett zueinander. Jedenfalls in meinem Umfeld.
Wir trotzten heute der Sonne im Hafen von Tazacorte (diesmal hatte ich sogar endlich mal den Hut dabei) und haben mit einigen kleinen Übungen begonnen – hinter dem Rücken malen und mit der linken Hand, irgendwelche Dinge in ein paar Sekunden aufs Blatt bannen, die uns diktiert wurden. Danach übten wir Farbverläufe mit wasserlöslichen Farbbuntstiften. Und beim freien Malen entschied ich mich, mich heute mal mit Ölkreide auseinanderzusetzen, und was damit möglich ist. Dies nur als kleine Erläuterung. Zur Deko noch die Hafenansicht. Das war‘s für heute! Gute Nacht!
So - die Bilder könnt Ihr nur in meinem anderen Blog sehen, und dieser Blog endet hier, weil ich die Seite nicht mehr gut weiter bearbeiten kann. Und heute geht dieser Malkurs zu Ende, und auch der Februar, das ist also ein guter Zeitpunkt! Es geht jetzt nur noch drüben weiter! Der heutige Beitrag ist hier:
https://letteratour.com/2025/02/mehr-von-den-schoenen-dingen/
Und der ganze Rest des Blogs, wobei der neueste Beitrag immer der oberste ist, befindet sich hier:
https://letteratour.com/category/texte/lapalma/
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© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.