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Ap
Im Labyrinth meiner türkischen Vergangenheit
24.04.2024 20:52

Wie sicherlich die wenigsten unter Euch wissen, hatte ich mal ein Verhältnis zur Türkei. Ein recht enges. Ich hatte so mit zwanzig begonnen, mich mit diesem Land bzw. seiner Kultur auseinanderzusetzen, was verursacht war durch einen grünäugigen, schwarzhaarigen, gleichaltrigen Schönling (wodurch auch sonst in dem Alter), der mich neuneinhalb Monate (sic) nach Beginn unserer unsterblichen Vernarrtheit verließ mit den Worten: „Meine Frau hat heute ihr 2. Kind gekriegt. Ja klar, ist es von mir. Ich muss zu ihr.“

Zuvor hatte ich nicht mal geahnt, dass er in einem anderen Bundesland eine Frau hatte! Unsere Tage hatten aus Wassermelone im Freibad, Sonnenbaden im Gras und Matratzeninspektion bestanden. Einmal hatte ich ihn in der U-Bahn entdeckt und zur Begrüßung auf den Mund geküsst. Zu meinem größten Entsetzen erwies sich dann aber, dass das jemand anders war! Offenbar hätte man mich damals nicht von der Bettkante geschmissen, denn der solcherart Überfallene war nicht unerfreut und wollte die gerade so überraschend begonnene Beziehung fortsetzen. Da wurde aber nix draus.

Mit der Türkei schwanden damals aus meinem Leben auch meine selbstgekaufte Gitarre und meine schöne blaue Pluderhose. Außerdem meine Versuche, Türkisch zu lernen. Somit blieben meine Cassetten mit Tülkisch fül Deutsche von Klaus Liebe-Haltkolt (schreibe hier l für das ungemein wässrige, oberflächliche tülkische „r“, da ich keine andere Methode kenne, diesen speziellen leichtlebigen Zungenschlag zu bezeichnen) im Folgenden in meinem Haushalt un-erhört und un-beliebt. Ich könnte dich aber in Grund und Boden quasseln mit daraus stammenden Sätzen wie „Geh du zum Chef und gib ihm die Zeitung“ und „Stumm zu sein wie die Tiere ist noch schlimmer“. Gelernt ist gelernt.

Jahre später fiel meinem Chef dann ein, er bräuchte jemanden, um die neu hinzugekommenen Kunden in der Türkei um den Finger zu wickeln. Er hatte beschlossen, dass man dazu Türkisch können müsse, weiblich sein solle und dass ich die Person wäre, die von allen Mitarbeiterinnen im Büro am ehesten zu solchen sprachlichen Verrenkungen neigen könnte. Also bekam ich einen Bildungsurlaub in der Türkei gestiftet.

Zwei Wochen Total Immersion sollten reichen. Im Sprachkurs schnipselten wir gemeinsam mit Türkinnen das Gemüse für den Salat zum Frühstück, vier Stunden schauten wir in der Kleinstgruppe in die Bücher und nachmittags schwammen wir mit einer Seekuh vor der Halbinsel nahe Izmir. Die Seekuh gehörte da überhaupt nicht hin, aber das war ihr egal. Sie war als Kuriosum jedenfalls ein interessantes Extra. Die Seeigel gehörten da meines Erachtens auch nicht hin. Aber auch hier war mein Erachten nicht gefragt.

Am Abend gab es türkische Feiern mit Musik und taschentuchwedelndem Getanze. Oder halben Hummer an der Mole zum Spottpreis. Oder ein Gespräch mit dem Bürgermeister oder dem einbeinigen Schneider, der für Pluderhosennachschub sorgte. Mit dem Bürgermeister fuhr mein Partner damals nachts zum Fischen, und tagsüber aßen wir dann den gefangenen Fisch vom Grill. Ja, der Ort war tatsächlich so klein, dass der Bürgermeister Spaß daran hatte, sich mit uns abzugeben.

Aus diesem vierzehntägigen Türkischkurs resultierte dann eine Sprachfertigkeit, die mich befähigte, noch weitere zwei Wochen mit dem Bus durchs Land zu fahren, für uns Essen zu bestellen und Zimmer zu mieten. Vielleicht hätten auch meine Deutschkenntnisse gereicht, denn ein jeder war stolz darauf, mitteilen zu können, dass er mal 4 Jahre in Stuttgart, Hamburg, München, Darmstadt, Schlagmichtotkaff gelebt hatte. So radebrechten wir hin und her. Wenn man ein bisschen Türkisch kann, wird man von allen geliebt. Besonders den Kellnern, die einem dann eine Extraportion Öl über das Essen schütten, was ein normaler deutscher Magen aber nicht so gern mag.

Mein Partner kam auch mit seinem Persisch irgendwie durch, denn etliche Wörter sind im Türkischen und auf Farsi ähnlich. Besser gesagt, die Konsonanten sind gleich, die Vokale aber im Türkischen um eine Stufe spitziger als im Persischen. Statt a ein e, statt e ein i, statt i ein ü, statt o ein ö und sowas in der Art.

Jedenfalls war ich nach dem Bildungs- und Urlaubsurlaub trotzdem nicht in der Lage, den Firmenchefs in der Türkei Glasprüfgeräte anzupreisen und sie zum Kauf zu überreden, weswegen die Mission Verkaufskanone dann eingestampft wurde. Zumal die Herren der Schöpfung in der Türkei bevorzugt mit einem Mann reden wollten! Und außerdem auch selbst ein bisschen Fremdsprachen beherrschten. Ich glaube, es wechselten auch ohne mein Zutun amerikanische Geräte, die mein Chef vertrieb, den Besitzer und landeten in Mersin und Pasabahce und anderen noch schwerer auszusprechenden Orten.

Damit hätte meine Türkisch-Karriere enden können, wenn ich nicht inzwischen ein paar Urlaube in diesem schönen Land gemacht hätte, insbesondere ganz gern zu Weihnachten, denn dem Festtrubel konnte ich dadurch entkommen, und es gab etliche Jahre, da legte ich auf solche Feierlichkeiten keinen allzu großen Wert, jedenfalls bevor die Kinder da waren und das Christkind zu ihnen kam wie zu allen anderen Kindern auch in München. (Ja, ich hatte am Heiligabend ganz ordentlich zu tun.)

Mit den Jungs waren die Türkeiurlaube dann eher dazu gut, mal ans Meer und in einen großen Pool mit öligwarmem Wasser und an öligwarmes, öltriefendes gutes Essen in unglaublichen Mengen zu kommen, ohne mir selber als begnadetes Kochtalent ein Bein und zwei Arme ausreißen zu müssen. Auf dem Büffet stand eine Trinkgeldbox mit der Aufschrift „Koch für“, wie es die türkische Grammatik vorgibt, denn da wird vieles nachgestellt, ganz anders als bei uns. Überhaupt hat man im Türkischen manchmal das Gefühl, der ganze Satz wäre von hinten aufgezäumt, da sich das Gesagte in entgegengesetzter Richtung entwickelt wie bei uns.

Nun habe ich etliche Jahre ausgesetzt und mich mit der Türkei in keinster Weise beschäftigt, meine Freundin aber schon, denn sie hat sich hier eine Ferienwohnung zugelegt. Und da sind wir im Moment. Das Wetter ist zwar netter als daheim, aber es bläst uns quasi fast vom Balkon. Gestern waren wir am Strand, wo wir vom scharfkantigen Pulver ein bisschen gesteinigt oder sagen wir mal sandgestrahlt wurden und hinterher eine knirschende Kruste zwischen den Haaren erstmal loswerden mussten, was nicht leicht ist, da das Leitungswasser in der Wohnung kalt ist. So beim Geschirr- und Händewaschen ist das ja nicht so schlimm, aber unter der Dusche macht es doch ziemlich wenig Spaß. Und nein, ich will wirklich nicht behaupten, dass das türkischer Standard sei. Das ist nur gerade in dieser Wohnung so.

Da es hier also nicht so wahnsinnig viel zu tun gibt, wenn man keinen Spaß dran hat, bei „Windstärke grässlich“ in den mitgebrachten aprilunangepassten Flatterkleidchen im Ort herumzuflanieren, sich eine leichte Lungenentzündung und eine heftige Unterleibsverkühlung zu holen, und wenn das Fernsehprogramm irgendwie unerquicklich ist, was macht man da? Klar! Türkischlernen. Mit meiner App. Die geht allerdings anders vor als meine bisherigen Lehrbücher. Jedenfalls habe ich nun schon in beneidenswerter Pracht und Ausführlichkeit Sätze gelernt, mit denen ich weder Dolmuş (lächerlich preiswerter Kleinbus mit Haltestellen nach Wunsch der Fahrgäste) fahren könnte, noch ein Zimmer mieten, geschweige denn, mir was zu essen bestellen. Dafür kann ich bestimmt für angeregte Unterhaltung sorgen mit Sätzen wie: „Meine Enten sind grün! Alte Männer trinken Milch auf der Bank! Lies du im orangenen Buch! Die Mädchen tragen Röcke im November, du trägst einen lila Anzug. Der Palast ist auf dem Platz und der Bahnhof im Park. Weißt du, dass das Jahr 52 Wochen hat und vier Jahreszeiten? Wer holt dich am Dienstag vom Flughafen ab? Montag ist der Tag nach Sonntag.“

Ich habe nicht gerade das Gefühl, damit könne ich uns bestens durchschlagen, falls uns die Zwiebeln verfaulen und wir in der Folge deren Genusses ein Taxi oder einen Krankenwagen brauchen, um die Klinik von innen besichtigen zu gehen. Aber bei Entlassung könnte ich dann endlich mal wortgewandt auftrumpfen: „Krankenhaus vom kommen wir. Im August dort Termin einen wir haben.“

 

© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.

 

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