Letteratour's Webseite

Übersetzungen und Letteratour

19
Ok
Butter bei die Fische
19.10.2024 00:03

Hannes hatte von Kindesbeinen an, und er war immer noch nicht besonders viel länger als seine Beine, ständig irgendwelche Redensarten um die Ohren gehauen bekommen, so dass er nicht mehr wirklich so ganz frisch im Kopf war, bevor er überhaupt groß wurde. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu, ehrlich währt am längsten, keine Panik auf der Titanic, reich mir die Pfote, Kojote, Irrtum sprach der Igel und stieg von der Scheuerbürste, Klappe zu, Affe tot“ usw. Das war sein Sprachschatz, ob nun kindgemäß oder nicht.

Manches hatte er nie so richtig verstanden, wie z.B. wieso man Butter bei die Fische tat, um Tacheles zu reden, was auch immer das jetzt schon wieder war, und warum bei und nicht auf, und warum man anständigerweise sich nicht auskotzte, sondern Klartext vorzog. Für ihn war das alles unterschiedslos Jacke wie Hose, Ahoi Herr Matrose.

Manchmal schmunzelte man heftig über ihn, wenn er solche Sachen sagte, manchmal sah man im Restaurant auch die Eltern vom Nebentisch aus mitleidig an, die sich den ganzen Tag solchen hanebüchenen Unsinn anhören mussten, ohne zu ahnen, dass dies ja genau das war, was ihm geschah, dem Kleinen-Mann-Was-Nun. So wurde er nämlich gerufen. Das war sein altes Ego im Gegensatz zu seinen jungen Jahren.

Und so kam es, dass er halt, weil er nicht genau wusste, warum die Fische so gerne Butter hatten, mal ein paar Experimente mit denen machte, als er zu Besuch bei Tante Frieda war, die selber keine Kinder hatte. Da stibitzte er die schön mit dem Rillenmesser gelockten Butterflocken vom Frühstückstisch und warf sie in den winzigen Tümpel hinter dem Haus, in der stillen, aber heißen Hoffnung, dass dann irgendetwas ganz Grandioses passieren würde. Vielleicht dass der Butt hervortauchen würde und ihm einen Palast verspräche, den dann seine Fru, die Ilsebill, nicht so wollen würde, wie er ihn haben wollte. Jedenfalls hatte er in seinem Märchen- und Fabelbuch über so etwas gelesen, und da er ja keine eigene Fru hatte, konnte ihm nichts passieren.

Zu seiner großen Enttäuschung geschah aber gar nichts nach dem Einwurf der Butter, außer dass die Flocken ziemlich lange blöd herumdümpelten. Nicht mal die Enten hatten Interesse dran. Gegen Mittag sah er nochmal nach, da waren fettige Stellen im Wasser und keine Butter mehr da.

Da er aber auch die Geschichte vom kleinen Wassermann kannte und dem Wassermann eine Freude machen wollte, der ja gewisslich in diesem Teich wohnte, suchte er im Haus nach Sachen, die für den Wassermann richtig cool wären. Tante Frieda wusste nicht so genau, was er da machte, hatte aber keine Einwände, als er verschiedene Gegenstände zusammensuchte, um mit ihnen zu spielen.

Er hatte also einen Plüschaffen und eine Fliegenklatsche für Experimente, eine Schuhbürste und einen ausgestopften Hamster, der mal zum Haushalt gehört hatte - vor langer langer Zeit. Dass der Knabe auch ein bisschen Schmuck gefunden hatte in drei verschiedenen edlen Metallsorten, hatte die Tante nicht bemerkt.

Mit diesen Devotionalien stiefelte der Kleine-Mann-Was-Nun spornstracks zum Weiher und beförderte sie eins nach dem anderen hinein. Den Schmuck warf er über die Schulter, insbesondere die goldene Dollarmünze an der schweren Kette. Sowas hatte er mal in einem Film mit seinen Eltern gesehen, dass man das machte, wenn man zu einem Brunnen nochmal in seinem Leben wiederkommen wollte. Und er wollte die Tante noch oft besuchen. Es war schön hier. Keine doofen Reden. Und er wurde für voll genommen.

Dann fand er in der Rumpelkammer die Gitarre von Tante Friedas Verblichenem. Es waren zwei Saiten gerissen, und insgesamt war das alte Ding mit der wundervollen stromlinienförmigen Figur in keinem guten Zustand. Aber für den Onkel war es damals ein Heiligtum gewesen. Er hatte es von Jimi Hendrix himself bekommen. Es war leider naturgemäß in etliche Stücke zerborsten gewesen, aber dank vieler vieler Tuben Sekundenkleber war wieder was ganz Nettes draus geworden.

Der Kleine-Mann-Was-Nun zupfte nun an den verbliebenen Drähten wie besessen herum, so dass Tante Frieda schon langsam einschreiten wollte. Aber plötzlich war er dann hinterm Haus verschwunden und kam später ganz leise und glücklich wieder zurück. Endlich hatte sich der Butt gezeigt. Er hatte als Dank für die Gitarre mit seiner Buttinette neongrün aus dem Wasser heraus gelacht und dem Kleinen-Mann-Was-Nun versprochen, dass er für immer hierbleiben dürfe. Für immer und ewig. Für allezeit. Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Dass der Butt eigentlich ein Karpfen war, hatte er zwar nicht gesagt, aber das tat auch nicht so viel zur Sache.

Kurz darauf kam der Anruf mit der Nachricht vom grauenvollen Unfall seiner Eltern. Tante Frieda weinte noch viel mehr, als der kleine Mann was nun jubelte: Juchu, wie toll! Jetzt darf ich ganz bei dir einziehen! Juchu! Danke danke danke, du lieber Butt!

Aus dem See tönten leise ein paar fiese Gitarrenriffs auf der Flossengitarre zu ihnen herüber, und Tante Frieda glaubte fürderhin fest daran, einen Gruß von Onkel Max aus dem Jenseits empfangen zu haben.

Der Kleine-Mann-Was-Nun wurde bei ihr groß und stark, er bekam über den langen Beinen einen langen Oberkörper und lange Arme und einen halbwegs normalen Verstand, hieß jetzt wieder Hannes, und sie lebten in einem tollen Palast, mit dem sie alle beide total glücklich waren, und niemand von ihnen wollte jemals Papst werden.

© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.

 

Der Vier-Personen-Mango
Schutzengel

Kommentare


Gratis Homepage von Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!