Jedes Jahr, spät im Advent,
geht die große Hektik an.
Ach wie schön wär‘s, wenn ich fänd',
was man schnell noch schenken kann!
Für die Freunde jedenfalls
fehl'n noch viele Sachen.
Für die Familie ebenfalls
wollt' ich selbst was machen!
Doch ich wäre ja nicht ich,
Bliebe leer der Gabentisch.
Ein Rezeptheft ist gekauft:
Juchu! Hab alles, was man braucht!
Und so koch' ich ein Zitronen,
Zimt und Safran, Kardamom,
vielleicht könnte sich auch lohnen
'ne Spur Chili, etwas Mohn.
Ganz spontan füll ich mit Wein auf,
mmmm! Das riecht ja wirklich lecker!
Leg' ein Minzsträußlein noch drauf,
stell' zum Schluss den Küchenwecker.
Auf dem Herd wallt die Bescherung,
aber, wenn ich weiterdenk':
Viele Gläser (nach der Leerung)
brauche ich für das Geschenk!
Hatten doch diverse Gläser
übers Jahr sich eingefunden,
und ich hab nichts wegsortiert…
Allen soll es trefflich munden!
Ja, wo stecken die Behälter?
Schon wird mein Gekochtes kälter!
Doch ich find' nicht mein Versteck!
Warf ich die vielleicht doch weg?
Voll Elan öffne ich in Eile
Kartoffelgläser, brat mit Speck
in meiner kleinen Küchenzeile
Rosmarinkartoffeln weg.
Ab damit in den Gefrierschrank,
denn so viel isst niemand jetzt,
und den Sauerkrautreformtrank
trink' ich einfach, leicht gehetzt.
In dessen Glas, so bauchig-rund
passt 'ne Zitrone bis zum Grund.
Die Gläser sind rasch ausgespült
und mit Zitronen aufgefüllt.
Gurken, saure, in 'ne Schüssel,
Blaukraut auch. Ich brauch den Schlüssel
für den Speicher, denn da steht
noch mehr Vorrat, kühl umweht.
Ich verzehr' dann auf die Flotte
das Apfelgelee von Frau Lotte.
Edelragout mit viel Hirsch,
Mirabellen, Sauerkirsch…
Reneclauden, Obstsalat,
Ananas steht auch parat.
So, das gibt feines Dessert,
Kinder, kommt mal schnell hierher!
Gleich fang' ich an mit der Beschriftung!
Doch da verlangt aufs Mal nach Lüftung
mein Bauch, der plötzlich heftig grummelt,
weil irgendwas sich wild drin tummelt.
Ach, mir schwant, ich hatt' vergessen,
ich kann Sauerkraut nicht straflos essen!
Nun trank ich aber gleich drei Gläser -
ich hoffe bloß, das wird schnell besser!
Bevor jedoch ich mich versah,
war auch schon die Bescherung da.
Den Rest des Tags verbracht' ich dann
auf der Toilette, Mann oh Mann!
Am nächsten Tag, noch ganz geschafft,
hab' ich mich trotzdem aufgerafft,
die Küche sauber aufzuräumen.
Dabei wollt ich auch nicht versäumen,..
…ins Heft zu seh'n. Wurd' etwas blass,
als ich im Kochrezept drin las:
Auch Z u c k e r hätt' hineingehört!
Oh weh, hoff', dass es niemand stört!
Am Neujahr räum ich weg Geschenke,
in die Kommoden und die Schränke.
Was find ich da, blank, leer und schön:
im Kleiderschrank die Gläser steh'n!
Die Beschenkten derweil am Telefon
mit leicht gezwung'nem Unterton
loben die Gaben. Jeder spricht
"Sauer macht lustig". (Man merkt's bloß nicht).
Die Kinder maulen: "Sind jetzt weg
endlich die Kartoffeln mit dem Speck?"
Sie mochten auch nicht, sapperlot,
das Blaukraut und so viel Kompott!
Wir verbrauchten Vorrat wie kaum je zuvor.
Für jeden Tag standen drei Essen bevor
die letzten Tage vor dem Feste.
(Und bis Ferienende gab es Reste.)
Aus diesem Vorfall hab ich gelernt und
das Rezeptheft beinah' schon entfernt –
doch dann entdeckt' ich – und plane schon:
Weihnacht gibt's Quittenbrot im Pappkarton!
© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.