Hinter den sieben Bergen, ach, Ihr wisst schon wo, standen in einem ansonsten verschlafenen und eher unschuldigen Schlosspark sechs grässliche, unbekleidete, dafür aber mit jeder Menge Blingbling übersäte Gartenzwerge, die sich in seltsamen Posen miteinander verlustierten, während ein siebter sich räkelte und mit lüsternem Blick zusah. Solcherart wurde man empfangen, wenn man vom überaus versnobten Grafen Balduin geladen wurde. Sein ganzer Stolz, sein pompöses Anwesen, war überladen mit jeglicher Art von Kitsch und Klimbim. Vor dem Portal stolzierte zum Beispiel ein weißer Pfau namens Abdullah mit einer blauen Gucci-Sonnenbrille umher, bei dessen Anblick sich Graf Balduins Ego jedes Mal noch mehr aufblähte.
Jeden Morgen flanierte der hohe Herr hoch erhobenen Hauptes durch seine Hallen, täglich aufs Neue entzückt von seinen fragwürdigen Statuen, die die Personifikation steinerner Selbstbeweihräucherung waren und auf die er sich manieriert als „Kunstmannsplastiken“ bezog. Von der Decke der Prunkhalle hingen völlig unpassende Kronleuchter aus Kutschenrädern und Mistgabeln (in seinen Augen kostbare Sammlerstücke, vom Künstler damals prätentiös als die „Neuerfindung des Rades“ betitelt), natürlich allesamt vergoldet. Die Wände schmückten überteuerte Gemälde in schreienden Farben, die der Graf für exquisite Kunstwerke hielt und „die Farbtupfer meines Paradieses“ nannte. Seine Überheblichkeit und sein Mangel an gutem Geschmack reichten sogar bis in die Toilette, wo sich sein Lieblingssessel – von ihm der „Thron der Verklemmung“ genannt - aus goldenem Holz mit rotem Plüsch bezogen befand. Auf der Sitzfläche wies dieser praktischerweise natürlich eine Öffnung auf, denn auch der edelste Mensch hat gewisse Sitzungen nötig.
Eines Tages geschah jedoch ein denkwürdiges Unglück während einer rauschenden, prunkvollen Gala, bei der die neueste Errungenschaft, eine glitzernde 93 cm hohe „Göttin der Überlegenheit“, eine Diamantstatue in Gartenzwerginnen-Form (für einen Gartenzwerg also überdimensioniert, wie alles in diesem Heim) präsentiert werden sollte. Graf Balduin hatte sich zur Feier des Tages das Haar zu Berge gestylt und suhlte sich wie üblich in einer Mischung aus Größenwahn und Selbstverliebtheit. Hinter seinem Rücken das übliche Geraune und Getuschel, exaltiertes Gelächter und ungehemmte Fressereien am kalten Büffet. Es wurde geraucht, und jede Menge Drogen aller Art wurden auf silbernen Tabletts gereicht. Die weniger Waagemutigen rauchten einfach Shisha, und dass das Behältnis mit den glühenden Kohlen umstürzte, während das gesamte Servicepersonal gerade nicht in dem Raum war, war wohl dafür ursächlich, dass irgendwie ein Feuer ausbrach.
Blitzschnell und gierig fraßen sich die Flammen durch das prunkvolle Gebäude, kitzelten die Kunstmannsplastiken, die zum Glück nicht aus Plastik, sondern aus fliederfarbenem Marmor waren, an Fuß und Nase, züngelten vergnügt über die Farbtupfer des Paradieses, verzehrten die neuerfundenen Räder, so dass die Mistgabeln herabstürzten und sich in den Parkettboden bohrten und legten sogar den Thron der Verklemmung in Rauch und Asche.
Ungläubig starrte Graf Balduin mit hängendem Kopf, einen Hauch von Ruß auf den Wangen, auf die immer noch lodernden Ruinen seines gerade noch so prächtig-protzigen Besitztums. Seine überheblichen Wortschöpfungen blieben ihm im Halse stecken, und als er so seine bereits in Teilen nur noch als Ruinen dastehenden Mauern fassungslos ansah, fragte er sich, wo er denn um Himmels willen in Zukunft die Nacht verbringen müsste. Womöglich in einem billigen, klapprigen Ikeabett irgendwo in einem heruntergekommenen, schmuddeligen Gasthof in der Umgebung. Mit gebrochenem Herzen und leerem Blick starrte er auf die einzig gerettete Gartenzwergstatue, deren Diamantenbesatz prasselnd abgesprungen war, weil der Leim der Hitze nicht standgehalten hatte und blickte tragikomisch in die Kamera der Reporterscharen, für die dies alles ein gefundenes Fressen war.
Plötzlich entdeckte der Graf am Boden liegend die blaue Sonnenbrille seines Lieblings, des Pfaus Abdullah. In unendlicher Verzweiflung wurde dem Grafen bewusst, dass er tatsächlich alles verloren hatte. Ein unnatürliches Glitzern trat in seine Augen und, bevor jemand ihn aufhalten konnte, schritt er hoch erhobenen Hauptes wie allmorgendlich hinein durch das bereits halb eingefallene Portal mit einem Lachen, so irre wie eine Kaskade aus Schmetterlingsflügeln und Glitzerkonfetti. Unmittelbar hinter ihm krachten lodernde Balken herunter, aus denen ganze Wolken von Funken stoben, die Mauern brachen in einer riesigen Staubwolke endgültig ein, und mit enormem Getöse stürzte der gesamte Dachstuhl herunter und begrub den Grafen unter sich.
© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.