Dieser Text findet sich nun auch noch einmal auf meiner Seite Schnipsel (5-Minuten-Schreibübungen)
Frühling
Frühling flattert hellblau schmetterlingig durch feenhafte rosa- und gelb getüpfelte Knospenheide, Zirruswölkchen schmelzen sachte am Himmel. Die laue Brise bändelt in die Milchkannen der Sennerinnen und umzipfelt elfenhaft die dankbaren Kuheuter. Bebänderte Negligés in zarten Pastellfarben küssen einander vorsichtig auf der Wäscheleine und rascheln dabei sinnlich verheißungsvoll. Es singt allüberall – unermesslich facettenreich. Ein Frohlocken erhebt sich in die Lüfte, erst zart und behutsam, dann schwillt es an zu einem furiosen Crescendo.
Doch auf einen Schlag fängt alles an zu krächzen, Stimmbänder schmirgeln rauh, falsche Töne und abgebrochene Triolen mehren sich, ein heiseres Raspeln wird laut, die Kolkraben übernehmen das Kommando. Der eben noch so wie eine Fata Morgana erscheinende, goldstaubdurchwehte Sonnenstrahl streichelt nicht mehr faunisch über die kurz zuvor entstandenen Pfützen, das wunderliebsame Geworbel bricht gänzlich ab. Es ist schließlich April.
Ganz unvermittelt verfinstert sich der Himmel. Es kracht und dröhnt, als schlüge man gegen eine biegsame Metallplatte. Schon öffnen sich die himmlischen Schleusen. Die Pfützen werden nachgefüllt.
Flughafen
Majestätische Großvögel. Anflüge. Abflüge. Wartezeit. Die Papierkarte, auf die man gut aufpassen muss. Ausweis herzeigen. Gelangweilt tun. Draußen beim Besteigen des Busses riecht es brenzlig verkokelt, dünn und schroff, kratzt im Hals. Ein typischer Geruch. Stinkt es? Für mich ist es sogar ein schöner Geruch, voller Wehmutswolken. Kerosin. Benzin in Reinhard Meys vielbesungenen Pfützen schillernd wie die Regenbögen. Die Luft knistert.
Verängstigte, aber tapfer sich nichts anmerken lassende Passagiere nehmen Platz, kämpfen mit dem Gurt. Viel zu weit eingestellt beim einen, beim anderen ist die Länge für ein Kleinkind dimensioniert. Alte Hasen tun so, als wären sie in der Passagierkabine aufgewachsen. Süßliches Lächeln mehr oder weniger erfrischender Stewardessen und eines Quotenstewards.
Draußen Gangway, Gepäckverladung, bunt bemalte Maschinen. Die eigene sieht dagegen langweilig aus.
Endlich bin ich hier. Die Entscheidung ist getroffen. Die Reise geht ins Irgendwo. Ich fange an, mich wieder zu fühlen. Ein leichtes Vibrieren in mir. Große Erleichterung. Sie steigt unaufhörlich hoch, möchte sich fast lautstark Luft machen.
Wir rollen. Da kommt der Zebrastreifen. Das Flugzeug galoppiert. Es drückt mich in den Sitz, die Turbinen brausen. Freiheit steht da in Riesenbuchstaben über dem Horizont. Nur ich kann das sehen. Hauptsache, weg von dir.
Abendessen
Ich werde gerufen. Alles um mich liegen und stehen lassen. Aufgeräumt wird später. Treffe ich nicht unmittelbar nach dem Ruf am Tisch ein, führt das zu Diskussionen und verdirbt den ganzen Abend.
Da bin ich also! Schnell den Hocker am Tischende hervorgezogen. Quietschend schrammt er über das Linoleum. Schon sitze ich da, erwartungsfroh, wie auch mir Erwartung entgegengebracht wird.
„En Guätä mitenand!“
Ich greife zu. Beherzt. Reichlich. Das wird erwartet.
Ich kaue gründlich. 20 Mal. Wenn ich erwachsen bin, muss ich dann 32 Mal kauen. Für jeden Zahn einmal. So will es Papas Gesetz. Hier gibt es unsäglich viele Gesetze.
Später werde dann ich sie machen.
© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.