Heute hatten wir wieder einen Sensitive-Dance-Zoom, in dem wir wie die Maus Frederick im Kinderbuch gute Erlebnisse aus dem Sommer eingefangen und sie im Geiste durchs „Tanz-mal-drüber-Nach“ konserviert haben für weniger sonnige Zeiten, draußen wie im Inneren. Quasi aufgefädelt wie die Perlen einer bunten Halskette.
Wenn ich mich frage, was für mich eigentlich den Sommer dieses Jahr ausmachte, so fällt mir auf, dass ich eigentlich weniger lebendig und „hupfert“ als sonst war. Das ist natürlich auch mit dadurch bedingt, dass mir das Essen so gut geschmeckt und zu vermehrtem Hüftgold geführt hat. Und dass ich an meinen beiden Urlaubsorten zwar „weg“ war, aber dort dann halt „dort“. Immer am selben Ort. Auch in Deutschland war ich mehr in Ingolstadt als in München, und da fast die ganze Zeit zu Hause.
Im Tanz zeigte sich dies in verminderter Beinarbeit und einer Verlagerung auf die Hände, die gerne schwebende Bewegungen machten und sich schwereloser anfühlten, als sie sonst sind, gerade so, wie auch ich dieses Jahr mehr mit meinen Händen gemacht habe: viel Mosaik und wahnsinnig viel geschrieben. Dafür bin ich bin nicht so viel vor mir selbst weggerannt wie früher.
Den Kopf über traurige Sachen geschüttelt habe ich auch, aber zum Glück konnte ich die schlechten Gedanken auch immer wieder fortschütteln, bzw. früher oder später werden sie in Form des Schicksals einer völlig fremden Person schriftlich verarbeitet und verzwirbelt, dass ich nicht mehr so genau durchscheine.
Was sind denn nun meine besten Sommererinnerungen von 2024? Ich werfe mal meine Perlen hier in die Schüssel, und Ihr könnt beim Lesen vielleicht eine eigene Schüssel füllen und auffädeln, was Euch an Ähnlichem oder Assoziiertem aus Eurem eigenen Sommer einfällt:
Das schiere Wohlgefühl der Sonne auf der Haut, solange sie noch nicht wehtut und man nicht schwitzt.
Die Kühle des Wassers auf der erhitzten Haut, der Schmerz der kantigen Poolleiter unter den Füßen, den auszuhalten im Gesamtpaket des Erfrischungserlebnisses beinhaltet ist, ebenso wie der Sand aus den Steinfugen unter den Sohlen, der knirscht und manchmal schmerzt und abgewaschen werden muss, bevor man ins Haus geht. Was wäre eine Suppe ohne Salz?
Der leichte Schrecken beim Betreten des glatten, gefühllosen Marmorbodens im Haus mit nackten Füßen, der so eine ganz andere Temperatur und Textur hat als die warmen, rau-kameradschaftlichen Terrassenplatten.
Die wunderschönen Farben der luftigen, flatternden Sommerkleider mit ihren Spaghettiträgern, in denen man sich einfach nur frei fühlt.
Die grüngelben Blüten des Tulpenbaums, der dieses Jahr zu meiner riesigen Freude das zweite Mal in seinem etwa 30-jährigen Leben geblüht hat. Ganz unbescheiden gehe ich davon aus, dass er dies extra für mich getan hat. Jedenfalls hatte ich ihn ganz lieb darum gebeten.
Der sumpfige Grund eines kalten Sees mit seinen heimtückischen Steinen, denen man aber die „Zähne ziehen“ kann, indem man sich sofort ins Wasser legt und die Füße hochnimmt. Das matschige Gras am Einstieg in den See und die breithalmige Wiese, die sich unter meinen Füßen klaglos ergibt und hinterher wieder aufsteht, als wäre nichts gewesen.
Der Geruch nach Gummireifen und Kerosin am Flughafen, die warme Luft, die einem dort zur Begrüßung entgegenkommt, sobald man die Gangway ins Freie betritt.
Das Sammeln von Strandgut wie kleinen Hölzchen, interessanten Steinen und Muscheln und abgefallenen Palmwedeln, auf die man Mosaik applizieren kann. Salz auf der Haut vom wild-gewaltig feuchten Meereswind, der Rücken sandgestrahlt, ein ganz unbekanntes Gefühl.
Mit der Freundin durch ein türkisches Bergdorf gehen und viele Fotos machen.
Die perfekt geschnittenen Haare und ihre plötzlich erneuerte Spannkraft durch den türkischen Messerschnitt.
Allein durch viele kleine Geschäfte ziehen und ganz viel wunderschöne Kleidung anprobieren. Dabei feststellen, dass man die so preiswert erfeilschen kann, dass fast alles mit nach Hause darf.
Abends gesalzene Haselnüsse oder Erdnüsse und Lokum aus Granatäpfeln, bedeckt mit Rosenblättern, essen und dem Sonnenerlebnis auf der Haut nachspüren. Sich die Erlaubnis geben, sinnlos Wörtersuchrätsel zu lösen und einmal verschwenderisch mit der Zeit umzugehen.
In Kroatien dann der Weg über den Berg und die Anstrengung dabei in der sengenden Hitze. Das Sammeln von Samenkapseln der Jungfer im Grünen und die Beobachtung der schwarzen Wildbienen. Von Heuschrecken behüpft werden, von Eidechsen begleitet.
Fröhlich mit einer großen Gruppe von Menschen beisammen beim Essen sitzen. Fisch essen und wieder Fisch und nochmal Fisch.
Im Regen in einer hässlichen blauen Regenhaut stundenlang bestens geschützt durch den Nationalpark wandern und die unglaubliche Schönheit der türkisenen Seen im unendlichen Grün bestaunen.
Der Geruch von gebratenem Lammfleisch. Zaziki essen ohne Rücksicht auf Verluste.
Wie der Weißwein, den wir in der geselligen Gruppe an der Sonne tranken, einem sofort zu Kopfe stieg!
Das Geräusch der Zangen der vielen Mosaikkünstler, die genauso wie ich, im Freien unter dem Sonnensegel mit einem kräftigen „Knips“ ihre Fliesen bearbeiten, um ein passgenaues Fragment zu kreieren. (Und sich Dutzende von Malen bücken, weil das perfekte Stück irgendwo auf dem unebenen Steinboden verschwunden ist.)
Mit meinem Liebsten sanft in der Schwebeliege zu schaukeln und zu wissen, dass auch er heute endlich mal keine Verpflichtungen hat, oder sich zumindest tatsächlich einmal Zeit für sich nimmt. Und miteinander lachen und albern sein wie Teenies.
Mit Freunden gemeinsam im Pool baden und einfach einen schönen Nachmittag ohne Sorgen miteinander genießen, um so mehr, weil die Freunde einander alle so gut leiden können.
Salat aus geschnittener Petersilie, Pfefferminz und dem kleingeschnetzelten Innenleben einer Zitrone. Ein persisches cremiges Safraneissandwich aus der Gefriertruhe, bezogen mit knisternden Eiskristallen. Oder ganz bayerisch auch mal einen „Russen“ (Weißbier mit Limonade) mit Schweineschnitzel und Kartoffelsalat, gern unter friedlichen hohen, schattenspendenden Kastanienbäumen.
Auch in Deutschland mal einen Fisch im Freien grillen. Die eigenen Mirabellen einkochen und Kerne spuckend deren Wohlgeschmack genießen. Den Saft aus selbstgekochten Pflaumen mit kaltem Sprudel vermischt die Kehle hinunter verfolgen. Der Süße des Sommerobstes nachspüren - Melone, sonst nie gegessene Äpfel, Pfirsiche und Aprikosen. Einen Eisbecher in der Eisdiele genießen und ohne schlechtes Gewissen einfach vor sich hintrödeln.
Für eine Sommerparty jede Menge Songs vorschlagen und dann in Erinnerungen schwelgend auf diese tanzen, wodurch die anderen Tanzenden ebenfalls ihre Erinnerungen entdecken oder neue schaffen.
Im Sommerkleid gemeinsam mit dem großen Sohn begeistert aus dem Theater kommen und unverhofft klatschnass werden, aber in der von ihm ausgehenden Unbeschwertheit der Jugend sich gar nichts draus machen.
Die Perseidennacht auf der Liege im Freien verbringen. Oder fast ganz.
Blaue Winden und rosa Rosen vor dem Schlafzimmerfenster, die einen beim Blick hinaus morgens freudig-sanft begrüßen.
Einen ganzen Tag Indianerfedern im Haar tragen.
Den neuen Blauton für die Terrasse aussuchen und dabei den veralgten grünen Pool mit einbeziehen, um aus Alt Neu zu machen.
Sich über zwei rosa Einhörner im Theaterstück mokieren und im Anschluss die unerhörte Komplexität des Radfahrens vor Augen geführt kriegen.
Dieser Sturz war dann das Erlebnis, das mir nicht nur rein äußerlich Einhalt geboten hat, sondern mich auch ganz handfest auf den Boden der Tatsachen zurückbeordert hat. „Dein Sommer ist vorbei, merk dir das! Du kannst sehr wohl so tun, als sei dies nicht der Fall, aber dein Herbst hat in Wirklichkeit längst begonnen.“ Dazu der Todesfall einer lieben Bekannten, und schon fangen die Knochen an zu frieren, und man muss die Heizung anschalten, um gute Miene zum bösen Spiel zu machen, Business as usual vorzutäuschen. „Nein, bis zum Herbst ist es gefühlt noch lange hin. Was, echt schon Oktober? Gleich wieder Zeitumstellung! Nein, Mann, ich will noch nicht gehen, ich will noch ein bisschen tanzen!“
Meine innere Uhr lasse ich einfach noch auf Sommerzeit.
© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.